Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Religion und Politik - Eine allgemeine Einführung in die Thematik
3. Iran
3.1. Geschichte
3.2. Religion
3.3. Politik
3.4. Das Verhältnis von Religion und Politik
4. Fazit
Bibliographie
1. Einleitung
Im Rahmen des Seminars ‚Religion und Politik‘ soll sich in dieser Arbeit mit dem Verhältnis dieser zwei Komponenten in Iran befasst werden. Iran ist in den letzten Jahren vor allem durch sein Atomprogramm und seiner aggressiven Haltung gegenüber Israel in den Medien gewesen. Nicht zuletzt das Auftreten Mahmud Ahmadinedschads, den ehemaligen Staatspräsidenten, wurden Sanktionen durch EU und USA gegen Iran beschlossen1. Seit dem 11. September 2001 ist die westliche Welt besonders vorsichtig gegenüber muslimischen Ländern, da aus ihnen die Herkunft des Terrorismus erwartet wird. In der westlichen Vorstellung wird Religion und Politik von muslimischen Ländern gleichgesetzt und unterscheiden dabei selten zwischen Muslimen, Islamisten und Terroristen. Deshalb soll dieser Aufsatz am Beispiel der Islamischen Republik Iran untersuchen, wie das Verhältnis von Religion und Politik beschrieben werden kann.
Dazu soll sich zuerst damit auseinandergesetzt werden, wie das Verhältnis von Religion und Politik am besten zu untersuchen ist. Anschließend soll sich, von diesem Leitfaden ausgehend, sich mit der Geschichte, der Religion und dem politischen Systems Iran beschäftigt werden. Im nächsten Schritt sollen diese Ergebnisse zusammengeführt werden, um das Verhältnis der beiden Komponenten zu beschreiben. Im Fazit soll schließlich das Ergebnis noch einmal zusammengefasst und ein Ausblick auf aktuelle Tendenzen zu dieser Thematik Iran gegeben werden.
Außerdem soll erwähnt werden, dass es möglich ist, den Terminus ‚Iran‘ mit und ohne Artikel zu verwenden. In dieser Arbeit wird er ohne Artikel verwendet.2
2. Religion und Politik - Eine allgemeine Einführung in die Thematik
Der Schwerpunkt dieses Aufsatzes ist es, sich mit dem Verhältnis von Religion und Politik in Iran auseinanderzusetzen. Bevor dieser Aspekt jedoch beleuchtet wird, soll ein Einblick darüber gegeben werden, auf was zu achten ist, wenn man sich der Untersuchung des Verhältnisses von Religion und Politik eines bestimmten Landes oder einer Region widmet. Als Grundlage dafür wird der Aufsatz von Konrad Raiser genommen, den er 2009 auf einem Symposium am Theologischen Institut der Universität Hannover vortrug.
Hierin unterscheidet Raiser zunächst drei Formen, welche zur Analyse des Verhältnisses von Religion und Politik dienen sollen. Die theokratische Tendenz ist die erste Form. Hier werde die Religion als Ägrundlegende Quelle von Macht und Autorität und“3 anerkannt und sei somit ÄMaßstab für die Legitimität aller Formen und Strukturen politischer Herrschaft“4. Bei der cäsaropapistischen Tendenz okkupiert die Politik die gesamte Macht, inklusive der Kontrolle von Religion. Diese kann auch komplett in das Staatswesen eingefügt werden. Die letzte Form ist die laizistische Tendenz. Hierbei distanzieren sich Religion und Politik voneinander und es herrscht eine klare Trennung. Dabei ist die Politik gänzlich säkularisiert, während die Religion auf den privaten Sektor beschränkt ist.5 Allein diese Unterscheidung in verschiedene Formen zeigt, dass das Verhältnis von Religion und Politik nicht verallgemeinerbar ist, sondern geschichtliche Entwicklung sowie kulturelle und religiöse Besonderheiten, welche von Land zu Land und von Region zu Region unterschiedlich sind, Einfluss auf dieses Verhältnis haben. Deshalb ist es notwendig, sich damit bei der Untersuchung des Verhältnisses von Religion und Politik auseinanderzusetzen.
Vor allem in unserem europäischen Verständnis, in denen die Säkularisierung der politischen Welt zur Normalität geworden ist, spielt diese Notwendigkeit eine wichtige Rolle, da es diese Trennung in den meisten anderen Regionen der Welt nicht so deutlich gibt. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich die Säkularisierungsthese anschaut. Diese ist ausgehen von Emile Durkheim und Max Weber entwickelt worden und besagt, dass Religionsgemeinschaften durch Äden Prozess der Modernisierung mit der zunehmenden rationalen Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Funktionen“6 in den privaten Bereich zurückgedrängt würden. Als empirische Basis gelten dafür die europäischen Gesellschaften. Betrachtet man jedoch beispielsweise die verschiedenen Gesellschaften in West- und Südostasien fällt auf, dass Religion hier stets und noch immer einen bedeutenden Einfluss auf das gesellschaftliche Leben hat.7 Der Grund dafür ist, dass sich das europäische Verständnis von Politik - geprägt von Reformation, Absolutismus und Aufklärung - auf den Staat und die Ausübung dessen Macht konzentriert. In anderen Kulturen jedoch sind Anwendung und Rechtfertigung von Macht vor allem an religiöse Werte gebunden.8
Es zeigt sich, dass Religion und Politik durchaus sich überschneidende Funktionen haben. Beide haben das harmonische Miteinander innerhalb der Gesellschaft im Auge und sind auf ihre Ordnung bzw. Strukturierung fokussiert.9 Religion und Politik haben Bezug zu Macht, allerdings auf unterschiedlich Weise: ÄReligion repräsentiert symbolische, kommunikative Macht, die auf Einsicht und Zustimmung zielt“10, während Politik zur Erreichung bestimmter Ziele ÄMacht strategisch und instrumental“11 einsetzt, wenn notwendig auch Zwang.
Bei diesem Einblick wurde deutlich, dass Religion und Politik zwar Überschneidungen in ihren Funktionen aufweisen, daraus jedoch keinesfalls ein universalisierbares Verhältnis extrahiert werden kann. Des Weiteren wurde aufgezeigt, dass die in der europäischen Tradition wurzelnde Säkularisierungsthese nicht so einfach auf andere Regionen anwendbar ist. Wenn man das Verhältnis von Religion und Politik in einem Land untersuchen möchte, sollte man deshalb sich mit der Geschichte des Landes vertraut machen und die religiösen und kulturellen Besonderheiten beachten, bevor sich ein Ergebnis präsentieren wird.
3. Iran
Nachdem im vorherigen Kapitel eine Art Leitfaden zum Untersuchen des Verhältnisses von Religion und Politik gegeben wurde, soll dieser in diesem dritten Abschnitt, welcher den Schwerpunkt der Arbeit darstellt, angewandt werden. Zunächst wird sich mit der Geschichte Irans auseinandergesetzt. Anschließend soll sich in zwei Unterkapiteln speziell zum einen mit der Religion in Iran und zum anderen mit der Verfassung und dem politischen System beschäftigt werden. Im vierten Unterpunkt wird versucht, aus diesen Aspekten das Verhältnis von Religion und Politik zu beschreiben.
3.1. Geschichte
Die Geschichte Irans ist sehr traditionsreich und komplex. In der Antike zählten die Perser zu den Weltreichen und hatten mit Herrschern wie Xerxes und Dareios große Könige der Alten Welt. Will man die neuere Geschichte Irans untersuchen, bietet es sich an in der Mitte des 7. Jahrhunderts n.Chr. zu beginnen. Zu jener Zeit hatte Mohammed den Islam begründet und die Religion spaltete sich nach seinem Tod in zwei Lager, die Sunniten und die Schiiten. Die Schiiten, welche im heutigen Iran die religiöse Mehrheit darstellen, sehen in Mohammed und seinen Nachfolgern, den zwölf Imamen, die rechtmäßigen Führer der Muslime. So gründete sich 656 in Iran das Imamat - die Herrschaft der Imame. Jedoch verschwand der zwölfte Imam zu Beginn des 10. Jahrhunderts und verkündete seinen Gefolgsleuten, zunächst auf eine weltliche Herrschaft zu verzichten.12 Seitdem warten die Schiiten bis heute auf seine Rückkehr, nach welcher das Kalifat als irdisches islamisches Herrschaftssystem errichtet werden soll.13
In den nächsten Jahrhunderten wurde Iran durch Seldschuken und kleinere Königreich fremdbeherrscht14, bis 1501 die Dynastie der Safawiden den ersten islamischen Staat etablierte. Der schiitische Islam wurde als offizielle Religion eingeführt und einte die Schiiten untereinander, grenzte sie aber auch von den Sunniten ab.15 Jedoch ist anzumerken, dass unter den Safawiden durch das Fehlen des zwölften Imams irdische und geistliche Macht enger miteinander verknüpft sind.16
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1 Diese wurden zu Beginn 2014 von Seiten der EU und der USA gelockert, da u.a. die Uranproduktion heruntergefahren wurde (Vgl. ZEIT ONLINE).
2 Vgl. Werner (2012): ÄIran“ mit oder ohne Artikel?
3 Raiser (2010): Religion und Politik, S. 19.
4 Ebd.
5 Vgl. ebd.
6 Ebd., S. 13.
7 Vgl. Raiser (2010), S. 15f.
8 Vgl. ebd., S. 18.
9 Vgl ebd., S. 19.
10 Ebd., S. 21.
11 Ebd.
12 Vgl. Wahdat-Hagh (2003): ÄDie Islamische Republik Iran“, S. 38.
13 Vgl. ebd., S. 3.
14 Vgl. ebd., S. 3ff.
15 Vgl. ebd., S. 5.
16 Vgl. ebd., S. 57.