Die Hausarbeit ist auf breiter Literaturgrundlage erstellt worden und enthält viele wichtige Beobachtungen. Die Einteilung in ein Kapitel über die deutsche Gesellschaft während des revolutionären Umbruchs und in ein weiteres über "Öffentlichkeit" erscheint plausibel.
Dabei ist das Gesellschaftsbild sehr stark durch das französische Vorbild geprägt: Klerus, Adel, Dritter Stand. Deutschland sollte ein anderes Modell zugrundegelegt werden, denn den "Klerus" als Stand gab es nur in katholischen Territorien. Der protestantische Pfarrerstand gehörte zum Bildungsbürgertum, das bei dem Autor nur angerissen wird.
Ohnehin ist die Rivalität zwischen Dienstadel und Bildungsbürgertum prägend für Deutschland, im Berufsbeamtentum lebt diese Entwicklung zum Teil bis heute weiter. Des Autors Beobachtungen über die begrenzte Liberalität der Landbevölkerung sind zutreffend, auch zur Linie Stralsund-Dresden, was darauf hindeutet, dass die Bemühungen zur Volksbildung bereits vor Ende des 18. Jahrhunderts langsam Früchte trugen. Noch weitere Anstrengungen bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein waren erforderlich, bis die Elementarbildung zum Normalfall und der Analphabetismus zur kleinen Ausnahme wurden (Reste von letzterem sind bis heute zu beobachten, s. Pisa-Studien).
Bei "Öffentlichkeit" sollte von Jürgen Habermas ausgegangen werden, während Hannah Arendt vor allem für das 20. Jahrhundert wichtig ist. Trotzdem sind auch in diesem Kapitel viele Beobachtungen zutreffend, auch wenn die Systematik der Argumente nicht überall zur einheitlichen Bewertung führt. Der Autor betont teilweise die Befürwortungen der Revolution durch die Deutschen, später die geschlossene Ablehnung, da fehlt der vermittelnde Hinweis auf die chronologische Entwicklung, dass sich die Begeisterung 1793/94 stark abschwächte.
[...] Dennoch ist es insgesamt eine gelungene Hausarbeit, so dass ich die Note, voll gut (1,7) für vertretbar halte,
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ein Abriss über die deutsche Gesellschaftsstruktur um 1800
- Deutschland aus französischer Sicht
- Der Dritte Stand - Unterschicht, Bauern, Bürgertum
- Wer konnte wirklich lesen? Der Alphabetisierungsgrad in der deutschen Bevölkerung
- Die deutsche Öffentlichkeit während der Französischen Revolution
- Eine nähere Begriffsbestimmung - Öffentlichkeit
- Rezipienten der deutschen Zeitschriften und Journale während der Französischen Revolution
- Die Französische Revolution in der deutschen Öffentlichkeit
- Schlussbetrachtung - Deutschland auf dem Weg zur Nation
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die deutsche Öffentlichkeit während der Französischen Revolution. Sie untersucht, ob und inwieweit ein öffentlicher Raum in Deutschland während dieser Zeit existierte und wie dieser die Ereignisse in Frankreich in Form von Zeitungen und Zeitschriften rezipierte. Darüber hinaus wird untersucht, warum in Deutschland keine Revolution nach französischem Vorbild entstand.
- Die deutsche Gesellschaftsstruktur um 1800
- Der Alphabetisierungsgrad der deutschen Bevölkerung
- Die Rezeption der Französischen Revolution in der deutschen Öffentlichkeit
- Die Rolle der Zeitungen und Zeitschriften
- Die Entstehung eines deutschen Nationalgefühls
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung liefert einen Überblick über die Bedeutung der Französischen Revolution für die Entwicklung Europas und stellt die Forschungsfrage nach der Existenz und Rezeption eines öffentlichen Raumes in Deutschland während dieser Zeit. Der erste Teil analysiert die deutsche Gesellschaftsstruktur um 1800, wobei ein Schwerpunkt auf dem Dritten Stand und dem Alphabetisierungsgrad der Bevölkerung liegt. Der zweite Teil widmet sich der Definition des Begriffs "Öffentlichkeit" und untersucht die Rezipienten der deutschen Zeitungen und Zeitschriften. Der dritte Teil analysiert die Berichterstattung über die Französische Revolution in ausgewählten Zeitschriften und Zeitungsquellen. Die Schlussbetrachtung beleuchtet die Entstehung eines deutschen Nationalgefühls im Kontext der Französischen Revolution.
Schlüsselwörter
Französische Revolution, deutsche Öffentlichkeit, Zeitungen, Zeitschriften, Alphabetisierungsgrad, Dritter Stand, Nationalgefühl, Aufklärung, Absolutismus, Kleinstaaterei, Deutschland, Frankreich.
- Arbeit zitieren
- Dominik Schneider (Autor:in), 2014, Die deutsche Öffentlichkeit im Zeitalter der Französischen Revolution, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/285218