Seit Descartes als Beginn der neuzeitlichen Philosophie hatte das Phänomen des Bewußtseins/Selbstbewußtseins eine zentrale Stelle bei nahezu allen Philosophen besetz. Im deutschen Idealismus, speziell bei Fichte, wird diese Wendung der Philosophie der Neuzeit radikalisiert und das menschliche Bewußtsein in eine narzißtisch-hermetische Immanenz hineinmanövriert, aus der es nur unter beträchtlichen subtilen Verrenkungen unter Aufkündigung formallogischer Prinzipien befreit werden kann.
Während die neuere Entwicklung zu einer Transzendentalphilosophie ohne Bewußtsein ging (im Pragmatismus, Strukturalismus/Poststrukturalismus oder in der sprachanalytischen Philosophie), wird in jüngster Zeit vor der Herausforderung des Naturalismus und durch die Erkenntnis der Grenzen eines sprachlich-logischen Behaviorismus das immer noch nicht befriedigend gelöste Rätsel des Bewußtseins wieder neu diskutiert – betrifft dieses Thema doch das Selbstverständnis des (gemeinen) Menschen als selbstbestimmte, selbstverantwortliche Person, das eben seit Beginn der Neuzeit mit den Phänomenen Bewußtsein/Selbstbewußtsein verbunden ist.
Ernst Tugendhats „Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung“ ist ein wichtiges, wirkungsreiches Werk in dieser neueren Diskussion. Obwohl Vertreter der sprachanalytischen Schule, baut der Heidegger-Schüler Tugendhat seine als Gegenentwurf zu den verhängnisvollen paradox-zirkulären traditionellen Theorien und vor allem zu deren Epigonen (‘Heidelberger Schule’) entwickelte Theorie des Selbstbewußtseins auch auf der philosophischen Konzeption seines Lehrers auf, wie sie dieser in „Sein und Zeit“ dargelegt hat. Ein solches Verfahren erscheint nicht nur deshalb sinnvoll und fruchtbar, weil Heidegger sich selbst immer wieder radikal gegen die philosophische Tradition, ihre Begriffe und Strukturen, stellt , sondern vor allem wegen der plausiblen Alternative, die er anbietet: nämlich den Selbstbezug statt als Reflexion (mit all dem mißlichen mentalistischen Subjekt-Objekt-Zirkel-Ballast) als ein Verhalten zur eigenen Existenz zu fassen.
In dieser Arbeit soll diese Heideggersche Alternative in ihrer Darstellung und Interpretation durch Tugendhat umrissen, kommentiert und gewürdigt bzw. kritisiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1) Tugendhats Position zur Philosophie Heideggers
- 2) Heideggers Konzeption des Sichzusichverhaltens (nach Tugendhats Darstellung)
- 2.1) Die allgemeine Struktur
- 2.2) Erschlossenheit des „Zu-seins“ über die Befindlichkeit
- 2.3) Erschlossenheit des „,Worumwillen“ über das Verstehen
- 2.4) Die Grenzen
- 3) Kritische Würdigung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Heideggers Ansatz des „Sichzusichverhaltens“ in „Sein und Zeit“ im Kontext der Selbstbewußtseinstheorien. Der Fokus liegt auf Tugendhats Interpretation und Kritik dieses Ansatzes, die er in seinem Werk „Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung“ darlegt.
- Heideggers „Sichzusichverhalten“ als Alternative zu traditionellen Selbstbewußtseinstheorien
- Tugendhats sprachanalytische Kritik an Heideggers begrifflicher Verwirrung
- Die strukturelle Konzeption des Sichzusichverhaltens in „Sein und Zeit“
- Die Grenzen und das innovative Potential des Heideggerschen Ansatzes
- Die Rolle der Sprache und des Verstehens in Heideggers Philosophie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet den historischen Kontext der Selbstbewußtseinstheorie und die Bedeutung von Tugendhats Werk in der aktuellen Diskussion. Kapitel 1 analysiert Tugendhats Position zur Philosophie Heideggers, wobei insbesondere seine Kritik an dessen begrifflicher Verwirrung und gleichzeitig seine Anerkennung von Heideggers innovativem Ansatz im Bereich des Sichzusichverhaltens im Vordergrund steht.
Kapitel 2 befasst sich mit Heideggers Konzeption des Sichzusichverhaltens, wie sie von Tugendhat dargestellt wird. Es werden die allgemeine Struktur, die Erschlossenheit des „Zu-seins“ und des „Worumwillen“ sowie die Grenzen des Ansatzes beleuchtet.
Schlüsselwörter
Selbstbewußtsein, Sichzusichverhalten, Sein und Zeit, Tugendhat, Heidegger, Sprachanalyse, Philosophie, Existenz, Selbstbestimmung, Tradition, Destruktion, Ontologie, Hermeneutik, Verstehen, Befindlichkeit, „Worumwillen“, Grenzen.
- Arbeit zitieren
- Thomas Keith (Autor:in), 1997, Heideggers Ansatz des 'Sichzusichverhalten' in "Sein und Zeit" als Alternative zu traditionellen Selbstbewusstseinstheorien (nach Ernst Tugendhat), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28535