Das Leben des Mediävisten Aron Jakovlevič Gurevič war eingebettet in die sowjetische Wissenschaftslandschaft, in der bis zum Ende der 1980er Jahre das eigenständige Denken als gefährlich galt (Hösler 1995, 88). Aus dieser sowjet-konformen, rückständigen und demoralisierten Forscherzunft, stach Gurevič neben Jurij Lotman und Boris Uspenskij positiv hervor. In einer Zeit, in der in Gurevičs (1990, 15) Worten die „Politik der Sekretäre […] unsere Wissenschaft zu Provinzialismus und Gefängnisdasein verdammt“ hat, gingen von ihm Impulse aus, die sich auch nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 für die Mittelalterforschung als fruchtbar erwiesen (Hösler 2006, 4). Dabei wurde Gurevičs wissenschaftlicher Werdegang von den zwei damals vorherrschenden, mächtigen Strömungen der Geschichtsschreibung bestimmt: der marxistischen Theorie und der histoire nouvelle (Bois 1994, 290). Des Weiteren ließ sich Gurevič in seinen Abhandlungen vom russischen Literaturwissenschaftler und Kunsttheoretiker Michail Bachtin inspirieren. Mit Hilfe dieser Einflüsse erarbeitete sich Gurevič seine eigene, ganz besondere Arbeitsweise um die sozialen Erscheinungen des Mittelalters mit Hilfe von immateriellen Kategorien und weniger wie damals üblich mit rein ökonomischen Faktoren zu beleuchten. Auch versuchte er stets seine Forschungen zur Vergangenheit mit der Gegenwart kritisch zu verknüpfen.
Die vorliegende Arbeit beschreibt Gurevičs Einflussrahmen, stellt seinen wissenschaftlichen Werdegang dar und analysiert anhand seines Werkes „Mittelalterliche Volkskultur“ den Gegenwartsbezug und die Kritik an der sowjetischen Wissenschaftslandschaft. Dabei wird folgenden drei Leitfragen nachgegangen:
1. Welche Einflüsse prägten Gurevičs Theorieverständnis nachhaltig?
2. Aus welchen Gründen stach Gurevič aus der damaligen sowjetischen Forscherzunft positiv hervor?
3. Lassen sich in seinem Werk „Mittelalterliche Volkskultur“ kritische Töne gegenüber dem sowjetischen Wissenschaftsverständnis ausfindig machen?
Inhaltsverzeichnis
- Einführung.
- Themenstellung
- Gang der Untersuchung und Forschungsstand.
- Gurevičs Einflussrahmen........
- Sowjetische Historiographie..
- Annales-Bewegung......
- Bachtins Einflüsse .
- Die Person Gurevič......
- Gurevičs wissenschaftlicher Werdegang.....
- Gurevičs bedeutendste Werke.
- Gurevičs wissenschaftliches Theorieverständnis
- Gurevičs Gegenwartsbezug und seine westliche Sicht...\n
- Analyse von Gurevičs „Mittelalterliche Volkskultur\",\n
- Einordnung und Quellenauswahl..
- Obsessive, heidnische Heiligenverehrung..
- Hagiographie als Kircheninstrument.
- Gurevičs Verknüpfung zur Gegenwart..
- Zusammenfassung.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit zielt darauf ab, den Einflussbereich von Aron Jakovlevič Gurevič in der spätsowjetischen Wissenschaft zu analysieren. Sie untersucht seinen wissenschaftlichen Werdegang, seine bedeutendsten Werke und dessen kritischen Bezug zur Gegenwart. Der Fokus liegt dabei auf der Analyse seines Werkes „Mittelalterliche Volkskultur“, um Gurevičs kritische Verknüpfung zur Gegenwart und seine Auseinandersetzung mit der sowjetischen Wissenschaftslandschaft zu beleuchten.
- Gurevičs Einflussrahmen: Die sowjetische Historiographie, die Annales-Bewegung und Bachtins Einfluss auf seine Forschung.
- Gurevičs wissenschaftlicher Werdegang: Seine Entwicklung als Wissenschaftler, seine wichtigsten Werke und seine kritische Auseinandersetzung mit der Gegenwart.
- Gurevičs „Mittelalterliche Volkskultur“: Die Einordnung des Werkes in sein Gesamtwerk, seine Quellenauswahl, seine kritische Verknüpfung zur Gegenwart und seine Analyse des Mittelalters aus einer sozialgeschichtlichen Perspektive.
- Gurevičs Kritik an der sowjetischen Wissenschaftslandschaft: Seine Kritik an der Dogmatik und dem Provinzialismus der sowjetischen Wissenschaft.
- Gurevičs Bedeutung für die heutige Forschung: Seine Beiträge zur Mittelalterforschung, seine kritische Haltung und seine Verknüpfung von Geschichte und Gegenwart.
Zusammenfassung der Kapitel
In Kapitel 2 werden die Einflüsse auf Gurevičs Forschung dargestellt. Dazu gehört ein kurzer Überblick über die sowjetische Historiographie, die Annales-Bewegung und Bachtins Einfluss. Kapitel 3 beschreibt Gurevičs wissenschaftlichen Werdegang, seine bedeutendsten Werke und seine kritische Auseinandersetzung mit der Gegenwart. In Kapitel 4 wird Gurevičs Werk „Mittelalterliche Volkskultur“ analysiert. Dabei werden die Einordnung des Werkes in sein Gesamtwerk, seine besondere Quellenauswahl, ein kurzer inhaltlicher Umriss sowie die im Werk enthaltene kritische Verknüpfung zur Gegenwart beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Aron Jakovlevič Gurevič, sowjetische Historiographie, Annales-Bewegung, Michail Bachtin, „Mittelalterliche Volkskultur“, Mittelalter, soziale Erscheinungen, immaterielle Kategorien, kritische Verknüpfung zur Gegenwart, sowjetische Wissenschaftslandschaft.
- Arbeit zitieren
- Andrej Richter (Autor:in), 2014, Aron Jakovlevič Gurevič in der spätsowjetischen Wissenschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287341