Das Konzept der Salutogenese in seiner Bedeutung für die Führung in Kindertagesstätten


Bachelorarbeit, 2014

55 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2. Vorgehen und Methodik

3. Das Konzept der Salutogenese
3.1 Entstehungsgeschichte
3.2 Theorie der Salutogenese
3.2.1 Salutogenese und Pathogenese
3.2.2 Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
3.2.3 Widerstandsressourcen - Widerstandsdefizite
3.2.4 Kohärenzgefühl
3.2.5 Entwicklung und Modifikation des SOC
3.3 Zusammenfassung

4.. Arbeit in Kindertagesstätten und die Mitarbeiter/-innengesundheit
4.1 Aktueller Stand der Forschung zur Gesundheit und Arbeits­zufriedenheit im Erzieher/-innenberuf
4.1.1 Fehlzeitenreport
4.1.2 BGW-DAK Stress-Monitoring
4.1.3 Kita-Studie der GEW
4.2 Das Arbeitsfeld im Wandel
4.2.1 Allgemeine veränderungen der Arbeit in Kinder­tageseinrichtungen
4.2.2 Zur Lage in Bayern
4.3 Zusammenfassung

5. Die Mitarbeiter/-innengesundheit in Kindertagesstätten unter salutogenetischer Perspektive

6.. Umsetzung der Salutogenese als Führungsansatz in Kindertages­einrichtungen
6.1 Salutogenese zum Thema machen
6.2 Neue Fehlerkultur entwickeln
6.3 Salutogenetisches Mitarbeitergespräch
6.4 Gegenseitige soziale Unterstützung im Team fördern
6.5 Salutogenese-Training für pädagogische Fachkräfte
6.6 HEDE-Training
6.7 Salutogenese und Gewerkschaft?
6.8 Kritische Betrachtung der Umsetzungsmöglichkeiten
6.9 Chancen und Grenzen salutogenetischer Führung in Kitas

7.. Fazit

9. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Die Berufsgruppe der Erzieherinnen und Erzieher ist derzeit in zunehmen­dem Maßvon berufsbedingten Erkrankungen betroffen. Derwachsende An­spruch an die in den Einrichtungen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem seitens des Gesetzgebers, und die zunehmende Arbeitsverdich­tung, zusätzlich zu den schon bestehenden komplexen Anforderungen, wir­ken sich negativ aufden Gesundheitszustand aus. Krankheitsbedingte Aus­fälle mindern die Qualität der pädagogischen Arbeit. Zudem verschärft sich dadurch die Situation des Fachkräftemangels in dieser Branche, der sich, insbesondere seit dem Rechtsanspruch auf Betreuung von Kindern unter 3 Jahren, eingestellt hat. Es ist äußerst schwierig, für längerfristig erkrankte Kolleginnen und Kollegen einen vorübergehenden Ersatz zu finden. Dies wiederum stellt die Einrichtungen vor große Schwierigkeiten, da diese durch gesetzliche Neuerungen nun verpflichtet sind, die Anwesenheit des Perso­nals nachzuweisen und sicherzustellen. Gelingt das nicht, drohen Förderkür­zungen, was viele Einrichtungen vor existentielle Probleme stellt.

Durch die eigene Tätigkeit als Leitung einer Kindertagesstätte hat die Autorin einen persönlichen und praktischen Zugang zur Thematik. So konnte sie die­se Entwicklung und die Auswirkungen im Alltag über einen längeren Zeitraum beobachten.

Arbeit macht nicht per se krank. Im Gegenteil belegen viele Studien, dass vor allem Arbeitslosigkeit eine gesundheitsschädigende Wirkung hat. Nichtsdestotrotz ist die Problematik der berufsbedingten Erkrankungen bei Erzieherinnen und Erziehern einer Betrachtung würdig und eine lösungsori­entierte Auseinandersetzung damit notwendig.

Mit dem Konzept der Salutogenese soll im Rahmen dieser Arbeit eine Mög­lichkeit beleuchtet werden. Salutogenese stellt die Frage nach der Entste­hung von Gesundheit und danach, wie eine Person in ihren Ressourcen und Fähigkeiten gestärkt werden kann, damit sie resistenter gegen negative Um­welteinflüsse ist bzw. werden kann. In Zeiten, in denen Gesundheitsförde­rung, vor allem auch in betrieblichen Kontexten immer mehr an Bedeutung gewinnt, wird das Konzept der Salutogenese zunehmend interessant, da es wichtige Impulse und Anregungen hierfür bieten kann. Die dieser Arbeit zu­grunde liegende These ist, dass durch die Implikation der Salutogenese in die Personalführung der Gesundheitszustand der Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter stabilisiert bzw. positiv beeinflusst werden kann, um die krankheitsbe­dingten Ausfallzahlen zu reduzieren. Die leitende Forschungsfrage lautet:

Wie kann das Konzept der Salutogenese in der Führung von Kindertages­stätten umgesetzt werden?

2. Vorgehen und Methodik

Zu Beginn wird die Theorie der Salutogenese vorgestellt. Entstehungsge­schichte und wesentliche Aspekte des Konzepts werden dazu beleuchtet. Im nächsten Schritt erfolgt die Darstellung der Forschung zu Gesundheitszu­stand und Arbeitszufriedenheit von Erzieherinnen und Erziehern in Kinderta­gesstätten. Dazu werden Erhebungen der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) sowie die Fehlzeitenberichte des SpringerVerlages aus den Jahren 2009, 2011 und 2013 herangezogen. Um diesen Punkt abzurunden, werden auch aktuelle Veränderungen in dem Arbeitsfeld, insbesondere rechtlicher Art, skizziert.

Im Speziellen sollen die Arbeitsbedingungen in Kindertagesstätten betrachtet werden, da die Einsatzmöglichkeiten von Erzieher/-innen in der Praxis man­nigfaltig und in sich unterschiedlich sind und die Situation beispielsweise in der stationären Jugendhilfe oder der Behindertenhilfe einer eigenen Betrach­tung bedürften.

Zudem wird sich bei der Beschreibung der gesetzlichen Grundlagen aufdie bayerische Gesetzeslage beschränkt, da sich die Situation in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich darstellt und Aussagen, die alle Bundeslän­der umfassen, den Sachverhalt verkürzt beschreiben würden.

Nach der Beschreibung der aktuellen Forschung zu Gesundheitszustand und zur Arbeitszufriedenheit von Erzieherinnen werden diese Erkenntnisse vor dem Hintergrund der Salutogenese analysiert..

Im Anschluss daran wird erläutert, wie Salutogenese in der Führung von Kin­dertagesstätten umgesetztwerden kann. Es werden allgemeine Hinweise ge­geben, aber auch konkrete Methoden, wie die Salutogenese-Trainings von Krause und Mayer (2012), sowie von Franke und Witte (2009) vorgestellt. Abschließen werden die Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung von Sa­lutogenese in der Führungsarbeit geprüft.

3. Das Konzept der Salutogenese

3.1 Entstehungsgeschichte

Aaron Antonovsky wurde 1923 in Brooklyn geboren. Ursprünglich studierte er Wirtschaft und Geschichte an der Yale-University und stieß eher zufällig auf die Medizinsoziologie und die Stressforschung, die sein Interesse weckten und denen er sich von da an verstärkt widmete. I960 emigrierte er nach Is­rael. Im Rahmen einer Forschung zurVerarbeitung derWechseljahre israeli­scher Frauen, trafer auf Frauen, die die Konzentrationslager der Nationalso­zialisten überlebt hatten. Viele dieser Überlebenden waren durch diese Er­fahrung hochgradig belastet. Es gab jedoch auch einige, die dennoch psy­chisch und physisch gesund geblieben waren und sich ein neues Leben auf­gebaut hatten. Diese Tatsache beeindruckte ihn nachhaltig. Von da an be­schäftigte er sich mit der Frage nach dem Gesund bleiben des Menschen. Daraus entwickelte er das Konzept der Salutogenese (vgl. Antonovsky und Franke 1997, S. 13).

3.2 Theorie der Salutogenese

3.2.1 Salutogenese und Pathogenese

Tabelle 1 - Salutogenese vs. Pathogenese

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Krause 2013, S. 101

Die von der Pathogenese[1] beeinflusste Schulmedizin beschäftigt sich vorran­gig mit der Frage, wie ein Leiden geheilt oder der Betroffene vor einer Chro­nifizierung verschont werden kann. Diese Sichtweise war zu der Zeit, als Aaron Antonovsky sein Konzept entwickelte, in der Medizin die vorherrschen­de und ist es bis heute. „Über die Krankheit haben die Mediziner weitgehend die Gesundheit vergessen. Und Gesundheit ist etwas anderes als Nicht­Krankheit. Diese grundsätzliche Kritik am vorherrschenden medizinischen Denken ist entscheidend in Antonovskys Modell der Salutogenese: Nicht nach Fehlern und Störungen, die zu Krankheit führen, will er suchen, son­dern nach schöpferischen Kräften, die seelische und körperliche Gesundheit ermöglichen. Diesjedoch nicht alternativ zum herkömmlichen Pathogenese­modell, sondern als Ergänzung.“ (Schiffer 2001, S. 42 f.).

In der Pathogenese wird davon ausgegangen, dass Stressoren, die einen Organismus befallen - seien sie mikrobiologischer, psychosozialer, chemi­scher oder anderer Art - krank machen. Der Fokus liegt auf der Krankheit bzw. auf der Möglichkeit der Heilung von ebendieser. Der Stressor hat in der Pathogenese eine negative Wertigkeit, der Gesundheitsschädigungen her­vorruft.

In der Salutogenese wird der Stressor fundamental anders betrachtet. Zum einen eröffnet sich die Perspektive, dass der Mensch den Stressoren nicht hilflos ausgeliefert ist und diese sogar eine gesundheitsfördernde Wirkung haben können. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass der Mensch permanent und ständig von allerlei Stressoren umgeben ist, die Konfrontation mit Stressoren also vollkommen natürlich ist. Damit ist er auch permanent dazu aufgefordert Bewältigungsstrategien anzuwenden. Wie sich dies nun aufdie Gesundheit auswirkt, hängt ganz davon ab, ob die Handlungen er­folgreich sind oder als solche erlebt werden.

Antonovsky war einer der Pioniere, die erstmals in Betracht zogen, dass auch die Psyche ihren Beitrag zu Gesundheit bzw. Krankheit leistet und dass dies nicht nur aufden Körper zu reduzieren sei (vgl. Antonovsky und Franke 1997, S. 24 ff).

3.2.2 Gesundheits-Krankheits-Kontinuum

Antonovsky stellt fest, dass aus pathogenetischer Sicht eine Dichotomie[2] zwischen Gesundheit und Krankheit angenommen wird (vgl. Antonovsky und Franke 1997, S. 23). Dementsprechend ist der Organismus also entweder krank oder gesund. DieserVorstellung stellt er sein Gesundheits-Krankheits­Kontinuum (GKK) gegenüber.

Abbildung 1 : Gesundheits-Krankheits-Kontinuum

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gesundheit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Methfessel 2012, o. S.

Die äußeren Pole sind nicht zu erreichen. Ein Mensch kann laut Antonovskys Modell niemals vollkommen gesund, aber auch nicht vollkommen krank sein.

Es wird davon ausgegangen, dass selbst ein schwerkranker Mensch, solan­ge er noch am Leben ist, über Ressourcen verfügt, deren Stärkung oder Akti­vierung seinen Gesundheitszustand positiv beeinflussen (vgl. Bengel et al. 2002, S. 26 ff.).

Zur Wiederherstellung der Gesundheit muss nach pathogenetischer Sicht der krankmachende Einfluss beseitigt werden. Aus salutogenetischer Sicht kann der Status in Richtung des Gesundheitspols auf dem GKK verschoben wer­den. Die geschieht durch die Stärkung seiner Ressourcen, was „den Orga­nismus gegen schwächende Einflüsse widerstandsfähiger“ (Bengel et al. 2002, S. 27) macht.

Tagtäglich sind wir also mit Stressoren, im positiven wie auch im negativen Sinne, konfrontiert, die unsere Reaktion erfordern. „Die Heterostase (ein Un­gleichgewicht zwischen diesen beiden Polen) ist für ihn [Aaron Antonovsky - Erg. J. S.] der Normalfall.“ (Krause und Mayer 2012, S. 20).

Damit wird nochmals die Dynamik des menschlichen Gesundheitszustandes deutlich. All diese Einflüsse wirken sich auch aufdie individuelle Position des Menschen aufdem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum aus. Wie sich diese jedoch konkret auswirken, ob positiv oder negativ, hängt vor allem davon ab, wie der oder die Betroffene mit diesen Einflüssen umzugehen vermag (vgl. Antonovsky und Franke 1997, 124f.).

3.2.3 Widerstandsressourcen - Widerstandsdefizite

Von besonderer Bedeutung für den Umgang mit Stressoren sind die Wider­standsressourcen. Antonovsky nennt sie generalisierte Widerstandsressour­cen und diese können einen Menschen vor den krankmachenden Auswirkun­gen eines Stressors bewahren. Sie machen den Menschen widerstandsfähi­ger gegen Spannungszustände bzw. befähigen ihn zur erfolgreichen Bewälti­gung. So gestalten sie die Lebenserfahrungen des Menschen mit und haben direkten Einfluss aufWohlbefinden und Gesundheit.

Zu diesen Widerstandsressourcen zählen:

Gesellschaftlich-kulturelle Faktoren (Antonovsky: cultural stability, religion, philosophie, art). Diese Ressourcen basieren aufpolitisch­kulturellem und spirituell-philosophischem Eingebundensein.

- Materielle Faktoren (Antonovsky: material). Hierunter fallen materiel­lerWohlstand und Besitz, z. B. Geld und Güter.

- Soziale Faktoren (Antonovsky: social supports, ties, magic). Zu den sozialen Unterstützungsressourcen gehören die Familie, die Freun­de, die Erzieher/-innen und Lehrer/-innen und alle anderen bedeut­samen Bezugspersonen und sozialen Netzwerke.

- Personale Faktoren (Antonovsky: genetic and constitutional GRRs, knowledge, intelligence, ego identity, coping strategy, control, com­mitment). Das sind neben den genetischen, konstitutionellen und immunologischen Ausstattungen des Menschen, die im Laufe des Lebens erworbenen Dispositionen wie Wissen (Intelligenz), emotio­nale Stabilität, Ich-Identität, Selbstwirksamkeit, Kontrollüberzeu- gung, Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, Handlungskompetenzen und soziale Kompetenzen.“ (Krause und Mayer2012, S. 21)

Auch sein Konzept der generalisierten Widerstandsressourcen und Wider­standsdefizite formuliert Antonovsky als Kontinuum. Verfügt man über viele Widerstandsressourcen, wird man demzufolge häufiger Erfahrungen ma­chen, die das eigene Kohärenzgefühl stärken. Ist man eher im Bereich der Widerstandsdefizite einzuordnen, wird man auch eher Erfahrungen machen, die das Kohärenzgefühl schwächen. Damit zeigt sich der enge Zusammen­hang zwischen dem Gesundheitsressourcen bzw. -defiziten und dem Kohä­renzgefühl.

Das Kohärenzgefühl - auch sence of coherence (SOC) - ist zentrales Ele­ment der Theorie der Salutogenese und wird im Folgenden genauer betrach­tet.

3.2.4 Kohärenzgefühl

Menschen, die über ausreichend generalisierte[3] Widerstandsressourcen ver­fügen und diejeweils passende in derjeweiligen Situation zu nutzen in der Lage sind, können die alltäglichen Konfrontation mit Stressoren erfolgreich bewältigen bzw. sind in der Lage, diese so umzudeuten, dass diese eher als Herausforderung wahrgenommen werden können. Damit ist die Person in der Lage, Spannungszustände abzubauen und es wird verhindert, dass die­se sich zu einem die Gesundheit negativ beeinflussenden Stressor entwi­ckeln.

„Warum wird die Person mit einem starken SOC wahrscheinlicher als die mit einem schwachen SOC einen Stimulus als Nicht-Stressor oder, bei Einschätzung als Stressor diesen als irrelevant oder günstig definieren? Weil er oder sie darauf vertraut, dass wie in derVergan- genheit im großen und ganzen alles gut ausgehen wird, dass sich das, was ein Problem zu sein scheint, nicht als so problematisch erweisen und durchaus lösbar sein wird, dass die Dissonanz nur scheinbar ist.“ (Antonovsky und Franke 1997, S. 127)

Antonovsky definiert das Kohärenzgefühl wie folgt:

„Das SOC (Kohärenzgefühl) ist eine globale Orientierung, die aus drückt, in welchem Ausmaß man ein durchdringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Vertrauen hat, daß

1. die Stimuli, die sich im Verlaufdes Lebens aus der inneren und äu­ßeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind;
2. einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderun­gen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen;
3. diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement lohnen.“ (Antonovsky und Franke 1997, S. 36)

Die Person ist also in der Lage, den Stressor anzunehmen und zu beurteilen. Und sie kann ihn ggf. als positiv oder unwichtig umdeuten, wodurch sich der stresshafte Zustand auflöst. Durch diese positiven Erfahrungen erscheint ih­nen das Leben „verstehbar und kontrollierbar sowie handhabbar und sinn­voll.“ (Krause 2013, S. 102).

Hiermit wären die drei Dimensionen des Kohärenzgefühls benannt.

Das Kohärenzgefühl setzt sich zusammen aus den Elementen Verstehbar- keit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit. „Es handelt sich um eine individu­elle psychologische Einflussgröße“ (Bengel et al. 2002, S. 28). Zwischen den einzelnen Elementen bestehen bestimmte Dynamiken.

Verstehbarkeit (sense of comprehersity)

Die Dimension derVerstehbarkeit bedeutet, dass äußere und innere Reize strukturiert, eingeordnet und erklärt werden können. Das Leben ist in gewis­ser Weise vorhersagbar bzw. es besteht der Glauben daran, auch überra­schende Situationen bewältigen zu können. Diese werden als Herausforde­rung aufgefasst.

Handhabbarkeit (sense of manageability)

Diese Dimension beschreibt das Vorhandensein der nötigen Ressourcen zur Bewältigung eines Stimulus. Von besonderer Bedeutung ist hier auch das Eingebundensein in ein soziales Netz (soziale Unterstützung), das der Per­son ermöglicht, die Ressourcen, über die sie selbst nicht verfügt, in ihrem Umfeld zu finden. Des Weiteren meint Handhabbarkeit, dass der Stressorfür die Person weder eine Über- noch eine Unterforderung darstellt und sie eine ausreichende Möglichkeit hat, an der Bewältigung und Lösung der Situatio­nen auf die ihr entsprechenden Art und Weise zu partizipieren.

Bedeutsamkeit (sense of meaningfulness)

Für ein starkes Kohärenzgefühl sind alle drei Dimensionen (in ihrem Zusam­menspiel) relevant. Dennoch ist das Element der Bedeutsamkeit die wichtigs­te Dimension, da sie direkten Einfluss aufdie Motivation eines Menschen hat, eine Herausforderung zu überwinden. Ist diese Komponente schwach ausgebildet, wird sich die Person kaum bemühen, Verstehbarkeit und Hand­habbarkeit einem bestimmten Stressor gegenüber zu erlagen. Während die anderen beiden Elemente eher intellektueller Art sind, betrifft diese Kompo­nente auch die Emotion. Für etwas, das dem Menschen „am Herzen liegt“, das er in einem größeren Sinnzusammenhang sieht und damit bedeutend für sein Leben hält, wird ersieh motiviert engagieren (vgl. Antonovsky und Fran­ke 1997, S. 34 ff.).

Abbildung 2: Kohärenzgefühl

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Krause und Mayer 2012, S. 33

Grundsätzlieh ist zu sagen, dass es hierbei nieht darum geht, in den alltägli- ehen Anforderungssituationen keine Spannung mehrzu erleben. Ein starker SOC aber verhindert, dass diese Spannung zu negativem Stress wird, aus dem gespannten ein stresshafter Zustand wird. Er führt eher dazu, dass eine Spannungssituation als herausfordernd denn als belastend erlebt wird. Die Person mit einem starken SOC ist in der Lage, auf die untersehiedliehen An­forderungen des Lebens situationsangemessen zu reagieren bzw. hat das Vertrauen, diese sehon bewältigen zu können. Sie wendet nieht starrjedes Mal die gleiehen Bewältigungsstrategien an (z. B. Flueht oder Kampf), son­dern verfügt über eine Vielzahl von Widerstandsressoureen und kann die ge­eignetem bei Bedarf aktivieren.

3.2.5 Entwicklung und Modifikation des SOC

Das Kohärenzgefühl entwickelt sich im Laufe der Kindheit und Jugend. Ge­prägt wird es durch die in dieser Zeit gemachten Erfahrungen. Erfährt der Mensch in jungen Jahren Eingebundenheit in eine verlässliche, liebevolle Fa­milienstruktur, in welcher auch Autonomie und vorhersagbare Reaktionen er­lebt werden können, ist anzunehmen, dass sich ein starkes Kohärenzgefühl entwickelt. Auch die Ausprägung des SOC der Eltern hat Einfluss auf das der Kinder / des Jugendlichen. Verfügen die Eltern über einen starken SOC ist es wahrscheinlich, „dass sie die Lebenserfahrungen des Kindes so beeinflus­sen, dass dieses in dieselbe Richtung geführt wird.“ (Antonovsky und Franke 1997, S. 99).

Antonovsky hält eine grundlegende Modifikation des SOC nicht für unmög­lich, aberfür schwierig. Kleinere, wenn auch vorübergehende Modifikationen sind leichter möglich. Können sie den SOC eines Menschen auch nicht bei­spielsweise von schwach zu stark beeinflussen, sind diese Erfahrungen den­noch nicht zu vernachlässigen, denn nach „dem Modell der Salutogenese ist der zentrale Ansatz der Gesundheitsförderung die Veränderung des SOC durch dieVeränderung von Lebenserfahrungen.“ (Blättner2007, S. 70). Daraus ergibt sich durchaus der Sinn der Modifikation des SOC, wenn auch in kleinen Schritten, Aufmerksamkeit zu widmen. Denn es besteht die Mög­lichkeit, dass Menschen Lebenserfahrungen neu „interpretieren, und zwar dadurch, dass sie ihnen das Rüstzeug an die Hand geben, innerhalb ihres Lebensbereichs etwas ausfindig zu machen, was ich [Aaron Antonovsky - Erg. J. S.] SOC-verbessernde Erfahrungen nennen möchte.“ (Antonovsky und Franke 1997, S. 119).

Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Partizipation an Entscheidungen. Gesteht man Menschen die Teilhabe an der Gestaltung ih­rer Lebens- oder auch Arbeitsumständen zu, so kann davon ausgegangen werden, dass sich dies förderlich auf deren SOC und damit auf deren Ge­sundheitszustand auswirkt (vgl. Blättner2007, S. 70 f.).

[...]


[1] „1. Entstehung und Entwicklung einer Krankheit, 2. die zu einer Erkrankung führenden inneren und äußeren Faktoren“ (Langenscheidt Online-Wörterbuch)

[2] Zweiteilung, Untergliederung nach zwei Gesichtspunkten (Langenscheidt Online-Wörterbuch), gesund oder krank dichotome Trennung der Pathogenese.

[3] „Kohärenz bedeutet Zusammenhang, Stimmigkeit. Je ausgeprägter das Kohärenzgefühl einer Person ist, desto gesünder sollte sie sein bzw. desto schneller sollte sie gesund werden und bleiben.“ (Bengel et al. 2002, S. 28); auch „sense of coherence“ oder SOC.

Ende der Leseprobe aus 55 Seiten

Details

Titel
Das Konzept der Salutogenese in seiner Bedeutung für die Führung in Kindertagesstätten
Hochschule
Hochschule München  (Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften)
Note
1,4
Autor
Jahr
2014
Seiten
55
Katalognummer
V288337
ISBN (eBook)
9783656891307
ISBN (Buch)
9783656891314
Dateigröße
1523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Salutogenese, Kindertagesstätten, Mitarbeiterführung, Mitarbeitergesundheit, Gesundheitsförderung
Arbeit zitieren
Judith Schöffel (Autor:in), 2014, Das Konzept der Salutogenese in seiner Bedeutung für die Führung in Kindertagesstätten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/288337

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Konzept der Salutogenese in seiner Bedeutung für die Führung in Kindertagesstätten



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden