Das Spiel mit der Realität in Martin Scorseses "Shutter Island"


Hausarbeit, 2014

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1. Definition von „Realität“ und „Wirklichkeit“
2.2. Definition von „Traum“ und „Illusion“

3. Scheinbare Realität in „Shutter Island“
3.1. Der Plot
3.2. Die Örtlichkeiten
3.3. Die Perspektive
3.4. Die Flashbacks
3.5. Die Vorzeichen des Geisteszustandes von Daniels
3.5.1. Die fehlende Kooperationsbereitschaft
3.5.2. Verschiedene Aussagen
3.5.3. Die Patientin „Rachel Solando“

4. Die Auflösung

5. Zusammenfassung und abschließender Gedanke

6. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Satellite Awards, Teen Choice Awards, San Diego Film Critics Society Award und noch viele weitere Auszeichnungen hat Scorseses Film „Shutter Island“, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Dennis Lehane, abgeräumt1. Der Streifen polarisiert: Die Filmzeitschrift „Schnitt“ bezeichnet ihn als „das heimliche Meisterwerk unter [seinen] Zwischenwerken“2, Carsten Baumgardt von der Filmstarts.de- Redaktion meint im Gegensatz dazu, Shutter Island sei „zwar durchaus ein guter Psycho-Thriller, aber kein Meisterwerk mit Preispotential“.3 So gehen die Meinungen bei den Kritikern auseinander, doch dass der Film im Gedächtnis bleibt, ist unumstritten. Zu verwirrend, zu komplex, zu überraschend ist das Ende. Nach Vorführungen brechen im Internet Diskussionen aus, ob Leonardo Di Caprio in seiner Rolle als US-Marshal Edward „Teddy“ Daniels nun geisteskrank ist oder ob er schlicht resigniert.

Scorsese schafft es, mit der Wahrnehmung zu spielen: Ist Teddy ein Mörder? Ist er schizophren? Alles ein abgekatertes Spiel oder in Wirklichkeit gut gemeinte Hilfe? Der Zuschauer ist fast gezwungen, sich ein zweites Mal hinzusetzen und den Film noch einmal anzuschauen - mit 120 Prozent Aufmerksamkeit.

Nach wiederholtem Kinobesuch ist man in Sachen Shutter Island vielleicht schlauer. Zu viele Hinweise sind in den 132 Minuten versteckt, die Verwunderung jedoch bleibt. Man stellt sich unweigerlich die Frage nach der „realen Realität“ und ob einem das selbst im Alltag passieren könnte. Wie schafft es Scorsese bis kurz vor Schluss jemanden in einem anderen Glauben zu lassen?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, muss man zunächst klären, wie wir Menschen Realität registrieren. Philosophen beschäftigen sich seit Jahrhunderten mit dieser Frage. Viele Theorien wurden aufgestellt, um sich anzunähern. Um sich nicht in Details zu verlieren, müssen als erstes Definitionen betrachtet werden um sich dann einzelnen Filmsequenzen zu widmen und sie zu analysieren. Erst danach kann geklärt werden, mit welchen Mitteln Scorsese das Publikum in die Irre führt.

2. Theoretische Grundlagen

Jedes Wörterbuch definiert Begriffe wie „Realität“, „Illusion“, „Traum“ und „Wirklichkeit“ auf eine unterschiedliche Art und Weise. Entscheidend ist dabei oft die Zeit und die Kultur. Um einen Überblick zu bekommen sollten in erster Linie philosophische und gängige Erklärungen betrachtet werden.

2.1. Definitionen von „Realität“ und „Wirklichkeit“

Der Duden versucht die Definition von „Realität“ auf den Punkt zu bringen. Bedeutungen laut dem Duden für das Wort sind demnach: 1. Wirklichkeit, 2. reale Sehensweise und 3. tatsächliche Gegebenheit beziehungsweise Tatsache4. Auch den Begriff „Wirklichkeit“ findet man im Duden kurz und knapp erläutert. Gemeint ist „[alles] das, Bereich dessen, was als Gegebenheit, Erscheinung wahrnehmbar, erfahrbar ist“5.

Geht man nun genauer auf den philosophischen Kontext ein, ist es geschickt, eine zweite Definition zu betrachten. Joachim Ritter und Karlfried Gründer unterscheiden in ihrem „Historischen Wörterbuch der Philosophie“ zwischen verschiedenen Formen der Realität, wie der formalen, objektiven oder psychischen: „Heute bezeichnet die [objektive Realität] die Wirklichkeit der Dinge, insofern sie unabhängig von unserem Denken existieren.“6 Doch bei der Abgrenzung zum Begriff der Wirklichkeit haben auch Gründer und Ritter Schwierigkeiten: „Ähnlich wie das häufig synonym gebrauchte [Realität] lä[ss]t sich [Wirklichkeit] auch universal verstehen und bezeichnet dann die [Totalität] dessen, was 'wirklich ist'. […] Zwischen [Realität] und [Wirklichkeit] jedoch differenzieren zu können, bildet eine Eigentümlichkeit des Deutschen […] .7

Es ist also schwer, einen Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit feststellen zu können. Viele Philosophen haben sich lange damit beschäftigt und haben sich bemüht, die Begriffe mehr zu differenzieren. Für die Analyse des Filmes „Shutter Island“ ist in dieser Arbeit aber die Definition passend, dass Realität sowie Wirklichkeit Gegebenheiten sind, abgegrenzt von unserer persönlichen Wahrnehmung.

2.2. Definitionen von „Traum“ und „Illusion“

Anders verhält es sich mit den Definitionen von „Traum“ und Illusion. Während laut Duden Traum eine „im Schlaf auftretende Abfolge von Vorstellungen, Bildern, Ereignissen, Erlebnissen“ oder ein „sehnlicher, unerfüllter Wunsch“ ist8, meint Illusion eine Täuschung - von einem selbst, einem Kunstwerk, oder eine falsche Deutung9. Im „Historischen Wörterbuch der Philosophie“ wird auf einen weiteren Aspekts des Traumes eingegangen - der Tagtraum: „Andere Forscher […] gehen davon aus, da[ss] man auch während des Tages in verschiedenen Formen träumt (Tagträume, Halluzinationen usw.)“10. Illusion hingegen wird als „Sinnestäuschung“ oder „Trugwahnehmung“11 festgelegt.

Der Unterschied der beiden Wörter ist hier eindeutiger. Träume spielen sich hauptsächlich während dem Schlafen ab. Obwohl man auch im wachen Zustand träumen kann, ist man sich dessen jedoch immer bewusst. Man weiß, dass diese Ereignisse nicht gerade in der Realität passieren und kann diese somit klar abgrenzen.

Illusionen hingegen sind Täuschungen, welche sogar von einem Selbst kommen können. Demzufolge ist man sich in diesem Moment nicht der Irrealität dieser bewusst. Wie man umgangssprachlich öfter vernimmt, gaukelt man sich in diesem Augenblick dann selbst etwas vor.

3. Scheinbare Realität in „Shutter Island“

3.1. Der Plot

„Unter der großen Horroroper der Folterpsychiatrie versteckt sich eine verzagte Geschichte.“12

Nach der Klärung der theoretischen Grundlagen ist es nun an der Zeit, sich dem Film und seinen Wendungen und sogenannten „Twists“ zuzuwenden. „Shutter Island“ spielt im Jahr 1954. US-Marshal Edward „Teddy“ Daniels untersucht mit seinem zugeteilten Partner Chuck Aule auf der Insel Shutter Island das Verschwinden einer Patientin mit dem Namen Rachel Solando aus der schwer bewachten Ashcliffe Klinik für psychisch gestörte Gewalttäter. Die „Nervenheilanstalt“ wird während der Ermittlungen von einem Sturm heimgesucht und so ist es vorerst unmöglich Shutter Island zu verlassen. Daniels ist aber auch aus persönlichen Gründen auf die Insel gekommen: Er vermutet duchgeführte Experimente an Menschen in dem Leuchtturm der Insel. Zudem glaubt Daniels einen Brandstifter namens Andrew Laeddis, der an dem Tod seiner Frau schuld sein soll, als Patient in dem Hospital. Doch dieser taucht in keiner der Akten über die Insassen auf. Somit beginnt die Suche nach dem Patienten Nummer 67. Nachdem Daniels denkt, er habe genügend Beweise gesammelt, will er den Chefarzt der Anstalt zur Rede stellen. Doch hier setzt die Wendung ein: Dr. John Cawley und Daniels angeblicher Partner, der sich aber jetzt als „Dr. Lester Sheehan“ vorstellt, erwarten ihn schon. Sie erklären ihm, er selbst sei in Wirklichkeit der von ihm gesuchte 67. Patient - ein ehemaliger Marshal, der an Dissoziativer Identitätsstörung leidet. Man behandle ihn seit zwei Jahren auf Shutter Island und die letzten zwei Tage waren ein Rollenspiel, ein letzter Versuch ihn von der „wirklichen Realität“ zu überzeugen. Wenn er nun seine wahre Identität nicht anerkenne, müsse eine Lobotomie an ihm durchgeführt werden. Man gibt ihm ein wenig Bedenkzeit. Der Film endet mit Daniels Satz: „Was wäre schlimmer: zu leben wie ein Monster oder als guter Mann zu sterben?“13, der viele Vermutungen anstellen lässt. Sicher ist bis dahin nur: Er folgt den Ärzten, welche chirurgische Instrumente bei sich haben.

3.2. Die Örtlichkeiten

„Warum ragt diese Insel, als sie dann auftaucht, als menschenfeindlicher, schwarzer Felsenklotz aus dem Wasser?“14

Schon die gegebenen Räumlichkeiten sind in „Shutter Island“ alles andere als gewöhnlich. Der Film beginnt auf einer Fähre, umgeben von nichts als Wasser und Nebel. Es wird ein Untertitel eingeblendet, der angibt, wo die Reise hinführen soll: Boston Harbour Island. Und das im Jahr 195415. Der Leser wird sofort in einen begrenzten Raum gebracht - dem Schiff. Aber selbst von dem Schiff wird nicht viel gezeigt. Schließlich ist dessen einzige Aufgabe Daniels und Aule nach Shutter Island zu bringen. Scorsese „lässt kein künstlerisches Element aus, um dem Zuschauer klarzumachen, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht auf dieser Insel. Gleich zu Beginn übertreibt es der Oscar-Preisträger mit dem Nebel und der dramatischen Orchestermusik“16. Jedoch wird es auf der Insel selbst noch merkwürdiger: Beim Anlegen sollen sie sich beeilen, von Bord zu kommen, denn es werde ein schlimmer Sturm aufziehen. Mit der Fähre verschwindet auch die einzige Fluchtmöglichkeit. Kaum haben die beiden US-Marshals einen Fuß auf die Insel gesetzt, sind sie abgeschotten und isloliert - und mit ihnen der Zuschauer. Die „topologische Lage der Insel veranschaulicht die Abgeschiedenheit. Es gibt nur einen Fluchtweg und an der Rückseite der Insel zeichnen sich steile Felsklippen ab. Diese Umstände drücken etwas Beklemmendes aus und lassen die Insel in Folge dessen unheimlich wirken“.17

[...]


1 Vgl. http://tv-marathon.de/shutter-island-der-film/ (Stand: 15.03.2014).

2 Vgl. http://www.schnitt.de/222,6066,01.html (Stand: 15.03.2014).

3 Vgl. http://www.filmstarts.de/kritiken/84283-Shutter-Island/kritik/ (Stand: 15.03.2014).

4 Vgl. https://www.duden.de/node/677148/revisions/1303214/view (Stand: 15.03.2014).

5 Vgl. https://www.duden.de/node/677149/revisions/1316535/view (Stand: 15.03.2014).

6 Vgl. J. Ritter und K. Gründer, Band 8, Basel, 1992, S. 193.

7 Vgl. J. Ritter und K. Gründer, Band 12, Basel, 2005, S. 829.

8 Vgl. https://www.duden.de/node/665988/revisions/1308898/view (Stand: 15.03.2014).

9 Vgl. https://www.duden.de/node/698575/revisions/1299481/view (Stand: 15.03.2014).

10 Vgl. J. Ritter und K. Gründer, Band 10, Basel, 1998, S. 1469.

11 Vgl. J. Ritter und K. Gründer, Band 4, Basel, 1976, S. 204.

12 Vgl. http://www.sueddeutsche.de/kultur/-berlinale-shutter-island-hier-stimmt-was-nicht-1.63026 (Stand: 20.03.2014).

13 Vgl. Shutter Island (2010), 2:07:56 Min.

14 Vgl. http://www.sueddeutsche.de/kultur/-berlinale-shutter-island-hier-stimmt-was-nicht-1.63026 (Stand: 20.03.2014).

15 Vgl. Shutter Island (2010). 0:00:56 min.

16 Vgl. http://www.focus.de/kultur/kino_tv/tid-17350/shutter-island-nichts-ist-wie-es- scheint_aid_483381.html (Stand: 20.03.2014).

17 Vgl. S. Müller, Frankfurt am Main, 2010, S. 58.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Spiel mit der Realität in Martin Scorseses "Shutter Island"
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Proseminar: Traum und Wirklichkeit in Film und Musik. Philosophische Grundlagen zur Analyse moderner Medien - oder zum Begriff der "Kontingenz"
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V292709
ISBN (eBook)
9783656898207
ISBN (Buch)
9783656898214
Dateigröße
484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
spiel, realität, martin, scorseses, shutter, island
Arbeit zitieren
Lisa Demmel (Autor:in), 2014, Das Spiel mit der Realität in Martin Scorseses "Shutter Island", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/292709

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