Das Bild des Kindes bei Maria Montessori und Ellen Key und die Konsequenzen für die Gestaltung des Unterrichts


Hausarbeit, 2012

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Ellen Keys Bild des Kindes in seinen Konsequenzen für die Gestaltung von Unterricht
1.1 Bild des Kindes
1.2 Konsequenzen für den Unterricht
1.2.1 Einleitende Hinweise zum Schulkonzept
1.2.2 Ziele
1.2.3 Inhalte
1.2.4 Methoden
1.2.5 Aufgaben der Lehrperson
2. Maria Montessoris Bild des Kindes in seinen Konsequenzen für die Ge- staltung von Unterricht
2.1 Bild des Kindes
2.2 Konsequenzen für den Unterricht
2.2.1 Ziele
2.2.2 Inhalte
2.2.3 Methoden
2.2.4 Aufgaben der Lehrperson

III.Schluss

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Im Rahmen dieser Hausarbeit soll das Erziehungskonzept der Ellen Key und der Maria Montessori im Hinblick auf das Bild des Kindes und seinen Konsequenzen für die Un- terrichtsgestaltung dargestellt werden. Dem geht eine historische Einbettung in die Epo- che der Reformpädagogik voraus, da Erziehung immer auch eng mit der gesellschaftli- chen Realität verbunden und umgekehrt Pädagogik jedoch auch immer ein Abbild ge- sellschaftlicher Zustände ist.

Im Zuge der Jahrhundertwende, die durch die rasante Industrialisierung und Moderni- sierung gekennzeichnet ist, entwickelt sich in der gesamten Gesellschaft der starke Wunsch nach einer Umgestaltung des Lebens und damit einhergehend eine Kritik des Erziehungswesens und der Bildungspolitik. Die daraus entstehenden unterschiedlichen Erziehungskonzepte und „ Ansätze zur Erneuerung von Schule “ 1 wurden unter dem Be- griff „ Reformpädagogik “ zusammengefasst. In der reformpädagogischen Bewegung trat das Kind, wie in keiner Epoche zuvor, in seiner individuellen Persönlichkeit in den Mittelpunkt erzieherischen Denkens und Handelns. Der Fokus zum Beginn des 20. Jahr- hunderts war die Betrachtung des Kindes als wertvolles, individuelles Wesen, dessen Person und Wünsche respektiert und dessen Verhalten beobachtet und verstanden wer- den müssen. Die Lebensphase der Kindheit wurde gleichsam neu entdeckt und nahm eine quantitav und qualitativ neue Dimension an.

Die Reformpädagogen übten auf die herkömmlichen traditionellen Schulen vehemente Kritik aus, indem sie vor allem „ die Herrschaft des Lehrstoffes “ 2 in den sog. „ Pauk- schulen “ bemängelten. Sie sahen die Schule als Masseninstitution mit einer lebensfer- nen Überbürdung von Stoff, in der Schüler ihre Individualität und Wissensgier verlieren und forderten eine „ entb ü rokratische Schule, von freiheitlich demokratischen Lebens- verhältnissen und liberalen, kindorientierten Bildungsidealen “ 3, dessen Aufgabe darin bestehe das Kind selbständig und aktiv zu fördern. Außerdem sei der Blick der traditio- nellen Schule zu stark auf Defizite gerichtet und sollte vielmehr auf die Stärken der Kin - der fixiert sein.

Der 1900 erschienene Klassiker „ Das Jahrhundert des Kindes “ der schwedischen Autorin und Pädagogin Ellen Key wird immer wieder als Auftakt oder Beginn der Re- formpädagogik bezeichnet4. Key lebte von 1849 bis 1926 und bereicherte die re- formpädagogische Bewegung mit ihren nicht unumstrittenen Ansichten zu Arbeits- und Geschlechterverhältnisse, Familie, Schule und Erziehung. Ihre zukunftsorientierten Ent- würfe drehen sich um die Frage einer Vervollkommnung der Menschheit durch Erzie- hung und Einsicht in die „ Majestät des Kindes “. Der reformpädagogische Ansatz Keys geht Hand in Hand mit einer Kritik am Bestehenden, sei es die Massenerziehung mit militärischem Zuschnitt, die Prügelpädagogik, die Stoffschule, die Standesschule oder die religiös-sittliche Erziehung. Ihr Engagement für eine neue Erziehung zeigte sich in der Widmung „ Allen Eltern, die hoffen, im neuen Jahrhundert den neuen Menschen zu bilden “ und lenkte durch diesen Aufruf an die Erzieherschaft den Blick auf das Kind und auf die pädagogischen Aufgaben, weit über Schweden hinaus.5

Maria Montessori lebte von 1870 bis 1995 und gilt als eine der größten weiblichen Re- formpädagogen, deren Erziehungskonzept bis heute unverzichtbar und schwer diskutiert wird6. Mit ihrem Drang zur sozialen Gerechtigkeit setzte sie sich engagiert für ein neues Erziehungskonzept für Kinder ein. 1907 gibt sie ihre Praxis als Kinderärztin auf und macht als Leiterin im Kinderhaus eine Fülle von Entdeckungen, indem sie das Lern- und Spielverhalten der Kinder beobachtet. Ein Jahr später hält sie ihre Ergebnisse mit ihrem ersten Buch mit der heutigen deutschen Übersetzung „ Die Entdeckung des Kin- des “ fest7.

Jedes Erziehungskonzept entsteht durch ein bestimmtes Welt- und Menschenbild, das der jeweilige Theoretiker im Kopf hat. Das Bild des Kindes entscheidet welche Ziele, Inhalte und Methoden für die pädagogische Arbeit relevant sind.

Ziel dieser Hausarbeit ist es, das dem neuen reformpädagogischen Erziehungskonzept zugrundeliegende Bild des Kindes bei Ellen Key und Maria Montessori herauszuarbei- ten und mit der Umgestaltung des Unterrichts in Bezug zu setzen. In diesem Sinne wird im Hauptteil sowohl das Bild des Kindes als auch Unterrichtsziele, -inhalte, -methoden und Anforderungen an die Lehrperson der beiden Reformpädagoginnen erläutert. Den Schlussteil dieser Arbeit bildet ein entsprechender Theorievergleich und eine kritische Würdigung beider Pädagoginnen.

II. Ellen Keys Bild des Kindes in seinen Konsequenzen für die Gestaltung von Unterricht

1.1 Bild des Kindes

Im Zentrum von Keys Überlegungen zum Kind und zur Kindheit stehen die „ Heiligkeit “ und die „ Majestät des Kindes “. Key idealisiert das Kind und spricht mit flammenden Worten vom Kind als Erlöser, vom schöpferischen Kind und vom Kind als „ neuem Menschen “. „ Kindheit wird hier zur Utopie, zum Paradies, zum Raum des Möglichen, der noch frei von Entfremdung ist, stilisiert.8 Key beschwört die Schaffens- kraft und Hoheit des Kindes und definiert das Mutter - Kind - bzw. Vater - Kind - Ver- hältnis neu:

„ Bevor nicht Vater und Mutter ihre Stirne vor der Hoheit des Kindes in den Staub beugen; bevor sie nicht einsehen, dass das Wort 'Kind' nur ein anderer Ausdruck f ü r den Begriff 'Majestät' ist; bevor sie nicht f ü hlen, dass es die Zu- kunft ist, die in Gestalt des Kindes in ihren Armen schlummert, die Geschichte, die zu ihren F üß en spielt - werden sie auch nicht begreifen, dass sie ebensowe- nig die Macht oder das Recht haben, diesem neuen Wesen Gesetze vorzuschrei- ben, wie sie die Macht oder das Recht besitzen, sie den Bahnen der Sterne auf zuerlegen. “ 9

Diese besondere Hinwendung zum Kinde zeugt von Keys fundamentaler Überzeugung, dass die Weiter- und Höherentwicklung der Menschheit über das Kind erfolgt. Daher geht es nicht darum das Kind so schnell wie möglich in die Erwachsenen- und Arbeits- welt zu integrieren, sondern das Kind als „ Manifestation des Lebens selbst “ 10 zu sehen. „ Im Kind tritt also das Absolute selbst in die Welt. “ 11 Dieses radikale Bild vom Kind verbunden mit Rettungs- und Erlösungsvisionen bestimmt vor dem Hintergrund der Le- bensreform und Kulturkritik Anfang des 20. Jahrhunderts die Rede über das Kind in der Moderne.

Ellen Key betont die individuelle Eigenheit jedes Kindes, welche sie nicht als Unvoll- kommenheit sondern als Originalität und ein zu schützendes und förderndes Gut sieht. Phantasie und Gefühl der Kinder spielen dabei eine wichtige Rolle für Entwicklungs- und Lernprozesse. Charakteristisch für Reformpädagogen ist ebenso ihr Glaube an die Unbefangenheit des Kindes in Bezug auf Gut und Böse. Key vertraut mit Zuversicht auf das Gute in jedem Kind.

Die Reformpädagogin fordert Kinder als eigenständige Persönlichkeiten und Individuen anzuerkennen, zu respektieren und als solche zu behandeln. Dazu gehört auch ihnen das Recht auf eigene Gedanken, eigenes Urteil und eigenen Willen zuzusprechen.12 In Ellen Keys Vision erhält Kindheit eine neue Qualität, indem sie als Eigenwelt und mit Eigenwert deutlich von der Erwachsenenphase im Leben unterschieden wird.

1.2 Konsequenzen für den Unterricht

1.2.1 Einleitende Hinweise zum Schulkonzept

Keys neue Kindheitsvision zeigt auch für die Erziehung Folgen. Als entscheidenden Ort für die Erziehung wählt Ellen Key das Haus und die Familie, da ihr das Heim als heilig gilt.13 Mit ihrem neuen Schulkonzept versucht sie daher erzieherische Einflussmöglich- keiten außerhalb des häuslichen Umfelds einzudämmen. Die von ihr geträumte „ Schule der Zukunft “ soll sich am Familienmodell orientieren, um die Persönlichkeit des Kindes und das innige Eltern-Kind-Verhältnis zu fördern und zu schützen14. Im Sinne einer Schulreform fordert Key daher die Abschaffung von Kindergärten, die durch häuslichen Unterricht ersetzt werden sollen. In dieser Zeit sei es Aufgabe der Mütter den Kindern grundlegende Kenntnisse in Sprache, Natur und sozialem Miteinander zu vermitteln. Darauf folgt die eigentliche Schulausbildung, welche erst mit dem neunten Lebensjahr beginnen soll und von der Reformpädagogin in Form einer gesellschaftsklassen- und geschlechtsübergreifenden Gesamtschule gefordert wird15. Keys Schulstruktur sieht zu- dem eine Klassengröße von max. 12 Schülern vor, um eine „ vern ü nftige oder persönli- che Unterrichtmethode “ 16 darzubieten. Mit dem 15. bzw. 16. Lebensjahr soll die Ge- samtschulausbildung abgeschlossen sein und entweder der Eintritt ins praktische Leben oder eine weitere Schulbildung in Fortsetzungs- und Anwendungsschulen erfolgen. Für manche Schüler befürwortet Key vor weiteren Studien ein „ Ruhejahr “ einzulegen17. Diese radikale Erneuerung des Schulwesens trägt zum einen dazu bei, den Kindern den Weg zur Persönlichkeitsbildung leicht und klar strukturiert zu ebnen und zum anderen hat die neue Schule das Ziel „ sich selbst entbehrlich zu machen, das Leben und das Gl ü ck - das will unter anderem sagen, die Selbsttätigkeit - an Stelle des Systems und des Schemas herrschen zu lassen “ 18.

1.2.2 Ziele

Das schon oben erwähnte Schul- und Erziehungsziel lässt sich ebenso auf das Keysche Unterrichtskonzept übertragen. Selbsttätigkeit, also Entfaltung innerer Kräfte und Anla- gen, Selbstverantwortung und Selbstbildung sind die ersten Schritte auf dem Weg zu ei- ner Höherentwicklung der Menschheit, fernab von einer Erziehung zur Anpassung, zum Kollektiv, zum Herdenmenschentum. Die „ Lust zur Selbstbildung “ kann beim Schüler nur dann aufrecht erhalten werden, wenn oberflächliche Wissensvermittlung durch eine dem Individuum angepasste Anleitung zum reflexiven Umgang mit Wissensstrukturen ersetzt wird19. Darüber hinaus visiert Key eine Durchbrechung der erstarrten Unterricht- methoden der alten „ Paukschulen “, ein Abbau der Stofffülle und schließlich eine Zu- rücknahme des Lehrers an, um dem Schüler das selbständige Studium zu erleichtern und Stoffprogramm und Methodik an individuelle Neigungen anzupassen. Einherge- hend mit ihrer Schulkritik, welche besonders in ihrem Kapitel „ Seelenmorde in den Schulen “ Ausdruck findet, plädiert Key für eine Stärkung der Individualität jedes Schü- lers sowie die Bewahrung und Förderung natürlicher kindlicher Neugier und Wissbe- gierde. Infolgedessen fordert Key, die Psychologie des Kindes zu studieren, was wieder- um in einer Klassenstärke von 12 Schülern erleichtert wird. Der Unterricht soll den Kin- dern genügend (Frei-) Raum geben, ihre Persönlichkeit zu entwickeln, fernab von der Hektik und dem Leistungsdruck der Gesellschaft der Moderne. So heißt es auch in ih- rem Klassiker: „ Die erste Erziehung muss darauf hinzielen, die Individualität zu stär- ken “.20 Key formuliert ihr Bildungsziel als „ Gef ü hl, Phantasie und Verstandesbildung (Gedanken, Kenntnisstoff, Gedächtnis) in gemeinsamer Wirkung und Verbindung mit Lebenspraxis “ 21.

[...]


1 Hedderich, Ingeborg: Einführung in die Montessori-Pädagogik. München (u.a.) 2011, S.19

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Vgl. Andresen Sabine/Baader, Meike Sophia: Wege aus dem Jahrhundert des Kindes. Tradition und Utopie bei Ellen Key. Neuwied 1998, S.100

5 Vgl. Spillmann, Verena: Erziehungskonzeption für Heim und Schule unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Frau als Mutter bei der schwedischen Pädagogin und Schriftstellerin Ellen Key. Zürich 1992. S.20

6 Vgl. Hedderich 2011, S.12

7 Vgl. ebd., S.16

8 Liebau, Eckart: Kind und Kunst. Das schöpferische Kind. In: Baader, Meike Sophia: Ellen Keys reformpädagogische Vision. 'Das Jahrhundert des Kindes' und seine Wirkung. Weinheim 2000, S.191- 214. Hier S.194

9 Key, Ellen: Das Jahrhundert des Kindes. Studien. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Weinheim 1992. Weinheim 2000. S.120

10 Rülcker, Tobias: Ellen Key, die deutsche Pädagogik und die widersprüchliche Realität von Kindheit im 20.Jahrhundert. In: Lingelbach, Karl-Christoph (Hrsg.): Jahrbuch für Pädagogik 1999. Das Jahrhundert des Kindes?. Frankfurt am Main 2000, S.17-32. Hier S.19

11 ebd.

12 Vgl. Key 2000, S.81

13 Vgl. ebd., S.109

14 Vgl. ebd., S.137

15 Vgl. ebd., S.148

16 Vgl. ebd., S.151

17 Vgl. ebd., S.147

18 Ebd., S.178

19 Vgl. Andresen 1998, S.199

20 Key 2000, S.172

21 Dräbing, Reinhard: Der Traum vom „Jahrhundert des Kindes“ - Geistige Grundlagen, soziale Implikationen und reformpädagogische Relevanz der Erziehungslehre Ellen Keys. Frankfurt a.M. 1990. S. 287

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Bild des Kindes bei Maria Montessori und Ellen Key und die Konsequenzen für die Gestaltung des Unterrichts
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Erziehungswissenschaft)
Note
1,7
Autoren
Jahr
2012
Seiten
20
Katalognummer
V293419
ISBN (eBook)
9783656908937
ISBN (Buch)
9783656908944
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Maria Montessori, Ellen Key, Unterrichtsgestaltung, Bild des Kindes, Montessoripädagogik, Montessori Pädagogik
Arbeit zitieren
Manel Gasmi (Autor:in)Amena Afzali (Autor:in), 2012, Das Bild des Kindes bei Maria Montessori und Ellen Key und die Konsequenzen für die Gestaltung des Unterrichts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293419

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