In Barbara Honigmanns Leben spielt(e) ihr Vater eine wesentliche Rolle und hat sie gewiss auch geprägt. Mit seinem Tod war er nicht nur der Anlass des autobiografischen Romans „Eine Liebe aus nichts“, sondern die Vaterfigur bedeutet auch für die Protagonistin ihrer Erzählung und deren Definition von Heimat und Identität sehr viel.
In Honigmanns Werk verbinden sich „Autobiografie, Familiengenealogie und Romanfiktion [...] zu einer Identitätserzählung“, in welcher die Themen von „Erwartung und Enttäuschung, vom Hoffen auf ein neues Leben, in dem alte Wünsche begraben werden“, von Erinnerungen und Sehnsüchten variiert werden. Reichart beschreibt Barbara Honigmanns Roman als eine „wehmütige Geschichte vom Wegfahren ohne Ankommen und Zurückkommen ohne Wiederkommen, vom Weglaufen, das in Wahrheit ein Hinterherlaufen ist.“ Die Protagonistin reist von Zuhause weg, um ihrem Vater zu entfliehen, und läuft ihm und seiner Vergangenheit doch hinterher.
Die autobiografisch geprägte Ich-Erzählung folgt zwar keiner Chronologie und scheint fast assoziativ, ist aber dennoch nicht beliebig angeordnet. Es findet sich eine Mischung aus verschiedenen miteinander verwobenen Erzählsträngen: Der Tod und die Beerdigung des Vaters in Weimar (der Rahmen des Romans), das Leben der Erzählerin in Paris und Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend und Zeit im Theater in Berlin und an die Geschichte(n) des Vaters bzw. ihrer Eltern wechseln sich ab und ergänzen einander.
Der Roman, der den Vater und die schwierige Beziehung zu ihm auf fast jeder Seite thematisiert, zeigt, dass Väter einen großen Einfluss auf die Persönlichkeit und das berufliche sowie private Leben ihrer Töchter haben. Wenn das Verhältnis zum Vater gestört ist, kann dies negative Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl, auf Beziehungen zu anderen und die Wahrnehmung von Heimat und Identität haben.
Für die Analyse des als „Vaterbuch“ bezeichneten Romans stellen sich vor diesem Hintergrund einige Fragen: Wie gestaltet sich der Einfluss des Vaters auf das Leben, Denken und Fühlen der Erzählerin? Welche Beziehung hat sie zu ihm? Wie hängen der Vater und die Suche nach Heimat und Identität der Protagonistin zusammen?
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die im Roman dargestellte ambivalente Vater-Tochter-Beziehung anhand der oben aufgeführten Fragen zu analysieren und dabei vor allem deren Auswirkungen auf die Heimat(losigkeit) und die Identität(ssuche) der Protagonistin einzugehen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die Vater-Tochter-Beziehung
- 2.1 Die Erzählerin als „Kind“
- 2.2 „Eine Liebe aus nichts“
- 2.3 Das „Erbe“ des Vaters
- 2.4 Heimat und Identität
- 3. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die ambivalente Vater-Tochter-Beziehung in Barbara Honigmanns Roman „Eine Liebe aus nichts“. Sie untersucht den Einfluss des Vaters auf das Leben, Denken und Fühlen der Erzählerin und beleuchtet die Auswirkungen dieser Beziehung auf die Heimat(losigkeit) und die Identität(ssuche) der Protagonistin.
- Die Rolle des Vaters in der Lebensgeschichte der Erzählerin
- Die Beziehung zwischen dem Vater und der Tochter
- Die Bedeutung des „Erbes“ des Vaters für die Protagonistin
- Die Suche nach Heimat und Identität im Kontext der Vater-Tochter-Beziehung
- Die Auswirkungen der Vater-Tochter-Beziehung auf das Selbstbild der Protagonistin
Zusammenfassung der Kapitel
2. Die Vater-Tochter-Beziehung
Das Kapitel untersucht die Beziehung zwischen der Erzählerin und ihrem Vater. Es wird deutlich, dass diese Beziehung von Anfang an von Ambivalenz und Konflikten geprägt ist. Die Erzählerin beschreibt ihren Vater als eine dominante und fordernde Figur, die ihre Unabhängigkeit hemmt und ihre Selbstwahrnehmung negativ beeinflusst.
2.1 Die Erzählerin als „Kind“
Dieses Unterkapitel beleuchtet die Kindheit der Erzählerin und ihren Umgang mit den schwierigen Beziehungen zu ihren Eltern. Die Trennung der Eltern und das ständige Hin- und Herpendeln zwischen Mutter und Vater prägen die Erzählerin nachhaltig und führen zu einer emotionalen Distanz zu beiden Elternteilen. Der Vater, der selbst in Beziehungen unglücklich ist, kann seine Tochter nicht wachsen lassen und macht sie so zu einer Frau, die emotional keinen Abstand nehmen kann.
2.2 „Eine Liebe aus nichts“
In diesem Unterkapitel werden die Beziehung der Erzählerin zu ihrem Vater und anderen Männern im Kontext der „Liebe aus nichts“ untersucht. Es wird deutlich, dass die Erzählerin immer wieder auf der Suche nach einer stabilen und liebevollen Beziehung ist, die ihr jedoch verwehrt bleibt. Der Vater, der sich an seine Tochter klammert und ihre Unabhängigkeit behindert, trägt zu dieser Problematik bei.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Vater-Tochter-Beziehung, Heimat und Identität, autobiografischer Fiktion, Familienbeziehungen, Verlust, Enttäuschung, Erwartungen, Erinnerungen und Sehnsüchten. Die Analyse konzentriert sich auf die Themen der emotionalen Distanz, der Suche nach Stabilität und Zugehörigkeit, der ambivalenten Liebe und dem Einfluss des Vaters auf die Persönlichkeitsentwicklung der Tochter.
- Arbeit zitieren
- Sofia Gruca (Autor:in), 2013, Die Vater-Tochter-Beziehung in Barbara Honigmanns "Eine Liebe aus nichts", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/294831