Was ist Kommunikationsstress? Wie entsteht er und welche Folgen hat er? Im Zentrum der Arbeit von Markus Joepgen steht die Konzeptionalisierung und empirische Untersuchung von Kommunikationsstress. Der Autor erarbeitet zunächst eine allgemeine Definition von Kommunikationsstress. Dabei übeträgt er Annahmen des kognitiv-transaktionalen Stressmodells auf Kommunikationsprozesse.
Am Beispiel der Erwartung "schnell zurückschreiben" bei gleichzeitig "ständiger Erreichbarkeit" rekonstruiert er anschließend die Entstehung von Stress am Beispiel von E-Mail-Kommunikation. Dabei erklärt er, unter welchen Umständen es gerade im Rahmen der Aneignung neuer Medien zu Stresserfahrungen kommen kann und welche Rolle dabei veränderte Wahrnehmungsstrukturen und neue Kommunikationsregeln spielen. Anschließend untersucht er in einer Fallstudie die E-Mail-Nutzung an einem amerikanischen College. Dabei wird deutlich, dass sich „gestreßte“ E-Mail-Nutzer in ihrer medienbezogenen Gebrauchsweise von „nicht gestressten“ Nutzern unterscheiden. Derartige Unterschiede im Nutzungsverhalten werden in Bezug auf eine systemische Betrachtungsweise von Stress erklärt, nach der medienbezogene Gebrauchsweisen auch als Stressbewältigungsmechanismen betrachtet werden können.
Die Ergebnisse zeigen, dass Kommunikationsstress dazu beitragen kann, Kommunikationsverhalten zu erklären. Sie führen zu der Empfehlung, das Konstrukt als Kontextmerkmal bei der Erklärung von Kommunikationsprozessen zu berücksichtigen. Die Ergebnisse zeigen auch: User sind keine Opfer neuer Kommunikationstechnologien. Sehr wohl aber besteht die Notwendigkeit, die Regeln im Umgang mit neuen Medien vor dem Hintergrund neuer kommunikativer Freiheiten bedürfnisgerecht "auszuhandeln". Gelingt dies nicht, kann Kommunikationsstress entstehen und als Indiz für eine mangelhafte Aneignung neuer Kommunikationstechnologien gewertet werden.
Inhaltsverzeichnis
- EINFÜHRUNG
- 1.1 Erkenntnisinteresse
- 1.2 Vorgehensweise
- STANDORTBESTIMMUNG: DIE FRAGE NACH STREẞ IM KONTEXT VON E-MAIL-KOMMUNIKATION.
- 2.1 Hinweise auf die Entstehung neuer medienspezifischer Konventionen ......
- 2.2 Die Dynamik sozialer Einflußprozesse als Problem der Kommunikationswissenschaften.
- 2.3 Streẞ als Indikator für die Anpassungsfähigkeit an neue medienspezifische Konventionen........
- E-MAIL-KOMMUNIKATION ALS „REGELGELEITETES GESCHEHEN“
- 3.1 Erwartungen als Manifestationen von Kommunikationsregeln
- 3.1.1 Funktionen von Kommunikationsregeln..
- 3.1.2 Typen von Kommunikationsregeln........
- 3.1.2.1 Regulative und konstitutive Regeln
- 3.1.2.2 Implizite und explizite Kommunikationsregeln
- 3.1.2.3 Prozeduale Regeln.........
- 3.1.3 Klassifizierung der Kommunikationsregel „schnell zurück-schreiben“.
- 3.2 Zur Konstitution neuer Kommunikationsregeln......
- 3.2.1 E-Mail als „bedeutungsfreier Raum“.
- 3.2.2 Medienbezogene Gebrauchsweisen als Grundlage der Aushandlung neuer Kommunikationsregeln ....
- 3.2.3 Zur Bedeutung gruppenspezifischer Aneignungsprozesse.
- 3.2.4 Die,,kommunikative Bedeutung von E-Mail“ als Hinweis für die Konstitution der Kommunikationsregel „schnell zurückschreiben“
- 3.3 Zur Aushandlung von Kommunikationsregeln unter veränderten Rahmenbedingungen....
- 3.3.1 Die „präfigurative Kraft“ von Kommunikationsregeln.........
- 3.3.2 Erreichbarkeit und die Bewertung der Gebrauchsweise von E-Mail..
- 3.3.3 Exkurs: „Verpflichtung“ als Erwartungsdimension…........
- 3.4 Resümee
- STREB ALS KOGNITIV-TRANSAKTIONALER PROZEB
- 4.1 Standortbestimmung..
- 4.1.1 Forschungsdisziplin: Streß als Gegenstand der Sozialpsychologie
- 4.1.2 Modellcharakter: Streß als Prozeß
- 4.2 Grundbegriffe und theoretische Einordnung
- 4.2.1 Stressoren
- 4.2.1.1 Die Erwartung „,schnell zurückschreiben“ als chronischer Stressor
- 4.2.2 Kognitive Bewertung von Stressoren („Appraisals“)
- 4.2.2.1 Primäre Bewertung: Der Begriff der (kommunikativen) Anforderung.
- 4.2.2.2 Bewertung von Bewältigungspotentialen ............
- 4.2.3 Kontextmerkmale (,,Moderators“).
- 4.2.3.1 Erreichbarkeit als streßförderndes, externes Kontextmerkmal
- 4.2.4 Streßbewältigung („Coping“)....
- 4.2.4.1 Gebrauchsweisen von E-Mail als Streßbewältigungsmechanismen.
- 4.2.5 Streßerfahrungen als Streßreaktionen.......
- 4.3 Resümee: Streß im Kontext von E-Mail-Kommunikation.
- ÜBERSICHT ÜBER ABGELEITETE HYPOTHESEN..
- METHODE
- 6.1 Design der Studie: Grundgesamtheit und Stichprobenziehung
- 6.2 Pretest
- 6.3 Hauptfeldphase....
- 6.4 Inhaltliche Konzeption – Fragenbereiche
- 6.5 Zur Erhebung „subjektiver Streßerfahrungen“.
- 6.6 Vorbereitung der Datenanalyse...
- 6.7 Rekodierung
- DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE....
- 7.1 Beschreibung der Untersuchungsteilnehmer
- 7.1.1 Quantitative Nutzungsmerkmale...
- 7.1.2 Qualitative Nutzungsmerkmale....
- 7.1.3 Wahrnehmung der Erwartung „schnell zurückschreiben“
- 7.1.4 Wahrgenommene Erreichbarkeit......
- 7.1.5 Die Anforderung „schnell zurückschreiben“ (IndexKA)
- 7.1.6 Streẞerleben..
- 7.1.6.1 Häufigkeit von Streßerfahrungen
- 7.1.6.2 Intensität von Streßerfahrungen..
- 7.1.6.3 Hinweise auf die „Bedeutung“ von Streßerfahrungen........
- 7.2 Zusammenhang zwischen wahrgenommenen Erwartungshaltungen bezüglich einer hohen Antwortgeschwindigkeit und der kommunikativen Anforderung ,,schnell zurückschreiben“ (H1)…………………….……..\n
- 7.3 Zusammenhang zwischen wahrgenommener Erreichbarkeit und der kommunikativen Anforderung „schnell zurückschreiben“ (H3)
- 7.4 Zusammenhang zwischen kommunikativer Anforderung und Intensität von Streẞerfahrungen (H2)....
- 7.5 Plausibilitätskontrolle: Zusammenhang zwischen der Erwartung „schnell zurückschreiben“, dem Kriterium Erreichbarkeit und der Intensität von Streẞ.......
- 7.6 Zusammenhänge zwischen Streßerfahrungen und der Gebrauchsweise von E-Mail (H4)...
- 7.6.1 Quantitatives Nutzungsverhalten.
- 7.6.2 Qualitatives Nutzungsverhalten
- 7.6.2.1 Rechtschreibung.
- 7.6.2.2 Schreibstil
- 7.6.2.3 Die Kurzmitteilung „schreibe später zurück“.
- 7.7 Zusammenfassung der Ergebnisse........
- Die Entstehung neuer medienspezifischer Konventionen in der E-Mail-Kommunikation
- Die Rolle von Kommunikationsregeln und deren Aushandlungsprozess
- Die kognitive Bewertung von Stressoren und deren Einfluss auf Streßerfahrungen
- Der Zusammenhang zwischen Streßerfahrungen und der Gebrauchsweise von E-Mail
- Die Bedeutung von Erreichbarkeit und der wahrgenommenen Erwartungshaltung in der E-Mail-Kommunikation
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema Kommunikationsstreß im Kontext von E-Mail-Kommunikation. Die Arbeit untersucht, inwiefern die Erwartung, schnell auf E-Mails antworten zu müssen, zu Streßerfahrungen bei den Nutzern führt. Die Studie verfolgt einen explorativen Ansatz und analysiert die subjektiven Streßerfahrungen der Untersuchungsteilnehmer anhand von Fragebögen und Interviews.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die das Erkenntnisinteresse der Untersuchung darlegt und die Vorgehensweise beschreibt. Im Anschluss werden die theoretischen Grundlagen für die Untersuchung von Streß im Kontext von E-Mail-Kommunikation erarbeitet. Die Arbeit untersucht die Entstehung neuer medienspezifischer Konventionen in der E-Mail-Kommunikation, insbesondere die Erwartung, schnell auf E-Mails antworten zu müssen. Es werden verschiedene Aspekte der Kommunikationsregeln im Kontext von E-Mail-Kommunikation beleuchtet, wie z.B. Funktionen, Typen und die Aushandlung von Regeln. Anschließend wird der Streßbegriff aus kognitiv-transaktionaler Perspektive analysiert. Es werden verschiedene Aspekte des Streßprozesses wie Stressoren, kognitive Bewertung, Kontextmerkmale und Streßbewältigung beleuchtet.
Die Arbeit umfasst verschiedene Kapitel, die sich mit der Untersuchung von Streßerfahrungen in der E-Mail-Kommunikation auseinandersetzen. Die Kapitel analysieren den Zusammenhang zwischen wahrgenommenen Erwartungshaltungen bezüglich einer hohen Antwortgeschwindigkeit, der Erreichbarkeit und der Intensität von Streßerfahrungen. Die Arbeit untersucht außerdem den Zusammenhang zwischen Streßerfahrungen und der Gebrauchsweise von E-Mail, z.B. in Bezug auf Rechtschreibung, Schreibstil und die Nutzung von Kurznachrichten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Kommunikationsstreß, E-Mail-Kommunikation, Kommunikationsregeln, kognitive Bewertung, Stressoren, Streßbewältigung, Erreichbarkeit, Nutzungsgewohnheiten, subjektive Streßerfahrungen.
- Quote paper
- Markus Joepgen (Author), 1999, Kommunikationsstress - Eine explorative Fallstudie am Beispiel von E-Mail-Kommunikation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29539