Fallstudie: Politikfeld "Innere Sicherheit". Abhörgesetzgebung. Eine Untersuchung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen


Hausarbeit, 2004

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Institutionelle Rahmenbedingungen
2.2 Politikfeldanalyse: Nordrhein Westfalen
2.2.1 Problem
2.2.2 Akteure
2.2.3 Konstellationen, Interaktionsformen und politische Entscheidung

3. Schlussbetrachtung

4. Literaturverzeichnis und Quellenangabe

1. Einleitung

Die staatlichen Abhör- und Überwachungsbefugnisse sind in den letzten Jahren erheblich erweitert worden. Der Staat kann nicht nur Telefone überwachen, er darf auch auf anderem Wege das nicht-öffentliche Gespräch abhören. Seit dem 27. März 1998 ist Artikel 13 GG dahingehend geändert, dass seither der Einsatz akustischer Wohnraumüberwachung im repressiven Bereich, also zur Strafaufklärung und Strafverfolgung möglich ist. Dadurch wurde das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt. Sinn und Zweck dieser Grundgesetzänderung war die Absicht, auf diesem Wege der zunehmenden organisierten Kriminalität besser beikommen zu können. Die Ausführungsbestimmungen für das repressive Abhören nach Artikel 13 Absatz 3 GG[1] obliegen der Gesetzgebung des Bundes und wurden im §100c StPO geregelt. So steht den Behörden der Ländern seit 1998 das Mittel der akustischen Wohnraumüberwachung zur Strafverfolgung im Rahmen dieser Strafprozessordnung zur Verfügung. Dieser Bereich des sogenannten „Großen Lauschangriffes“ spielt in der weiteren Betrachtung jedoch keine Rolle, da er für alle Länder einheitlich in der StPO geregelt ist und es deshalb keinen Handlungsbedarf der Länder zur Umsetzung dieser Normen in Länderrecht gibt.

Das Abhören zu präventiven Zwecken, also „zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder Lebensgefahr“[2], war der Staatsanwaltschaft und der Polizei bereits vor dieser Grundgesetzänderung gestattet und fand in der Novellierung des Artikel 13 GG im neugefassten Absatz 4 nur eine Konkretisierung. Die Ausführungsbestimmungen für das präventive „Lauschen“ liegen jedoch in der Zuständigkeit der Länder, die diese in ihren Landesverfassungsschutz- und Polizeigesetzen zum Teil sehr unterschiedlich geregelt haben. Die Grundgesetzänderung sollte also die in den Polizeigesetzen der Länder ohnehin schon vorgesehene Möglichkeit der Überwachung von Wohnräumen zur Abwehr akuter Gefahren verfassungsrechtlich fest schreiben und eine Ausdehnung des Einsatzes technischer Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen auch auf Zwecke der Strafverfolgung ermöglichen.

Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist es, zu untersuchen, wie und auf welchem Wege die Befugnisse zum sogenannten „Lauschen“ im Rahmen der präventiven Gefahrenabwehr nach Artikel 13 Absatz 4 GG in nordrhein-westfälisches Landesrecht übertragen worden sind. Welche Rahmenbedingungen und Institutionen dabei eine Rolle gespielt haben, welche Akteure in welcher Position und Konstellation die Entscheidungen oder Nichtentscheidungen getroffen haben und welche Interaktionsformen dabei vorgeherrscht haben. Die Entscheidungsprozesse, die in Nordrhein-Westfalen zu der heutigen Gesetzeslage beim präventiven „Lauschen“ geführt haben, werden hierbei in Anlehnung an einen Analyserahmen untersucht. In dieser Fallstudie werden zunächst die institutionellen Rahmenbedingungen sowie die landespolitische Ausgangslage erläutert, bevor die Akteure, die Konstellationen und die Interaktionsformen, die letztendlich zu einer Entscheidungen geführt haben, analysiert werden. Diese Hausarbeit versteht sich als ein Teil einer gemeinsamen Gruppenarbeit, in der weitere Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland zu dieser Thematik sowie der bundespolitische Kontext untersucht worden sind. Auf Grund der Aktualität des Themas beschränken sich die zur Analyse herangezogenen Materialien und Quellen hauptsächlich auf Plenarprotokolle, Gesetzesentwürfe, Drucksachen, Internetquellen sowie tagesaktuellen Presseartikeln. Die herkömmliche Literaturlage gestaltet sich über Basisinformationen hinausgehend als äußerst schwierig.

2. Hauptteil

2.1 Institutionelle Rahmenbedingungen

Nordrhein-Westfalen, von den Bundesländern Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz umgeben, mit direkter Außengrenze zu Belgien und den Niederlanden, ist das bevölkerungsstärkste Land der Bundesrepublik. Mit seinen 18 Millionen Einwohnern ist Nordrhein-Westfalen deutlich bevölkerungsreicher als das flächengrößere Bundesland Bayern mit circa 12 Millionen Einwohnern. Die Bevölkerungsdichte von 530 Einwohnern pro km² wird nur von den deutschen Stadtstaaten übertroffen. Grund für den Bevölkerungsreichtum ist hauptsächlich die starke industrielle Prägung des Bundeslandes. Nordrhein-Westfalen erwirtschaftet heute rund ein Drittel des Bruttoinlandproduktes der Bundesrepublik Deutschland. Der Ballungsraum Ruhrgebiet beheimatet allein um die 6.000.000 Einwohner. Die Städte Köln, Düsseldorf, Essen, Duisburg und Dortmund mit jeweils zwischen 500.000 und 1.000.000 Einwohner sind unter den größten Großstädten Deutschlands vertreten. Wie fast alle anderen Großstädte in Deutschland haben auch diese Städte mit der organisierten Kriminalität zu kämpfen. Statistiken belegen, dass besonders Ballungsgebiete Zentren der organisierten Kriminalität sind. Hierzu gehören Delikte wie Rauschgifthandel und -schmuggel, Wirtschafts- und Eigentumskriminalität sowie auch Menschenhandel durch Mafiaähnliche Organisationen. Das Problem der organisierten Kriminalität ist in Nordrhein-Westfalen allgegenwärtig.

Bei den letzten Landtagswahlen vom 14. Mai 2000 entfielen bei einer Wahlbeteiligung von 56,7% der abgegebenen gültigen Stimmen 42,8% auf die SPD, 37,0% auf die CDU, 9,8% auf die FDP und 7,1% auf DIE GRÜNEN. Daraus ergibt sich eine momentane Sitzverteilung im nordrhein-westfälischen Landtag von 102 Sitzen für die Fraktion der SPD, 88 Sitzen für die CDU, 24 Sitze für die FDP und 17 Sitze für die Fraktion DIE GRÜNEN. Regiert wird Nordrhein-Westfalen von einer Regierungskoalition der SPD und DIE GRÜNEN unter Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD). Die CDU und die FDP befinden sich in der Opposition.[3]

2.2 Politikfeldanalyse: Nordrhein Westfalen

2.2.1 Problem

In Nordrhein-Westfalen ist das Problem der Kriminalität und besonders auch das der organisierten Kriminalität ein äußerst dringendes Thema, das vor allem in der öffentlichen Wahrnehmung viel Aufmerksamkeit findet. Als ein Mittel zur Bekämpfung dieser organisierten Kriminalität steht den Ländern die Möglichkeit der akustischen Wohnraumüberwachung im präventiven Bereich gemäß Artikel 13 Absatz 4 GG zur Verfügung. Entsprechende Bemächtigungen gab es jedoch auch schon vor der Konkretisierung des Artikel 13 GG im März 1998 in den Polizeigesetzen und den Verfassungsschutzgesetzen vieler Länder, so auch in Nordrhein-Westfalen. So sieht das Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen bereits seit 1990 in § 18 vor: „Ein verdeckter Einsatz technischer Mittel zum Abhören und Aufzeichnen des gesprochenen Wortes in oder aus der Wohnung“[4], ist nur dann zulässig, „wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist“[5]. Das Polizeigesetz sieht für den Einsatz dieser technischen Mittel eine richterliche Anordnung vor.[6] Die gesetzlichen Regelungen des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes waren damit schon einige Jahre vor der Grundgesetzänderung mit dem heutigen Artikel 13 Absatz 4 GG völlig konform. Gerechtfertigt wurde dieses Gesetz mit der Auslegung des Artikel 13 Absatz 3 GG [alt][7], welcher schon, so die Meinung der meisten Rechtsexperten damals, einen „Lauschangriff“ zur Gefahrenabwehr rechtfertigte. Mit der Grundgesetzänderung und der Einführung des neuen Absatz 4 wurde in diesem Bereich eine Rechtssicherheit hergestellt, eine Anpassung des Polizeigesetzes in Nordrhein-Westfalen war also nicht notwendig. Das Verfassungsschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (VSG NRW) sah ebenfalls bereits vor 1998 für den Verfassungsschutz des Landes in §7 Abs. 2 [alt] die Befugnisse zum präventiven „Lauschen“ vor.[8] Einziger Handlungsbedarf nach der Grundgesetzänderung von 1998 war hier, dass diese gesetzliche Regelung bislang nicht die notwendige richterliche Anordnung berücksichtigte. Im Rahmen der Umsetzung der Antiterrorgesetze des Bundes nach dem 11. September 2001 wurde dies nachgebessert.

Die Umsetzung der „Lausch“- Befugnisse aus Artikel 13 Absatz 4 GG lässt dem Gesetzgeber auf Länderebene einen relativ großen Spielraum und dementsprechend weisen die Polizei- und Verfassungsschutzgesetze der Länder eine große Bandbreite von unterschiedlichen Regelungen auf. So haben die unionsregierten Länder Hessen, Saarland, Bayern und Thüringen die Hürde zum „Großen Lauschangriff“ in ihren Verfassungsschutzgesetzen deutlich herabgesetzt. „Während im Bund die abzuwehrende Gefahr allgegenwärtig sein, also für die Allgemeinheit unmittelbar bevorstehen muss,“[9] verzichten die Gesetze dieser Länder auf diese zeitliche Einschränkung. Besonders die von den präventiven „Lauschangriffen“ grundsätzlich nicht ausgenommenen Berufsgeheimnisträger wie Journalisten, Ärzte oder Anwälte sehen ihre Grundrechte durch die scharfen Regelungen dieser Bundesländer massiv verletzt. Während 1998 bei der Einführung des „Großen Lauschangriffes“ zur Strafverfolgung, die Berufsgeheimnisträger nach Protesten ausgespart blieben, wurden die „Berufsgeheimnisträger“ bei der Lauscherlaubnis im Rahmen der Gefahrenabwehr nicht berücksichtigt.[10] Die Schwelle für das „Belauschen“ dieser Berufsgruppen liegt in den meisten Bundesländern aber immer noch sehr hoch.

In Nordrhein-Westfalen wurde, wie in den meisten SPD-regierten Ländern, keine schärfere Regelung zum präventiven „Lauschen“ getroffen, sondern die Gesetze in enger Anlehnung an die Bundesvorgaben gehalten, die Hürde zum „Großen Lauschangriff“ also nicht herabgesetzt. Eine nennenswerte öffentliche oder politische Diskussion über eine schärfere Anwendung des „Großen Lauschangriffes“ gab es in Nordrhein-Westfalen zu keiner Zeit. Auf den ersten Blick scheint also die parteipolitische Konstellation in den Ländern ausschlaggebend für die Umsetzung der Abhörbefugnisse in Länderrecht zu sein.

[...]


[1] Artikel 13 GG [Unverletzlichkeit der Wohnung] Abs. 3: „Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.“

[2] Artikel 13 GG [Unverletzlichkeit der Wohnung] Abs. 4: „Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.“

[3] Vgl. http://www.landtag.nrw.de/WWW/GB_III/III.2/Wahlinformationen/Ergebnisse_1947-/parlament_daten_und_fakten_wahlen_ergebnisse_2000.htm, 27.08.04, 14.50 Uhr.

[4] § 17 Abs. 2 PolG NRW, Fassung vom 24.02.1990.

[5] § 17 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW, Fassung vom 24.02.1990.

[6] S. § 17 Abs. 3 PolG NRW, Fassung vom 24.02.1990.

[7] Artikel 13 GG [Unverletzlichkeit der Wohnung] Abs. 3 [alt]: „Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden.“

[8] §7 Abs. 2 Satz 1 VSG NRW [alt]: „Nur zur Abwehr einer gegenwärtigen gemeinen Gefahr oder einer gegenwärtigen Lebensgefahr für einzelne Personen (Artikel 13 Abs. 3 GG) darf das in einer Wohnung nicht öffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln heimlich mitgehört oder aufgezeichnet werden.“, Fassung vom 20.12.1994.

[9] Cziesche, Dominik, Zeichen der Barbarei, Der Spiegel, 21.08.2002.

[10] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Fallstudie: Politikfeld "Innere Sicherheit". Abhörgesetzgebung. Eine Untersuchung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
22
Katalognummer
V29574
ISBN (eBook)
9783638310499
Dateigröße
570 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fallstudie, Politikfeld, Innere, Sicherheit, Abhörgesetzgebung, Eine, Untersuchung, Bundeslandes, Nordrhein-Westfalen
Arbeit zitieren
Tim Stahnke (Autor:in), 2004, Fallstudie: Politikfeld "Innere Sicherheit". Abhörgesetzgebung. Eine Untersuchung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29574

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