Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Gegenstand des Working Capital und des Managements
3. Cash-Conversion-Cycle-Time
4. Instrumente des Working-Capital-Managements
4.1 Bestandsmanagement zur Optimierung des Working Capital
4.1.1 Bedarfsgerechte Produktion
4.1.1.1 Methoden zur Primärbedarfsermittlung
4.1.1.1.1 Qualitative Prognoseverfahren zur Primärbedarfsermittlung
4.1.1.1.2 Quantitative Prognoseverfahren zur Primärbedarfsermitt- lung
4.1.1.2 Methoden zur Sekundärbedarfsermittlung
4.1.1.3 Statische Verfahren zur Losgrößenoptimierung
4.1.1.4 Dynamische Verfahren zur Losgrößenoptimierung
4.1.2 Instrumente des Einkaufs
4.1.2.1 Bedarfsbündelung zur Einkaufsoptimierung
4.1.2.2 Single, Dual und Multiple Sourcing zur Kostenoptimierung
4.1.2.3 Just-in-Time-Konzept zur Bestandsreduktion
4.1.2.4 Vendor Managed Inventory
4.2 Forderungsmanagement zur Optimierung des Working Capital
4.2.1 Vertragsgestaltung, Mahnwesen
4.2.2 Factoring zur Optimierung der Forderungen
4.2.2.1 Funktionen des Factoring
4.2.2.2 Kosten des Factoring
4.2.2.3 Arten des Factoring
4.2.3 Forfaitierung
4.2.4 Asset-Backed-Securities
4.2.4.1 Ablauf einer ABCP-Transaktion
4.2.4.2 Vorteile für das verkaufende Unternehmen
4.3 Verbindlichkeitsmanagement zur Optimierung des Working Capital
5. Einfluss eines effektiv gestalteten WCM auf die Bilanz
5.1 Auswirkungen eines effektiven WCM auf die Eigenkapital- quote
5.2 Einfluss des WCM auf den Economic Value Added
5.2.1 Bestimmung des NOPAT
5.2.2 Bestimmung des NOA
5.3.3 Berechnung des ROCE
5.3.4 Berechnung des WACC
6. Einfluss auf den Free Cashflow
7. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Working Capital nach der weitesten Definition
Abbildung 2: Working Capital engste Definition
Abbildung 3: Cash-Conversion-Cycle-Time
Abbildung 4: CCCT verschiedener Branchen
Abbildung 5: CCCT nach Unternehmensgröße
Abbildung 6: Darstellung Factoringbeziehungen
Abbildung 7: Vergleich Factoring und Forfaitierung
Abbildung 8: ABCP-Transaktion
Abbildung 9: Treiberbaum EVA
Abbildung 10: Gewinn und Verlustrechnung der Siemens AG 2012 und 2013
Abbildung 11: Konzernbilanz der Siemens AG der Jahre 2012 und 2013
Abbildung 12: Veränderung des Working Capital der Siemens AG von 2012 zu 2013
Abbildung 13: Berechnung des Free Cashflows der Siemens AG
Abbildung 14: Cross Check zur Überprüfung des Free Cashflows
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Durch die vielen Zahlungsunfähigkeiten im Zuge der Finanzkrise 2007-2009 wur- den die Forderungen an Unternehmen nach höheren Liquiditätsreserven immer größer. Ein positiver Cashflow (CF) stellt längerfristig gesehen sicher, dass ein Unternehmen seine Verbindlichkeiten fristgerecht begleichen kann. Ein negativer CF hingegen könnte das Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten bringen. Die hohe Bedeutung des Working Capital Managements (WCM) spiegelt sich in einer Umfrage der KPMG (2008) bei deutschen Unternehmen im Bereich des Anlagen- und Maschinenbaus dar. Über 95 % der befragten Unternehmen stufen das WCM als wichtig oder sehr wichtig ein.1
Deutsche Unternehmen haben eine durchschnittliche Kapitalbindung in Höhe von 56 Tagen (Großunternehmen) bis 61 Tagen (Mittelständler).2 Im Vergleich dazu beträgt die durchschnittliche Kapitalbindung in Europa 69,1 Tage (2012) und im United Kingdom 43,7 Tage (2012).3
Durch ein starkes Wirtschaftswachstum vor allem im mittelständischen Bereich und die dadurch begleitete Wachstumsfinanzierung sind die Unternehmen ge- zwungen sich noch stärker auf das WCM zu fokussieren, um sich den künftigen Herausforderungen stellen zu können. Allein im deutschen Mittelstand besteht ein Liquiditätsfreisetzungspotential von 87 Milliarden Euro durch ein aktives WCM.4
In dieser wissenschaftlichen Arbeit wird zuerst ein Überblick über das WCM ge- geben und anschließend auf die Cash Conversion Cycle Time (CCCT) eingegan- gen. Im Anschluss erfolgt eine Erläuterung der verschiedenen Möglichkeiten zur Optimierung und Reduzierung der Working Capital Positionen und zum Schluss werden deren Effekte auf den Economic Value Added sowie den Free Cashflow aufgezeigt.
2. Gegenstand des Working Capital und des Managements
Ein wesentliches Ziel vor allem für kapitalmarktorientierte Unternehmen ist die Steigerung des Unternehmenswertes des Shareholder Values. Durch ein aktives WCM kann die Kapitalbindungsdauer signifikant gesenkt werden. Dies führt zu einer Reduzierung des Umlaufvermögens (UV), Verbesserung der Cashflow Po- sition und letztendlich zu einem höheren Unternehmenswert. Durch das gesun- kene UV besteht ein geringer Fremdkapitalbedarf, wodurch eine geringere Fremdkapitalquote (FK-Quote) und somit weniger Einfluss durch Dritte erreicht wird.5
In der Literatur gibt es zwei unterschiedliche Sichtweisen, welche Positionen das WC umfasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Working Capital nach der weitesten Definition
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Klepzig (2014) S. 7
Das WC gemäß der weitesten Definition berechnet sich aus dem Umlaufvermögen abzüglich der kurzfristen Verbindlichkeiten (siehe Abbildung 1).6
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Working Capital engste Definition
Quelle: Eigene Darstellung
Gemäß der engsten Definition (siehe Abbildung 2) berechnet sich das WC aus den Vorräten, addiert um Forderungen abzüglich der kurzfristigen Verbindlichkei- ten. Häufig wird das WC gemäß der ersten Definition Gross Working Capital ge- nannt und das WC der zweiten Definition Net Working Capital (NWC). In der Pra- xis hat sich auf Grund der größeren Einflussnahme der Positionen eher das NWC (Nettoumlaufvermögen) durchgesetzt und wird häufiger verwendet.7
Geht man nun beispielsweise davon aus, dass ein Unternehmen Vorräte in Höhe von 200 €, Forderungen in Höhe von 300 €, kurzfristige Verbindlichkeiten (VE) von 200 € und langfristige VE von 700€ besitzt, so errechnet sich ein WC von 200 € +300 € - 200 € = 300 €. Dies bedeutet, dass unser WC hoch genug ist, um unsere kurzfristigen VE und sogar ein Teil der langfristigen VE zu decken. Im umgekehrten Fall, beispielsweise mit Vorräten von 100 €, Forderungen von 150 €, kurzfristige VE in der Höhe von 400€ und langfristige VE von 700 €, ergibt sich ein WC in Höhe von 100 € + 150 € - 400 € = -150 €. Dies bedeutet, dass ein Teil des WC langfristig finanziert ist und mittelfristig besteht die Gefahr eines Liquiditätsengpasses. Es wird also ein positives WC angestrebt, das sich nach oben hin in einem angemessenen Rahmen befinden sollte, da Vorräte und For- derungen nicht verzinsliche Bilanzpositionen sind.
Eine Kennzahl zur Beurteilung der WC-Position ist die Working Capital Ratio. Diese berechnet sich wie folgt:8
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dieser Wert sollte über 100 % liegen, um nicht in einen Liquiditätsengpass zu geraten.9
Ein wesentliches Problem in der Praxis zur Reduzierung der WC-Positionen liegt an den konkurrierenden Zielvorgaben der Querschnittsabteilungen Einkauf, Produktion und Logistik. Die Logistikabteilung sollte die Bestände möglichst gering halten, mit gleichzeitig positiven Auswirkungen auf das WC. Der Einkauf soll gleichzeitig möglichst geringe Einkaufspreise erzielen, vor allem erreichbar durch hohe Stückzahlen. Die Kunst besteht darin, eine zielführende Abstimmung zwischen den Querschnittsabteilungen zu erreichen.10
Eine weitere Problematik ist die Verantwortung in Unternehmen für bestimmte Funktionsbereiche. Das Management ist überwiegend für große Investitionssum- men verantwortlich. Diese Investitionen finden sich häufig im Anlagevermögen wieder. Der Einkaufs- und Produktionsleiter ist für das Vorratsvermögen verant- wortlich, der Vertrieb inklusive des Rechnungswesens verantwortet die Forde- rungen. 11 Beim aktiven WCM geht es darum, eine Reduktion der Forderungen unter anderem durch kurze Zahlungsziele und ein konsequentes Mahnwesen zu erreichen. Weiterhin wird versucht, die Bestände durch ein Supply Chain Ma- nagement (SCM) und eine Optimierung der Produktionsprozesse zu verringern. Zu guter Letzt werden die Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten möglichst hoch gehalten, um einen frühzeitigen Liquiditätsabfluss zu verhindern, damit das Kapital länger und für Investition zur Verfügung steht.
Setzt man diese Schritte erfolgreich um, verringert sich die durchschnittliche Kapitalbindung und weniger Kapitalbindungskosten fallen an.
Das nächste Kapitel geht auf die Bedeutung der Cash-Conversion-Cycle-Time ein und veranschaulicht anhand von Statistiken den derzeitigen Stand.
3. Cash-Conversion-Cycle-Time
Die CCCT, auch Cash-to-Cash-Cycle genannt, ist eine weitere Möglichkeit, um das WCM zu beurteilen. Wie in Abbildung 3 ersichtlich, gibt die CCCT die Kapi- talbindungsdauer wieder, indem sie die Zeit von dem Zahlungsausgang der be- schafften Teilen bis zum Zahlungseingang von Kundenlieferungen errechnet.12
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Cash-Conversion-Cycle-Time
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hofmann et al. (2011) S. 18.
Diese Kennzahlen werden häufig als Vergleichskennzahlen zwischen einzelnen Unternehmen verwendet und dienen der Leistungsbeurteilung des Working Capital Managements der jeweiligen Unternehmen.13
Die Cash-Conversion-Cycle-Time errechnet sich folgendermaßen:
Cash Conversion Cycle Time = DIO + DSO − DPO
DIO gibt die durchschnittliche Vorratshaltung bis zum Verkauf an den Kunden an. DSO bezeichnet die Forderungslaufzeit. Das heißt, sie gibt an, nach wie vielen Tagen die Kunden im Durchschnitt ihre Rechnung begleichen. DPO zeigt, nach wie vielen Tagen im Durchschnitt Rechnungen an die Lieferanten beglichen werden. Es handelt sich hierbei um die Verbindlichkeitenreichweite.14
Daraus folgen die Formeln zur Berechnung der jeweiligen Positionen auf Jahres- basis:15
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Basierend auf einer Studie von Roland Berger aus dem Jahre 2012 lässt sich ein großer Unterschied der Cash-Conversion-Cycle-Time zwischen den verschiedenen Branchen erkennen (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4: CCCT verschiedener Branchen
Quelle: Studie von Roland Berger 2013
Die kürzeste CCCT hat nach Abbildung 4 die Papierindustrie mit 43 Tagen, die längste CCCT findet sich in der Bekleidungsindustrie mit 93 Tagen.
Des Weiteren lässt sich erkennen, dass im Gesamtdurchschnitt die Kunden ihre Forderungen nach 35 Tagen begleichen. Im Gegensatz hierzu beträgt die Verbindlichkeitenreichweite 21 Tage.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: CCCT nach Unternehmensgröße
Quelle: Studie von Roland Berger 2013
Betrachtet man nun die in der Studie veröffentlichen CCCT anhand verschiedener Unternehmensgrößen, so stellt sich heraus, dass sich mit steigender Unternehmensgröße die CCCT verkürzt (siehe Abbildung 5).
Zuerst erfolgt eine Einteilung in Klein-, Mittel- und Großunternehmen. Gemäß Handelsgesetzbuch (HGB) haben Kleinunternehmen Umsatzerlöse unter 9.680.000 Euro pro Jahr, mittelgroße Unternehmen Umsätze zwischen 9.681.000 Euro und 38.500.000 Euro pro Jahr. Die Umsatzerlöse von Großunternehmen liegen folglich über 38.500.000 Euro jährlich.16
Zur besseren Handhabung werden in Abbildung 5 Kleinunternehmen bis 10.000.000 Euro Umsatz und Mittelständler von 10.000.000 bis 50.000.000 Euro Umsatz kategorisiert. Demnach haben Kleinunternehmen eine durchschnittliche CCCT von 71 Tagen, Mittelständler von 59 Tagen und Großunternehmen von 55 Tagen.
Vor allem Kleinunternehmen besitzen noch ein erhebliches Potential Liquidität mittels aktiven Bestandsmanagements freizusetzen. Weiterhin fällt auf, dass die Unternehmen über alle Größen hinweg die Verbindlichkeiten deutlich schneller begleichen als sie ausstehenden Forderungen bekommen.
4. Instrumente des Working-Capital-Managements
In Kapitel 4 wird auf die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Optimierung und Reduzierung der Working Capital Positionen eingegangen
4.1 Bestandsmanagement zur Optimierung des Working Capital
Das Bestandsmanagement ist eines der drei zentralen Hebel im WCM. Gemäß dem Bilanzgliederungsschema für große und mittelgroße Kapitalgesellschaften gehören die Positionen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertige Erzeugnisse, fertige Erzeugnisse und geleistete Anzahlungen zu den Vorräten.17 Der Posten geleistete Anzahlungen wird jedoch im späteren Kapitel Verbindlichkeitsmanagement (Kapitel 4.3) behandelt.
Bei einem effektiven Bestandsmanagement ist von großer Bedeutung, dass nicht nur die Lagerkosten sondern auch die vorgelagerten Kosten, wie z. B. der Preis des Gutes oder die Lieferkosten, betrachtet werden. Hierfür eignet sich der Total- Cost-Of-Ownership-Ansatz, welcher auf die Optimierung der gesamten Liefer- kette fokussiert.18
Als erstes werden im Kapitel 4.1.1 die Möglichkeiten zu einer bedarfsgerechteren Produktion erläutert.
4.1.1 Bedarfsgerechte Produktion
4.1.1.1 Methoden zur Primärbedarfsermittlung
Es lassen sich zwei Arten von Produktionen unterscheiden: die auftragsbezo- gene Fertigung bezieht sich auf existierende Aufträge und Bestellungen, wäh- rend die kundenanonyme Fertigung auf den folgenden Prognoseverfahren auf- baut. Der erste Schritt zu einer bedarfsgerechten Produktion ist die Absatzpla- nung (Primärbedarfsplanung), wofür qualitative und quantitative Prognoseverfah- ren zum Einsatz kommen.19
4.1.1.1.1 Qualitative Prognoseverfahren zur Primärbedarfsermittlung
Diese Verfahren finden vor allem bei fehlenden Vergangenheitswerten Anwen- dung. Die erste Möglichkeit ist, durch den direkten Kontakt der Vertriebsmitarbei- ter zu den Kunden eine Prognose der zukünftigen Nachfrage gemeinsam zu er- stellen. Die zweite Möglichkeit ist die Befragung der Kunden anhand eines vor- definierten Fragenkataloges. Hierbei muss beachtet werden, dass eine repräsen- tative Stichprobe ausgewählt wird, um relevante Daten zu erlangen. Die letzte Möglichkeit ist die Expertenprognose. Durch das Expertenwissen soll eine mög- lichst akkurate Prognose erfolgen.20
4.1.1.1.2 Quantitative Prognoseverfahren zur Primärbedarfsermitt- lung
Quantitative Prognosemodelle basieren auf vorliegenden Vergangenheitswerten. Bei annähernd konstanter Nachfrage eignet sich der gleitende Mittelwert am besten. Aufbauend auf den vergangenen Absatzzahlen wird ein durchschnittlicher Wert für die zukünftigen Perioden gebildet. 21
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Weitere Verfahren zur Bestimmung der zukünftigen Nachfrage sind z. B. die line- are Regression, um eine längerfristige Prognose zu erstellen, die Zeitreihende- komposition, häufig angewandt bei saisonal schwankendem Absatz, und schließ- lich exponentielles Glätten, um Gewichtungen einzelner Perioden zu berücksich- tigen.22
4.1.1.2 Methoden zur Sekundärbedarfsermittlung
Die Sekundärbedarfsermittlung baut direkt auf der Primärbedarfsermittlung auf. Hierbei werden alle Werkstoffe oder Komponenten geplant, welche in das Fertigerzeugnis einfließen. Die zwei Arten zur Ermittlung der Bedarfe sind die verbrauchs- oder programmorientierten Verfahren.23
Während die Bedarfe bei den verbrauchsorientierten Verfahren anhand von Ver- gangenheitswerten geschätzt werden, werden die benötigten Bestandteile bei den programmorientierten Verfahren exakt berechnet. Hierfür muss detailliert be- kannt sein, welches Bauteil in welcher Menge erforderlich ist. Diese Informatio- nen erhält man aus den Stücklisten für jedes Endprodukt. Anschließend werden die ermittelten Bedarfe je Produkt mit dem Ergebnis der Primärbedarfsermittlung multipliziert, um den Bruttosekundärbedarf zu erhalten.24 Sinnvoll ist es, mittels einer ABC-Analyse die Bauteile hinsichtlich ihrer Wertigkeit einzuteilen. Wie sich oftmals herausstellt, machen die A-Teile nur 20 % der mengenmäßigen Bauteile, aber 80 % des finanziellen Wertes aus, die nächsten 10 % der mengenmäßigen Bauteile (B-Teile) ergeben einen zusätzlichen Wert von 15 % und die restlichen mengenmäßigen 70 % (C-Teile) machen nur noch rund 5 % des Wertes der Teile aus. Wegen der geringen Wertmäßigkeit steht der Aufwand für eine programm- orientierte Planung bei B und C-Teilen deutlich über dem Nutzen. B und C-Teile werden deswegen über die Vergangenheitswerte geschätzt (verbrauchsorien- tierte Verfahren). Bei den hochwertigen A-Teilen wird eine programmorientierte Bedarfsermittlung durchgeführt, um die Lagerbestände und somit die Lagerkos- ten möglichst gering zu halten.25 Häufig besitzt das Unternehmen bereits einige Rohstoffe auf Lager, weshalb nicht der gesamte Bruttobedarf beschafft werden muss. Ausschlaggebend ist hierfür dann der Nettosekundärbedarf. 26
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.1.1.3 Statische Verfahren zur Losgrößenoptimierung
Bei der Losgrößenplanung werden die zu beschaffenden Mengen festgelegt. Unter Bestellmenge versteht man die in einem Bestellvorgang bestellte Menge. Die Losgröße ist die Menge, die in einem Produktionsschritt gefertigt wird, ohne umrüsten zu müssen.27
Um eine möglichst kostenoptimale Losgröße zu planen, müssen alle anfallenden Kosten (Rüstkosten, Lagerhaltungskosten, Fehlmengenkosten) berücksichtigt werden. Rüstkosten beinhalten unter anderem die Vorbereitung der Maschinen oder die Bereitstellung von Werkzeugen. Direkte Rüstkosten fallen unmittelbar beim Rüsten an (z. B. Personalkosten), während indirekte Rüstkosten durch ei- nen Kapazitätsausfall durch das Rüsten der Maschine oder Anlage anfallen. La- gerhaltungskosten ergeben sich aus Kapitalbindungskosten und der Kosten für die Räumlichkeiten. Für die Kapitalbindungskosten wird ein kalkulatorischer Zins- satz basierend auf Erfahrungswerten verwendet. Fehlmengenkosten entstehen aufgrund benötigter, aber nicht vorhandener Materialien. Aufgrund der schwieri- gen Bestimmbarkeit z. B. von entgangenen Gewinnen oder Vertragsstrafen ge- genüber Kunden durch verspätete Lieferungen bleiben diese Kosten häufig un- berücksichtigt. Wichtig bei der Bestimmung der optimalen Losgröße ist die ganz- heitliche Betrachtung der Gesamtkosten. Durch eine hohe Losgröße reduzieren sich zwar die Rüstkosten erheblich, gleichzeitig steigen dafür die Lagerkosten entsprechend.28
Statische Verfahren bilden die Realität allerdings nur bedingt ab, werden aber dennoch häufig verwendet. Folgende Annahmen sind zur Anwendung statischer Verfahren zu treffen:
- Einproduktmodell
- Konstanter Verbrauch, Qualität und Losgrößen unabhängiger variablen Kosten
- Fehlmengen nicht vorhanden
- Lagerauffüllung sofort möglich
Dadurch gilt als durchschnittlicher Lagerbestand die halbe Losgröße.29 Daraus ergibt sich folgende Gesamtkostenfunktion:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Durch Ableiten dieser Funktionen nach öß ergibt sich die Andlersche Losgrößenfunktion:30
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.1.1.4 Dynamische Verfahren zur Losgrößenoptimierung
Dem Problem der konstanten Verbräuche als Voraussetzung wirken die dynamischen Verfahren der optimalen Losgröße entgegen. Diese Verfahren berücksichtigen Bedarfsschwankungen der Perioden. Hierzu stehen die Verfahren der gleitenden wirtschaftlichen Losgröße, Kostenausgleichsverfahren, Silver-Meal-Heu- ristik und der Wagner-Whitin-Algorithmus zur Verfügung.31
Um den Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit nicht zu sprengen, wird nur auf die gleitende wirtschaftliche Losgröße als Verfahren zur Losgrößenbestimmung eingegangen.
Mit diesem Verfahren sollen die Bedarfe der nächsten Perioden ermittelt und gedeckt werden. Die anfallenden Kosten lassen sich wie folgt ermitteln:32
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Folgenden werden auf die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Optimierung und Reduzierung der Bestände durch den Einkauf eingegangen.
4.1.2 Instrumente des Einkaufs
Der Einkauf nimmt eine immer größer werdende Bedeutung in den Unternehmen ein. Durch die Konzentration auf Kernkompetenzen und Outsourcing beträgt der Materialkostenanteil in den meisten Branchen über 50 % der Gesamtkosten. Da- her kann der Einkauf bei der Reduzierung der Kosten eine bedeutende Rolle spielen. Zu den Zielen des Einkaufes gehört die bedarfsgerechte Beschaffung der Inputfaktoren für die Produktion sowie möglichst geringe Anschaffungs- und Lagerhaltungskosten.33
4.1.2.1 Bedarfsbündelung zur Einkaufsoptimierung
Soweit wie möglich sollten die Bedarfe auf Unternehmensebene gebündelt, an- statt dezentral beschafft zu werden.34 Allerdings macht es wenig Sinn, die Pro- duktionsmaterialien für ein ganzes Jahr zu bestellen, da die Lagerhaltungskosten in die Höhe steigen. In größeren Mengen beschafft werden sollten die klassi- schen C-Teile, welche nur einen geringen wertmäßigen Anteil ausmachen. Durch eine Bedarfsbündelung ergeben sich meistens Vorteile durch eine Stück- kostendegression beim Lieferanten, wodurch sich seine Fixkosten auf eine grö- ßere Menge verteilen (Fixkostendegression), oder durch die gesteigerte Ein- kaufsmacht durch eine größere Bestellmenge. Diese Macht kann genutzt wer- den, um günstigere Preise beim Lieferanten durchzusetzen.35
[...]
1 Vgl. KPMG (2008)
2 Vgl. Roland Berger (2013)
3 Vgl. Deloitte (2013)
4 Vgl. Roland Berger, Creditreform (2013)
5 Vgl. Wildemann (2010) S.9 ff.
6 Vgl. Klepzig (2014) S.6 f.
7 Vgl. Mehta (1974 und 1981) zitiert nach Meyer (2007) S.25 f.
8 Vgl. Controllingportal
9 Vgl. Controllingportal
10 Vgl. Wildemann (2010) S. 22.
11 Vgl. Klepzig (2014) S. 18 f.
12 Vgl. Hofmann et al. (2011) S. 18.
13 Vgl. Klepzig (2014) S. 58 f.
14 Vgl. ebd., S. 65.
15 Vgl. Klepzig (2014) S. 59 f.
16 Vgl. Handelsgesetzbuch §267 Abs. I Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1.
17 Vgl. Handelsgesetzbuch §266 Abs. 2.
18 Vgl. Heß (2010) S. 114 f.
19 Vgl. Kiener et al. (2009) S. 164.
20 Vgl. ebd., S. 164 f.
21 Vgl. ebd., S. 165 f.
22 Vgl. Buzacott et al. (2010) S. 34-45.
23 Vgl. Kiener et al. (2009) S. 197.
24 Vgl. Buzacott et al. (2010) S. 62.
25 Vgl. Kiener et al. (2009) S. 198-206.
26 Vgl. ebd., S. 203 ff.
27 Vgl. Buzacott et al. (2010) S. 71.
28 Vgl. Buzacott et al. (2010) S. 72 ff.
29 Vgl. ebd., S. 75 f.
30 Vgl. Buzacott et al. (2010) S. 76 f.
31 Vgl. Kiener et al. (2009) S. 226-232.
32 Vgl. ebd., S. 227.
33 Vgl. Krampf (2012) S. 2 ff.
34 Vgl. Heß (2010) S. 191 f.
35 Vgl. ebd., S. 192.