Das menschliche Hörvermögen bestimmt zu weiten Teilen die Wahrnehmung der eigenen Umwelt, ermöglicht die Kommunikation und dient unter anderem als Alarmierungs- und
Lokalisationssystem. Im Gegensatz zum Sehsinn ist das auditorische System in der Lage, im dreidimensionalen Raum wahrzunehmen und zu lokalisieren. Die Lokalisationsleistung
liegt in der Auswertung monauraler und binauraler spektrotemporaler Eigenschaften der Schallsignale.
John William Strutt auch als Lord Rayleigh bekannt, entwickelte 1907 die Duplex-Theorie (Strutt, 1907), in der erstmalig die interauralen Schallsignaldifferenzen betrachtet wurden. Stevens
und Newman (1936) erweiterten die Duplextheorie bezüglich der Gesetze der Beugung und Reflexion und somit der Gültigkeit der Duplextheorie in Abhängigkeit von der Frequenz.
Um sowohl diese monauralen als auch die binauralen zur Lokalisation beitragenden Schallsignalinformationen zu evaluieren, werden seit einigen Jahrzehnten die Außenohrübertragungsfunktionen, auch als Head-Related-Transfer-Functions bezeichnet, gemessen. Das anfängliche Ziel lag in der Erkenntnis der an der räumlichen Abbildung beteiligten anatomischen Merkmale. Mit Einzug der Digitaltechnik ist der Anwendungsbereich jedoch weit darüber hinaus gewachsen. Die Abhängigkeit der Ohrsignale vom Schallquellenort wird als Kodierung räumlicher Informationen aufgefaßt, was wiederum bedeutet, dass bei Kenntnis der Ohrsignale diese zur Dekodierung der räumlichen Information genutzt werden können (Theile, 1980). So werden z.B. durch Filterung mit der individuellen, winkel- und frequenzabhängigen
HRTF raumgetreue Abbildungen von akustischen Richtungen simuliert, was sowohl in der Unterhaltungsindustrie und der Telekommunikationsindustrie für Telekonferenz- und
Telepräsenzsysteme aber auch zur Erzeugung virtueller akustischer Situationen und im Multimediabereich eingesetzt wird. Ein weiterer Bereich stellt die binaurale Aufnahme- und
Wiedergabetechnik dar, zu der seit den frühen 1980er Jahren die Verwendung von Kunstköpfen, welche aus zwei nachgebildeten äusseren Ohren in denen sich jeweils ein Mikrofon befindet und dem sich dazwischen befindlichen künstlichen Kopf besteht. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Theorie zum Räumlichen Hören
- 2.1 Grundlagen und Begriffsklärung
- 2.2 Monaurale Lokalisationsparameter
- 2.3 Binaurale Lokalisationsparameter
- 3 Theorie zur Messung und Berechnung von Übertragungsfunktionen
- 3.1 Systemtheoretische Grundlagen
- 3.2 Messstimuli
- 3.3 Validitäts- und Präzisionsbetrachtung von HRTF-Messungen
- 4 HRTF-Messsystem
- 4.1 Bestehendes System
- 4.2 Optimierung des bestehenden Systems
- 4.3 Implementierung
- 4.4 Validierung des Systems
- 5 Untersuchung zum Einfluss der Gehörgangseingangsimpedanz
- 5.1 Beschreibung der untersuchten Eingangsimpedanzen unter dem Aspekt der Mikrofonplatzierung und Veränderung des Außenohres
- 5.2 Experiment I: Richtcharakteristik
- 5.2.1 Methodik
- 5.2.2 Ergebnisse
- 5.3 Experiment II: HRTF
- 5.3.1 Methodik
- 5.3.2 Ergebnisse
- 6 HRTF-Messungen und Berechnung der Lokalisationsparameter
- 6.1 Methodik
- 6.1.1 Probanden
- 6.1.2 Versuchsdurchführung
- 6.2 Ergebnisse und Diskussion
- 6.2.1 HRTFs
- 6.2.2 Interaurale Zeitdifferenzen - ITDs
- 6.2.3 Interaurale Pegeldifferenzen - ILDs
- 6.1 Methodik
- 7 Zusammenfassung und Diskussion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit zielt auf die Neuvermessung von HRTFs (Head-Related Transfer Functions) unter Berücksichtigung der Eingangsimpedanz des Gehörgangs ab. Ziel ist die Entwicklung einer Messmethode, die individuelle HRTFs naturgetreu abbildet und einen umfassenden Überblick über die Lokalisationsparameter liefert.
- Entwicklung einer verbesserten Messmethode für HRTFs
- Analyse des Einflusses der Gehörgangseingangsimpedanz auf HRTFs
- Bestimmung und Darstellung der binauralen Lokalisationsparameter (ITDs und ILDs)
- Vergleich der Messergebnisse mit Literaturdaten und öffentlichen Datenbanken
- Bewertung der Messgenauigkeit und Reproduzierbarkeit des Messsystems
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Arbeit untersucht die Auswirkungen der Gehörgangseingangsimpedanz auf die Messung von HRTFs. Sie beschreibt die Bedeutung von HRTFs in verschiedenen Anwendungsbereichen (z.B. Virtual Reality, Audiotechnik) und die Herausforderungen bei deren präziser Messung. Bisherige Ansätze, wie das Verschließen des Gehörgangs, werden kritisch beleuchtet, da sie die natürliche HRTF-Charakteristik verändern können. Das Hauptziel ist die Entwicklung einer Messmethode, die möglichst naturgetreue HRTFs liefert.
2 Theorie zum Räumlichen Hören: Dieses Kapitel liefert die theoretischen Grundlagen des räumlichen Hörens. Es beschreibt das verwendete Koordinatensystem zur Beschreibung der Schallquellenpositionen (Azimuth und Elevation) und erläutert die monauralen (spektrale Hinweise) und binauralen (ITDs und ILDs) Lokalisationsparameter. Es wird detailliert auf die Rolle der Pinna bei der Lokalisation eingegangen und verschiedene Modelle zur Beschreibung des Außenohreinflusses vorgestellt.
3 Theorie zur Messung und Berechnung von Übertragungsfunktionen: Dieses Kapitel beschreibt die systemtheoretischen Grundlagen der Messung von Übertragungsfunktionen. Es erläutert die Eigenschaften linearer zeitinvariater Systeme (LTI-Systeme) und verschiedene Messmethoden mit unterschiedlichen Stimuli (Sinustöne, Impulse, MLS, weißes Rauschen). Es wird auf die Signalverarbeitung und die Herausforderungen bei der Minimierung von Messfehlern, besonders bei verrauschten Signalen, eingegangen. Die Bedeutung der Mikrofonpositionierung und der Reproduzierbarkeit der Messungen wird betont.
4 HRTF-Messsystem: Das Kapitel beschreibt das verwendete Messsystem (TASP) und dessen Optimierung für die Durchführung valider und reproduzierbarer HRTF-Messungen. Es werden die mechanischen Komponenten des Systems detailliert erläutert, sowie die Implementierung der Messsoftware in MatLab. Die Validierung des Systems anhand von wiederholten Messungen mit dem Kunstkopf wird vorgestellt und die Messgenauigkeit quantifiziert.
5 Untersuchung zum Einfluss der Gehörgangseingangsimpedanz: Dieses Kapitel präsentiert die experimentelle Untersuchung zum Einfluss der Gehörgangseingangsimpedanz auf die HRTF-Messungen. Es werden verschiedene Methoden zur Impedanzvariation beschrieben (offener Gehörgang, Schaumstoffstöpsel, Silikonotoplastik, Acrylotoplastik). Die Ergebnisse von Richtcharakteristik- und HRTF-Messungen mit diesen verschiedenen Abschlüssen werden vorgestellt und verglichen. Die Auswirkungen auf die Amplituden- und Phasenverläufe der HRTFs werden analysiert und bewertet.
6 HRTF-Messungen und Berechnung der Lokalisationsparameter: Dieses Kapitel beschreibt die Hauptstudie mit 14 Probanden. Die Methodik der HRTF-Messungen und die Berechnung der ITDs und ILDs werden detailliert erläutert. Die Ergebnisse der HRTF-Messungen für die Horizontalebene, Frontalebene und Medianebene werden präsentiert und mit den Ergebnissen des Kunstkopfes verglichen. Ein Vergleich mit Literaturdaten und öffentlichen Datenbanken wird durchgeführt.
Schlüsselwörter
HRTF, Head-Related Transfer Function, räumliches Hören, Lokalisation, interaurale Zeitdifferenz (ITD), interaurale Pegeldifferenz (ILD), Gehörgangsimpedanz, Messmethode, Signalverarbeitung, Kunstkopf, Reproduzierbarkeit, Messgenauigkeit, Matlab, TASP.
Häufig gestellte Fragen zur Masterarbeit: Einfluss der Gehörgangseingangsimpedanz auf die Messung von HRTFs
Was ist das Thema der Masterarbeit?
Die Masterarbeit untersucht den Einfluss der Gehörgangseingangsimpedanz auf die Messung von Head-Related Transfer Functions (HRTFs). Ziel ist die Entwicklung einer verbesserten Messmethode für naturgetreue HRTFs und die umfassende Analyse der daraus resultierenden binauralen Lokalisationsparameter.
Welche Methoden wurden angewendet?
Die Arbeit beschreibt ein HRTF-Messsystem (TASP) und dessen Optimierung. Es wurden verschiedene Methoden zur Variation der Gehörgangseingangsimpedanz angewendet (offener Gehörgang, Schaumstoffstöpsel, Silikonotoplastik, Acrylotoplastik). Es wurden HRTF-Messungen mit 14 Probanden durchgeführt und die interauralen Zeit- und Pegeldifferenzen (ITDs und ILDs) berechnet. Die Ergebnisse wurden mit Literaturdaten und öffentlichen Datenbanken verglichen.
Welche theoretischen Grundlagen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die theoretischen Grundlagen des räumlichen Hörens, inklusive monauraler und binauraler Lokalisationsparameter (ITDs und ILDs). Sie erläutert die systemtheoretischen Grundlagen der Messung von Übertragungsfunktionen und verschiedene Messmethoden. Die Rolle der Pinna und verschiedene Modelle zur Beschreibung des Außenohreinflusses werden ebenfalls diskutiert.
Welche Ergebnisse wurden erzielt?
Die Arbeit präsentiert die Ergebnisse von Richtcharakteristik- und HRTF-Messungen unter verschiedenen Impedanzbedingungen. Die Auswirkungen auf die Amplituden- und Phasenverläufe der HRTFs werden analysiert. Die Ergebnisse der HRTF-Messungen mit Probanden werden präsentiert und mit den Ergebnissen des Kunstkopfes und Literaturdaten verglichen. Die Messgenauigkeit und Reproduzierbarkeit des Systems werden bewertet.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit zieht Schlussfolgerungen über den Einfluss der Gehörgangseingangsimpedanz auf die Genauigkeit von HRTF-Messungen und die daraus resultierenden Lokalisationsparameter. Die Ergebnisse tragen zum besseren Verständnis der Messmethode und zur Entwicklung verbesserter Verfahren bei.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
HRTF, Head-Related Transfer Function, räumliches Hören, Lokalisation, interaurale Zeitdifferenz (ITD), interaurale Pegeldifferenz (ILD), Gehörgangsimpedanz, Messmethode, Signalverarbeitung, Kunstkopf, Reproduzierbarkeit, Messgenauigkeit, Matlab, TASP.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit umfasst Kapitel zur Einleitung, Theorie des räumlichen Hörens, Theorie der Übertragungsfunktionenmessung, Beschreibung des HRTF-Messsystems, Untersuchung des Einflusses der Gehörgangsimpedanz, HRTF-Messungen und Berechnung von Lokalisationsparametern sowie eine Zusammenfassung und Diskussion.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Wissenschaftler und Studierende im Bereich der Akustik, Audiotechnik und Virtual Reality, die sich mit der Messung und Anwendung von HRTFs beschäftigen. Die Ergebnisse sind auch für Entwickler von 3D-Audiosystemen von Interesse.
- Quote paper
- Jacqueline Rausch (Author), 2008, Neuvermessung von Head-Related-Transfer-Functions (HRTF), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300061