Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kinderarmut – Definition und Methoden bei der Einkommensmessung
2.1 Definition
2.2 Methoden bei der Einkommensmessung
3. Armutsrisiken von Kindern und Jugendlichen in Deutschland
3.1 Verteilung der Armutsrisikoquote nach dem Kindesalter
3.2 Verteilung der Armutsrisikoquote nach Familientypen
3.3 Verteilung der Armutsrisikoquote von Kindern aus Familien mit ausländischem Haushaltsvorstand
4. Folgen von Kinderarmut
4.1 Kinderarmut und Gesundheit
4.2 Kinderarmut und Bildung
4.3 Kinderarmut und soziale Teilhabe
4.4 Kinderarmut und Persönlichkeit
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Für das Thema „Kinderarmut in Deutschland – Entwicklung, gesellschaftliche Verbreitung und Folgen“ entschied ich mich aufgrund meiner beruflichen Vorbildung. Vor Beginn meines Studiums der Sozialen Arbeit habe ich bereits den Studiengang „Lehramt an Grund- und Hauptschulen“ in Baden-Württemberg abgeschlossen. Im Anschluss daran verbrachte ich ein Jahr im Referendariat an einer sogenannten „Brennpunktschule“ im Bundesland Hessen. Im Rahmen dieses Referendariats wurde ich täglich mit Kindern aus sehr unterschiedlichen familiären Verhältnissen und Lebenssituationen konfrontiert. Da ein Großteil meiner Schüler aus sehr armen familiären Verhältnissen stammte, wurde ich schnell sensibilisiert für die vielfältigen gesellschaftlichen Benachteiligungen dieser Kinder. Diese waren nicht nur in finanzieller Hinsicht deutlich spürbar, sondern breiteten sich auch auf viele andere Lebensbereiche aus. Neben der materiellen Armut ließen sich unter anderem schlechtere Bildungschancen sowie Einbußen in der Freizeitgestaltung feststellen. Des Weiteren war auch der Prozess der Persönlichkeitsbildung häufig von der finanziellen Armut negativ beeinflusst.
Somit ist für mich der Aspekt der Kinderarmut sehr präsent. Meines Erachtens nach handelt es sich hierbei um ein eklatant wichtiges politisches Thema in unserer Gesellschaft.
Die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Deutschland, die in Armut aufwachsen, steigt kontinuierlich. Mittlerweile sind Kinder und Jugendliche die in Deutschland am stärksten von Armut betroffene Bevölkerungsgruppe, am Alter gemessen.
Dass es in einem „reichen Industrieland“ wie Deutschland von Armut betroffene Kinder gibt, wurde in der öffentlichen Meinung unserer Gesellschaft lange Zeit nicht thematisiert, quasi totgeschwiegen. Aus diesem Grunde ist es mir mit dieser Hausarbeit ein besonderes Anliegen, dieses gesellschaftlich sehr aktuelle und relevante Thema näher zu beleuchten.
Das Thema Kinderarmut mit allen damit verbundenen Aspekten ist ein sehr umfangreiches Thema, welches aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden kann. Dies würde jedoch den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen. Daher beschränke ich mich auf die Thematik in der Bundesrepublik Deutschland (auch andere Länder sind betroffen).
Des Weiteren habe ich die mir am wichtigsten erscheinenden Aspekte ausgewählt. Diese werden im Folgenden eingehend betrachtet und erläutert.
Meine schriftliche Ausarbeitung habe ich daher wie folgt aufgebaut:
Im ersten Teil werde ich den Begriff „Armut“ allgemein definieren und die Methoden, die bei der Einkommensmessung herangezogen wurden, näher beleuchten. Danach wird der Aspekt der Verbreitung innerhalb der Gesellschaft untersucht, um besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen zu erkennen. Hier wird die Armutsrisikoquote nach dem Alter der Kinder und dem Familientyp, in dem sie leben, untersucht. Ebenso wird der Fokus auf einen ausländischen Haushaltsvorstand gelegt.
Abschließend möchte ich auf die Folgen eingehen, die die materielle Armut für die betroffenen Kinder mit sich bringt. Denn diese dehnen sich in viele Lebensbereiche aus und haben weitreichende Konsequenzen für die Betroffenen.
2. Kinderarmut – Definition und Methoden bei der Einkommensmessung
2.1 Definition
Bei ausführlicher Recherche finden sich oft unterschiedliche Zahlen, wie viele Kinder in Deutschland von Armut betroffen sind. Das liegt daran, dass sich verschiedene Definitionen von Armut im Umlauf befinden.1
In dieser Arbeit wird die sogenannte Armutsrisikoquote für die Definition herangezogen. Diese gibt Aufschluss über die finanzielle Situation und benennt den Anteil der Menschen, denen pro Person weniger als 60 % des durchschnittlichen Einkommens der Gesamtbevölkerung zur Verfügung stehen (gemessen am jährlichen Haushalts-Netto-Einkommen des Vorjahres).2
Weiterhin ist der Vollständigkeit halber zu erwähnen, dass zur generellen Definition von Armut nicht nur das der Familie zur Verfügung stehende finanzielle Kapital ausschlaggebend ist. Auch andere Faktoren wie beispielsweise erheblich beeinträchtigte Gesundheitsversorgung, Teilnahme am kulturellen Leben und Bildungschancen der betroffenen Kinder und Jugendlichen sind Teil von Armut.3
2.2 Methoden bei der Einkommensmessung
Zur Berechnung der oben genannten 60 % des durchschnittlichen jährlichen Haushalts-Netto-Einkommens werden alle Einkommen herangezogen, die privaten Haushalten zur Verfügung stehen. Dazu werden alle Einkommenskomponenten des Vorjahres von jedem Haushalt im Ganzen gezählt und summiert. Hierzu zählen:
1. das erzielte Markteinkommen, welches sich aus der Summe von Kapital- und Erwerbseinkommen ergibt,
2. private Transfers und private Renten,
3. gesetzliche Renten und Pensionen,
4. Sozialtransfers (Sozialhilfe, Wohngeld, Kindergeld, Unterstützungen vom Arbeitsamt und andere),
5. einmalige Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld etc.).
Schließlich wird die Einkommenssituation von Haushalten, die aus unterschiedlicher Zusammensetzung und Größe bestehen, vergleichbar gemacht.
„ Dazu werden die Haushaltseinkommen (…) umgerechnet, und jedem Haushaltsmitglied das errechnete Äquivalenzeinkommen zugewiesen unter der Annahme, dass alle Haushaltsmitglieder in gleicher Weise vom gemeinsamen Einkommen profitieren. Dabei erhält der Haushaltsvorstand ein Gewicht von 1; weitere erwachsene Personen haben jeweils ein Gewicht von 0,5 und Kinder bis zu 14 Jahren von 0,3.“4
Als einkommensarm wird derjenige bezeichnet, dessen Einkommen unter die Armutsrisikogrenze fällt. Diese liegt, wie bereits in der Definition genannt, bei 60 Prozent des Median der jährlichen Haushalts-Netto-Äquivalenz-Einkommen des Vorjahres (basierend auf Gesamtdeutschland).5
3. Armutsrisiken von Kindern und Jugendlichen in Deutschland
Laut dem Kompetenzzentrum für familienbezogene Leistungen haben derzeit ca. 2,4 Millionen Kinder und Jugendliche in 1,4 Millionen Haushalten in Deutschland ein Einkommen, das unterhalb von 60 Prozent des Medianeinkommens liegt. Somit liegt die Risikoquote für Armut bei den unter 18-Jährigen bei 17,3 Prozent.
In den folgenden Ausführungen wird dargelegt, wie sich das Armutsrisiko von Kindern und Jugendlichen nach sozioökonomischen Faktoren verteilt. Unter diesem Fokus wird sowohl die Verteilung der Risikoquote nach dem Alter der Kinder untersucht, die Risiken für Kinderarmut in verschiedenen Familientypen als auch die Armutsrisikoquote von Kindern ausländischer Haushaltsvorstände.
3.1 Verteilung der Armutsrisikoquote nach dem Kindesalter
Die folgende Abbildung verdeutlicht, dass Kinder und Jugendliche um so häufiger von materieller Armut betroffen sind, je älter sie sind. Während bei den 0 – 6-jährigen Kindern ca. 14 Prozent in Armut leben, sind es bei den 6 – 14-jährigen ca. 16 Prozent. Am stärksten betroffen ist die Gruppe der 15- bis 18-Jährigen, denn 30 Prozent aller in Armut lebender Kinder und Jugendliche sind 15 bis 18 Jahre alt.
Hierfür sind verschiedene Gründe ausschlaggebend:
1. Es gibt mehr Jugendliche diesen Alters, die in Alleinerziehendenhaushalten leben, als unter 15- jährige.
2. Des Weiteren entfällt bei den Alleinerziehenden in diesem Alter der Unterhaltsvorschuss. Dieser wird nur bis zum 12. Lebensjahr des Kindes ausgezahlt.
3. Außerdem lebt ein Teil dieser Jugendlichen schon in einem eigenen Haushalt und verfügt nur über ein geringes Erwerbseinkommen.
4. Letztlich erklärt sich die höhere Armutsrisikoquote in dieser Gruppe auch durch höhere materielle Bedürfnisse, die in dieser Altersklasse entstehen.6
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Anzahl und Quoten von Kindern und Jugendlichen in Armut in Deutschland, nach Altersklassen, 20067
3.2 Verteilung der Armutsrisikoquote nach Familientypen
Insgesamt leben in Deutschland mehr als 13 Millionen Kinder und Jugendliche, die sich ungleich auf unterschiedliche Familientypen verteilen. Die Mehrheit dieser Kinder leben in Paarhaushalten mit zwei Kindern (40 Prozent).
Bei Betrachtung von Abbildung 2 lässt sich feststellen, dass das Risiko für Kinder und Jugendliche, von Armut betroffen zu sein, stark vom Familientyp abhängig ist. Kinder aus Alleinerziehenden-haushalten sind überdurchschnittlich hoch von materieller Armut betroffen.
„Das höchste Armutsrisiko besteht mit rund 40 % in Alleinerziehendenhaushalten (…). Hier leben rund 800.000 armutsgefährdete Kinder und Jugendliche, das entspricht rund einem Drittel aller armutsgefährdeten Minderjährigen.“8
Trotz der öffentlichen Förderung von Alleinerziehenden ergibt sich eine überdurchschnittlich hohe Armutsbetroffenheit dieses Familientyps aus der Tatsache, dass in diesen Haushalten nur eine Person einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Des Weiteren ist diese Erwerbstätigkeit häufig sogar nur eingeschränkt möglich aufgrund fehlender Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder. Aus diesem Grunde liegt in diesem Familientyp (abgesehen von Ausnahmefällen, in denen ein Kind hohe Unterhaltszahlungen erhält) die materielle Armut auf der Hand.
Jedoch muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass die Armut für Kinder und Jugendliche in Alleinerziehendenhaushalten oft nur für eine vorübergehende Zeitspanne besteht. Denn oft ergibt sich zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit, in einem Paarhaushalt zu leben, wenn der Haushaltsvorstand eine neue Partnerschaft eingeht.
Bei Betrachtung der Paarhaushalte wird deutlich, dass die Armutsrisikoquote merklich geringer ist als in den Alleinerziehendenhaushalten (siehe Abbildung 2). Bei zwei Kindern beträgt sie ca. 10 Prozent, bei drei und mehr Kindern steigt sie auf ca. 14 Prozent an. In Zahlen bedeutet dies, dass 2006 insgesamt 1,25 Millionen Kinder und Jugendliche in Paarhaushalten von Armut betroffen waren.
Es muss jedoch zwischen Zweikindfamilien sowie 3- und Mehrkindfamilien unterschieden werden. Die Armutsrisikoquote zwischen diesen beiden Familientypen differiert um fast 50 Prozent (4,6 Punkte).
3- und Mehrkindfamilien sind deutlich häufiger von Armut betroffen als Zweikindfamilien. Gründe hierfür sind unter anderem, dass die Unterdeckung der tatsächlichen Kosten für Kinder durch familienbezogene Leistungen (beispielsweise dem Kindergeld) bei Mehrkindfamilien deutlicher zum Tragen kommt. Das Kindergeld deckt heutzutage nur rund ein Drittel aller entstehenden Ausgaben für ein Kind. Hinzu kommt, dass es mit der Geburt eines dritten Kindes deutlich schwieriger für beide Elternteile wird, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Des Weiteren verlängert sich mit der Anzahl der Kinder die Phase, in der ein oder mehrere Kinder einer Betreuung bedürfen. Wenn ein Elternteil aus diesem Grunde einen vorübergehenden Berufsausstieg über eine längere Zeitspanne vornimmt, geht damit ein Verlust der beruflichen Qualifikation einher. Dies erschwert diesem Elternteil den beruflichen Wiedereinstieg erheblich, insbesondere wenn eine Erwerbstätigkeit mit gleicher Qualifikation gewünscht wird.
„In Deutschland ist etwa die Hälfte der Mütter mit drei oder mehr Kindern nicht erwerbstätig; diejenigen Mütter mit Erwerbstätigkeit erleiden deutliche Einkommensverluste aufgrund des Berufsausstiegs, die nicht mit Familienleistungen kompensiert werden können. In der Folge stellt sich die Einkommensposition von Mehrkindfamilien sowohl in den ersten Jahren nach Familiengründung als auch im Lebensverlauf spürbar schlechter dar als von Familien mit ein oder zwei Kindern.“9
Dieses Zitat verdeutlicht das ansteigende Armutsrisiko bei Familien mit steigender Kinderzahl. Je mehr Kinder in einem Haushalt leben, desto höher ist die Risikoquote für Armut.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Anzahl und Quoten von armutsgefährdeten Kindern in Deutschland, nach Familientypen, 200610
[...]
1 Vgl. www.tagesschau.de/inland/kinderarmut50.html (Datum der Entnahme: 18.05.2011)
2 Vgl. Ginzel, U., Clausnitzer, S., Drößler, T., Mummert, L., Rudolf, M., S. 22 und Grabka,Flick, S. 5
3 Vgl.Ginzel, U., Clausnitzer, S., Drößler, T., Mummert, L., Rudolf, M., S. 22
4 Grabka, M. & Frick, J., S. 5
5 Vgl. Grabka, M. & Frick, J., S. 5
6 Vgl. http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Internetredaktion/Pdf-Anlagen/kinderarmut-dossier,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf, Seite 9
7 http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Internetredaktion/Pdf-Anlagen/kinderarmut-dossier,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf, Seite 9
8 http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Internetredaktion/Pdf-Anlagen/kinderarmut-dossier,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf, Seite 13
9 http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Internetredaktion/Pdf-Anlagen/kinderarmut-dossier,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf, Seite 15
10 http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Internetredaktion/Pdf-Anlagen/kinderarmut-dossier,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf, Seite 14