Gérard de Nerval: Aurélia als Traumbericht oder Intertextualitätsorgie? - Konstituenten des 'récit'


Hausarbeit, 2004

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Gérard de Nerval (1808-1855)

II. Einleitung und Hinführung zum Thema

III. Aurélia als Traumbericht oder Intertextualitätsorgie? – Konstituenten des „récit“
1. Inhaltserörterung
1.1 Erster Teil
1.1.1 Erstes Kapitel
1.1.2 Zweites Kapitel
1.1.3 Drittes Kapitel
1.1.4 Viertes Kapitel
1.1.5 Fünftes Kapitel
1.1.6 Sechstes bis Achtes Kapitel
1.1.7 Neuntes Kapitel
1.1.8 Zehntes Kapitel
1.2 Zweiter Teil
1.3 Leitmotive
1.3.1 Das Todesmotiv bzw. der Abstieg in die Unterwelt
1.3.2 Das Motiv der Schuld und Erlösung
1.3.3 Das Doppelgängermotiv

2. Aurélia als Traumbericht

3. Intertextuelle Elemente in Aurélia

4. Konstituenten des „récit“

IV. Schlussgedanke

Literaturverzeichnis

I. Gérard de Nerval (1808-1855)

Gérard de Nerval wurde am 22.Mai 1808 unter dem bürgerlichen Namen Gérard Labrunie als Sohn eines Arztes in Paris geboren. De Nerval ist folglich nur der Künstlername des Schriftstellers, den er von einem Familienbesitz in der Ile de France, der Gegend in der er aufwuchs, übernommen hat. Seine Mutter starb schon 1810 während der Napoleonischen Feldzüge in Schlesien. Der frühe Tod der Mutter im Zusammenhang mit Deutschland erklärt sein traumatisches Verhältnis zu diesem Land.[1] Als Halbwaise wuchs er bei einem Großonkel auf dem Lande in Mortefontaine auf. Die Eindrücke seiner Kindheit scheinen sehr prägend gewesen zu sein, da er sich in seinen Werken immer wieder darauf bezieht.[2]

Bereits im Alter von 18 Jahren veröffentlichte er die « Elégies nationales » als erste lyrische Versuche. Zwei Jahre später übersetzte er Goethes Faust I und 1840 Faust II. Er erntete dafür das hohe Lob Goethes. 1832 bis 1834 studierte Gérard, dem Vorbild seines Vaters folgend, Medizin und half ihm während einer Choleraepidemie in Paris. 1833 bis 1838 war er mit der Schauspielerin Jenny Colon befreundet, die er sehr verehrte. Sie heiratete allerdings 1838 einen Musiker und starb bereits 1842. Jenny übte einen prägenden Einfluss auf Nervals Werk und insbesondere auf Aurélia aus. Gérard gab 1835 die kurzlebige Zeitschrift Le Monde dramatique heraus und arbeitete an den bekanntesten Pariser Zeitungen und Zeitschriften mit. Jedoch war er erst 1848 in den literarischen Zirkeln der französischen Hauptstadt als Dichter anerkannt. Er war mit Heinrich Heine befreundet und veröffentlichte 1848 die Übersetzungen größerer Abschnitte seiner Werke und eine Studie über den deutschen Dichter. Mit Aurélia stand Nerval insbesondere der deutschen Romantik am nähesten; vor allem Novalis und E.T.A. Hoffmann.[3]

Nerval unternahm ab 1834 zahlreiche Reisen, die ihn wiederholt nach Italien und Deutschland führten. 1843 verbrachte er sogar fast ein ganzes Jahr im Orient, der wiederum einen prägenden Einfluss auf sein Werk hatte. 1841 jedoch bekam er erste Anfälle einer Geisteskrankheit, die ihn immer wieder befiel. Schwere Krisen hatte er insbesondere in den Jahren 1841, 1851 und 1853/54. Von diesen ist in Aurélia die Rede. Aufgrund seiner Krankheit, deren Auslöser angeblich finanzielle Sorgen und gelegentliche Misserfolge bei der Aufführung seiner Theaterstücke waren, musste er sich mehrfach in Heilanstalten aufhalten. In seinen letzten beiden Lebensjahren führte er eine zunehmend unstete, vagabundierendes Existenz, und sein Leben war gekennzeichnet von Hunger, Elend und Alpträumen. Schließlich erhängte er sich am 26.01.1855 in einer Pariser Gasse. Angeblich trug er noch die letzten Blätter von Aurélia bei sich.[4]

Seine Freunde nannten ihn auch mit einem nachsichtigen Lächeln, den « bon Gérard », den Sonderling.[5] Erst nach seinem Tod Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts fanden seine Werke großes Interesse bei den Symbolisten und Surrealisten, und Nerval wurde von ihnen zum Dichter des Unbewussten deklariert.[6]

Die Biographie Nervals ist von großer Bedeutung für sein Werk Aurélia, da es viele autobiographische Elemente enthält. Aurélia gilt auch als literarisches Testament Nervals.[7] Schließlich hat er schon kurz nach der Fertigstellung von Aurélia, und ohne die Veröffentlichung abzuwarten, Suizid begangen.

II. Einleitung und Hinführung zum Thema

Aurélia als letztes Werk im Leben des Autors Gérard de Nerval ist von besonderer Bedeutung und Wichtigkeit, da es „in seiner Art so einmalig in der Weltliteratur [ist], dass man es als eine Gattung für sich bezeichnen muss.“[8] Es wird von den einen als Novelle[9] und von anderen eher als autobiographischer Roman angesehen, da es sowohl autobiographische als auch romanhafte Elemente enthält.[10] Aurélia ist einerseits ein Traumbericht, da Nerval von den Träumen, Visionen und Halluzinationen während einer langen Krankheit berichtet, andererseits autobiographisch, da es sich um seine Träume während seiner Geisteskrankheit handelt, und weiterhin auch gedanklich-reflexiv, da Nerval seine Träume auch reflektiert. Eine eigentliche Handlung ist nicht vorhanden, jedoch vollzieht sich das Geschehen auf drei Ebenen. Diese drei Ebenen gehen ständig ineinander über. Weiterhin können, bedingt durch die zahlreichen Übersetzungstätigkeiten Nervals sowie seine weitreichende autodidaktische Bildung, viele intertextuelle Bezüge gefunden werden.

In folgendem sollen nun anhand einer ausführlichen Inhaltszusammenfassung und –Analyse biographische Bezüge sowie Intertextualitätsindizien, Leitmotive und die Konstituenten des „récit“ näher erörtert werden.

III. Aurélia als Traumbericht oder Intertextualitätsorgie? – Konstituenten des „récit“

1. Inhaltserörterung

1.1 Erster Teil

1.1.1 Erstes Kapitel

Alles beginnt mit dem aussagekräftigen Satz: « Le Rêve est une seconde vie. »[11] Dies soll bedeuten, dass der Traum als ein zweites Leben angesehen wird. Der Schlaf stellt ein Abbild des Todes dar, in dem sich uns die Welt der Geister im Traum öffnet. Der Ich-Erzähler, der Gérard de Nerval selbst ist, weist auch gleich zu Beginn der Erzählung auf seine literarischen Vorbilder für seine „Studien über die menschliche Seele“[12] Swedenbourg, Apulejus und Dante hin. Er erwähnt, dass er die Eindrücke einer langen Geisteskrankheit niederschreiben möchte, wobei er sich aber niemals krank, sondern eher ausgezeichnet und mit doppelten Kräften ausgestattet gefühlt hat.[13]

Die Krankheit beginnt, nachdem er seine unendlich große Liebe, die er « Aurélia » nennt, selbstverschuldet verloren hat. Dies bezieht sich biographisch auf den Verlust Jenny Colons, die 1838 einen Musiker heiratete und 1842 starb.[14] Seine Krankheit nennt er, in Bezug auf Dante, eine „Vita nuova“, also ein neues Leben, das sich in zwei Phasen gliedert. Er will zuerst von der ersten Phase berichten, die sich biographisch auf seine Krankheitsperiode 1841 bezieht. Weiterhin erklärt er, er hätte sich in jener überaus schwierigen Lebenssituation zwischen Leben und Tod entscheiden müssen und hätte sich für das Leben entschieden, was er aber erst später erläutern möchte.[15]

Nachdem er also seine Aurélia verloren hat, geht er auf Reisen und stürzt sich in neue Abenteuer, um seine Melancholie zu überwinden. In einer italienischen Stadt lernt er während des Karnevals eine andere Frau kennen und meint, sich in diese verliebt zu haben. Er schreibt ihr daraufhin einen Liebesbrief, muss ihr aber schließlich gestehen, dass er sich geirrt hat und sie nur getäuscht habe. Diese nimmt ihm das ganze aber nicht übel.[16]

1.1.2 Zweites Kapitel

In einer anderen Stadt, die in der Version Primitive d’Aurélia als Brüssel zu erkennen gegeben wird[17], freunden sich diese Frau und Aurélia zufällig an und die Frau kann auf Aurélia zugunsten Nervals einwirken, so dass, als sie sich bei einer Gesellschaft treffen, Aurélia ihm zärtlich die Hand drückt und kurz mit ihm spricht. Sie blickt ihn traurig und mitleidsvoll an, und er glaubt deshalb, sie habe ihm verziehen. Er kehrt nach Paris zurück. Dort fällt ihm eines Nachts gegen Mitternacht eine Hausnummer auf, die genau sein Lebensalter darstellt. Daraufhin hat er eine erste Vision. Er sieht eine leichenblasse Frau mit hohlen Augen, die aussieht wie Aurélia. Er glaubt nun, dies sei eine Vorschau, die seinen oder Aurélias Tod vorhersagt. Er entscheidet sich dafür, dass es sein Tod sei und meint, dieser würde am folgenden Tag um die gleiche Stunde eintreten. Nachts träumt er von einem riesigen schwebenden Wesen mit rotem Kleid, das ihn an den Engel der Melancholie von Albrecht Dürer erinnert. Dieses Wesen stürzt ab; und dadurch glaubt er seine Überzeugung, sterben zu müssen bestätigt.[18] Dies sind also erste Anzeichen des Todes, die auf Aberglauben beruhen.

Von der Schicksalsergebenheit des Dichters zeugt, dass er am folgenden Tag von seinen Freunden Abschied nimmt. Am Abend trifft er sich noch mit zwei Freunden, von denen ihn einer, mit dem Namen Paul, nach Hause begleiten möchte. Gérard möchte aber gar nicht nach Hause gehen, sondern « Vers l’Orient! »[19]. Der Orient kann, wie auch für Novalis, als geistige Heimat des Dichters angesehen werden.[20] Paul begleitet ihn trotzdem. Freudig folgt Gérard einem Stern, von dem er glaubt, dass er von denen bewohnt wird, die er liebt und die ihn erwarten. Er möchte ihm folgen bis der Tod über ihn kommt. Paul möchte ihn aber davon abhalten und wird plötzlich zu einem Apostel mit übermenschlichen Kräften. Hier sei auf die kluge Wahl des Namens Paul in Anspielung auf den Apostel Paulus hingewiesen. Es kommt zu einem Kampf zweier Geister. Der Freund ist jedoch letztendlich er selbst, das heißt sein alter ego oder auch sein Doppelgänger, der ihm bei der Lockerung der Seele vom Leib entgegentritt. Der Kampf spielt sich in seinem Inneren ab.[21] Der Kampf ist ein Beweis für seine Absicht, die Vorzeichen auch gegen Widerstände wahr zu machen.

[...]


[1] vgl. Lange, Wolf-Dieter. Französische Literatur des 19. Jahrhunderts. S. 193; 204.

[2] vgl. Pichois, Claude. Le Romantisme II 1843-1869. S. 439.

[3] vgl. Lange, Wolf-Dieter. Französische Literatur des 19. Jahrhunderts. S. 204f.

[4] vgl. Lange, Wolf-Dieter. Französische Literatur des 19. Jahrhunderts. S. 204f.

[5] vgl. ebd. S. 192.

[6] vgl. Krüger, Manfred. Gérard de Nerval. S. 7.

[7] vgl. ebd. S.155 und Tritsmann, Bruno. Ecritures nervaliennes. S. 137.

[8] vgl. Krüger, Manfred. Gérard de Nerval. S. 156.

[9] vgl. Hennig, Gerda. Traumwelten im Spiegel der Dichtung. S. 67.

[10] vgl. Krüger, Manfred. Gérard de Nerval. S. 156.

[11] vgl. Nerval, Gérard de. Aurélia. Fischer, 1961. S. 6.

[12] vgl. ebd. S. 7.

[13] vgl. Nerval, Gérard de. Aurélia. Fischer, 1961. S.6ff.

[14] vgl. Krüger, Manfred. Gérard de Nerval. S. 162.

[15] vgl. Nerval, Gérard de. Aurélia. Fischer, 1961. S. 8.

[16] vgl. ebd. S. 8-12.

[17] vgl. Nerval, Gérard de. Aurélia. Flammarion, 1990. S. 317.

[18] vgl. Nerval, Gérard de. Aurélia. Fischer, 1961. S. 12ff.

[19] ebd. S. 16.

[20] vgl. Krüger, Manfred. Gérard de Nerval. S. 163.

[21] vgl. Nerval, Gérard de. Aurélia. Fischer, 1961. S.16ff.

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Details

Titel
Gérard de Nerval: Aurélia als Traumbericht oder Intertextualitätsorgie? - Konstituenten des 'récit'
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V30215
ISBN (eBook)
9783638315241
Dateigröße
565 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gérard, Nerval, Aurélia, Traumbericht, Intertextualitätsorgie, Konstituenten
Arbeit zitieren
Daniela Kilper-Welz (Autor:in), 2004, Gérard de Nerval: Aurélia als Traumbericht oder Intertextualitätsorgie? - Konstituenten des 'récit', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30215

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