Begierde bei Paulus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

23 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Die Quellen
Zuordnung dieser Textstellen

Begehren
Leib und Selbst
Der „innere Mensch“ bei Paulus
Gefühle bei Paulus
Begierde
Die Herrschaft der Begierde
Gegen Fehldeutungen
Psychologische und theologische Bedeutung von Begierde
Psychologische Schlussfolgerungen
Der dämonische Charakter der Begierde
Begierde und Gesetz
Der Heide und die Begierde
Der Mensch von Gesetz, Begierde und Sünde befreit

Sexualität bei Paulus

Schlussbetrachtungen
Literaturverzeichnis

Einleitung

Im Folgenden werde ich untersuchen, auf welche Art Paulus den Begriff „Begehren“ verstanden hat. Mein besonderes Interesse gilt dabei dem Punkt, dass häufig lediglich eine Verdammung der Sexualität aus den paulinischen Briefen herausgelesen wurde, so dass eine verheerende Einstellung gegenüber der eigenen Körperlichkeit entstand. Ich möchte prüfen ob der Begriff nicht allumfassender gebraucht wurde und ob manches Begehren nicht auch für Paulus positive Kräfte freisetzt. Außerdem scheint auch die Frage nach seinem Bild der Körperlichkeit hiermit im engen Zusammenhang zu stehen.

Die Abfassungsverhältnisse der Brieftexte müssen dabei Bestandteil dieser Untersuchung sein, denn sonst wird die Absicht des Autors nur unzureichend ermittelt.[1] Paulus vertraute seiner brieflichen Argumentation offenbar mehr als persönlicher Anwesenheit und insgesamt lassen sich die Briefe der Gattung der „beratenden Rede“ zuordnen.[2]

Weiterhin werde ich nach einem kurzen Abschnitt zur Quellenlage die von Paulus im Zusammenhang mit der Begierde benutzen Wörter einer Untersuchung unterziehen. Der damalige Gebrauch mag einiges von der Intention des Paulus bei ihrer Verwendung verraten.

Im weiteren Verlauf der Arbeit möchte ich auf die psychologischen Anschauungen Paulus eingehen. Der Begriff „Leib“ ist zu bestimmen wenn man sich der Begierde nähern will. Außerdem ist wichtig zu ergründen, warum Paulus uns heutigen Lesern so emotionslos erscheint.

Das Verhältnis Trieb, Gesetz, Begierde und Sünde wird später beleuchtet, ebenso das von Geist und Begierde.

Der Sexualität bei Paulus ist ein eigener Abschnitt gewidmet, da er sie „exklusiv unter dem Aspekt der Begierde“[3] versteht.

Interessant ist natürlich auch, ob sich das Verständnis der Begierde in seine Lehre weiterentwickelte, oder eine festgesetzte Größe war, dazu werde ich in den Schlussbetrachtungen Stellung nehmen.

Sofern nicht anders angegeben werde ich mit der „Revidierten Elberfelder Bibel“[4] arbeiten, da diese meist nahe an den Übersetzungen der Kommentare bleibt.

Die Quellen

Die 13 uns unter dem Namen des Paulus überlieferten Briefe gehen nicht alle auf diesen Autor zurück. Sieben gelten mit hoher Wahrscheinlichkeit als echt. Hierbei handelt es sich um 1Thess, Gal, Phil, Phlm, 1Kor, 2Kor, Röm.

2Thess, Kol, Eph, 1Tim, 2Tim, Tit gelten hingegen als deuteropaulinisch.[5]

Der Hebräerbrief wurde von der altkirchlichen Tradition für paulinisch gehalten, obwohl er keinen Verfasser nennt. Einigkeit herrscht in der moderneren Forschung darüber, dass dieser nicht von Paulus stammt, möglicherweise von einem hochgebildeten, der hellenistisch-jüdischen Tradition verpflichteten (Juden-)Christen[6] oder einer Frau[7] geschrieben wurde. Das Plagiat wurde damals jedoch anders bewertet und häufig bezog man sich in guter Absicht auf die Autorität eines bekannten Menschen.

Wenn ich im Folgenden über die Begierde bei Paulus schreibe, werde ich mich auf die als sicher geltenden von Paulus verfassten Briefe beziehen.

Nach der Konkordanz zur Lutherbibel sind also folgende Stellen zu untersuchen[8]

Röm: 1,24; 1,27; 6,12, 7,7 f.; 8,4f.; 13,14 / 1Kor: 7,9 / Gal: 5,16; 5,24 / Phil 1,23[9] /1Thess: 2,17[10] ; 4,5[11]

Eine zeitliche Einordnung dieser Briefe anhand der Lebensdaten des Paulus von Jürgen Becker[12] ergibt:

- 1Thess um das Jahr 50/51
Paulus hat diese Gemeinde selber gegründet (Heidenchristen), seine Theologie ist in Grundzügen bekannt (1Tes 1,9 f.). Offenbar werden in diesem Brief unklare Themen genauer erörtert, dabei ist es möglich, dass Paulus sich auf konkrete Fragen der Gemeinde bezieht. Diese könnten von Timotheus, einem Mitarbeiter des Paulus der die Gemeinde besuchte, überbracht sein (vgl. 1Tes 3,1 ff.).[13]
- 1 / 2Kor (Tränenbrief) im Jahr 54

Im ersten Korinther antwortet Paulus, wenigstens zum Teil, auf einen Brief der Gemeinde (vgl. 1Kor 7,1).
Korinth als Stadt erlebte einen raschen Aufschwung, sie „war seit 27 v. Chr. Hauptstadt der Provinz Achaja und spielte als Hafen- und Handelsstadt eine hervorragende Rolle.“[14] Es liegt nahe in diesem Zusammenhang von einem „Schmelztiegel“ zu sprechen in dem unterschiedlichste Strömungen zusammentrafen. Die Gemeinde entstand offenbar im Umfeld einer Synagoge und lag, nach der Länge der erhaltenen Briefe und der Dauer des Besuchs zu schließen, Paulus besonders am Herzen.
Die Probleme in Korinth scheinen auf besonders gearteten religiösen Enthusiasmus zurückzuführen sein. Die Entgegnung Paulus betont durchgängig, dass die Theologie des Kreuzes das Christsein bestimmt.[15]

- Phlm 54/55
- Phil 54/55
Offenbar befindet sich Paulus zur Zeit der Abfassung des Briefes in einer außerordentlich bedrohlichen Lage. Das Verhältnis zu der Gemeinde scheint ungetrübt gewesen zu sein und Paulus konnte von ihr mehrfach finanzielle Hilfe empfangen.[16]
- Gal 56
Paulus muss sich hier mit anderen Wanderpredigern auseinandersetzen, beziehungsweise sich gegen diese und ihre Theologie abheben. Dafür betont er den Empfang seines Amtes von Christus und Gott. Die Galater sollen zum Evangelium zurückkehren. Für seine Gegner scheint das Gesetz eine besondere Rolle zu spielen, deswegen breitet auch Paulus dieses Thema so stark aus. Die Anweisungen zur religiösen Führung des Alttagslebens scheinen dabei der von den Galatern gerne übernommene Kern der Aussagen seiner Gegner zu sein.
Eine weitere Auffälligkeit ist, dass er sich an die Kirchen (Plural!) in Galatien wendet.[17]
- 2Kor (Versöhnungsbrief) 56
- Röm 56
Der Brief gilt als wichtigster des Paulus und bedeutendstes theologisches Dokument des Christentums. Diese Gemeinde verdankt ihre Existenz nicht der Missionstätigkeit des Paulus. Der Brief ist eine erste Kontaktaufnahme mit den Christen in Rom, von denen Paulus offenbar annahm, dass sie über ein organisiertes Zusammenleben verfügten. Inhaltlich geht er über die Anderen weit hinaus, scheint eine theologische Abhandlung mit dem Hauptthema „Gerechtigkeit Gottes zu sein“ zu sein. Mit Widerstand wie in Galatien oder Korinth scheint Paulus nicht gerechnet zu haben, fehlt hier doch die Apologetik.[18]

Zuordnung dieser Textstellen

Es sind paränetische Abschnitte ( wie z. B.: 1Kor 5-7; Röm 12-15; 1Thess 4,3-8) summarisch angelegte Tugend- und Lasterkataloge (Röm 1,29-31; 1Kor 5,11;1Kor 6,9 f.; Gal 5,19 f.) sowie Texte, die Begehrensformen zum Heiligungs- und Sündenbegriff (wie z. B.: Röm 1,18ff.) in Beziehung setzen.[19]

Die Lasterkataloge werden dabei kaum begründet. Es scheint mit den Adressaten der Briefe Einigkeit zu herrschen.

Um einen Gesamtüberblick zu erhalten, sortiere ich diese Stellen jetzt Überbegriffen zu und beleuchte blitzlichtartig ihren (möglichen) Aussagegehalt. Dabei ist diese Aufteilung einigermaßen künstlich und die Grenzen können nicht immer scharf gezogen werden.

1. Positives Begehren

1Thess 2,17: „Wir aber, Brüder, da wir für kurze Zeit von euch verwaist waren, dem Angesicht, nicht dem Herzen nach, haben uns um so mehr mit großem Verlangen bemüht, euer Angesicht zu sehen.“

Das Begehren entstammt hier dem Leiden unter Fernheit und Distanz von den Gemeindegliedern.

Phil 1,23:“ Ich werde aber von beidem bedrängt: Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein, denn es ist weit besser;“

Hier meint Begehren ein sich hingezogen fühlen zu Christus.

Gal 5,16 f.: „16 Ich sage aber: Wandelt im Geist, und ihr werdet die Begierde des Fleisches nicht erfüllen.

17 Denn das Fleisch begehrt gegen den Geist auf, der Geist aber gegen das Fleisch; denn diese sind einander entgegengesetzt, damit ihr nicht das tut, was ihr wollt.“

Das Subjekt der Begierde ist hier der Geist, nicht der Mensch. Das Begehren des Geistes trachtet danach die Herrschaft ihres Widersachers über den Menschen zu brechen. Dieser Streit ist zwar faktisch Gegenwart, für Christ und Christin jedoch Vergangenheit. Durch Jesus Tod am Kreuz und ihre Taufe ist auch ihr Begehren gekreuzigt (Gal 5,24).

[...]


[1] Vgl. Conzelmann, Hans; Lindemann, Andreas: Arbeitsbuch zum Neuen Testament, Tübingen, 2000, S. 42

[2] Vgl. ebd. S. 224 f.

[3] Berger, Klaus: Historische Psychologie des Neuen Testaments, Stuttgart, 1991, S. 283

[4] Bibelworks for windows 95, version 3.5.050 p, 1996 - Elb revidierte Elberfelder (1993)

[5] Klumbies, Paul Gerhard: Studien zur paulinischen Theologie, Münster, 1999, S. 10

[6] Drehsen, Volker; Häring, Hermann; Kuschel, Karl-Joseph; Siemers, Helge (Hg.)Wörterbuch des Christentums , München, 2001, S. 458

[7] Berger, Klaus: Historische Psychologie des Neuen Testaments, Stuttgart, 1991,

[8] Nach: Konkordanz zur Lutherbibel, Stuttgart, 1979

[9] Coenen, Lothar; Beyreuther, Erick: Bietenhard, Hans (Hg.): Theologisches Begriffslexikon zum NT, Wuppertal, 1972, S. 65

[10] Ebd., S. 65

[11] Bibelworks for windows 95, version 3.5.050 p, 1996 - Elb revidierte Elberfelder (1993)

[12] Becker, Jürgen: Lebensdaten des Paulus in: Handouts zum Thema Paulus (Vorlesung SS 2004)

[13] Vgl. Conzelmann, Hans; Lindemann, Andreas: Arbeitsbuch zum Neuen Testament, Tübingen, 2000, S. 228 ff.

[14] Vgl. ebd., S. 262

[15] Vgl. ebd., S. 257 ff.

[16] Vgl. ebd., S. 247 ff.

[17] Vgl. ebd., S. 239 ff.

[18] Vgl. ebd., S. 277 ff.

[19] Vgl. ebd., S. 111

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Begierde bei Paulus
Hochschule
Evangelische Fachhochschule Freiburg  (Religionspädagogik)
Note
1,2
Autor
Jahr
2004
Seiten
23
Katalognummer
V30406
ISBN (eBook)
9783638316705
Dateigröße
662 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Begierde, Paulus
Arbeit zitieren
Christoph Hufeisen (Autor:in), 2004, Begierde bei Paulus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30406

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