Das 19. Jahrhundert war geprägt von Industrialisierung, Technisierung, aber auch von Urbanisierung. Immer mehr industrielle Großbetriebe wurden geschaffen, wodurch ein erheblicher Zuwachs an ArbeiterInnen zu verzeichnen war, die größtenteils vom Land kamen. Vor allem in Berlin waren die Auswirkungen des Modernisierungsschubs und die daraus resultierenden lebensweltlichen Veränderungen sichtbar. Es bildete sich eine immer größer werdende soziale Differenzierung zwischen Bildungsbürgertum und Arbeitern, die in Mietskasernen in Vorstädten im Elend lebten, heraus.
Natürlich ist auch die Literatur dieser Zeit, auch die des Naturalismus, von dem Wandel geprägt. In naturalistischer Lyrik wird erstmals die Großstadt in den Blick genommen. Auf Grund dessen kann das Genre der Großstadtlyrik, die im Expressionismus weitergeführt wird, als „Errungenschaft des Naturalismus“ bezeichnet werden. Außerdem gilt sie als „soziale Dichtung“, da sie besonders die gesellschaftliche Unterschicht und ihre Daseinsproblematik in den Blick nimmt. Schriftsteller wie Johannes Schlaf, die Brüder Hart usw., waren zwar bürgerlicher Herkunft, ergriffen jedoch Partei für das Proletariat und sein Schicksal. Sie stellten dessen menschenunwürdiges Dasein in ihren Gedichten dar und wurden somit auch als “Mitleidsdichter“ bezeichnet.
Und genau diese Behandlung „hässlicher“, die Menschen in der Großstadt bewegende Themen wie das Leben der Bewohner des Hinterhofmilieus, Prostitution, Alkoholismus soziales Elend, Krankheit, Tod usw. werden in naturalistischen Gedichten, entgegen der vorherigen Ästhetikauffassung, nur das Schöne und Harmonische in Kunstwerken abzubilden, behandelt. Muranga bringt dieses naturalistische Kunstkonzept folgendermaßen auf den Punkt:
Naturalistische Kunst sucht nicht zu verklären oder zu idealisieren, sondern die harte, hässliche erlösungsbedürftige Realität ungeschminkt darzustellen; durch sie wird weder Künstler noch Publikum erhoben oder erbaut, sondern vielmehr deprimiert.
Doch wie sieht diese (ungeschminkte) Darstellung der Großstadt in naturalistischen Gedichten aus? Dazu werden im Folgenden fünf Gedichte drei verschiedener Dichter unter Betrachtung dieser Fragestellung analysiert. Der Fokus wird bewusst nicht nur auf die Gedichte eines Autors gelegt, um ein größeres Spektrum abzudecken. Zunächst werden das äußere Erscheinungsbild der Großstadt, welches in den Gedichten gezeichnet wird, betrachtet sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausgestellt. Im
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einleitung
- 1. Die Großstadt Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts
- 2. Darstellung der Großstadt in naturalistischen Gedichten
- 2.1 Das äußere Erscheinungsbild der Großstadt
- 2.2 Die Menschen in der Großstadt
- 2.3 Möglichkeiten der Realitätsflucht in der Großstadt
- 3. Fazit
- 4. Literatur
- 5. Anhang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit untersucht die Darstellung der Großstadt in naturalistischer Lyrik und analysiert, wie diese in der Literatur des Naturalismus wiedergegeben wird. Die Analyse konzentriert sich auf die Darstellung des äußeren Erscheinungsbilds der Großstadt, die Menschen, die in ihr leben, und die Möglichkeiten der Realitätsflucht, die in den Gedichten aufgezeigt werden.
- Das äußere Erscheinungsbild der Großstadt in naturalistischen Gedichten
- Die Menschen in der Großstadt und ihre Lebensbedingungen
- Die Möglichkeiten der Realitätsflucht in der Großstadtlyrik
- Der Einfluss der Industrialisierung und Urbanisierung auf die Literatur des Naturalismus
- Die soziale und politische Kritik in naturalistischen Gedichten
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Einleitung stellt die historische und literarische Bedeutung der Großstadt im Naturalismus dar. Sie beleuchtet die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen im 19. Jahrhundert, die die Entstehung der Großstadt als literarisches Thema beeinflussten.
Kapitel 1, "Die Großstadt Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts", beleuchtet die soziale und wirtschaftliche Situation in den Städten während der Industrialisierung. Es werden die negativen Folgen für die Arbeiterklasse beschrieben, die von der Landflucht in die Stadt getrieben wurden und unter prekären Lebensbedingungen in Mietskasernen lebten.
Kapitel 2, "Darstellung der Großstadt in naturalistischen Gedichten", fokussiert auf die literarische Darstellung der Großstadt in Gedichten des Naturalismus. Es werden die verschiedenen Aspekte der Großstadt, die in den Gedichten dargestellt werden, analysiert, wie z.B. das äußere Erscheinungsbild, die Menschen, die in der Großstadt leben, und die Möglichkeiten der Realitätsflucht.
Schlüsselwörter (Keywords)
Naturalismus, Großstadtlyrik, Industrialisierung, Urbanisierung, Mietskasernen, soziale Differenzierung, Arbeiterklasse, Proletariat, Lebensbedingungen, Realitätsflucht, Sozialkritik, Mitleidsdichter, Johannes Schlaf, die Brüder Hart, Bruno Wille, "Entzauberung", "Straße".
- Quote paper
- Melissa Staudt (Author), 2015, Darstellung der Großstadt in naturalistischen Gedichten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/305328