Ulrich von Liechtenstein schreibt in Lied 55 am Ende seines Romans über den ,,Frauendienst": wol mich wol mich wol mich des daz ich han funden | uf der erde ein himelrich (FD, Ld. 55, S. 385f).1 Das himelrich, das er gefunden zu haben glaubt, ist der erfolgreiche, weil belohnte Minnedienst, den er im Dienst der zweiten frouwe verbringt. Die Frage nach dem Verhältnis von Dienst und Lohn ist konstituiv für den ,,Frauendienst". Das zeigt sich besonders in der Vermischung von lyrischer und epischer Form.
Hohe Minne kann als die Form einer ethischen Selbststilisierung angesehen werden. Das traditionelle Konzept der hohen Minne sah vor, daß sich ein Adliger um die Gunst einer zumeist sozial höherstehenden Dame bemühte, um sowohl sein als auch ihr Ansehen zu vermehren. In der reinsten Ausformung des Minnesangs ist die Liebe jedoch immer unerfüllt. Der Werbende kann seine Angebetete nie besitzen. Die Erfüllung der Liebe bleibt ausgeschlossen, der Dienstgedanke als funktionaler Frauendienst, bei dem sich der Ritter seiner Dame unterordnet, steht im Vordergrund. Der Sänger als männlicher Ich-Sprecher spielt in reflektierendem Stil eine Rolle, die aus der Hoffnung auf Lohn und dem Schmerz des vergeblichen Werbens besteht. Er reflektiert über die geliebte Frau, sich selbst und sein Singen, über seine Wünsche. Doch alle Wünsche des Minnesängers sind unerfüllbar. Und das ist in soweit verständlich, als der Minnesänger sich im Dienst seiner Angebeteten moralisch bewährt, seine dichterischen Fähigkeiten steigert und seine Ehre und die der Dame erhöht. Würde der Minnesänger von der Dame erhört werden und käme er in den Genuß körperlicher Nähe, wäre der Minnedienst sich selbst enthoben und ad absurdum geführt. Die verherrlichte Frau bleibt schon deshalb immer anonym, ein idealisiertes Vorbild an Schönheit und Tugend, keusch und asexuell und unerreichbar für den Sänger. Sie reagiert gleichgültig und ablehnend auf sein Werben. Trotz mannigfaltiger Enttäuschung harrt der Minnesänger jedoch gemäß der ritterlicher Tugend der staete aus, da der Dienst ihm höfisches Ansehen bringt. Die klassische Form des Minnedienstes ist das lyrische Lied.
Es stellt sich hier die Frage, was passieren würde, wenn sich ein mittelalterlicher Autor entschlösse, nicht nur Minnesang zu betreiben, sondern den Minnedienst als solchen zu erzählen und zusätzlich besonderen Wert auf die Belohnung seines Dienstes legen möchte. Er würde zwischen alle Stühle fallen.
Inhaltsverzeichnis
- Poetisches Erzählen - lyrisches Schweigen: die Einbindung der Minnelieder in den Erzählzusammenhang in Ulrich von Liechtensteins „Frauendienst“
- Die literarische Form der beiden großen Gattungen differieren
- Die Herrin ist nun aus Neugierde auf seinen neuen Mund bereit ihn zu treffen
- Die Szene läßt sich vielmehr als eine Gegenüberstellung von Wort und Tat verstehen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Integration von Minneliedern in den erzählerischen Kontext von Ulrich von Liechtensteins „Frauendienst“. Sie untersucht, wie der Roman den Minnedienst als literarische Form des Dienstes und der Belohnung darstellt und die Tradition des Minnesangs mit epischen Elementen verbindet.
- Die Beziehung zwischen Dienst und Lohn im „Frauendienst“
- Die Rolle der lyrischen und epischen Elemente im Roman
- Der Kontrast zwischen dem klassischen Minnesang und dem höfischen Epos
- Die Darstellung der Minnelieder im Kontext der erzählerischen Handlung
- Die Paradoxien des Minnedienstes und die Bedeutung des Frauenlobes
Zusammenfassung der Kapitel
- Der erste Teil der Arbeit beleuchtet das Konzept des Minnedienstes und seine Darstellung in der Literatur. Es wird auf die traditionelle Vorstellung der hohen Minne und ihre Merkmale eingegangen, wobei die Rolle des Minnesängers im Mittelpunkt steht. Des Weiteren wird die Verbindung zwischen Minnesang und höfischem Epos in Bezug auf die Darstellung der Liebe und des ritterlichen Verhaltens analysiert.
- Im zweiten Teil der Arbeit wird der "Frauendienst" als Beispiel für die erzählerische Darstellung des Minnedienstes vorgestellt. Der Roman wird in einen ersten und einen zweiten Frauendienst unterteilt, wobei die jeweiligen Schwerpunkte und literarischen Formen näher erläutert werden. Es werden die einzelnen Episoden des Romans sowie die Einbindung der Minnelieder in den Erzählkontext betrachtet.
- Der dritte Teil der Arbeit analysiert den Prolog des "Frauendienst" und zeigt auf, wie Ulrich von Liechtenstein die Paradoxien des Minnedienstes in seinem Roman darstellt. Es wird insbesondere auf die Beziehung zwischen Dienst und Lohn, die Rolle des Frauenlobes und die Enttäuschung des Minneritters eingegangen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Minnedienst, Minnelied, höfisches Epos, Frauendienst, Ulrich von Liechtenstein, literarische Gattung, epische und lyrische Elemente, Frauenlob, Dienst und Lohn, höfische Literatur, Paradoxien des Minnedienstes.
- Quote paper
- Benjamin Kristek (Author), 2002, Poetisches Erzählen - lyrisches Beschweigen: die Einbindung der Minnelieder in den Erzählzusammenhang in Ulrichs von Liechtenstein Frauendienst, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3058