Gotthilf Heinrich Schubert und E.T.A. Hoffmann. Die Bedeutung der romantischen Naturforschung für die Literatur der Romantik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Das Aufkommen der romantischen Naturforschung
1.2 Die Verbindung zwischen romantischer Naturforschung und romantischer Poesie

2. Gotthilf Heinrich Schubert
2.1 Leben und Werk

3. Schuberts Grundgedanken
3.1 Triadisches Weltverständnis
3.2 Hieroglyphensprache
3.3 Magnetismus

4. Schuberts Gedanken in E.T.A. Hoffmanns Werk
4.1 Die Hieroglyphensprache in „Der goldne Topf“
4.2 Magnetismus und Traum in „Der Magnetiseur“

5. Fazit

6. Literatur

1. Einleitung

1.1 Das Aufkommen der romantischen Naturforschung

Die empirisch-positivistische Naturwissenschaft hat ihren Durchbruch im 19. Jahrhundert gefeiert und liegt damit parallel zur Wirkungszeit der romantischen Naturforschung. Ihr liegt die experimentelle Erfahrung zu Grunde. Sie versuchte die Dinge der Welt mittels logischem Denken zu erklären um sie zu beherrschen und gelangte auf diese Weise zu ihren Hypothesen und Erkenntnissen.

Die romantische Naturforschung Schuberts war anderer Ausprägung. Zwar waren auch seine Methoden experimenteller Art und auch hier wurde mit den Mitteln logischen Denkens geforscht, allerdings bettete er die Ergebnisse seiner Untersuchungen in ein allumfassendes Weltbild von religiöser Ausprägung und handelte sich damit oft genug den Spott der positivistischen Kollegen ein.[1] Sein Weltbild war mystisch geprägt, wie Ernst Busch es festgestellt hat.[2] Die Romantik hat alle Gebiete des irrationalen Fühlens, der Religion, der Kunst und das unbewußte Seelenleben in ihre mystische Erkenntnis mit einbezogen.

1.2 Die Verbindung zwischen romantischer Naturforschung und romantischer Poesie

Man hat häufig versucht das Werk eines Dichter aus den Wissenschaftserkenntnissen seiner Zeit zu erklären. Im Fall der Romantik liegt dieser Ansatz besonders nah, haben sich die Denker der Frühromantik doch eingehend mit dem Verhältnis der Poesie zur Wissenschaft beschäftigt.[3] In dieser Arbeit soll es um die naturmystischen Gedanken Schuberts anhand seiner beiden Werke „Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft“ und „Symbolik des Traumes“ gehen. Es soll ihr Einfluß auf Hoffmanns Werke „Der Goldene Topf“ und „Der Magnetiseur“ exemplarisch herausgearbeitet werden. Eine Untersuchung aller Werke Hoffmanns hätte den Umfang der Arbeit sicherlich gesprengt.

Gotthilf Heinrich Schubert gilt weder als der einzige noch als erster, aber als einer der populärsten Vertreter der mystisch ausgerichteten Naturwissenschaft.[4] Auch E.T.A. Hoffmann war mit seinen Werken vertraut. Schuberts Person und seine Grundthesen werden im Folgenden kurz erläutert.

2. Gotthilf Heinrich Schubert

2.1 Leben und Werk

Geboren wurde Gotthilf Heinrich Schubert am 26. April 1780 in Hohenstein-Ernstthal als Sohn eines protestantischen Pfarrers. Mit neunzehn Jahren ist er in Leipzig eingeschriebener Student für Theologie, wechselt aber bald darauf zur Medizin. 1801 geht er schließlich an die Universität von Jena, wo er in den dortigen Kreis der Romantiker eintritt und Bekanntschaft mit Ritter und Schelling machte und 1803 promovierte. Eine Stellung als praktischer Arzt und sein zweibändiger Roman „ Die Kirche und die Götter“ von 1804 konnten ihm nicht die Befriedigung geben, die er suchte, so daß an die Bergakademie nach Freiberg wechselte und dort naturkundliche Vorlesungen hörte. Schließlich ging er 1806 nach Dresden, kam dort erneut in ein romantisch geprägtes Umfeld und machte Bekanntschaft mit Adam Müller, Caspar David Friedrich, Kleist und anderen. Hier hielt Schubert erstmals Vorlesungen über die Nachtseiten der Natur, die 1807/08 als „Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft“ erschienen. Seine weiteren Stationen waren die Leitung des Realinstituts in Nürnberg (1809), ein kurzes Intermezzo als Erzieher der Kinder des Großherzogs Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin (1816), ein Lehrstuhl an der Universität Erlangen (1819), bis er schließlich einen Lehrauftrag an der Universität München erhielt (1827). Hier starb Schubert am 30. Juni 1860.[5]

Zu seinen weiteren Werken gehören die „Ahndungen einer allgemeinen Geschichte des Lebens“ (1806) und die „Symbolik des Traumes“ (1814).

Geprägt war Schubert durch die lutherische Frömmigkeit seines Elternhauses und seines bereits in der Kindheit ausgeprägten Hanges zur Naturwissenschaft. Herders „Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit“, Saint-Martins „Esprit des choses“ und die Bekanntschaft Schellings, als dessen Schüler er bezeichnet wird[6], haben ihn nachhaltig beeinflußt.

3. Schuberts Grundgedanken

Seinen leitenden Grundgedanken, oder besser - und romantischer: seine Gemütsverfassung, hat Schubert in seinem Werk „Ansicht von der Nachtseite der Naturwissenschaft“ von 1808 gleich zu Anfang dargelegt. Er zieht sich wie ein roter Faden durch seine gesamten Werke:

„Das älteste Verhältniß des Menschen zu der Natur, die lebendige Harmonie des Einzelnen mit dem Ganzen, der Zusammenhang eines jetzigen Daseyns mit einem zukünftigen höheren, und wie sich der Keim des neuen zukünftigen Lebens in der Mitte des jetzigen allmälig entfalte, werden demnach die Hauptgegenstände dieser meiner Arbeit seyn.“[7]

Alle Themen, die er abhandelt, von den Planetenkonstellationen, über die Jahreszeiten bis hin zum Somnambulismus und Wahnsinn, lassen für Schubert den Hintergrund einer göttlichen Offenbarung erkennen. In der Mannigfaltigkeit der Naturerscheinungen sucht und findet er die Einheit. In den Prozessen der Natur sieht er Polarisation, Analogie und Potenzierung als wesentliche Elemente vorhanden. In der Kette der Naturerscheinungen zeigen besonders die Extreme des somnambulen Ausnahmezustandes, der Träume, der Prophetien und der Poesie eine tiefe Verbindung des Individuums mit der Natur im übergeordneten Gesamtzusammenhang einer Lebensseele:

„Dieser [höhere Einfluß] ist das unsichtbare Band, welches um alle Besonderen geschlungen, den Uebergang von einem Daseyn zu einem anderen, und das ewig harmonische Zusammenwirken des Weltalls in allen seinen Theilen möglich macht. Er ist die Lebensseele, welche von oben ausgehend, alle Natur bis in das Aeußerste und Kleinste durchdringt.“[8]

3.1 Triadisches Weltverständnis

Das Geschichtsverständnis der Romantiker war durch eine Dreiteilung bestimmt. Sie findet sich auch in den Schriften Schuberts wieder:

„Wenn uns die Geschichte der alten Welt den Menschen als Einzelnes in dem innigsten Einklange mit der ganzen Natur kennen lehrt, so wird nun die Betrachtung der Natur selber überall ein gemeinschaftliches Gesetz alles Daseyns, und einen gemeinschaftlichen höheren Einfluß, in welchem alle Einzelnen vereint sind, anerkennen lassen.“[9]

Es hat nach der Auffassung Schuberts also einmal eine Zeit des Einklanges gegeben, in der der Mensch als Individuum seiner Bestimmung gemäß in der Natur gelebt hat. Diese Zeit sahen die Romantiker zumeist in der Kultur der Antike, zum Teil aber auch in der christlichen Geschlossenheit des Mittelalters.[10] In ihrem eigenen Zeitalter meinten die Romantiker den Verlust dieses glücklichen Zeitalter deutlich zu spüren. Schubert konstatiert für Frankreich[11], daß sich dort:

„eine mechanistische und handwerksmäßige Ansicht einer todten Natur gebildet, in welcher sich wie Würmer, welche moderndes Gebein benagen, nur noch die mechanistischen Kräfte bewegen.“[12]

Die romantischen Naturforscher haben das Aufkommen der positivistischen Naturwissenschaft deutlich zur Kenntnis genommen und sie als Symptom für den Verlust der ehemaligen Einheit von Mensch und Natur angesehen. Aber die Romantiker und mit ihnen Schubert wollten nicht auf dieser Stufe stehenbleiben. Ihr Schaffen ist auf eine zukünftige Zeit gerichtet:

„Auf diese Weise allein wird unserem Geschlecht, und zwar selbstständiger und bleibender, jene heilige Unschuld und hohe Vollendung aller Kräfte wiederkehren, welche es am Anfang seiner Geschichte verherrlichte, und jene glückliche Nachwelt wird sich das durch ihr eignes hohes Streben wieder erringen, was der ersten Vorwelt ohne ihr Verdienst, von der Natur gegeben war.“[13]

Ein „Goldenes Zeitalter“ wird in Aussicht gestellt, in der die Menschheit wieder im Einklang mit der Natur lebt, allerdings bewußter und nunmehr geläuterter. Die Romantiker haben sich durchaus als Fürsprecher dieses goldenen Zeitalters verstanden, auf das sie hinarbeiten wollten. Die Aufteilung in eine Zeit der Einheit, eine Zeit des gestörten Einklangs und einem zukünftig wieder zu erreichenden goldenen Zeitalter findet sich auch in den Überlegungen der Romantiker zur Universalpoesie und zur neuen Mythologie. Leitend ist die Überzeugung von einer Höherentwicklung der Menschheit als Rückkehr zu ihrem Ursprung. E.T.A. Hoffmann teilte diese Überzeugung nicht ganz. Er war Skeptiker, romantisch zwar, aber über die Unzulänglichkeiten des Menschen hat er nicht leicht hinwegsehen können. Der Magnetiseur von Hoffmann kann als ein Ausdruck seiner Skepsis verstanden werden.[14]

[...]


[1] Vgl. Schuberts Anmerkungen zu Liebigs Antrittsrede. Liebig ziehe „nicht nur über die Naturphilosophie und die Naturphilosophen in ‚barbarischer‘ [...] Weise her, sondern noch mehr über den Gespensterglauben. Bei jenem sagten die Leute: ‚Das geht auf Schubert‘, bei diesem: ‚Das geht auf die Geisterseher Justinus Kerner und Schubert.“ in: Justinus Briefwechsel mit seinen Freunden, Bd.2, 1897, S. 381.

[2] Vgl., Busch, Ernst, Die Idee des göttlichen Seins und seine Entfaltung in der Welt nach der romantischen Naturmystik. In: DVjS 19 (1941), S. 33.

[3] So schreibt Novalis über seine „Lehrlinge zu Sais“: „Frucht der intensiven Beschäftigung mit den Naturwissenschaften und der Naturphilosophie in Freiberg, haben sie [die „Lehrlinge“] den Charakter theoretischer Erörterung nicht ganz abgestreift.“ (Novalis, HKA I, S. 71).

[4] Vgl., Barkhoff, Jürgen, Magnetische Fiktionen. Literarisierung des Mesmerismus in der Romantik, Stuttgart/Weimar 1995, S. 105f.

[5] Zu Leben und Werk vgl., Alice Rösslers Einleitung zu Gotthilf Heinrich Schubert. In: G.H.S. Gedenkschrift zum 200. Geburtstag des romantischen Naturforschers, Erlangen 1980, S. 5-10.

[6] Engelhardt, Dietrich von, Schuberts Stellung in der romantischen Naturforschung. In: G.H.S. Gedenkschrift zum 200. Geburtstag des romantischen Naturforschers, Erlangen 1980, S. 30f.

[7] Schubert, Ansichten, S. 3.

[8] Schubert, Ansichten, S. 371f.

[9] Schubert, Ansichten, S. 102.

[10] Vgl., Erika und Ernst von Borries, Deutsche Literaturgeschichte, Bd.5 Romantik, S. 28ff. Und Engelhardt, Dietrich von, Historisches Bewußtsein in der Naturwissenschaft von der Aufklärung bis zum Positivismus, München 1979, S. 111f.

[11] Die abschätzende Verurteilung Frankreichs ist hier als Antwort auf die napoleonischen Kriege und das Erwachen des Nationalbewußtseins zu verstehen. Auch in Deutschland feierte die „mechanistische“ Naturwissenschaft ihren Siegeszug.

[12] Schubert, Ansichten, S. 14.

[13] Schubert, Ansichten, S. 364.

[14] siehe dazu das Kap. 4.2 auf S. 8 in dieser Arbeit.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Gotthilf Heinrich Schubert und E.T.A. Hoffmann. Die Bedeutung der romantischen Naturforschung für die Literatur der Romantik
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Literatur der Humboldt Universität zu Berlin)
Veranstaltung
Hauptseminar: Die deutsche literarische Romantik
Note
1,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
15
Katalognummer
V3061
ISBN (eBook)
9783638118415
ISBN (Buch)
9783638805940
Dateigröße
429 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutsche Romantik Schubert Hoffmann Naturforschung Literatur
Arbeit zitieren
Benjamin Kristek (Autor:in), 2001, Gotthilf Heinrich Schubert und E.T.A. Hoffmann. Die Bedeutung der romantischen Naturforschung für die Literatur der Romantik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3061

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