Der neue Leasingstandard. Die Bilanzierung von Leasingverhältnissen nach International Financial Reporting Standards (IFRS)


Bachelorarbeit, 2015

43 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnus

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung

2 Grundlagen des Leasinggeschäftes
2.1 Geschichte
2.2 Begriffsbestimmung

3 Derzeit gültige Regelungen nach IAS
3.1 Anwendungsbereich
3.2 Klassifizierung von Leasingverhältnissen
3.3 Bilanzierung von Leasingverhältnissen
3.3.1 Bilanzierung von Finanzierungsleasingverhältnissen
3.3.2 Bilanzierung von Operatingleasingverhältnissen
3.3.3 Sale-and-lease-back-Transaktionen
3.4 Angabevorschriften
3.5 Wesentliche Kritikpunkte am IAS

4 Leasingbilanzierung nach der Reformation
4.1 Historie des ED/2013/
4.1.1 Klassifizierung von Leasingverhältnissen nach ED/2013/
4.2 Bilanzierung der Leasingverhältnisse nach ED/2013/
4.2.1 Leasingnehmerbilanzierung
4.2.2 Leasinggeberbilanzierung
4.2.3 Sale-and-lease-back-Transaktionen
4.2.4 Kurzfristige Leasingverhältnisse
4.3 Erwartete Auswirkungen der reformierten Leasingbilanzierung

5 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Aufteilung der Ausbuchungsdifferenz 29

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung

1.1 Problemstellung

Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Globalisierung und Internationalisierung der Märkte gewinnen die internationalen Rechnungslegungssysteme zunehmend an Bedeutung. Nicht nur weltweit agierende Großkonzerne, sondern auch viele kleine und mittelständische Unternehmen erstellen heute ihre Jahresabschlüsse nach International Financial Reporting Standards (IFRS) oder US-amerikanischen Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP). Insbesondere haben sich die IFRS als zweites Rechnungslegungssystem neben den nationalen Rechnungslegungssystemen etabliert[1] und werden aktuell in über 100 Ländern der Welt inklusive aller 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union angewendet.[2] Speziell für kapitalmarktorientierte Unternehmen ist die Anwendung der IFRS gemäß der Verordnung der Europäischen Union (EG) Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002 ab dem Jahr 2005 im Konzernabschluss verpflichtend.[3]

Im sogenannten „Norwalk Agreement“ wurde von dem International Accounting Standards Board (IASB) und dem US-amerikanischen Financial Accounting Standards Board (FASB) beschlossen, dass im Rahmen eines Konvergenzprojektes die IFRS und das US-GAAP weiter harmonisiert werden sollen, um die Internationalisierung der Rechnungslegung voranzutreiben.[4] Auch die Reformierung der Leasingverhältnisse wird im Rahmen des Konvergenzprojektes seit dem Jahr 2006 aktiv betrieben. Am 16. Mai 2013 wurde der Exposure Draft „Leases“ ED/2013/6[5] vom IASB und FASB als letzte Stufe des Überarbeitungsentwurfs für den aktuellen Rechnungslegungsstandard „Leases“ (IAS 17) und als Ergebnis der Auswertung des Diskussion Papers „Leases: Preliminary Views“ vom 19. März 2009[6] und des Exposure Draft „Leases“ ED/2010/9 vom 17. August 2010[7] veröffentlicht. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens vom ED/2013/6 steht noch nicht fest. Es wird aber mit einer Anwendung ab 2017 gerechnet.[8]

Das gegenwärtige Bilanzierungsmodell unterscheidet auf Grundlage der Verteilung von Risiken und Chancen (risk-and-reward-approach) zwischen Finanzierungsleasing und Operatingleasing, wobei es beim Operatingleasing zu einer außerbilanziellen Erfassung des Leasingverhältnisses kommt (off-balance-sheet-Bilanzierung). Da dieser Punkt seit Jahren in heftiger Kritik steht, sieht die Reformierung der Leasingbilanzierung die Abschaffung der Dichotomie in operative Leasingverhältnisse und Finanzierungsleasingverhältnisse sowie die Einführung der vollumfänglichen Bilanzierung von Nutzungsrechten vor (on-balance-sheet-Bilanzierung). Der risk-and-reward-Ansatz wird durch den right-of-use-Ansatz abgelöst, was beim Leasingnehmer, vergleichbar mit dem jetzigen Finanzierungsleasing, zur Erfassung eines Nutzungsrechts als Vermögenswert sowie eine Leasingverbindlichkeit führt. Das gilt für sämtliche Leasingverhältnisse, ausgenommen davon sind lediglich kurzfristige Leasingverhältnisse mit einer Laufzeit unter zwölf Monaten.

Die vorliegende Arbeit behandelt die aktuelle Bilanzierung von Leasingverhältnissen nach IFRS sowie die neue theoretische Konzeption der Leasingbilanzierung. Darüber hinaus wird auf die möglichen zukünftigen Auswirkungen der reformierten Leasingbilanzierung eingegangen.

1.2 Gang der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert. Nach einer Einleitung und Begriffsbestimmung im Kapitel 2 beschäftigt sich das Kapitel 3 zunächst mit der gegenwärtigen Bilanzierung von Leasingverhältnissen nach IAS 17. Hierbei wird der Anwendungsbereich abgegrenzt, die Klassifizierung von Leasingverhältnissen erläutert und die bilanziellen Regelungen für Finanzierungs- und Operatingleasingverhältnisse detailliert dargestellt. Das Kapitel schließt mit der Analyse der Schwächen der aktuellen Regelungen des IAS ab und nennt die Gründe für die Entwicklung des neuen Leasingstandards.

Das Kapitel 4 widmet sich inhaltlich der neuen Leasingbilanzierung nach ED/2013/6, wobei ebenfalls kurz auf den ursprünglichen ED/2010/9 eingegangen wird. Auf eine ausführliche Darstellung der ED/2010/9 Regelungen wird im Rahmen dieser Hausarbeit verzichtet. Nach der Erläuterung der neuen Klassifizierung von Leasingverhältnissen werden die bilanziellen Regelungen in Abhängigkeit vom Typ des Leasingvertrages (A-Typ oder B-Typ) abgebildet. Das Kapitel diskutiert zudem die möglichen Auswirkungen der Reformierung.

Die erarbeiteten Ergebnisse werden am Ende dieser Arbeit im Kapitel 5 thesenförmig zusammengefasst.

2 Grundlagen des Leasinggeschäftes

2.1 Geschichte

Als Ausgangspunkt der Leasinggeschäfte wird oft das Jahr 1877 genannt, als die US-amerikanische Telefongesellschaft Bell ihre Telefone an den Kunden vermietete, statt sie zu verkaufen. Weitere Unternehmen folgten. In Deutschland wurden 1962 die ersten Leasinggesellschaften gegründet, wobei zuerst nur Großunternehmen und öffentliche Verwaltung Leasingangebote nutzten. Der breite Durchbruch gelang in den 1970er Jahren, als mittelständische Betriebe begonnen hatten, EDV-Anlagen und Büromaschinen zu leasen, gefolgt vom Fahrzeugboom in den 1990er Jahren. Heute hat sich Leasing dauerhaft in der Wirtschaft etabliert. Es gibt kaum ein Investitionsgut, das nicht geleast werden kann.[9] Im Jahr 2014 betrug die Leasingquote in Deutschland 15 %.[10]

2.2 Begriffsbestimmung

Eine einheitliche Definition des Begriffs Leasing ist aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Regelungen und vielfältigen praktischen Anforderungen an die Leasinggeschäfte schwierig. Der Begriff ist auf das englische Verb „to lease“ (mieten, pachten) zurückzuführen und bedeutet zunächst so viel wie Vermietung bzw. Verpachtung von Vermögensgegenständen.[11] Aus der wirtschaftlichen Perspektive betrachtet, hebt sich allerdings das Leasinggeschäft aufgrund der Komplexität und zahlreicher Besonderheiten von der Miete und Pacht ab und lässt sich als Investitions- und Finanzierungsmethode definieren, die auf die zeitlich begrenzte Verschaffung gewerbsmäßiger Einsatzmöglichkeiten von Wirtschaftsgütern gegen Entgelt basiert.[12]

Handelsrechtlich sind Leasingverhältnisse in Deutschland nicht vollständig geklärt. Aus diesem Grund lehnen sich die rechtlichen Regelungen zum Leasing hauptsächlich an richterliche Rechtsprechung und besondere Leasingerlässe der Finanzverwaltung an.[13] Im Gegensatz zu den deutschen handelsrechtlichen Vorschriften enthalten die internationalen Rechnungslegungsvorschriften umfassende Regelungen zur Bilanzierung von Leasinggeschäften. IAS 17.4 definiert ein Leasingverhältnis als eine Vereinbarung zwischen dem Leasinggeber (lessor) und dem Leasingnehmer (lessee), die den Leasinggeber verpflichtet dem Leasingnehmer das Recht auf Nutzung eines Vermögenswertes für einen bestimmten Zeitraum gegen eine Zahlung oder eine Reihe von Zahlungen zu übertragen.[14]

Im Standardentwurf wird diese Definition um zwei zusätzliche Kriterien erweitert, die an den Kriterien zur Bestimmung eines Leasingverhältnisses gemäß IFRIC 4 anknüpfen.[15]

3 Derzeit gültige Regelungen nach IAS 17

3.1 Anwendungsbereich

Die Leasingbilanzierung wird überwiegend im IAS 17 „Leasingverhältnisse“ (leases) geregelt. Als Voraussetzung für die Anwendung von IAS 17 gilt das Vorliegen eines Leasingverhältnisses, das als „eine Vereinbarung, bei der der Leasinggeber dem Leasingnehmer gegen Zahlung oder eine Reihe von Zahlungen das Recht auf Nutzung eines Vermögensgegenwerts für einen vereinbarten Zeitraum überträgt“.[16] Charakteristisch dabei ist, dass das rechtliche und das wirtschaftliche Eigentum an einem Vermögenswert auseinandergehalten werden und die Bilanzierung von Leasingverhältnissen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise folgt.[17]

Die wirtschaftliche Betrachtungsweise wird durch die Interpretationen IFRIC 4 „Beurteilung, ob eine Vereinbarung ein Leasingverhältnis enthält“ und SIC-27 „Beurteilung des wirtschaftlichen Gehalts von Transaktionen in der rechtlichen Form von Leasingverhältnissen“ intensiviert. Durch IFRIC 4 wird der Anwendungsbereich von IAS 17 erweitert. Es handelt sich dabei um indirekte Leasingverhältnisse bzw. Vereinbarungen ohne direkte Übertragung eines Nutzungsrechts, die sich häufig über die Berücksichtigung von Nebenabreden oder mit den grundsätzlichen Vereinbarungen zusammenhängender Transaktionen erschließen lassen. IFRIC 4 fokussiert sich auf langfristige Liefer- und Leistungsverträge, bei denen der Empfänger der Leistung ein indirektes Nutzungsrecht an einer Produktionsanlage oder beispielsweise Leitungsnetzkapazitäten erhält.[18]

Im Gegensatz zu IFRIC 4 schränkt SIC-27 den Anwendungsbereich von IAS 17 ein. Ausgeschlossen werden solche Verträge, die rechtlich zwar der Form eines Leasingverhältnisses entsprechen, wirtschaftlich allerdings nicht als solches anzusehen sind.[19] SIC-27 bezieht sich auf oftmals steuerlich vorteilhafte sale-and-leaseback - Transaktionen, bei denen ein Unternehmen Vermögenswerte an ein anderes Unternehmen verkauft oder verleast und anschließend über einen weiteren Leasingvertrag wieder zurückleast. Die wirtschaftliche Betrachtung führt in diesem Fall nicht zu einer Nutzungsüberlassung und damit ist die Voraussetzung des IAS 17.4 nicht erfüllt.[20]

Der derzeit gültige IAS 17 ist grundsätzlich bei allen Arten von Leasinggegenständen anwendbar, außer Spezialfällen, die im IAS 17.2 genannt sind und die in einem anderen Standard geregelt sind. Das sind Leasingvereinbarungen bezüglich der Entdeckung und Verarbeitung von Mineralien, Öl, Erdgas und ähnlichen nicht regenerativen Ressourcen, sowie Lizenzvereinbarungen über immaterielle Werte, wie z.B. Filme, Theaterstücke, Patente oder Urheberrechte.[21]

3.2 Klassifizierung von Leasingverhältnissen

Wurde ein Leasingverhältnis gemäß IAS 17 identifiziert, muss im nächsten Schritt eine Klassifizierung bzw. Einstufung der Leasingverhältnisse bezüglich der Zurechnung von Leasinggegenständen erfolgen. Die Klassifizierung von Leasingverhältnissen ist von zentraler Bedeutung, da sie die bilanzielle Behandlung der Leasingobjekte bestimmt. IAS 17 unterscheidet zwischen einem Finanzierungsleasing (finance lease) und einem Operatingleasing (operate lease), abhängig davon, wer das wirtschaftliche Eigentum an dem Leasingobjekt hält. Das rechtliche Eigentum am Leasingobjekt bleibt für die Klassifizierung ohne Bedeutung.[22] Laut IAS 17.7 ist dabei entscheidend, in welchem Umfang die mit dem Eigentum des Leasingobjektes verbundenen Risiken und Chancen (risk and rewards) beim Leasinggeber oder beim Leasingnehmer liegen. Als Risiken werden die Verlustmöglichkeiten betrachtet, die mit ungenutzten Kapazitäten, technischer Überholung oder Renditeabweichungen aufgrund geänderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen verbunden sind. Zu den Chancen gehören Gewinnaussichten durch Einsatz des Leasinggegenstandes im Geschäftsbetrieb während der wirtschaftlichen Nutzungsdauer, durch einen Wertzuwachs oder aus der Realisierung eines Restwertes.[23]

Überträgt ein Leasingverhältnis alle Risiken und Chancen, die mit dem Eigentum verbunden sind, im Wesentlichen auf den Leasingnehmer, handelt es sich um Finanzierungsleasing. Verbleiben alle Risiken und Chancen im Wesentlichen beim Leasingeber, wird das Verhältnis als Operatingleasing eingestuft.[24] Bei der Klassifizierung ist auf den wirtschaftlichen Gehalt und nicht auf die formale Gestaltung des Leasingverhältnisses zu achten.[25]

Gemäß IAS 17.13 ist die Leasingeinstufung zu Beginn des Leasingverhältnisses vorzunehmen. Als solcher gilt grundsätzlich der Zeitpunkt, zu dem der Leasingvertrag abgeschlossen wurde. Der Beginn der Laufzeit des Leasingverhältnisses ist dabei ohne Bedeutung. Werden die Bestimmungen des Leasingverhältnisses während seiner Laufzeit durch Leasinggeber und Leasingnehmer geändert, ohne dass ein neues Leasingverhältnis abgeschlossen wird, und führen diese Änderungen zu einer anderen Einstufung des Leasingverhältnisses als die, die zu seinem Beginn festgelegt wurde, wird die geänderte Vereinbarung als eine neue Vereinbarung über deren Laufzeit betrachtet. Dabei geben Änderungen von Schätzungen (z. B. der wirtschaftlichen Nutzungsdauer oder des Restwertes des Leasingobjektes) oder Veränderungen von Sachverhalten (z. B. Zahlungsverzug des Leasingnehmers) keinen Anlass für eine neue Einstufung.[26]

Da die Klassifizierung von Leasingverhältnissen sehr abstrakt erscheint und es im Einzelfall schwierig sein kann, sie in der Praxis anzuwenden, nennt der Gesetzgeber in IAS 17.10 und 17.11 Indikatoren und konkrete Beispielskriterien für Situationen, die einzeln oder in Kombination mit anderen auf ein Finanzierungleasing hindeuten:[27]

a) Eigentumsübergangstest

Am Ende der Vertragslaufzeit wird das rechtliche Eigentum am Leasingobjekt auf den Leasingnehmer übertragen.[28]

b) Kaufoptionstest

Der Leasingnehmer hat am Ende der Vertragslaufzeit eine Kaufoption auf den Vermögenswert zu einem Kaufpreis, der deutlich unter dem zum Optionsausübungszeitpunkt beizulegenden Zeitwert liegt.[29]

c) Laufzeittest

Die Vertragslaufzeit umfasst den überwiegenden Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Vermögenswerts.[30]

d) Barwerttest

Zu Beginn des Leasingverhältnisses entspricht der Barwert der Mindestleasingzahlungen im Wesentlichen mindestens dem beizulegenden Wert des Vermögenswertes.[31]

e) Spezialleasingtest

Aufgrund spezieller Beschaffenheit kann der geleaste Vermögenswert ohne wesentliche Veränderungen nur vom Leasingnehmer genutzt werden.[32]

f) Entschädigung des Leasinggebers bei Kündigung

Der Leasingnehmer übernimmt die Verluste des Leasinggebers bei vorzeitiger Kündigung des Leasingverhältnisses.[33]

g) Restwertschwankungen zulasten des Leasingnehmers

Der Leasingnehmer übernimmt die durch Wertschwankungen des beizulegenden Zeitwertes des Restwertes entstandenen Gewinne und Verluste.[34]

h) Günstige Verlängerungsoptionen für den Leasingnehmer

Der Leasingnehmer hat das Recht, das Leasingverhältnis für eine zweite Mietperiode zu einer Miete fortzuführen, die deutlich geringer als die marktübliche Miete ist.[35]

Eine besondere Stellung kommt der Klassifizierung des Immobilienleasings zu. Bei den bebauten Grundstücken müssen Grundstücks- sowie Gebäudekomponenten einzeln eingestuft werden. Dabei ist zu beachten, dass Grundstücke grundsätzlich eine unbegrenzte wirtschaftliche Nutzungsdauer haben, was bedeutet, dass der Leasinggeber unabhängig von der Laufzeit des Leasingvertrags über das komplette Nutzungspotenzial des Grundstücks und damit über die substanziellen Risiken und Chancen verfügt. Damit ist die Einstufung des Leasingverhältnisses als Finanzierungleasing unmöglich, es sei denn, der Übergang der Risiken und Chancen wird anderweitig sichergestellt, z. B. über eine unendliche Vertragslaufzeit oder Übertragung des rechtlichen Eigentums am Laufzeitende.[36]

Können Grundstücks- und Gebäudekomponenten nicht zuverlässig voneinander abgetrennt werden, wird das gesamte Leasingverhältnis als Finanzierungsleasing eingestuft, sofern nicht nachgewiesen ist, dass beide Komponenten dem Operatingleasing zuzurechnen sind.[37] Im Falle, wenn der Wert des Grundstücks im Vergleich mit dem Wert der Gebäudekomponenten unwesentlich ist, werden beide Komponenten bei der Einstufung als eine Einheit betrachtet und entweder als Finanzierungs- oder Operatingleasingverhältnis klassifiziert, wobei die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Gebäudes als Nutzungsdauer des gesamten Leasingverhältnisses anzusehen ist.[38] Eine gesonderte Bewertung ist auch bei als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien gemäß IAS 40 nicht erforderlich, falls das Model des beizulegenden Zeitwertes angewendet wird.[39]

3.3 Bilanzierung von Leasingverhältnissen

Aus der Klassifizierung der Leasingverhältnisse lassen sich die entsprechenden Bilanzierungsvorschriften ableiten. Es wird dabei zwischen dem Finanzierungs- und Operatingleasing unterschieden, sowie zwischen der Bilanzierung beim Leasingnehmer und Leasinggeber.

3.3.1 Bilanzierung von Finanzierungsleasingverhältnissen

3.3.1.1 Bilanzierung beim Leasingnehmer
3.3.1.1.1 Erstmaliger Ansatz beim Leasingnehmer

Beim Finanzierungsleasing ist der Leasingnehmer als wirtschaftlicher Eigentümer verpflichtet, den Leasinggegenstand zu Beginn der Laufzeit des Leasingverhältnisses unter den langfristigen Vermögenswerten auszuweisen, da dieser zu seinen wirtschaftlichen Ressourcen gehört. Gleichzeitig hat der Leasingnehmer eine langfristige Schuld bzw. Verbindlichkeit (liability) dem Leasinggeber gegenüber in gleicher Höhe zu passivieren.[40] Diese Verfahrensweise entspricht der Bilanzierung einer normalen kreditfinanzierten Anschaffung.[41]

Der anzusetzende Wert entspricht entweder dem beizulegenden Zeitwert (fair value) des Leasinggegenstandes zu Beginn der Laufzeit, korrigiert um die Zuschüsse und Steuergutschriften, die dem Leasinggeber zustehen, oder dem Barwert der Mindestleasingzahlungen, sofern dieser niedriger ist als der beizulegende Zeitwert.[42] Unter den Mindestzahlungen (minimum lease payments) sind dabei die sämtlichen vertraglich garantierten Zahlungen an den Leasinggeber zu verstehen. Dazu gehören die garantierten Beträge sowie die garantierten Restwerte. Nicht garantierte Restwerte oder bedingte Mietzahlungen, die nicht vertraglich fixiert sind, sondern an solche Faktoren wie Verkaufsquote oder Preisindizes gekoppelt sind, gehören nicht zu den Mindestzahlungen.[43]

Da es sich bei der Erstbewertung um zukünftige Zahlungen handelt, müssen die Mindestzahlungen abgezinst werden, um den Barwert zu erhalten. Zur Abzinsung der Leasingraten gemäß IAS 17.20 ist der Abzinsungsfaktor zu wählen, der dem Leasingverhältnis zugrunde liegt. Ist ein solcher für den Leasingnehmer nicht in praktikabler Weise ermittelbar, soll der Grenzfremdkapitalzinssatz des Leasingnehmers herangezogen werden. Der Grenzfremdkapitalzinssatz stellt eine Art Opportunitätskostensatz des Leasingnehmers da und wird als derjenige Zinssatz, den der Leasingnehmer bei einem Dritten für ein vergleichbares Leasingverhältnis zahlen müsste, definiert.[44]

Der dem Leasingverhältnis zugrunde liegende Abzinsungsfaktor ist der interne Zinsfuß des Leasingverhältnisses, bei dem zu Beginn des Leasingverhältnisses die Summe der Barwerte der Mindestzahlungen und des nicht garantierten Restwertes der Summe des beizulegenden Zeitwerts des Leasinggegenstands und der anfänglichen direkten Kosten (initial direct costs) des Leasinggebers entspricht.[45] Anfängliche direkte Kosten sind die Kosten, die in Verbindung mit spezifischen Leasingaktivitäten, wie z. B. Verhandlungen, Rechtsberatungen oder Verträge, verursacht werden und dem Leasingverhältnis direkt zurechenbar sind.[46]

3.3.1.1.2 Folgebewertung beim Leasingnehmer

Im Rahmen der Folgebewertung sind der aktivierte Gegenstand und die korrespondierende passivierte Verbindlichkeit einzeln zu betrachten. Der Vermögenswert wird den allgemeinen Regelungen entsprechend abgeschrieben, wobei die Abschreibungen gemäß IAS 16 für Sachanlagen und IAS 38 für immaterielle Vermögenswerte zu berechnen sind.[47] Der Abschreibungszeitraum ergibt sich in Abhängigkeit davon, ob der Eigentumsübergang auf den Leasingnehmer am Ende der Laufzeit wahrscheinlich ist. Ist ein solcher Übergang hinreichend sicher, wird der Vermögenswert über seine verbleibende wirtschaftliche Nutzungsdauer abgeschrieben. Andernfalls erfolgt die Abschreibung über den kürzeren der Zeiträume, Leasingvertragslaufzeit oder Nutzungsdauer.[48]

Bei der Folgebewertung der Schuld ist die Leasingverbindlichkeit in Finanzierungskosten und den Tilgungsanteil aufzuspalten. Die Finanzierungskosten müssen über die Laufzeit so verteilt werden, dass über die Perioden ein konstanter Zinssatz auf die Restschuld entsteht.[49]

3.3.1.2 Bilanzierung beim Leasinggeber
3.3.1.2.1 Erstmaliger Ansatz beim Leasinggeber

Beim Finanzierungsleasing weist der Leasinggeber in seiner Bilanz eine Forderung dem Leasingnehmer gegenüber aus. Die Höhe dieser Forderung muss gemäß IAS 17.36 dem Nettoinvestitionswert entsprechen, der sich aus der mit dem Zinsfuß des Leasinggebers abgezinsten Summe der Barwerte der Mindestzahlungen und dem vom Leasingnehmer nicht garantierten Restwert berechnen lässt.[50] Anfängliche Kosten werden dem als Vermögenswert anzusetzenden Betrag hinzugerechnet.[51]

3.3.1.2.2 Folgebewertung beim Leasinggeber

Die Finanzerträge müssen gemäß IAS 17.39 so verteilt werden, dass sich über die Laufzeit des Leasingverhältnisses eine konstante periodische Verzinsung der Nettoinvestition des Leasinggebers ergibt. Analog zur Bilanzierung beim Leasingnehmer muss auch der Leasinggeber die während der Leasinglaufzeit erhaltenen Zahlungen in einen Zins- und einen Forderungsrückführungsanteil aufteilen. Dabei muss als Zinssatz der interne Zinssatz des Leasingverhältnisses herangezogen werden.[52]

3.3.2 Bilanzierung von Operatingleasingverhältnissen

3.3.2.1 Bilanzierung beim Leasingnehmer
3.3.2.1.1 Erstmaliger Ansatz beim Leasingnehmer

Beim Operatingleasing bleibt das rechtliche sowie wirtschaftliche Eigentum am Leasingobjekt aufgrund der Vertragsgestaltung beim Leasinggeber. Das Leasinggeschäft wird bilanziell als ein normales Mietverhältnis behandelt. Der Leasingnehmer weist keinen Vermögensgegenstand (asset) in seiner Bilanz aus, sondern verbucht die zu zahlenden Leasingraten periodengerecht als Aufwand.[53]

3.3.2.1.2 Folgebewertung beim Leasingnehmer

Während der Laufzeit eines Operatingleasingverhältnisses erfasst der Leasingnehmer die Leasingzahlungen GuV-wirksam als Aufwand. Unabhängig vom Zahlungsabfluss ist der Leasingaufwand grundsätzlich linear über die Vertragslaufzeit zu erfassen. Entspricht eine andere systematische Grundlage dem zeitlichen Verlauf der wirtschaftlichen Nutzung, ist diese ausnahmsweise anzuwenden.[54] Diesem Prinzip liegt das in IAS 1.27 und 1.28 festgelegte Konzept der Periodenabgrenzung zugrunde, wonach die Leasingaufwendungen mit den anfallenden Erträgen korrespondieren sollen. Stimmen die Zahlungen mit den jährlichen Aufwendungen nicht überein, sind sie eventuell aktivisch bzw. passivisch abzugrenzen.[55]

3.3.2.2 Bilanzierung beim Leasinggeber
3.3.2.2.1 Erstmaliger Ansatz beim Leasinggeber

Als rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstandes hat der Leasinggeber beim Operatingleasing das Objekt in seiner Bilanz darzustellen.[56] Der Leasinggegenstand wird seiner Eigenart entsprechend entweder unter Umlaufvermögen (current asset) oder Anlagevermögen (non-current asset) ausgewiesen.[57] Als materieller bzw. immaterieller Wert wird der Leasinggegenstand wie jeder anderer Vermögenswert nach den jeweiligen Standards bewertet.[58] Die Erstbewertung erfolgt regelmäßig zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten vermindert um erhaltene Zuschüsse und zuzüglich der indirekten Vertragsabschlusskosten.[59] Hersteller oder Händler als Leasinggeber können in diesem Fall keinen sofortigen Verkaufsgewinn ansetzen, weil der Abschluss eines Operatingleasingverhältnisses keinem Verkauf entspricht.[60]

3.3.2.2.2 Folgebewertung beim Leasinggeber

Handelt es sich beim Leasinggegenstand um einen abnutzbaren Vermögenswert, muss er in den Folgeperioden beim Operatingleasing wie andere vergleichbare Vermögenswerte vom Leasinggeber abgeschrieben werden. Die Abschreibungen sind nach den üblichen Vorschriften, die sich aus IAS 16, IAS 36 und IAS 38 ergeben, vorzunehmen.[61] Wie beim Leasingnehmer sollen die Erträge aus den Leasingraten korrespondierend zu der wirtschaftlichen Abnutzung des Leasinggegenstands anfallen. Deswegen werden die Leasingerträge grundsätzlich linear über die Laufzeit des Leasingverhältnisses erfasst, es sei denn, eine andere Systematik entspricht dem zeitlichen Verlauf, in dem sich der aus dem Leasinggegenstand erzielte Nutzenvorteil verringert.[62] Aktivische bzw. passivische Abgrenzung ist eventuell spiegelbildlich zur Behandlung beim Leasingnehmer vorzunehmen.[63]

Da die anfänglichen direkten Kosten, z. B. für Kommission, Vertragsabschluss oder Rechtsberatung den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Leasinggegenstands zugerechnet werden, verteilen sie sich durch die Abschreibungen über die Laufzeit des Leasingverhältnisses.[64] Kosten, die beim Leasinggeber während der Vertragslaufzeit im Zusammenhang mit dem Leasingverhältnis anfallen, sind als Aufwand zu verrechnen.[65]

Oft entstehen dem Leasinggeber zusätzliche Kosten durch Anreize für Vereinbarungen über ein neues oder ein erneuertes Operatingleasingverhältnis. Sie sind unabhängig von der Ausgestaltung und der Form sowie der Zeitpunkte der Zahlungen als Bestandteil der Gegenleistung zu erfassen und werden beim Leasinggeber linear über die Laufzeit des Leasingverhältnisses verteilt, es sei denn, eine andere systematische Verteilungsmethode liegt dem zeitlichen Verlauf der Abnutzung zugrunde. Der Leasingnehmer hat in diesem Fall spiegelbildlich seine Mietaufwendungen um die Summe des Nutzens aus erhaltenen Anreizen zu reduzieren.[66]

[...]


[1] Vgl. Aschfalk-Evertz (2011): S. 1 ff.

[2] Vgl. IFRS Foundation, IFRS Application Around the World (2015).

[3] Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates (2002).

[4] Vgl. FASB und IASB, Memorandum of Understanding (2002).

[5] Vgl. IASB, ED/2013/6 (2013).

[6] Vgl. IASB, DP/2009/1 (2009).

[7] Vgl. IASB, ED/2010/9 (2010).

[8] Vgl. KPMG, Accounting Insights (2013).

[9] Vgl. BDL, 50 Jahre Leasing in Deutschland (2012).

[10] Vgl. BDL, Leasing-Quoten (2014).

[11] Vgl. Büschgen (1998): S. 2.

[12] Vgl. Martinek/Stoffels/Wimmert-Leonhardt (2008): S. 2; vgl. Adolph (2013): S. 13 ff.

[13] Vgl. Adolph (2013): S. 13.

[14] Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2012): S. 667.

[15] Vgl. ED/2013/6.6 f.

[16] IAS 17.4.

[17] Vgl. Fehr (2013): S. 7; vgl. Stockinger (2015): S. 7.

[18] Vgl. Kümpel/Becker (2006): S. 4 ff.; vgl. Pellens et al. (2014): S. 662.

[19] Vgl. SIC-27.1.

[20] Vgl. Fehr (2013): S. 9; vgl. Kümpel/Becker (2006): S. 4 ff.

[21] Vgl. IAS 17.2.

[22] Vgl. Pellens et al. (2014): S. 663.

[23] Vgl. Pellens et al. (2014): S. 663.

[24] Vgl. IAS 17.8.

[25] Vgl. IAS 17.10.

[26] Vgl. IAS 17.13.

[27] Vgl. Coenenberg et al.(2012): S. 197 ff.; vgl. Pellens et al. (2014): S. 664 f.

[28] Vgl. IAS 17.10 (a).

[29] Vgl. IAS 17.10 (b).

[30] Vgl. IAS 17.10 (c).

[31] Vgl. IAS 17.10 (d).

[32] Vgl. IAS 17.10 (e).

[33] Vgl. IAS 17.11 (a).

[34] Vgl. IAS 17.11 (b).

[35] Vgl. IAS 17.11 (c).

[36] Vgl. IAS 17.15A; vgl. Pellens et al. (2014): S. 664.

[37] Vgl. IAS 17.16.

[38] Vgl. IAS 17.17.

[39] Vgl. IAS 17.18.

[40] Vgl. IAS 17.20.

[41] Vgl. Pellens et al. (2014): S. 666.

[42] Vgl. IAS 17.20; vgl. Baetge (2012): S.199.

[43] Vgl. IAS 17.4.

[44] Vgl. IAS 17.4.

[45] Vgl. IAS 17.4.

[46] Vgl. IAS 17.24.

[47] Vgl. IAS 17.27.

[48] Vgl. IAS 17.28.

[49] Vgl. IAS 17.25.

[50] Vgl. IAS 17.4.

[51] Vgl. IAS 17.38.

[52] Vgl. Freidank/Velte (2012): S. 79 ff.

[53] Vgl. IAS 17.33 f.

[54] Vgl. IAS 17.33.

[55] Vgl. Pellens et al. (2014): S. 680.

[56] Vgl. IAS 17.49.

[57] Vgl. Coenenberg et al.(2014): S. 200.

[58] Vgl. Pellens et al. (2014): S. 672.

[59] Vgl. IAS 17.52.

[60] Vgl. IAS 17.55.

[61] Vgl. IAS 17.53 f.

[62] Vgl. IAS 17.50.

[63] Vgl. Pellens et al. (2014): S. 681.

[64] Vgl. IAS 17.52.

[65] Vgl. IAS 17.51.

[66] Vgl. SIC 15.3-4.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Der neue Leasingstandard. Die Bilanzierung von Leasingverhältnissen nach International Financial Reporting Standards (IFRS)
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
43
Katalognummer
V306505
ISBN (eBook)
9783668054523
ISBN (Buch)
9783668054530
Dateigröße
853 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leasing, Leasingreform, ED/2013/6, Leasingbilanzierung, IFRA, International Financial Reporting Standards, US-GAAP, internationale Rechnungslegungssysteme, Rechnungswesen, Accounting
Arbeit zitieren
Svetlana Charlotte Schneider (Autor:in), 2015, Der neue Leasingstandard. Die Bilanzierung von Leasingverhältnissen nach International Financial Reporting Standards (IFRS), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/306505

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