Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Niederdeutsch in den Grundschulen Schleswig-Holsteins und Hamburgs
2. Analyse bereits existierender Grundschulwörterbücher
2.1. für Hochdeutsch
2.2. für ersten Fremdsprachenunterricht (Englisch)
3. Analyse eines niederdeutschen Wörterbuchs für den Alltagsgebrauch
4. Überlegungen zur Erstellung eines niederdeutschen Grundschulwörterbuchs
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang: Wortarten in den einzelnen Wörterbuchteilen
1. Niederdeutsch in den Grundschulen Schleswig-Holsteins und Hamburgs
Noch vor dreißig Jahren hörte man in norddeutschen Schulbussen Kinder und Jugendliche Niederdeutsch sprechen. Auch in den Klassenzimmern gehörte das Plattdeutsche, gerade in ländlichen Gebieten, zum Alltag. Doch heutzutage ist es stiller um die ehemalige Hansesprache geworden. Seit einigen Jahren wird nun versucht, der fast toten Sprache in den Schulen Norddeutschlands wieder Leben einzuhauchen.
Rechtliche Grundlage dieser Bemühungen ist die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“, die am 1. Januar 1999 für Deutschland in Kraft gesetzt wurde (vgl. Internetquelle 1). Laut dem „Report of the Committee of Experts on the application of the Charter“ ist das Niederdeutsche die einzige Gruppe deutscher Mundarten, die als Regionalsprache zu bezeichnen ist (vgl. Internetquelle 2, S. 7). Mit der Unterzeichnung der Sprachen-Charta verpflichtete sich Deutschland, das Niederdeutsche in den Bundesländern Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu schützen und zu bewahren. Hierbei nimmt der Schulunterricht in der Regionalsprache einen Teil der Vereinbarung ein. Der Artikel 8b der Sprachen-Charta bezieht sich auf regionalsprachlichen Grundschulunterricht, der Artikel 8c auf diesen im Sekundarbereich (vgl. Internetquelle 3). Niederdeutsch in den Schulen Norddeutschlands erhält somit durch die Europäische Union wieder Aufwind. In dieser Arbeit sollen vor allem die Grundschulen der Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein betrachtet werden.
Konkret äußern sich die Bemühungen der beiden nördlichsten Bundesländer in den Lehr- und Bildungsplänen. In Schleswig-Holstein ist „die Beschäftigung mit dem Niederdeutschen“ (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein (Hrsg.)[1] 1997a, S. 8) in das Konzept der Grundbildung integriert. Niederdeutsch gehört laut dem Lehrplan für die Grundschule zu einem Thema, für das sich Schulen öffnen sollten (a.a.O., S. 7f) und außerdem zu einem Aufgabenfeld von pädagogischer Bedeutung (a.a.O., S. 15). Die konkrete Thematisierung des Niederdeutschen im Unterricht wird jedoch erst im Lehrplan Sekundarstufe I für die siebte oder achte Klasse festgeschrieben (vgl. Ministerium S-H 1997b, S. 43). Es gibt allerdings eine Mappe mit Anregungen für Unterricht mit niederdeutschen Schwerpunkten, in der sich auch Beispiele (vgl. Ministerium S-H 2003, S. 15ff) und Materialien (a.a.O., S. 52ff) für die Grundschule finden. In den Anregungen wird des Weiteren ausführlich auf den Sinn und Zweck der niederdeutschen Sprache im Unterricht eingegangen, ebenso auf die dadurch zu erwerbenden Kompetenzen und mögliche inhaltliche Schwerpunkte. Eine verbindliche Verpflichtung für Unterricht auf oder über Niederdeutsch gibt es jedoch im Land zwischen den Meeren nicht.
Im Stadtstaat Hamburg ist die Situation des Niederdeutschen in Grundschulen seit 2011 zum Teil besser als in Schleswig-Holstein. Die Hansestadt rühmt sich damit, als erstes Bundesland Niederdeutsch als allein stehendes Unterrichtsfach, in dem die Sprache aktiv erlernt wird, realisiert zu haben (vgl. Krischke 2012). Zehn Pilotschulen bieten Niederdeutsch als einen Wahlpflichtkurs für die gesamte Grundschulzeit an. An den acht Schulen, an denen das Angebot aktiv genutzt wird, arbeiten nun über 200 Schülerinnen und Schüler[2] die ersten zwei Jahre am Sprechen und Hörverstehen, bevor es auch um Lesen und Schreiben des Niederdeutschen gehe (ebd.). Die theoretischen Überlegungen hinsichtlich des niederdeutschen Schulunterrichts gehen sogar so weit, dass Niederdeutsch in Zukunft als Abiturfach nicht ausgeschlossen wird (ebd.). Zur Zeit jedoch fehlen für den meist spielerischen Grundschulunterricht sowohl ausreichend geeignete Lehrmaterialien als auch Personen, die als Lehrkräfte fungieren könnten (vgl. Frank 2012). Denn obwohl die Regionalsprache ein hohes Prestige unter den Hanseaten besitzt, sprechen nur zehn Prozent der Hamburger nach eigenen Angaben gut Plattdeutsch (ebd.). So müssen viele der späteren Plattdeutschlehrer als Studenten an der Universität zunächst selbst die Sprache erlernen. Niederdeutsche Grundschullehrer in Hamburg können sich am Bildungsplan Niederdeutsch (Freie und Hansestadt Hamburg. Behörde für Schule und Berufsbildung (Hrsg.)[3] 2011a) hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung orientieren. Neben den allgemeinen Hinweisen zur „Bildung und Erziehung in der Grundschule“ (a.a.O., S. 4-9), die sich in allen Bildungsplänen für die hamburger Grundschulen finden, werden auch konkrete Vorgaben und Vorschläge für den Niederdeutschunterricht gemacht. Die Kompetenzen, die durch den Unterricht erworben werden sollen, finden ebenso Beachtung wie die zu unterrichtenden Inhalte des Faches. Niederdeutsch als Schulfach ist also zumindest in Hamburg auf einem guten Weg, auch wenn es noch an Lehrern und einer ausreichenden Anzahl an Lehrmaterialien mangelt. Weitere Arbeitsblätter, Schulbücher und andere Medienbeiträge zum Fach Niederdeutsch zu entwickeln, wird nun Aufgabe der Schulbuchverlage oder einzelner Personen sein. Auch gibt es noch kein für Grundschüler geeignetes Lexikon in niederdeutscher Sprache, wie es zum Beispiel welche für den primären Englischunterricht gibt.
Es stellt sich somit die Frage, ob neben anderen Lehrmaterialien ein niederdeutsches Wörterbuch für die Grundschule notwendig ist. Diese Arbeit wird sich zunächst mit der Analyse vorhandener Wörterbücher für die Grundschule beschäftigen. Hierbei werden zunächst muttersprachliche und dann fremdsprachliche Wörterbücher unter den Aspekten Gestaltung und Inhalt untersucht. Schließlich liegt das Niederdeutsche irgendwo zwischen einer Fremd- und einer Muttersprache für die meisten Kinder. Diesen pädagogisch-didaktischen Betrachtungen wird sich ein Vergleich mit dem populärsten niederdeutschen Alltags-Wörterbuch, dem Sass, anschließen. Welche Elemente könnten für ein niederdeutsches Kinderwörterbuch übernommen, was müsste verändert werden? Zum Abschluss sollen die Analyseergebnisse aus 2. und 3. in theoretischen Überlegungen zur Erstellung eines niederdeutschen Grundschulwörterbuchs münden, bevor ein Fazit gezogen werden kann.
2. Analyse bereits existierender Grundschulwörterbücher
Bevor Grundschulwörterbücher in dieser Arbeit analysiert werden sollen, muss zunächst die Frage beantwortet werden, welchen Sinn die Wörterbucharbeit im Unterricht der Grundschule hat und wo sie genau in den Lehr- und Bildungsplänen zu finden ist.
Die Arbeit mit einem Wörterbuch kann für die SuS sehr ermüdend sein. Trotzdem wird die Einführung in die Nutzung dieses Werkzeugs in der Grundschule verortet. Die Gründe hierfür sind, dass die SuS den so genannten Grundwortschatz und dessen Rechtschreibung sowie die Reihenfolge des Alphabets erlernen sollen. In Grundschulwörterbüchern findet sich, wie später noch erläutert wird, ein reduzierter Wortschatz, der häufig als Grundwortschatz bezeichnet wird. Was genau unter diesem Begriff zu verstehen ist, wird ebenfalls im Weiteren erwähnt. Nachdem die SuS in der ersten Klasse alle Buchstaben, meist mithilfe einer Fibel, kennen gelernt haben, üben sie nun Wörter richtig zu schreiben. Durch die Reduktion der Begriffe im Wörterbuch sollen die SuS an die Reihenfolge des Alphabets herangeführt werden ohne direkt mit der Masse an Wörtern überfordert zu sein. Die oft spielerischen Übungen zur Wörterbucharbeit trainieren ein schnelles und sicheres Finden der gesuchten Wörter. Mit dieser Fähigkeit ist es den SuS später möglich auch in einem Wörterbuch mit normalem Umfang ein Wort nachzuschlagen.
In Schleswig-Holstein wird die korrekte Arbeit mit dem Wörterbuch als eine der Schlüsselqualifikationen angesehen, die das Fach Deutsch in der Grundschule vermittelt (vgl. Ministerium S-H 1997a, S. 51, 57). Die Arbeit mit diesem Werkzeug kann schon in der 1. oder 2. Klasse begonnen werden (a.a.O., S. 64), ist aber auf jeden Fall verpflichtend für die 3. Klasse vorgesehen (a.a.O., S. 66). Am Ende der Grundschulzeit sollten die SuS in der Lage sein, selbstständig ihre Rechtschreibfehler in Diktaten oder eigenen Textproduktionen mithilfe eines Wörterbuchs zu korrigieren.
Auch im Bildungsplan der Hansestadt ist die richtige Nutzung eines Wörterbuchs eine Kompetenz, die bis zum Ende der Grundschulzeit erlernt werden soll (vgl. Behörde HH 2011b S. 13, 23). Die Arbeit mit dem Wörterbuch wird empfohlen, um die Rechtschreibleistung der SuS zu fördern (a.a.O., S. 32). Jedoch wird sie nicht konkret für eine Klassenstufe vorgegeben.
Selbstverständlich können hier nicht alle auf dem Markt existierenden Wörterbücher für die Grundschule besprochen werden. Eine Auswahl musste deshalb im Vorfeld dieser Arbeit getroffen werden, die aus den Beständen der Universitätsbibliothek und Privatbesitz besteht. Es wurde sich um eine Vielfalt an Verlagen und um Aktualität[4] bemüht. Zunächst werden nun die allgemeinen Merkmale von Grundschulwörterbüchern untersucht, bevor eine genaue Analyse erfolgen kann.
Diktionäre für die Grundschule sind in ihrem Umfang reduziert. Der aktuelle Rechtschreibduden enthält auf seinen über 1.000 Seiten nach eigenen Angaben rund 135.000 Stichwörter (vgl. Dudenredaktion (Hrsg.) 2009), wohingegen „Das Grundschulwörterbuch“ desselben Verlages (vgl. Holzwarth-Raether et al. 2002) nur rund 11.500 Begriffe auf circa 200 Seiten enthält. Andere Lexika für die Primarstufe enthalten sogar noch weniger Worteinträge (vgl. Wetter 1998). Die Reduktion der Lemmata ist wichtig, da das Ziel eines Grundschulwörterbuchs nicht die vollständige Abbildung des deutschen Wortschatzes ist, sondern das Nachschlagen in einem Lexikon trainiert werden soll.
Da in verschiedenen Wörterbüchern auch jeweils unterschiedlich viele Stichworte verzeichnet sind, sich aber fast alle Wörterbücher darauf berufen, den Grundwortschatz abzubilden, stellt sich die Frage, was genau der Grundwortschatz des Deutschen ist. Im „Metzler Lexikon Sprache“ wird der Grundwortschatz als circa 2000 Wörter und Wendungen umfassender Wortschatz beschrieben, mit dem sich circa 85% der allgemein sprachlichen Texte verstehen lassen (vgl. Schmöe 2010, S. 255). Außerdem soll mithilfe des Grundwortschatzes ein normales Alltagsgespräch geführt werden können (vgl. ebd.). Dieser Wortschatz ist gerade beim Erlernen einer Fremdsprache von großer Bedeutung. Auch in den Lehr- und Bildungsplänen spiegelt sich wider, dass das Erlernen des Grundwortschatzes eine wichtige Aufgabe der Grundschulausbildung ist. Für den schleswig-holsteinischen Deutschunterricht bedeutet dies, dass ein Grundwortschatz in der deutschen Sprache sowohl im Sprechen, wie Lesen und (Recht-)Schreiben erlernt und erweitert werden soll (vgl. Ministerium S-H 1997a, S. 62). In Hamburg wird der Begriff Grundwortschatz auf einen Rechtschreib-Grundwortschatz reduziert (vgl. Behörde HH 2011b, S. 23). Dennoch findet sich in den Vorgaben beider Bundesländer der Begriff, ohne dass dieser näher erläutert wird. Peter Kühn erklärte schon 1987, dass ein einheitlicher Grundwortschatz in Grundschulwörterbüchern zumindest schwierig sei (vgl. S. 18ff). Diese Aussage ist auch heute noch aktuell, denn die für diese Arbeit genutzten Wörterbücher enthalten keinesfalls alle denselben Wortschatz. Besonders interessant ist diese Erkenntnis, wenn man bedenkt, dass im Bildungsplan Niederdeutsch „die sichere Beherrschung eines Grundwortschatzes“ (Behörde HH 2011a, S. 10) als eine im Fach Niederdeutsch zu erwerbende Kompetenz genannt wird.
Ein weiteres Merkmal der Wörterbücher für die Primarstufe ist ihre besonders kindgerechte und ansprechende Gestaltung. Bunte Farbe unterscheiden meist verschiedene Kapitel und Sinnabschnitte oder dienen als Hinweis. Viele Wörter werden auch im alphabetischen Verzeichnis zur Unterstützung mit Bildern versehen.
Die Schrift in den Grundschulwörterbüchern ist meist besonders groß und serifenfrei, damit ist sie leicht für ungeübte Leser und vor allem auch für Kinder mit Legasthenie zu entziffern. Viele Wörterbücher enthalten neben der Druckschrift auch einige Begriffe in Schreibschrift oder lateinischer Ausgangsschrift. Durch die Gegenüberstellung lernen die SuS, die Unterschiede der Schriften zu erkennen.
Diesen allgemeinen Betrachtungen über Grundschulwörterbücher schließen sich nun zwei Unterkapitel über Wörterbücher auf Hochdeutsch und auf Englisch an. Hierbei werden zunächst die Wörterbücher in der Muttersprache der meisten SuS betrachtet, bevor es um Englisch als meistunterrichtete erste Fremdsprache gehen soll.
2.1. für Hochdeutsch
Dem alphabetischen Stichwortverzeichnis ist in fast allen Wörterbüchern eine Erklärung zur Benutzung vorangestellt. Diese Bedienungsanleitung ist in Grundschulwörterbüchern auf ihre Benutzer abgestimmt. Mit vielen Bildern und wenig Text wird den SuS vermittelt, wie ein Wörterbuch aufgebaut ist und wie sie erfolgreich darin nachschlagen können.
Die Reihenfolge des Alphabets wird oft mithilfe von bebilderten Buchstaben eingeübt (vgl. Sennlaub 2007, S. 6f). Der Anfangsbuchstabe des Wortes auf dem Bild entspricht dann jeweils dem Buchstaben, der damit erklärt werden soll. In einigen Wörterbüchern finden sich diese bebilderten Buchstaben sogar für Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch, sondern zum Beispiel Türkisch oder Russisch ist (vgl. a.a.O., S. 268f). Da jedoch die Schreibweise dieser beiden Sprachen von der deutschen abweicht, handelt es sich hier nur um Lauttabellen und nicht um den konkreten Anfangsbuchstaben der Wortbilder. Im „Schlag auf, schau nach!“ und im „Findefix“ wird dieses System des ersten Buchstaben eines Bildwortes sogar im Stichwortverzeichnis genutzt. Jeder neue Buchstabe des Alphabets erhält hier ein Bild um sich den Laut desselben besser merken zu können. So hüpft auf dem Buchstaben K beispielsweise ein Känguru (vgl. Wetter 1998, S. 115) oder dort sitzt ein Krokodil (vgl. Fackelmann et al. 1996, S. 93ff).
In einigen Wörterbüchern finden sich zunächst Übungen zur Reihenfolge des Alphabets. Vor allem ältere Wörterbücher arbeiten hier mit Gedichten, die zum Erlernen der Reihenfolge des Alphabets auswendig gelernt werden sollen: „A B C D E F G Puderzucker ist kein Schnee. H I J K L M N O P Badewasser ist kein See. ...“
[...]
[1] Im Weiteren abgekürzt als Ministerium S-H.
[2] Im Weiteren abgekürzt als „SuS“.
[3] Im Weiteren abgekürzt als Behörde HH.
[4] Leider aktualisiert die Kieler Universitätsbibliothek ihre Bestände bezüglich der Literatur für und über die Grundschule nicht mehr, seitdem der Studiengang „Lehramt Grundschule“ in Schleswig-Holstein nur noch an der Universität Flensburg zu studieren ist.