Transmediales Worldbuilding im Star Wars-Franchise


Seminararbeit, 2013

37 Seiten, Note: 5 (schweizer Note)


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG

2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 TRANSMEDIALITÄT
2.2 TRANSMEDIALE WELT, MYTHOS, TOPOS UND ETHOS
2.3 FIKTIONALE UND NARRATIVE WELTEN
2.4 KLEINE WELTEN & WELTSTRUKTUREN

3 DAS WORLD BULDING IN DEN STAR WARS FILMEN
3.1 EPISODE IV - A NEW HOPE
3.2 EPISODE V - THE EMPIRE STRIKES BACK
3.3 EPISODE VI - RETURN OF THE JEDI
3.4 EPISODE I - THE PHANTOM MENACE
3.5 EPISODE II - ATTACK OF THE CLONES
3.6 EPISODE III - REVENGE OF THE SITH

4 DAS WORLD BUILDING IN DEN TRANSMEDIALEN PRE- UND SEQUELS VON STAR WARS
4.1 THE CLONE WARS
4.2 VIDEOSPIELE
4.3 COMIC: THE GOLDEN AGE OF THE SITH
4.4 ROMAN: BETRAYAL

5 DAS WORLD BUILDING IN DEN TRANSMEDIALEN SPIN-OFFS VON STAR WARS
5.1 EWOK ADVENTURES: CARAVAN OF COURAGE & THE BATTLE FOR ENDOR
5.2 EWOKS: CARTOON UND COMIC

6 VERGLEICHENDE ANALYSE

7 SCHLUSSWORT

BIBLIOGRAPHIE

LITERATUR

NICHT-AUDIOVISUELLE QUELLEN, COMICS UND ROMANE

INTERNETQUELLEN

FILMOGRAPHIE

1 Einleitung

Diese Forschungsarbeit entsteht im Rahmen des Seminars „Transmedia und Film“. Ziel der Arbeit ist die Untersuchung des World Building in der STAR WARS-Franchise und deren transmedialen Ablegern. STAR WARS eignet sich für so eine Untersuchung besonders gut, da es transmedial sehr stark vertreten ist. Neben den Filmen gibt es noch eine sehr grosse Anzahl an Serien, Büchern, Comics, Videospielen und Fan Fiction, so dass das Quellen- und Untersuchungsmaterial beinahe unerschöpflich scheint.

Bei der Arbeit wird so vorgegangen, dass im ersten Teil die wissenschaftlichen Grundlagen dargestellt und kritisch bewertet werden, während im zweiten Teil die STAR WARS-Franchise anhand des theoretischen Fundaments analysiert wird. Am Anfang steht eine theoretische Abhandlung zur Transmedialität. Dabei wird der Begriff erklärt und definiert sowie die unterschiedlichen Varianten, in denen Transmedia vorkommt, präsentiert. Danach werden einander unterschiedliche Theorien gegenübergestellt, die sich mit dem Thema World Building - den Konstruktionen fiktiver Welten - auseinandergesetzt haben. Diese Abschnitte stellen das theoretische Grundgerüst, anhand dessen in den Folgekapiteln zunächst die STAR WARS-Franchise (also die sechs Filme), transmediale Pre- und Sequels und zuletzt transmediale Spin-offs analysiert werden. Diese Forschung soll zeigen, wie die Welt von STAR WARS transmedial verbunden ist und ob sie durch die zahlreichen Storylines, welche durch die Transmedialität entstehen, ihre Konsistenz bewahrt. Als Quellenmaterial dienen zunächst einmal die ursprünglichen sechs STAR WARS-Filme, transmediale Pre- und Sequels, welche zeitlich möglicht lange vor oder nach den ursprünglichen Filmen spielen, sowie transmediale Spin-offs wie die EWOKS-Reihe. Die Leitfrage, welche durch die Arbeit führen lautet: Wie wird die konstruierte Welt in der STAR WARS-Franchise durch die Transmedialität erweitert und gehen diese Ergänzungen unter Umständen so weit, dass ganz neue Welten entstehen? Wird durch die Transmedialität die Welt von STAR WARS vervollständigt, oder entstehen unter Umständen zusätzliche Lücken im Gebilde?

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Transmedialität

Zunächst ist es wichtig zu verstehen, was sich hinter dem Begriff Transmedialität1 verbirgt. Im Lexikon der Filmbegriffe steht dazu folgendes:

Als Intermedialität bezeichnet man die Gesamtheit aller die Grenzen einzelner Medien überschreitenden Phänomene sowie deren Kombination (z.B. Medienwechsel, Medienkombination und intermediale Bezüge unterschiedlichster Art). Transmedialität dagegen beschreibt medienunspezifische „Wanderphänomene“, also in der Literaturwissenschaft z.B. das Auftreten des gleichen Stoffs in unterschiedlichen Medien, die zeitgleiche Transformation von Tanz in Musik und Musik in Tanz oder aber die Umsetzung einer bestimmten Ästhetik oder eines bestimmten Diskurstyps in unterschiedlichen Medien.

(http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=5550 [Stand: 28.08.2013])

Nach dieser Definition ist Transmedialität also nichts Anderes als ein Stoff, welcher in mehreren Medien auftaucht. So würden alle Arten von Adaptionen, wie beispielsweise Buchverfilmungen, dieses Kriterium erfüllen. Transmedia und transmediales Erzählen sind aber viel mehr als blosse Adaptionen einer Erzählung.

Transmedia Storytelling: Storied that unfold across multiple media platforms, with each medium making distinctive contributions to our understanding of the world, a more integrated approach to franchise development than models based on urtexts and ancillary products.

(Jenkins 2006: 293)

Ein gutes Beispiel für Transmedia ist die MATRIX-Reihe der Wachowski-Brüder. Die Reihe besteht zunächst einmal aus drei Filmen. Zu diesen wurde auch ein Videospiel entworfen, welches Teil des Merchandising ist. Interessant wird das Ganze aus der transmedialen Perspektive dadurch, dass im Videospiel zusätzliche Hinweise und Informationen enthalten sind, die für das Verständnis der Filme elementar sind. Die transmediale Erzählung ist im Fall von MATRIX also nicht eine Story, die in einem Medium erzählt wird und danach in einem anderen erneut sondern eine Narration, welche sich über mehrere Medien streckt (vgl. Jenkins 2006: 94-95). Im Jahr 2003 erschienen die beiden MATRIX-Sequels MATRIX RELOADED (Andy Wachowski; Larry Wachowski, US 2003) und MATRIX REVOLUTIONS (Andy Wachowski; Larry Wachowski, US 2003), das Videospiel ENTER THE MATRIX, sowie ANIMATRIX, eine DVD mit neun animierten Filmen, die im Kontext zu den MATRIX-Filmen stehen. Sieht es auf den ersten Blick noch so aus, als wären die animierten Filme lediglich im MATRIX-Universum platziert, hätten aber keinen direkten Zusammenhang zu den ursprünglichen drei Spielfilmen, entdeckt man beim genaueren Hinsehen, dass einige der Animationen genauso wie das Videospiel Zusammenhänge und zusätzliche Informationen zu den Spielfilmen enthalten. Um das genauer zu verstehen hilft ein Beispiel. FINAL FLIGHT OF THE OSIRIS (Andrew R. Jones, US 2003) ist einer der animierten Kurzfilme von der ANIMATRIX-DVD. Eine der Hauptfiguren sendet am Ende des Kurzfilms einen Brief an die Hauptfiguren der Spielfilmreihe. Im Videospiel ENTER THE MATRIX ist der Inhalt einer der ersten Missionen, den Brief zu finden und den Helden der Spielfilmreihe zu übergeben. Zu Beginn von MATRIX REVOLUTIONS diskutieren die Filmfiguren über die letzten Nachrichten von der Osiris (vgl. Jenkins 2006: 102). Das ist eines von mehreren Beispielen, wie das transmediale Erzählen in der MATRIX-Reihe funktioniert. Der Weg der Nachricht von der Osiris beginnt im animierten Film und führt über das Videospiel zum Spielfilm. Es reicht nicht mehr nur ins Kino zu gehen und sich einen Film oder eine Filmreihe anzusehen, um diese zu verstehen. Man muss sich zusätzliche Informationen aus anderen Medien organisieren. Die Varianten sind da sehr vielfältig, da man auch Comics, Bücher, Internetseiten oder Smartphone-Apps in eine solche transmediale Erzählung einbeziehen kann. Je nach Komplexität und Verbindung der Story innerhalb der verschiedenen Medien, entsteht so für den Zuschauer eine Art Zwang, sich auch das Videospiel, den Comic oder eines der anderen Medien zu kaufen, um die Erzählung zu verstehen. Andererseits können die Zuschauer auch enttäuscht sein, wenn sie nach dem Kinobesuch nicht genau wissen, wovon der Film handelte. Aus marketing- und verkaufstechnischer Sicht ist das transmediale Erzählen eine interessante Alternative. Aus diesem Grund haben sich einige Autoren zusammengeschlossen und ein Transmedia Manifest unterzeichnet. Die Meinung besagter Autoren ist, dass transmediales Erzählen die Zukunft der Erzählstrukturen bildet und man nicht länger nur Zuschauer, Zuhörer, Spieler, Leser oder Nutzer ist, sondern experiencer, was man mit Erfahrer übersetzen könnte (vgl. http://www.transmedia-manifest.com [Stand: 30.08.2013]). Im Prinzip deckt sich diese Interpretation von transmedialem Erzählen mit der Idee und Umsetzung der Narration in der MATRIX-Reihe. Man ist nicht nur Zuschauer der Filme oder der animierten Kurzfilme, sondern auch Spieler in ENTER THE MATRIX, so dass man das Gesamtkonstrukt „erfährt“.

Die Autoren, welche das Transmedia Manifest verfasst haben,2 formulierten elf Thesen, welche Transmedia und die Idee dahinter erläutern sollen, beziehungsweise die Zukunft des Erzählens. Die Thesen lauten wie folgt:

1. Claiming reality

Fiction supersedes reality, becoming as immersive as possible.

2. Rabbit holes

The story offers multiple entry points to the experiencer, depending on the medium and situation in which it is used.

3. Story universe

The experiencer no longer follows one dramatic thread but chooses among several intersecting storylines, which merge into a single story-universe.

4. Interactivity

Experiencers communicate with each other and with fictional characters thereby actively participating in the story and influencing its overall arc.

5. Usergenerated content

The story-universe enables the experiencer to contribute creatively at selected points of the story.

6. Transmediality

The story-universe does not limit itself to one single medium but takes advantage of the strengths of every medium to create something new out of their symbiosis.

7. Location based storytelling

The experiencer becomes the vehicle of fiction by visiting real places where parts of the story-universe unfold.

8. Lean back, lean forward

The story-universe attracts different types of experiencers by offering a variety of roles for more active and more passive media users.

9. Infinitude

The story-universe has the potential to become a breeding ground for a neverending story through sequels, spin-offs and perpetual re-use of story-elements.

10. Multipayment

The diversification of storytelling enables the freemium-payment-model, which prompts multiple contributions per experiencer.

11. Collaborative work

The story-universe is developed in collaboration by a versatile and interdisciplinary team, whose range of skills can meet the demands of experience-based storytelling.

(http://www.transmedia-manifest.com [Stand: 30.08.2013])

Zusammengefasst bedeuten die Punkte folgendes: Die fiktive Welt soll möglichst alle Sinne umfassen. Die Erzählung soll mehrere Einstiegspunkte bieten, je nach Medium und Situation. Die Narration folgt nicht mehr nur einem roten Faden, sondern besteht aus mehreren Erzählsträngen. Die Erfahrer sollen miteinander kommunizieren und an einzelnen Stellen kreativ auf die Story einwirken können. Die Story wird nicht mehr nur auf ein Medium reduziert, sondern die Stärken aller Medien einbezogen. Es soll die Möglichkeit geben an realen Orten Teil des Universums und der Erzählung zu werden. Die Welt soll verschiedene Möglichkeiten der Partizipation für aktivere und passivere Nutzer bieten. Die Erzählung soll das Potenzial haben, durch Fortsetzungen und Spin-offs zur „unendlichen Geschichte“ zu werden. Durch die Diversifikation sollen mehrere Einnahmequellen generiert und das Universum durch ein vielseitiges und interdisziplinäres Team entwickelt werden.

Zahlreiche der aufgeführten Punkte haben in erster Linie einen ökonomischen und marketingtechnischen Hintergrund. Sie dienen der Idee, wie Autoren mit transmedialen Erzählen eine neue Erlebnisvariante für ihre Nutzer erschaffen können und dadurch Geld verdienen. Einige der Punkte lohnt es sich aber genauer zu betrachten, da sie für eine Definition von Transmedia interessant sind. Die Punkte 1 und 6 wurden schon thematisiert, da sie primär Transmedialität als eine Nutzung der Stärken zahlreicher Medien und dadurch das Ansprechen mehrerer Sinne beschreiben. Interessant sind die Punkte 2 und 3, wo für den experiencer mehrere Eintrittspunkte in die Erzählung beschrieben werden und die Narration selbst als ein Zusammenschluss mehrerer Erzählstränge in einem Universum erklärt wird. Transmediales Erzählen bedingt demnach ein eigenes Universum, eine transmediale Welt. Diese Welt braucht einen gewissen Wiedererkennungswert, um als solche identifiziert zu werden.

Transmedial worlds are abstract content systems from which a repertoire of fictional stories and characters can be actualized or derived across a variety of media forms. What characterises a transmedial world is that audience and designers share a mental image of the “worldness” (a number of distinguishing features of its universe). The idea of a specific world’s worldness mostly originates from the first version of the world presented, but can be elaborated and changed over time. Quite often the world has a cult (fan) following across media as well.

(Klastrup/Tosca 2004: 409)

Auf die transmedialen Welten, deren Entstehung und Kriterien, sowie die Theorie von Klastrup und Tosca wird im Kapitel 2.2 noch genauer eingegangen. Für das transmediale Erzählen ist prinzipiell wichtig, dass so eine Welt besteht und erkennbar ist. Am Beispiel der MATRIX- Reihe lässt sich das erneut gut beschreiben. Im ersten Film wurde die Welt eingeführt, in welcher sich danach die Sequels, die ANIMATRIX-Filme und die Videospiele ereignen. In dieser Welt sind die Menschen Sklaven der Maschinen und sind an Computer angeschlossen, welche ihnen durch ein Programm eine Scheinwelt simulieren, die Matrix genannt wird. In dieser Matrix leben alle Menschen, nicht nur die Protagonisten der Filme. Das ermöglicht die parallelen Stränge in den ANIMATRIX-Filmen. In dieser Welt ereignen sich die Erzählungen, wie die bereits erwähnte FINAL FLIGHT OF THE OSIRIS, welche parallel zur Handlung der Filme laufen und direkten Bezug darauf nehmen, aber auch Stories wie WORLD RECORD (Takeshi Koike, JP 2003),3 welche offensichtlich in der selben Welt eingebettet sind, aber in keinem direkten Zusammenhang zu den Filmen und dem Haupterzählstrang stehen. Die Welt von MATRIX wurde so kreiert, dass sich unabhängige Erzählungen darin einbetten lassen wie auch zusätzliche Erzählstränge zur Story des Films, wie es in FINAL FLIGHT OF THE OSIRIS und dem Videospiel ENTER THE MATRIX zu sehen ist. Eine solche Welt ist Bedingung für transmediales Erzählen und erleichtert auch - wenn sie die Kriterien erfüllt, welche im Kapitel 2.2 erläutert werden - die Verbindung der Erzählstränge über mehrere Medien hinweg.

Die 4. und die 5. These sind ebenso spannend, da sie eine Interaktivität des experiencer als vorteilhaft für transmediales Erzählen sehen. Prinzipiell ist es nicht notwendig, dass ein Nutzer auch Produzent und nicht nur Konsument ist, um eine Welt zu erschaffen oder transmedial zu erzählen. Es gibt allerdings Möglichkeiten, wie ein aktiver, kreativer Prozess eines Nutzers oder Erfahrers einen positiven Beitrag zum transmedialen Erzählen beisteuern kann. Die häufigste Art und Weise der Partizipation von Nutzern an solchen Erzählungen ist Fan-Fiction, welche durch das Internet einen sehr grossen Level an Popularität erreicht hat. Fan-Fiction ist, sofern sie detailliert und kreativ ausgearbeitet ist, eine Möglichkeit Lücken in Storylines und Weltkonstruktionen zu schliessen, neuartige Storylines zu entwerfen und zweitrangige Figuren in den Fokus zu rücken (vgl. Brooker 1999: 50). Fan-Fiction ist ebenfalls eine Möglichkeit für Erzählungen, welche zunächst nur in einem Medium existierten, die Schwelle zu Transmedia zu übertreten. Beispielsweise indem Fanliteratur zu einem Film entsteht, oder selbstgemachte Filme zu einem Videospiel gedreht werden. Die interaktive Komponente ist insofern ein nicht zu vernachlässigendes Element des transmedialen Erzählens.

Zusammenfassend lässt sich Transmedia in mehreren Ebenen erläutern. Auf einer ersten Ebene ist es die blosse Übertragung eines Stoffes von einem Medium in ein anderes. Somit lediglich eine Adaption. Auf einer zweiten Ebene lässt es sich als ein Zusammenspiel mehrerer Medien im Kontext einer Erzählung betrachten, welches sich auf unterschiedliche Art und Weise präsentieren kann. Das kann ein Erzählstrang sein, beziehungsweise mehrere kleine Erzählstränge, die über mehrere Medien verteilt zu einer grossen Narration zusammengefügt werden. Ebenso ist es aber möglich, dass eine transmediale, fiktive Welt kreiert wird, in der sich in verschiedenen Medien diverse Storylines abspielen, welche miteinander nicht zwangsläufig in einem Kontext stehen, ausser dass sie in der selben Welt spielen. Im weitesten Sinne gehört auch die Interaktion mit den Nutzern zur Transmedialität. Fan-Fiction kann einerseits dazu beitragen, dass Literatur zu Filmen, Serien oder Videospielen entsteht. Andererseits können durch Fan-Fiction Lücken in der Weltkreation und in diversen Stories geschlossen werden. Der technologische Fortschritt gibt Transmedia sehr viel Spielraum sich zu entwickeln, so dass der Begriff nicht wirklich abschliessend definierbar ist. Vor rund zehn bis zwanzig Jahren wäre eine solche Verbindung verschiedener Medien nicht möglich gewesen. Fans können heutzutage über das Internet ihre selbstkreierte Literatur, Comics und Filme rasend schnell verbreiten. Wie bereits erwähnt, gibt es sogar Autoren, die transmediale Erlebnisse kreieren, bei denen echte Schauplätze einbezogen werden. Insofern lässt es sich nachvollziehen, dass zahlreiche Autoren transmediales Erzählen als die Zukunft des storytelling sehen, da die kreativen Möglichkeiten im Vergleich zur Narration in einem Medium wesentlich vielfältiger und weniger ausgeschöpft scheinen.

Eine der kreativen Varianten von Transmedia sieht man am Beispiel der Mockumentaries.

Beim Begriff, der als erstes von der Branchenzeitschrift Variety gebraucht wurde, handelt es sich um einen Zusammenzug aus Englisch ‚to mock’ und ‚documentary’. Darin steckt einerseits ‚nachmachen’, woduch deutlich wird, dass Mockumentarien ‚Docukmentaries imitieren. Gleichzeitig steckt im Wort ‚mock’ aber auch ‚nachäffen, mokieren’ oder ‚sich lustig machen’.

(Probst 2006: 5)

Mockumentaries sind also keine Dokumentationen, machen diese aber nach. Transmedialität erlaubt Filmemachern dabei die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion zu verwischen. Das beste Beispiel dafür bietet THE BLAIR WITCH PROJECT (Daniel Myrick; Eduardo Sanchez, US 1999). Das „Nachmachen“ einer Dokumentation entsteht primär auf der stilistischen Ebene. In THE BLAIR WITCH PROJECT versuchte man einerseits Authentizität zu simulieren, indem man eine Art method filmmaking nutzte. Man gab den Protagonisten eine Kamera mit und überliess ihnen vollständig, was sie aufzeichnen sollen, so als würden sie einen realen Dokumentarfilm drehen. Alle Dialoge waren improvisiert, die Filmcrew weckte die Darsteller in der Nacht, versuchte ihnen Angst einzujagen und gab ihnen immer weniger Nahrung, um möglichst authentische Reaktionen zu erwecken (vgl. Probst 2006: 63). Hinzu kommt, dass der Film als gefundenes found footage-Material der drei Darsteller präsentiert wurde und typische Eigenschaften eines Amateurdokumentarfilms aufweist. Beispielsweise eine verwackelte Kamera, Interviews mit Personen, welche berichten wie und wo sie das erste Mal von der Hexe von Blair gehört haben, sowie Ausschnitte, welche Dialoge zwischen den Protagonisten zeigen, wie sie sich über die Dokumentation unterhalten. Diese wären vermutlich bei der Bearbeitung des Rohmaterials rausgeschnitten worden (vgl. Probst 2006: 63-65). Man kann also, wenn man sich den Film ansieht, durchaus unsicher sein, ob es sich um eine richtige Dokumentation handelt oder um ein Mockumentary. Durch Transmedia konnten die Filmemacher THE BLAIR WITCH PROJECT noch authentischer wirken lassen. Einerseits wurde eine Webseite erstellt, welche den Film selber nicht direkt erwähnt, sondern primär von dem Verschwinden der drei Jugendlichen handelt, welche die Dokumentation über die Hexe von Blair drehen wollten. Auf der Webpage sieht man eine fiktive Zeittafel, welche die Ereignisse um die Hexe von Blair schildert, Fotos und Biographien der Jugendlichen, Fotos des gefundenen Materials, Polizeiberichte über deren Verschwinden, Aussagen von Verwandten und sogar Fernsehnachrichten zu dem Thema (vgl. http://www.blairwitch.com/ [Stand: 03.09.2013]). Wenn man im Internet auf so eine Seite kommt, geht man in erster Linie nicht davon aus, dass sie „Tarnung“ für einen Film ist, sondern dass wirklich drei Jugendliche verschwunden sind. Der gleiche Effekt entsteht, durch den fiktiven Dokumentarfilm CURSE OF

THE BLAIR WITCH (Daniel Myrick, Eduardo Sanchez, US 1999) welcher ebenfalls im Jahr 1999 veröffentlicht wurde und als Dokumentation das Verschwinden der drei Jugendlichen präsentiert. Auch hier wurden fiktive Verwandte und Bekannte interviewt und der Vorfall als reales Ereignis geschildert (vgl. http://www.imdb.com/title/tt0202493/?ref_=fn_al_tt_4 [Stand: 03.09.2013]). Es ist also durchaus möglich, dass ein Zuschauer, bevor er ins Kino geht, den Dokumentarfilm über das Verschwinden der drei Jugendlichen sieht und annimmt, dass es sich um eine wahre Begebenheit handelt. Eine Internetrecherche, bei welcher er auf die Website über den Vorfall stösst, bestätigt ihm das sogar. Transmedia hat in diesem Fall eine kreative und künstlerische Komponente, um den Authentizitätsfaktor der Films zu verstärken. Dieser Exkurs in den Bereich der Mockumentary zeigt, wie ein ganzes Genre durch Transmedialität revolutioniert werden kann. Durch Verwendung verschiedener Medien wird eine neue Realität erschaffen, so dass der Zuschauer nicht mehr genau weiss, was Fakt und was Fiktion ist. Man kann mit den Sehgewohnheiten und der medialen Kompetenz des Publikums spielen. Transmedialität kann viele Bedeutungen und Formen haben. Es kann eine Metapher für eine Adaption sein, aber auch ein kreativer Prozess, die Verbindung mehrerer Medien oder die künstlerische Verwertung neuer Medien. für einige Autoren und Künstler stellt es sogar die Zukunft des storytelling dar. Es kann die Interaktion des Publikums mit dem Werk bedeuten. Transmedia wird auch genutzt, um neue Welten und Realitäten zu schaffen, entweder indem das Publikum durch verschiedene Medien dahingehend manipuliert wird, dass es nicht mehr weiss was es real ist, oder indem Erzählstränge in verschiedenen Medien so verbunden werden, dass eine grosse Erzählung und eine eigene Welt entstehen. Kreationen von fiktiven Welten sind in der Literatur und anderen Erzählformen allerdings auch ohne Transmedialität essentiell. In den folgenden Kapiteln werden die Verbindung und das Zusammenspiel von World Building, von der Erschaffung verschiedener Welten und der Transmedialität untersucht.

2.2 Transmediale Welt, Mythos, Topos und Ethos

In ihrem Essay aus dem Jahre 2004 untersuchen Lisbeth Klastrup und Susan Tosca Elemente, welche erfolgreiche, transmediale Welten definieren, die durch verschiedene Medien transportiert werden können (vgl. Klastrup/Tosca 2004: 409). Die wichtigste Charakteristik eines solchen Universums, beziehungsweise einer solchen transmedialen Welt, ist dass die Designer und das Publikum das Bild einer fiktiven Welt teilen. Dieses Bild definiert sich durch Merkmale, die diese spezielle Welt von anderen abheben und welche primär in der ersten präsentierten Form des Universums festgelegt werden (vgl. Klastrup/Tosca 2004: 409). Bei Filmreihen wird beispielsweise der Grossteil der Merkmale einer solchen fiktiven Welt im ersten Teil definiert und in den Sequels ergänzt. Ein Beispiel aus dem transmedialen Kontext wäre der Dreh einer Filmadaption eines Buches, wobei man sich nach der Welt richtet, wie sie in der Buchvorlage präsentiert wird. Eine transmediale Welt kann ihren Ursprung in jedem beliebigen Medium haben, besteht aber nicht aus einer einzelnen Storyline, sondern aus den gesamten medienübergreifenden Erzählungen zu einem Thema. Im Falle von STAR WARS aus den Filmen, den Büchern, den Videospielen, den Comics, den Serien, oder auch der gesamten Fan-Fiction (vgl. Klastrup/Tosca 2004: 409). Ob etwas in das STAR WARS-Universum gehört oder stattdessen in eine andere fiktive Welt, sieht man wie bereits erwähnt, an Parametern, welche eine solche transmediale Welt von anderen abheben. Klastrup und Tosca haben einige dieser Kriterien definiert.

Die beiden Autorinnen haben drei Kernelemente herausgearbeitet, welche Teil jeder transmedialen Welt sind, ein solches Universum definieren und damit auch von anderen unterscheiden und abgrenzen.

Mythos: the establishing conflicts and battles of the world, which also present the characters of the world. The mythos also includes stories of or rumours about certain lore items and creatures which are unique to the world. One could say that the mythos of the world is the backstory of all backstories - the central knowledge one needs to have in order to interact with or interpret events in the world successfully.

(Klastrup/Tosca 2004: 412)

Die drei Kernelemente sind Mythos, Topos und Ethos, wobei der Mythos die Hintergrundstory ist, mit den speziellen Charakteren, Kreaturen, Mythen und Konflikten der Welt.

Topos: the setting of the world in a specific historical period and detailed geography, such as a futuristic technological world (science fiction) consisting of desert planets; a world set in the middle ages with fantastic elements (“fantasy”) and a wild nature inhabited by raging beasts; or a crime-ridden underworld (for instance detective/gangster style) laid out in a dystopic and immense cityscape where people use both laserguns and amulets etc. The actual space and time of an actualization of the transmedial world can be changed, but the general space and time of the universe is normally unchangable, (i.e. the world will always be set in the past or the future according to the time of the ur-actualization). However, newer actualizations of a world might often be set either before or some time after the mythic time of the ur- transmedial world in order not to interfere with the mythos. From the player’s perspective, we can say that knowing the topos is knowing what is to be expected from the physics of and navigation in the world.

(Klastrup/Tosca 2004: 412)

Der Topos bettet die Welt in einen historischen und geographischen Rahmen, beispielsweise in eine futuristische, hochtechnologische Welt, oder in ein mittelalterliches Universum in dem Magie eine wichtige Rolle spielt.

Ethos: this is the explicit and implicit ethics of the world and (moral) codex of behaviour, which characters in the world are supposed to follow. How does the good and the bad behave, and what behaviour can be accepted as “in character” or rejected as “out of character” in that world. Thus ethos is the form of knowledge required in order to know how to behave in the world.

(Klastrup/Tosca 2004: 412)

Der Ethos ist der Verhaltenskodex der Welt, also die Ethik, die Moral und wie sich die Figuren verhalten dürfen und wie nicht. Anhand dieser Grundlage sollen die STAR WARS-Filme, wie auch Pre- und Sequels, sowie die Spin-offs in den Kapiteln 3-5 analysiert werden. Da die Grenzen der drei Hauptmerkmale transmedialer Welten teilweise fliessend sind, haben Klastrup und Tosca anhand von Beispielen erklärt, wie das konkret gemeint ist. Während die Darstellung zu STAR WARS im Kapitel 3 aufgegriffen wird, soll hier die Definition von Mythos, Topos und Ethos in der Welt von LORD OF THE RINGS zur Veranschaulichung dienen. Der Mythos von LORD OF THE RINGS ist die Kreation von Mittelerde, seiner verschiedenen Kreaturen und Rassen, sowie deren Geschichte. Der Topos ist die Welt von Mittelerde, dessen Sprachen, Poesie und Tradition. Der Ethos ist der Kampf zwischen Gut und Böse, Freundschaft oder das Opfern persönlicher Ziele für das grosse Ganze (vgl. Klastrup/Tosca 2004: 413). Anhand dieser Darstellung erkennt man schnell, dass sich besonders Mythos und Topos in einzelnen Punkten überschneiden können, wie beispielsweise bei der Kreation von Mittelerde und den Hintergründen der einzelnen Kreaturen und Rassen. Dennoch ist diese Unterteilung sinnvoll. Vergleichbare Gliederungen findet man in zahlreicher Literatur zum World Building, da so ein strukturierter Aufbau einer Welt ermöglicht wird und Fragen, die sich bei so einem Vorgehen stellen, systematisch beantwortet werden können. Das erleichtert die Analyse enorm. In den Kapiteln 3-5 werden die STAR WARS-Filme, die Prequels, die Sequels, sowie die Spin-offs in diese drei Kategorien unterteilt, anhand der Kriterien untersucht und auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede verglichen.

Neben der Erläuterung einer transmedialen Welt und der Präsentation der Kernmerkmale, sind dem Essay von Klastrup und Tosca zwei weitere interessante Punkte zu entnehmen, nämlich die beiden Verbindungen der Definition einer transmedialen Welt mit den Begriffen Genre und Adaption.

Genres lassen sich im kultursemiotischen Sinne als Sets kultureller Konventionen interpretieren. In dieser Sicht repräsentieren Genres zur Routine gewordene Erzählstrategien im Umgang mit „ideologischen Spannungen“ und Konflikten.

(http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=190 [Stand: 08.09.2013])

Genau in diesem Punkt lässt sich eine Brücke zwischen dem Genre und einer transmedialen Welt herstellen. Genre sind deskriptive und normative Konzepte, bestehend aus Mustern, Strukturen und Formen, welche dem Leser oder Zuschauer eine Dekodierung eines Textes ermöglichen. Genauso wie eine transmediale Welt über einen speziellen Mythos, Topos und Ethos verfügt, haben auch Genres spezifische Charakteristika, die sie untereinander differenzieren, wie den Schauplatz, die Charaktere, die Erzählung oder die Ikonographie (vgl. Klastrup/Tosca 2004: 410). Auch wenn eine transmediale Welt tendenziell eher als Unterkategorie eines Genre bezeichnet werden könnte, beispielsweise das Universum von

[...]


1 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird Transmedialität auch als Transmedia oder transmediales Erzählen bezeichnet.

2 Das Manifest wird laufend aktualisiert. Auf der Website ist es für Autoren direkt möglich es zu unterzeichnen, so dass stetig neue Autoren dazukommen (vgl. http://www.transmedia-manifest.com [Stand: 30.08.2013]).

3 WORLD RECORD handelt von einem Sportler, der mit dem Ziel eines Weltrekords so schnell rennt, dass er für einen Moment aus der Matrix ausbricht (vgl. http://web.archive.org/web/20040405111851/www.animerica- mag.com/features/11.06/animatrix04.html [Stand: 30.08.2013]). Die Handlung spielt zweifelsfrei in der Welt der MATRIX-Reihe und bedient sich deren Elemente, hat aber mit dem Haupterzählstrang, um den es in den Filmen geht, nichts zu tun.

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Transmediales Worldbuilding im Star Wars-Franchise
Hochschule
Universität Zürich  (Seminar für Filmwissenschaft)
Veranstaltung
Transmedia und Film
Note
5 (schweizer Note)
Autor
Jahr
2013
Seiten
37
Katalognummer
V313082
ISBN (eBook)
9783668118713
ISBN (Buch)
9783668118720
Dateigröße
651 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
transmediales, worldbuilding, star, wars-franchise
Arbeit zitieren
Josip Lasic (Autor:in), 2013, Transmediales Worldbuilding im Star Wars-Franchise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313082

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Im eBook lesen
Titel: Transmediales Worldbuilding im Star Wars-Franchise



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden