Der 3D-Druck zur Erzeugung von Ersatzteilen in Unternehmen. Eine Revolution im Ersatzteilwesen?


Projektarbeit, 2015

102 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Glossar

1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Grundlagen
2.1 Ersatzteile und Ersatzteilmanagement
2.1.1 Ersatzteile
2.1.2 Ersatzteilmanagement
2.2 Grundlagen des 3D-Drucks
2.2.1 Einordnung des Fertigungsverfahrens 3D-Druck
2.2.2 Technologisches Grundprinzip des 3D-Drucks
2.2.3 Vor- und Nachteile des 3D-Drucks
2.2.4 Auswahl spezieller 3D-Druckverfahren
2.3 Make-or-Buy Entscheidungen

3 Identifizierung der Einflussfaktoren
3.1 Verfügbarkeit der CAD-Zeichnung
3.2 Parametrierung des 3D-Druckers
3.3 Rechtliche Aspekte
3.4 Technologische Kriterien
3.5 Ersatzteilspezifische Kriterien
3.6 Wirtschaftliche Kriterien
3.7 Organisatorische und prozessuale Kriterien
3.8 Weiche Faktoren
3.9 Zwischenfazit Bewertungskriterien

4 Bewertung der Tauglichkeit
4.1 Eigenfertigung vs. Fremdbezug
4.2 Fokuskategorien von Ersatzteilen im 3D-Druck
4.3 Eignung verschiedener 3D-Druck-Technologien
4.3.1 Stereolithographie
4.3.2 Selektives Lasersintern und Selektives Laserstrahlschmelzen
4.3.3 3D-Printing
4.3.4 3D-Druck mit gezieltem Materialauftrag

5 Vorgehensmodell zur individuellen Prüfung

6 Abschlussbetrachtung
6.1 Zusammenfassung
6.2 Fazit und Ausblick

7 Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1-1: Aufbau der Arbeit

Abb. 2-1: Unterteilung von Ersatzteilen

Abb. 2-2: Zielkonflikt im Ersatzteilmanagement

Abb. 2-3: Aufgaben des Ersatzteilmanagements

Abb. 2-4: Fertigungsverfahren nach DIN 8580

Abb. 2-5: Referenzprozess im 3D-Druck

Abb. 2-6: Vom 3D-CAD-Modell zum Schichtdatenmodell

Abb. 2-7: Vom Schichtmodell zur Fertigung

Abb. 2-8: Break-Even-Point Kosten vs. Komplexität

Abb. 2-9: Der Treppenstufeneffekt

Abb. 2-10: Branchen im 3D-Druck

Abb. 2-11: Funktionsprinzip der Stereolithographie

Abb. 2-12: Funktionsprinzip SLS / SLM

Abb. 2-13: Funktionsprinzip 3D-Printing

Abb. 2-14: Zusammenhang von Schüttdichte und Porengröße beim Sintern

Abb. 2-15: Gezielter Materialauftrag im Fused Layer Modelling

Abb. 2-16: Spannungsfelder von Make-or-Buy Entscheidungen

Abb. 3-1: Bewertung Engpassfaktor der Primäranlage

Abb. 4-1: Tauglichkeitsmatrix

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Wachstumsprognosen für den 3D-Druck

Tabelle 2: Vor- und Nachteile des 3D-Drucks

Tabelle 3: Vor- und Nachteile SLS und SLM

Tabelle 4: Vor- und Nachteile im 3D-Printing

Tabelle 5: Vor- und Nachteile 3D-Druck mit gezieltem Materialauftrag

Tabelle 6: Chancen und Risiken von Make-or-Buy Entscheidungen

Tabelle 7: Eignungsgrad verschiedener 3D-Druck Technologien

Tabelle 8: Vorgehenskriterien zur Eignungsprüfung

Glossar

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Beurteilung der Eignung des 3D-Drucks zur Herstellung von Ersatzteilen und der Entwicklung einer praxistauglichen Vorgehensweise zur konkreten Eignungsprüfung in gewerblichen Unternehmen auseinander. Einführend werden dazu die Ausgangssituation des 3D-Drucks und die Problemstellung in Bezug auf das Ersatzteilwesen (Kap. 1.1) erörtert sowie die daraus folgende Zielsetzung dieser Arbeit konkretisiert (Kap. 1.2). Im Anschluss daran werden die Herangehensweise zur Entwicklung der Vorgehensweise und der daraus hervorgehende Aufbau der Arbeit erläutert (Kap. 1.3).

1.1 Ausgangssituation und Problemstellung

Der Markt der produzierenden Industrie steht unter dem Einfluss einer Vielzahl technologischer, sozialer und wirtschaftlicher Entwicklungstrends. BANDOW et al. verweisen in diesem Kontext u. a. auf den sich vollziehenden demographischen Wandel, den Ruf nach einem effizienteren Umgang mit Energie und Ressourcen, die fortschreitende Globalisierung und Urbanisierung oder das gesteigerten Bewusstsein für den Umwelt- und Klimaschutz [vgl. BANDOW et al. 2013, S.20]. Das Resultat dieser Entwicklungen spiegelt sich in einer Zunahme individueller Kundenwünsche, steigendem Kostendruck und einem Zuwachs der Dynamik des Marktes wider [vgl. SCHUH et al. 2014, S.277 f.].

Die Antwort der Unternehmen auf die sich wandelnden Anforderungen des Marktes liegt in kürzeren Innovations- und Produktionslebenszyklen sowie der Entwicklung und dem Aufbau von Fähigkeiten, um die situationsspezifisch-individuellen Bedürfnisse des Kunden umgehend befriedigen zu können. Zur Erreichung dieser Zielsetzung werden die konventionell diametral gelagerten unternehmensstrategischen Ansätze der Kostenführerschaft durch hohe Produktionsmenge und der Diversifikation durch einzigartige, qualitativ und funktional hochwertige Produkte vereint. „Individuelle Massenproduktion“ lautet die Bezeichnung für diese geschäftliche Ausrichtung der Unternehmen. Das Beispiel einer rechnerisch theoretischen Variantenvielfalt von 654 Billionen verschiedenen Ford Pickup F-150 Modellen zeigt, dass die faktische „Losgröße 1“ dabei bereits real ist [vgl. RUSSWURM 2013, S.23].

Diese Entwicklung im Bereich der Primärprodukte bedeutet Veränderungen und einen mindestens vergleichbaren Komplexitätsanstieg für das Ersatzteilwesen. Zur Umsetzung der individuellen Massenproduktion sind ebenso individuelle Maschinen und Anlagen mit einem Zuwachs an Funktionen erforderlich. In der Folge werden nicht nur die Anzahl verschiedener Bauteile einer Maschine oder Anlage, sondern auch deren technische und funktionale Verknüpfung untereinander zunehmen. Dabei bezeichneten BAUNE & WESTPHAL die richtige mengenmäßige und örtliche Bevorratung von den richtigen und im entsprechenden Umfang vorzuhaltenden Ersatzteilen entlang einer Wertschöpfungskette bereits vor 10 Jahren als „Kunst des Mutmaßens“ [BAUNE & WESTPHAL 2006, S.244] - diese Problematik wird sich durch den enormen Anstieg der Variantenvielfalt an Ersatzteilen weiter zuspitzen.

Eine Technologie zur Beherrschung der Einzigartigkeit von Kundenwünschen unter Just-in-Time-Aspekten liefert das Fertigungsverfahren des dreidimensionalen (3D-) Drucks. Dieses Fertigungsverfahren verfolgt das Prinzip der „Production on demand“ und bietet das Potential komplexe Prognosemodelle für Bedarfs- und Bevorratungsplanungen sowie überdimensionierte Lagerbestände obsolet zu machen.

Wirtschaftliche Entwicklung des 3D-Drucks

Dass sich der 3D-Druck auf dem Vormarsch befindet und hohe Potentiale birgt, zeigt die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Segment: das jährliche Wachstum des Absatzes von 3D-Druck-Anlagen und -Materialien betrug seit dem Beginn der Erfassung vor 26 Jahren im Durchschnitt rund 27% [KRÄMER 2014a]. Mittlerweile befinden sich Anlagenwerte von über 3 Milliarden US-Dollar weltweit im Umlauf und es werden Wachstumsraten im Bereich von rund 20% bis zu 45% pro Jahr für den Zeitraum bis 2020 prognostiziert (siehe Tabelle 1). Die Unternehmensberatung McKinsey geht von einem Impact des 3D-Drucks einschließlich der 3D-Druck Anlagen, Materialien und Werkstücke und deren wirtschaftliche Konsequenzen bis zum Jahr 2025 von 550 Milliarden US-Dollar aus [McKinsey 2014, S.41].

Tabelle 1: Wachstumsprognosen für den 3D-Druck (CANALYS 2014, KRÄMER 2014b, PAUL 2014)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hinsichtlich der Eignung dieser Fertigungsverfahren für den Einsatz zur Herstellung von Ersatzteilen existieren bis dato keinerlei Publikation. Aussagen wie „Bei geringen Stückzahlen ([…]) im Handel nicht mehr erhältlicher Ersatzteile – ist der 3D-Druck ([…]) schon jetzt von keiner anderen Technologie mehr zu übertreffen“ [FASTERMANN 2014, S.4] oder die Aufstellung der These, dass sich durch den 3D-Druck von Ersatzteilen der Traum eines jeden Servicetechniker realisiert werden nicht auf die tatsächlich praktische Anwendbarkeit hin überprüft oder belegt. [vgl. VDI-GPL 2014, S.6]. Dadurch werden die Potentiale für den 3D-Druck im Ersatzteilwesen pauschal entsprechend der allgemeinen Entwicklung des 3D-Drucks unterstellt, der konkrete Nutzen dieser Technologie im Bereich der Ersatzteile ist jedoch unbekannt [vgl. ISENBURG 2013, S.25].

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Das Ziel dieser Arbeit ist es eine qualitative Eignungsprüfung des 3D-Drucks für die Erzeugung von Ersatzteilen bei Bedarf anstelle einer konventionellen Bevorratung vorzunehmen. Dazu gilt es zunächst eine Definition für Ersatzteile einzuführen sowie einen allgemeingültigen Prozess des 3D-Drucks als Bezugspunkt der Tauglichkeitsbewertung festzulegen. Im Anschluss sind sämtliche grundlegenden technischen, wirtschaftlichen, organisatorischen und insbesondere ersatzteilspezifischen Einflussfaktoren zu identifizieren. Abschließend sind diese in eine Vorgehensweise zu überführen, welche eine artikelbasierte Eignungsbewertung des 3D-Drucks als Fertigungsverfahren erlaubt und als strukturierter Ansatz für die Praxistauglichkeit in Unternehmen geeignet ist. Der Fokus liegt im Rahmen dieser Arbeit ausschließlich auf der Neu-Fertigung von Ersatzteilen mittels 3D-Druck, die mögliche Reparatur von defekten Komponenten ist nicht Gegenstand dieser Arbeit.

1.3 Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Kapitel, wobei das erste Kapitel die Einführung in die Thematik und die Formulierung der Zielsetzung innehat. Ebenso werden der Aufbau und die Vorgehensweise im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigt (siehe Abb. 1-1: Aufbau der Arbeit).

Das zweite Kapitel dient der Definition und der Erläuterung von Begrifflichkeiten zu den Schwerpunktthemen Ersatzteile und 3D-Druck, um eine einheitliche theoretische Grundlage zum Verständnis der Arbeit zu schaffen. Dazu werden anfänglich die Charakteristika von Ersatzteilen und der strategische Aspekt des Ersatzteilmanagements vorgestellt. Im Anschluss erfolgen zunächst die Einordnung des 3D-Drucks als eigenständiges Fertigungsverfahren nach wissenschaftlichen Kriterien und die Beschreibung eines „standardisierten 3D-Druckprozesses“ aus Autorensicht. Ebenso werden grundsätzliche Vor- und Nachteile des 3D-Drucks erläutert und verschiedene technologische Umsetzungen mit ihren individuellen Merkmalen, Stärken und Schwächen aufgezeigt. Das Kapitel schließt mit der Betrachtung des wirtschaftlichen Konzeptes von Make-or-Buy Entscheidungen.

Im dritten Kapitel werden eingangs die Kriterien der prinzipiellen Eignungsprüfung von Werkstücken bezüglich ihrer Tauglichkeit für die Herstellung im 3D-Druck erarbeitet. Dazu wird zwischen verschiedenen absoluten Voraussetzungen wie bspw. rechtlichen Aspekten oder der Verfügbarkeit einer 3D-CAD-Zeichnung sowie technologischen Kriterien, ersatzteilspezifischen Kriterien, wirtschaftlichen Kriterien, organisatorischen und prozessualen Kriterien sowie weichen Faktoren differenziert. Die Kriterien beinhalten qualitative und quantitative Faktoren, die es bei einer Beurteilung zu berücksichtigen gilt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1-1: Aufbau der Arbeit

Das vierte Kapitel begründet zunächst die Relevanz und Legitimität einer Make-or-Buy Entscheidung zur Eigenfertigung von Ersatzteilen. Anschließend werden die identifizierten Einflussfaktoren auf die verschiedenen Kategorien von Ersatzteilen projiziert, um den jeweils unterschiedlichen Anforderungen und Eigenschaften sowohl der Charakteristika der Ersatzteile als auch der konventionellen Fertigungsverfahren als Bezugspunkt gerecht zu werden. Darüber hinaus werden die vorgestellten 3D-Druck-Technologien im Detail auf ihre Anwendbarkeit zur Fertigung von Ersatzteilen hin geprüft und bewertet.

Im fünften Kapitel wird ein Vorgehensmodell skizziert, welche vornehmlich die entscheidende Kriterien berücksichtig, um eine schnellstmögliche Eingrenzung des 3D-druckbaren Ersatzteilspektrums eines Unternehmens auszumachen.

Das sechste und letzte Kapitel fasst die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit fazial zusammen und gibt einen Ausblick zur Einschätzung der weiteren Entwicklung des 3D-Drucks im Kontext des Ersatzteilwesens.

2 Grundlagen

Das Kapitel der Grundlagen beschäftigt sich mit der Erläuterung der wichtigsten Begrifflichkeiten im Rahmen dieser Arbeit. Als zentrale Motive werden zuerst die Charakteristika der Ersatzteile und des Ersatzteilmanagements (Kap. 2.1) sowie der Technologie des 3D-Drucks (Kap. 2.2) erörtert. Daran anschließend erfolgt eine Einführung in die Grundsätze der betriebswirtschaftlichen Betrachtung von Make-or-Buy Entscheidungen (Kap. 2.3).

2.1 Ersatzteile und Ersatzteilmanagement

In den folgenden Abschnitten werden aufbauend auf einer allgemeinen Definition zunächst die Differenzierungsmerkmale und charakteristische Eigenschaften von Ersatzteilen vorgestellt (Kap. 2.1). Daraufhin erfolgt eine Einführung in die Arbeitsinhalte und Herausforderungen des Ersatzteilmanagements (Kap. 2.2). Dies dient der Schaffung einer einheitlichen Verständnisses der funktionalen und wirtschaftlichen Bedeutung von Ersatzteilen und des Ersatzteilmanagements in Unternehmen.

2.1.1 Ersatzteile

Grundsätzlich sind Ersatzteile austauschbare Elemente einer funktional übergeordneten Anlage oder Maschine. Als Hauptanwender von Ersatzteilen definiert die industrielle Instandhaltung diese als „Einheit zum Ersatz einer entsprechenden Einheit, um die ursprünglich geforderte Funktion der Einheit zu erhalten“ [DIN EN 13306, S.10; DIN 31051, S.11]. DIN 24420 spezifiziert diese Beschreibung weiterführend indem Ersatzteile als „Teile (z. B. auch Einzelteile genannt), Gruppen (z. B. auch Baugruppen und Teilegruppen genannt) oder vollständige Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind, beschädigte, verschlissene oder fehlende Teile, Gruppen oder Erzeugnisse zu ersetzten“ [DIN 24420, S.1] festgelegt werden. Aus fachwissenschaftlicher Perspektive ergänzen IHDE & GERNOT die offiziellen Definitionen von Ersatzteilen wie folgt:

„Ersatzteile sind austauschbare Komponenten eines aus mehreren Komponenten bestehenden technischen Systems (Anlage, Aggregat, Motor, Gerät), ([…]). Durch den Austausch einzelner oder mehrerer Komponenten kann die Funktionstüchtigkeit des technischen Systems im Sinne des ursprünglichen Funktionsumfangs erhalten bzw. wiederhergestellt werden“ [IHDE & GERNOT 1988, S.7].

Im Rahmen dieser Arbeit ist unter einem Ersatzteil jedes eigenständige Element zu verstehen, welches im Zuge von Instandhaltungsmaßnahmen an Maschinen und Anlagen ein ursprünglich verbautes Teil mit identischem Funktions- und Leistungsumfang ersetzt. Dabei verfolgen Ersatzteile stets zwei direkte Zielsetzungen. Aus technischer Perspektive dienen Ersatzteile dem Erhalt der gewünschten Funktionalität einer übergeordneten Einheit. Gleichzeitig realisieren Ersatzteile aus wirtschaftlicher Perspektive die Werterhaltung oder sogar eine Wertsteigerung von bestehenden Anlagen und Maschinen. [vgl. VDI 2892, S. 2]

Konventionell lassen sich Ersatzteile entsprechend ihrer Eigenschaften den verschiedenen Kategorien Reserveteil, Verbrauchsteil und Kleinteil zuweisen (siehe Abb. 2-1: Unterteilung von Ersatzteilen). Erstgenannte sind in einer oder wenigen Anlagen und Maschinen eingesetzt. Die Reserveteile sind dabei nicht eigenständig nutzbar und werden somit ausschließlich zu Instandhaltungszwecken vorgehalten [vgl. BIEDERMANN 2008, S.3 f.]. Klassische Reserveteile zeichnen sich durch ihre technisch anspruchsvolle und hochwertige Fertigung aus – resultierend in überdurchschnittlich hohen Wiederbeschaffungszeiten (WBZ) und -kosten. In der monetären Gesamtbewertung von Ersatzteilbeständen sind Reserveteile hauptsächlich unter den A-Teilen zu finden, d.h. ob ihrer zahlenmäßig geringen Bevorratung nehmen sie einen überproportional sehr hohen Anteil am Bestandswert ein und weisen folglich die höchsten Stückkosten aller Ersatzteile auf [vgl. PAWELLEK 2013, S.223]. Dies führt dazu, dass Reserveteile i. d. R. wirtschaftlich rentabel instandgesetzt werden können, da die Reparaturkosten geringer sind als ein Neukauf des Ersatzteils inklusive der damit einhergehenden Wartezeit und den sich daraus ergebenden Ausfallfolgekosten. Ein Beispiel für ein Reserveteil stellt jedes situationsspezifisch verbaute Unikat an einer Anlage dar, wie z. B. eine Spezialwelle bezüglich Material und Konstruktionsform. Ebenso als Reserveteil zu klassifizieren sind Motoren oder Pumpen. [vgl. BOTHE 2003, S.25; MATYAS 2010, S.171]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2-1: Unterteilung von Ersatzteilen

Die Kategorie der Verbrauchsteile bezeichnet Ersatzteile, welche aufgrund ihrer technischen Konzeption und Funktionalität einer betriebsbedingten und geplanten Abnutzung unterliegen [vgl. BIEDERMANN 2008, S.3]. Darauf aufbauend können in Relation zu den anderen Ersatzteilkategorien zuverlässige Bedarfsprognosen aufgestellt werden, da das Abnutzungsverhalten entweder direkt beobachtbar oder aber hinreichend bekannt ist. Unter den Verbrauchsteilen eines Unternehmens existiert eine eindeutige Zuordnung zu den zugehörigen Anlagen und Maschinen. Das Ziel von Verbrauchsteilen ist neben einer direkten Funktion vor allem der Schutz anderer Anlagenkomponenten. Dies geschieht indem Verbrauchsteile durch den eigenen Verschleiß als Pufferfunktion der Abnutzung des übergeordneten Bauteils bzw. der übergeordneten Maschine oder Anlage entgegenwirken. Das Potenzial an mechanischer, thermischer, chemischer oder physikalischer Beanspruchbarkeit, welches ein Verbrauchsteil besitzt bevor soweit abgenutzt ist, dass es seine (Schutz-)Funktion nicht mehr im geforderten Maße erfüllen kann, wird als Abnutzungsvorrat bezeichnet. Angesichts der Tatsache, dass zur Zielerfüllung aus wirtschaftlichen Gründen i. d. R. der maximale Abnutzungsvorrat eines Verbrauchsteils genutzt wird, ist eine wirtschaftliche Instandsetzung dieser Ersatzteile üblicherweise nicht umsetzbar. Typische Verbrauchsteile sind überwiegend hydraulische, pneumatische oder mechanische Komponenten wie bspw. Wälzlager oder Bremsklötze. Als Beispiele für elektronische Verbrauchsteile können Relais oder Sicherungen betrachtet werden. [vgl. BOTHE 2003, S.26, S.90; MATYAS 2010, S.171]

Bei Kleinteilen handelt es sich hauptsächlich um genormte oder standardisierte Teile mit geringem finanziellen Wert [vgl. BOTHE 2003, S.26]. Die Beschaffung von Kleinteilen erfolgt klassischerweise in größeren Gebinden oder Verpackungseinheiten mit hohen Stückzahlen. Auf Grund der charakteristisch hohen Entnahmemengen und Zugriffshäufigkeiten werden Kleinteile oft nicht stückweise in Lagerverwaltungssystemen gepflegt. Daher können Lagerbewegungen nicht im Einzelnen, sondern nur über Gebinde- oder Verpackungsgrößen nachvollzogen und festgehalten werden [vgl. BIEDERMANN 2008, S.3]. Zudem erfolgt die Lagerung partiell dezentral auf Anlagenebene. Dies gewährleistet zwar einen unkomplizierten Zugriff und eine schnelle Verfügbarkeit der Kleinteile auf dem Shopfloor in der Nähe des Einsatzortes, erschwert jedoch ebenfalls die Übersicht und Pflege von Beständen und Verbräuchen. Kleinteile sind kontrovers zu Reserve- und Verbrauchsteilen keinem diskreten Verwendungsort zugeschrieben, sondern finden vielerorts Anwendung und sind tendenziell als „Allgemeingut“ im Unternehmen angesehen. Typische Kleinteile sind Schrauben und Muttern. [vgl. HAASS 2009, S.15]

Eine weitere Kategorie führen BIEDERMANN sowie DOMBROWSKI et al. unter dem Begriff „Ausfallteil“ ein. Diese Kategorie bildet das Pendant zu zeitbegrenzten Teilen, deren absehbare Haltbarkeit gegenüber der ihnen technisch übergeordneten Einheit verkürzt ist [vgl. DIN 31051, S. 11]. Konträr zu ihrer Bezeichnung sind Ausfallteile derart konzipiert, dass sie den gesamten Lebenszyklus einer Anlage überdauern sollen. Dementsprechend sind Abnutzungserscheinungen oder Defekte dieser Teile nicht vorgesehen. Entscheidende Einflussfaktoren für die funktionelle Beeinträchtigung oder gar das Versagen von Ausfallteilen sind äußere Einflüsse durch das betriebliche Umfeld oder menschliches Fehlverhalten. Infolge der nicht-vorhersehbaren Bedarfe entschließen sich einige Unternehmen entgegen der Konzeptionierung dieser Teile aus Sicherheitsgründe eine Auswahl an Ausfallteilen zu bevorraten. [vgl. BIEDERMANN 2008, S.4; DOMBROWSKI et al. 2004, S. 16] Als Exemplarisch für Ausfallteile lassen sich sämtliche statischen Anlagenkomponenten ebenso wie elektronische Netzteile oder Steuerungshardware anführen.

Zusätzlich zu den bisher dargestellten Ersatzteilkategorien kann eine separate oder ergänzende Unterteilung bezüglich der Herkunft der Ersatzteile vorgenommen werden [vgl. STRUNZ 2012, S.574 f.]. Die erste Kategorie verkörpern hierbei die Originalersatzteile, welche entweder vom Primärprodukthersteller als Original Equipment Manufacturer (OEM) gefertigt werden oder aber von dessen originärem Zulieferer bezogen werden. Originalersatzteile weisen herkömmlich die höchste Qualität unter den Ersatzteilen auf. Alternativ zu den Originalersatzteilen können Fremdersatzteile genutzt werden. Dabei handelt es sich zum einen um Identteile, zum anderen um Nachbauteile. Unter Identteilen sind dabei Ersatzteile zu verstehen, die mit Ausnahme der Markenkennzeichnung identisch mit dem Originalersatzteil sind und vom Originalhersteller zu günstigeren Konditionen vertrieben werden. Dadurch entsprechen Qualität und Zuverlässigkeit der Identteile den auszutauschenden Originalteilen. Nachbauteile hingegen werden weder vom OEM noch von dessen Zulieferern sondern von Drittanbietern produziert. Aufgrund dessen kommt es zu Konstruktionsfehlern, dem Einsatz andersartiger Werkstoffe, Gießfehlern, Lagerungsfehlern etc. und im Resultat zu negativen Abweichungen in der Form und Qualität gegenüber den Originalteilen. Den potentiellen Kosteneinsparungen für den Anwender im Einkauf beim Einsatz von Nachbauteilen statt von Original- oder Identteilen steht dabei neben dem Qualitätsrisiko das Risiko der Gewährleistungs-, Garantie- und Kulanzeinschränkung des OEM für die Gesamtanlagen und -maschinen gegenüber [vgl. BAUMBACH 1998, S.128]. Als weitere Bezugsquelle für Ersatzteile können Gebrauchtteile genannt werden. Diese gehen aus Reparaturen ausgetauschter Originalteile hervor oder wurden nicht mehr eingesetzten Anlagen und Maschinen entnommen [vgl. BIEDERMANN 2008, S.4]. In letzterem Fall werden die Ersatzteile als Altteile bezeichnet.

Abschließend soll vor dem Hintergrund der Betrachtung des Fertigungsverfahrens von Ersatzteilen die Gruppierung nach MÄNNEL erwähnt werden. Dieser unterteilt Ersatzteile in die folgenden vier Arten [vgl. STRUNZ 2012, S.588]:

1. Multivalent verwendbare Ersatzteile
2. Typengebundene Ersatzteile, hergestellt auf Universalmaschinen auf Basis multivalent verwendbarer Halbzeuge
3. Typengebundene Ersatzteile, hergestellt auf Universalmaschinen auf Basis speziell vorgefertigter Rohteile
4. Typengebundene Ersatzteile, zur Herstellung werden Spezialmaschinen benötigt.

Die erste Gruppe der multivalent verwendbaren Ersatzteile entspricht Standardbauteilen, die in einer Mehrzahl von Maschinen und Anlagen verbaut werden. Daher sind multivalen verwendbare Ersatzteile vornehmlich der Kategorie der Kleinteile zuzuordnen. Die Bezeichnung „typengebunden“ in den Gruppen zwei bis vier beschreibt die eingeschränkte Nutzbarkeit der Ersatzteile durch ihre spezielle Zuordnung zu konkreten Maschinen und Anlagen. Die weitere Differenzierung zwischen Universal- und Spezialmaschinen liegt darin begründet, dass Universalmaschinen wie z. B. Bohrstationen, Dreh- und Fräsmaschinen in vielen Unternehmen vorhanden sind. Daraus folgt, dass auch die Kompetenz zur Fertigung dieser Ersatzteile, aufgrund der multivalent verwendbaren Halbzeuge in der zweiten Gruppe in diesen Unternehmen vorhanden ist. Für die dritte Gruppe gilt dies aufgrund der speziellen Rohteile nur im eingeschränkten Maße. Die vierte und letzte Gruppe zeigt auf, dass diese Ersatzteile mit dem größten Aufwand aller Gruppen gefertigt werden müssen und impliziert, dass eine Eigenfertigung ausgeschlossen ist.

2.1.1.1 Zwischenfazit Ersatzteile

Ersatzteile weisen nicht nur eine funktionale Bedeutung in einzelnen Maschinen und Anlagen auf, sondern besitzen auch eine wirtschaftliche Komponente. Diese geht über den reinen Wert der Ersatzteile hinaus. So wie der Wert eines fertigen Werkstücks sich nicht allein durch seinen Materialwert definiert, tragen Ersatzteile durch ihre Funktion über den eigenen Wert hinaus zur Wertsteigerung der übergeordneten Maschine oder Anlage bei. Dadurch steigern Ersatzteile das Anlagenumlaufvermögen und somit den Wert des Unternehmens. Ersatzteile sind unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als eine strategische Größe zu verstehen. Die verschiedenen vorgestellten Kategorisierungen machen deutlich, dass aufgrund der hohen Diversität mit Blick auf die Bedarfsmengen, Bedarfshäufigkeiten, Komplexität, Bedeutung für die Primäranlage, Herstellungsanforderungen und Kosten eine differenzierte Bewertung von Ersatzteilen für eine bedarfsgerechte Versorgung notwendig ist. Diesen Aspekt gilt es bei der Tauglichkeitsprüfung des 3D-Drucks im späteren Verlauf zu berücksichtigen.

2.1.2 Ersatzteilmanagement

Dem Ersatzteilmanagement obliegt „die Planung, Durchführung und Kontrolle aller ersatzteilwirtschaftlicher Teilfunktionen“ [BIEDERMANN 2008, S.1] beginnend bei der Bedarfsidentifikation über Beschaffungs-, Bevorratungs- und Bereitstellungsprozesse bis hin zur Nutzung und Entsorgung von Ersatzteilen. In der Literatur sind Ersatzteilwirtschaft und Ersatzteilwesen inhaltlich synonym verwendete Bezeichnungen für das Ersatzteilmanagement [vgl. BIEDERMANN 2008, S.1; PAWELLEK 2013, S.21]. Dem Ersatzteilmanagement untergeordnet hingegen wird die Ersatzteillogistik. [vgl. BIEDERMANN 2008, S.6; SCHRÖTER 2005, S.92]. Abgeleitet von „loger“ (französisch für versorgen, unterstützen) nimmt der logistische Aspekt des Ersatzteilmanagements entsprechend seiner Etymologie die Erbringung von Hilfsleistungen zu einem übergeordneten Zweck wahr. Dazu trägt die Ersatzteillogistik für die operative Abwicklung der Ersatzteile Sorge und orientiert sich dabei an der Maxime der Seven-Right-Definition. Dieser zur Folge - den Forderungen von BIEDERMANN, LOUKMIDIS & LUCZAK, STRUNZ und dem VEREIN DEUTSCHER INGENIEURE gegenüber der Ersatzteillogistik entsprechend - ist das Ziel aller logistischer Tätigkeiten das richtige Gut, in der richtigen Menge, zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort, im richtigen Zustand, zum richtigen Kunden und zu den richtigen Kosten zur Verfügung zu stellen. [BIEDERMANN 2008, S.6; KRIEGER 2015; LOUKMIDIS & LUCZAK 2006, S.252; STRUNZ 2012, S.570; VDI 2892, S.3] Aus heutiger Perspektive ist diesen „7r der Logistik“ der Aspekt der richtigen Informationsverfügbarkeit anzuschließen.

Die wichtigste Aufgabe und größte Herausforderung des Ersatzteilmanagements zur Realisierung einer funktionierenden Ersatzteillogistik ist in der Bestimmung und Planung der exakten Bedarfe an Ersatzteilen zu sehen, um eine anforderungsgerechte Verfügbarkeit der übergeordneten Maschinen und Anlagen zu optimalen Kosten zu realisieren. Dies bedeutet, die Art und Menge zu bevorratender Ersatzteile muss in Relation zum Ausfallsrisiko und den daraus resultierenden funktionalen und ökonomischen Konsequenzen gesetzt werden. Häufig wird in der Praxis zur Vereinfachung des Ersatzteilmanagements mit überdimensionierten Sicherheitsbeständen und pauschalen Zuschlägen bei der Ersatzteilbevorratung agiert und eine entsprechend globale Ersatzteilstrategie statt einer teileindividuellen Betrachtung implementiert [vgl. PAWELLEK 2013, S.221]. Dadurch wird unnötigerweise Kapital gebunden und oftmals dennoch die angestrebte Verfügbarkeitsquote der übergeordneten Primäranlage verfehlt. Mit Blick auf die verschiedenen Kategorien der Ersatzteile und die stets unternehmensspezifisch individuelle Handlungssituation lässt sich feststellen, dass für ein effizientes und nachhaltig effektives Ersatzteilmanagement eine differenzierte Ersatzteilbetrachtung gemäß der unterschiedlichen Anforderungen und Eigenschaften der Ersatzteile auf artikelspezifischer Basis von Nöten ist.

Einen ersten Indikator für die Richtigkeit einer teilebasierten und detaillierten Umsetzung des Ersatzteilmanagements liefern die in Kap. 2.1.1 vorgestellten Ersatzteilgruppen. Diesbezüglich finden Kleinteile universell Anwendung, d. h. sie sind nicht anlagengebunden und weisen als Standard- und Normteile die geringsten Stückkosten auf. Der Verbrauch von Kleinteilen ist unabhängig vom Lebenszyklus einzelner Maschinen und Anlagen und die Abwicklung dieser Massenartikel im Ersatzteilmanagement gestaltet sich weitestgehend regelmäßig mit geringem finanziellem Risiko für das Unternehmen.

Verbrauchsteile sind demgegenüber fest an diskrete Maschinen und Anlagen gebunden. Ihr Bedarf verläuft in einem proportional festen Verhältnis zur Nutzungsintensität der übergeordneten Maschine oder Anlage, welche für einen eingeschränkten Zeitraum absehbar ist. Trotz des Zuwachses an historischen Daten und verbesserter Simulationen zur Unterstützung der Planungsbasis unterliegen die prognostizierten Abnutzungsverläufe in den betrachteten Zeiträumen einem gewissen Grad an Ungenauigkeit. Dies liegt zum einen an Abweichungen der tatsächlichen Anlagennutzung von der Planungsgrundlage, zum anderen an äußeren Einflussfaktoren. In der Folge entsteht zum Ausgleich dieser Ungenauigkeit ein oftmals erfahrungsbasierter, manueller Planungsaufwand für das Ersatzteilmanagement. Dadurch ist die Qualität des Ersatzteilmanagement in hohem Maße von der individuellen Leistungsfähigkeit der Mitarbeit abhängig, welches einen potenziellen Risikofaktor verkörpert. Im Gegensatz zu den Kleinteilen nimmt der angesprochene Risiko- und Ungenauigkeitsfaktor für Verbrauchsteile eine wirtschaftlich und funktional wesentlichere Rolle ein und eine pauschale Abwicklung ist auf Grund der Spezifität der Ersatzteile nicht mehr möglich.

Die Gruppe der Reserveteile kann zwar wirtschaftlich instandgesetzt werden (was eine Bevorratung überflüssig machen würde), jedoch sind Reserveteile aufgrund ihrer Konstitution oftmals funktionsrelevant für gesamte Maschinen oder Anlagen und werden aus Zeitgründen zunächst ausgetauscht und anschließend wiederhergestellt. Dies hat zur Folge, dass für den Austausch mindestens ein Reserveteil zu bevorraten ist. Die Kapitalbindung in Hinblick auf Reserveteile nimmt aufgrund der hohen Stückkosten ein erheblich höheres finanzielles Risiko ein als die Ersatzteile der anderen Kategorien, zumal die Abnutzung dieser Teile zumeist nicht überwacht wird und in der Folge das Ausfallverhalten nur ungefähr bekannt oder gar unbekannt ist. Gleiches gilt für Ausfallteile, welche zwar prinzipiell nicht für die Bevorratung vorgesehen sind, jedoch aus Sicherheitsgründen eventuell dennoch angeschafft werden. Diese Ersatzteilkategorie entzieht sich somit in besonderem Maße einer globalen Abwicklung und erfordert genaue Analysen und ein präzises Ersatzteilmanagement.

Zusätzlich zu den abweichenden Eigenschaften der Ersatzteilgruppen gilt es zu beachten, dass im Störungsfall oftmals nicht ein Ersatzteil allein ausgetauscht werden muss, sondern vielmehr ein Kategorie-übergreifender Bedarf an mehreren Ersatzteilen entsteht. Diese Komplementarität von Ersatzteilen im konkreten Einsatzfall ist ebenfalls in der strategischen Planung des Ersatzteilmanagements zu berücksichtigen. Insgesamt resultiert aus der Problematik der schwierigen Prognostizierbarkeit von genauen Bedarfen an Ersatzteilen ein ökonomisches und nicht selten in der Unternehmenspraxis rechtfertigungsbedürftiges Dilemma, welches in zwei gegenläufige Szenarien resultiert [vgl. BIEDERMANN 2008, S.7; PAWELLEK 2013, S.21]:

1. Hohe Ersatzteilbestände gewährleisten eine hohe Handlungsgeschwindigkeit der Instandhaltung und ergeben dadurch eine hohe Anlagenverfügbarkeit und Anlagenzuverlässigkeit bei entsprechend hohen direkten Kosten.
2. Die reine Minimierung der Ersatzteilkosten und demzufolge der Ersatzteilbestände ohne einen risikoorientierten Hintergrund kann zu erheblich höheren direkten und indirekten Ausfallfolgekosten führen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2-2: Zielkonflikt im Ersatzteilmanagement

Das Ziel des Ersatzteilmanagements muss es daher sein, die Ersatzteilversorgung unter Berücksichtigung aller relevanter Einflussfaktoren auf die Weise zu steuern, dass durch das Erreichen einer gesamtkostenminimalen Schnittmenge von Bestand und Ausfallrisiko ein ganzheitlich wirtschaftlich optimales und funktional effektives Ersatzteilmanagement erreicht werden kann (siehe Abb. 2-2: Zielkonflikt im Ersatzteilmanagement). STRUNZ bezeichnet die Zielsetzung einer kostenoptimalen Ersatzteilversorgung für eine anforderungsgerechte Verfügbarkeit als „Balance zwischen geringen Beständen und einer hohen Verfügbarkeit“ [STRUNZ 2012, S.570].

Ergänzend zu dem dargestellten klassischen Zielkonflikt des Ersatzteilmanagements existiert eine Vielzahl weiterer Einflussfaktoren, welche eine fortlaufende Planung und kontinuierliche Anpassungen notwendig machen. Neben der reinen Nutzungsdauer und -intensität spielt die Alterung der Maschinen- und Anlagenkomponenten eine entscheidende Rolle. Diese führt analog zur fortschreitenden Lebensdauer der übergeordneten Maschine oder Anlage zu teileindividuellen Veränderungen bei Verbräuchen und Ausfallrisiken [vgl. HAASS 2009, S.55; PAWELLEK 2013, S.221]. Daraus ergibt sich bei langjährig ausgelegten Ersatzteilversorgungskonzepten ein potentielles finanzielles Risiko in der bilanziellen Abschreibung sowie der technischen Obsoleszenz von Ersatzteilen, welchem mit einer regelmäßigen und fortwährenden Überwachung, Überprüfung und Neubewertung der Bestände im Ersatzteilmanagement begegnet werden muss.

Des Weiteren befinden sich Unternehmen aufgrund äußerer und betriebsinterner wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, politischer und sozialer Einflüsse stets im Wandel, wobei HAASS die für das Ersatzteilmanagement relevanten Folgen als „Änderungstreiber“Neubau, Umbau und Stilllegung von Maschinen und Anlagen identifiziert. Aus diesen Ereignissen gehen die Anforderungen der Aufnahme neuer Ersatzteile mit unbekanntem Verbrauchs- und Bedarfsverhalten in das Ersatzteilportfolio oder die Aufgabe der Weiterverwendung von Altteilen bzw. die Verschrottung von Ersatzteilen hervor [vgl. HAASS 2009, S.7]. Erwähnt werden muss an dieser Stelle die gesetzliche Gewährleistungspflicht von zwei Jahren bei Neuanlagen, welche um freiwillige Garantien und Kulanzleistungen seitens der Hersteller erweitert werden kann [vgl. BOTHE 2003, S.43]. In dieser Zeit ist die Ersatzteilverfügbarkeit auf Herstellerseite verpflichtend gegeben und Maschinen- und Anlagennutzer sind von den Aufgaben und Risiken der Ersatzteilversorgung befreit. Nach Ablauf dieser Frist und insbesondere nach Ende der Serienproduktion des Primärproduktes, während der Ersatzteile „nebenher“ produziert werden, verkörpern Bauteilabkündigungen oder Prognosen für Allzeitbedarfe jedoch eine neue Hürde für das Ersatzteilmanagement.

Zur Bewältigung der angeführten Hindernisse und Sicherstellung einer anforderungsgerecht-optimal umgesetzten Ersatzteilversorgung gilt es die Aufgaben des Ersatzteilmanagements zu konkretisieren. Bereits angedeutet wurden die Bedeutung und der enorme Aufwand der teileindividuell durchzuführenden Analyse von Ersatzteilbedarfen. Zur exemplarischen Darlegung der Bestimmung einer Kosten-Nutzen-Kalkulation der Ersatzteilbevorratung und zur Bestätigung des Arbeitsaufwandes des Ersatzteilmanagements sei auf die grundlegenden Beurteilungskriterien für die Einstufung von Ersatzteilen nach BIEDERMANN verwiesen. Dieser führt die Aspekte der Bedeutung der Anlage im Produktionsverbund, der Art der Verkettung mit anderen Anlagen, des technischen Gesamtzustandes der Anlage, der Marktstellung der auf der Anlage gefertigten Produkte, der Beschäftigungssituation der Anlage, der Kompensationsmöglichkeiten des Anlagenausfalls, der Beeinflussung der Anlagensicherheit und der verfügbaren Informationen über den Verschleißverlauf als entscheidende Faktoren für eine differenzierte und detaillierte Beurteilungsbasis von Ersatzteilen an [vgl. BIEDERMANN 2008, S.96].

Zusätzlich zum wirtschaftlichen und funktionalen Bestands- und Risikomanagement der Ersatzteilbevorratung nimmt das Ersatzteilmanagement weitere strategische, administrativ-organisatorische und operative Verantwortungsbereiche und Aufgabeninhalte wahr (siehe Abb. 2-3: Aufgaben des Ersatzteilmanagements).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2-3: Aufgaben des Ersatzteilmanagements

Unter der strategischen Perspektive ist z. B. die Lieferantenauswahl für Ersatzteile, die Festlegung von Ersatzteilstrategien in Koordination und Kommunikation mit der Instandhaltung und den Instandhaltungsstrategien, die Festlegung zulässiger zentraler oder dezentraler Lagerstrukturen oder das Management von Modernisierungsprogrammen zu sehen [vgl. HAASS 2009, S.6; SCHMIDT et al. 2006, S.109]. Der administrativ-organisatorisch Aufgabenbereich des Ersatzteilmanagements subsummiert bspw. das Controlling mit Arbeitsinhalten der Performanceanalyse oder der Feststellung und Sanktionierung von Vertragsabweichungen, die Festlegung von Beschaffungsstrategien und Bestellzeitpunkten oder die System- und Stammdatenpflege unter sich [vgl. BIEDERMANN 2008, S. 7; STRUNZ 2012, S. 570]. Darüber hinaus gilt es die Abstimmung von Auftragsabwicklung und Arbeitsvorbereitung des Ersatzteilmanagement und der Instandhaltung zu koordinieren und zu systematisieren [vgl. PAWELLEK 2013, S.21]. Auf operativer Ebene ist beispielhaft die Wartung, Instandsetzung und Rückführung reparierter Ersatzteile zu nennen [vgl. SCHMIDT et al. 2006, S.109]. Ebenfalls zum operativen Bereich des Ersatzteilmanagements zählen das Qualitätsmanagement von Ersatzteilen im Wareneingang, die Bestandskontrolle und die Inventur von Ersatzteilen auf Shopfloor-Ebene und in den Ersatzteillagern sowie die Ausmusterung, die Verwertung und die Verschrottung von Ersatzteilen [vgl. BIEDERMANN 2008, S.7; SCHLÜTER 2006, S.226].

Exemplarisch für einen übergreifenden Aufgabenbereich des Ersatzteilmanagements erwähnt werden muss zudem der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) im Ersatzteilmanagement. Den Material- und Informationsfluss beginnend bei der Beschaffung über die Lagerung bis hin zur Disposition und zur Verwendung der Ersatzteile kontinuierlich zu erfassen, zu überwachen und fortwährend zu optimieren bedarf sowohl strategischer als auch administrativ-organisatorischer als auch operativer Arbeitsschritte.

2.1.2.1 Zwischenfazit Ersatzteilmanagement

Die aufgezeigte strategische, administrativ-organisatorische und operative Verflechtung des Ersatzteilmanagements verdeutlicht, dass das Ersatzteilmanagement weitreichende Einflüsse auf Produktionsvermögen eines Unternehmens besitzt. Zugleich wird die Vielfalt an zu berücksichtigen Faktoren bei der Bedarfsplanung, Beschaffung, Lagerung, Bereitstellung und Entsorgung von Ersatzteilen erkennbar. Die Anzahl und die Interdependenz der Aufgaben und Abläufe im Ersatzteilmanagement identifizieren dieses als komplexe unternehmerische Aufgabe mit einem hohen Ungenauigkeitsmaß und Risikopotenzial. Die verschiedenen Prozesse und Aufgaben des Ersatzteilmanagements müssen bezüglich des 3D-Drucks respektive der Notwendigkeit, des Aufwandes und der der daraus resultierenden ökonomischen Auswirkungen bewertet werden. Das Ziel des Ersatzteilmanagements, die bedarfsgerechte Ersatzteilversorgung unter ganzheitlich wirtschaftlich und funktional optimalen Bedingungen, bestätigt die Anforderung an eine teileindividuelle Bewertung des Gesamtspektrums an Ersatzteilen eines Unternehmens. Dabei weisen Reserve- und Ausfallteile gefolgt von Verschleißteilen den höchsten wirtschaftlichen und funktionalen Impact auf die Unternehmensleistung auf. Diesen Aspekt gilt es bei der Bewertung des 3D-Drucks zur Herstellung der Ersatzteile zu fokussieren.

2.2 Grundlagen des 3D-Drucks

In diesem Kapitel wird zunächst eine grundsätzliche Einordnung des 3D-Drucks als eigenständiges Fertigungsverfahren vorgenommen (Kap. 2.2.1). Anschließend erfolgen die Vorstellung des Funktionsprinzips des 3D-Drucks (Kap. 2.2.2) sowie der Vor- und Nachteile (Kap. 2.2.3) und eine Präsentation der bekanntesten Druckverfahren (Kap. 2.3.4). Zusammengenommen wird der 3D-Druck in der auf die Anwendung im Ersatzteilwesen hin zu überprüfenden Referenztechnologie in dieser Arbeit vorgestellt.

2.2.1 Einordnung des Fertigungsverfahrens 3D-Druck

Grundsätzlich ist unter einem Fertigungsverfahren ein „Verfahren zur Herstellung von geometrisch bestimmten festen Körpern“ [DIN 8580, S.4] zu verstehen. Diese Definition spricht gleichermaßen die Gewinnung einer ersten Grundform wie auch die plastische Veränderung einer bereits bestehenden festen Grundform wie auch die Veränderung der Stoffeigenschaften des Materials sowohl in seiner Konstitution als Rohstoff als auch bei einer bestehenden festen Grundform an [vgl. DIN 8580, S.4]. Das Resultat der Anwendung eines Fertigungsverfahrens zur Bearbeitung eines Ausgangsmaterials – unabhängig davon, ob es sich um Rohmaterial oder ein bereits bearbeitetes Halbzeug handelt – ist stets ein (weiteres) Halbzeug oder ein finales Produkt.

Es existieren gemäß DIN 8580 sechs verschiedene Haupt-Fertigungsverfahrensgruppen, um formloses Rohmaterial oder ein Halbzeug aus einem „Rohzustand durch schrittweises Verändern der Form oder der Stoffeigenschaften oder beider“ [DIN 8580, S.6] in einen gewünschten Endzustand zu überführen (siehe Abb. 2-4: Fertigungsverfahren). Die ersten vier Hauptgruppen, das Urformen (Hauptgruppe 1(HG1)), das Umformen (HG2), das Trennen (HG3) und das Fügen (HG4) erzeugen oder beeinflussen die Gestalt eines Werkstückes hinsichtlich der Außen- und Innenkonturen sowie der Masse und des Volumens. Ergänzend zu den Hauptgruppen eins bis vier streben die Hauptgruppen fünf, das Beschichten, und sechs, die Stoffeigenschaften ändern, explizit die Modifizierung der stofflichen Werkstückeigenschaften an (wohingegen die HG1 bis HG4 die Schaffung einer geometrisch bestimmten Form das Primärziel innehat und die Beeinflussung der Stoffeigenschaften einen Nebeneffekt darstellt).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2-4: Fertigungsverfahren nach DIN 8580

Das Fertigungsverfahren „Urformen“ subsummiert sämtliche Fertigungsverfahren zur Herstellung eines definierten festen Körpers aus einem ursprünglich formlosen Ausgangsstoff, z. B. durch Gießen oder Pressformen. Das „Umformen“ fasst solche Fertigungsverfahren zusammen, welche für eine Veränderung der Form eines Ausgangswerkstückes verantwortlich sind, ohne dabei dessen Masse zu beeinträchtigen. Beispielhaft sind hier die Bearbeitung durch Biegen oder Tiefziehen anzuführen. Die Hauptgruppe 3, das „Trennen“, bezeichnet das Entfernen von Material aus einem körperlich geschlossenen und definierten Zusammenhalt. An dieser Stelle sind exemplarisch die spannenden Fertigungsverfahren (bspw. Bohren, Sägen oder Fräsen) als Vertreter der HG3 zu benennen. Die Fertigungsverfahren des Fügens als vierte Hauptgruppe verbinden dauerhaft eine Mehrzahl an diskreten geometrisch definierten Werkstücken miteinander oder mit einem formlosen Werkstoff. In diesem Kontext lassen sich das Schrauben oder Verstiften als beispielhafte Fertigungsverfahren aufzählen. Bei der fünften Hauptgruppe, dem „Beschichten“, wird ein formloser Stoff langanhaltend auf die Oberfläche eines Werkstoffes aufgetragen. Dies kann bspw. durch Lackieren oder Bedampfen geschehen. Die „Stoffeigenschaften ändern“ bezeichnet als sechste Hauptgruppe Fertigungsverfahren zur gezielten Beeinflussung der Werkstoffeigenschaften. Dies geschieht auf Basis der Veränderung der Elementareigenschaften der Werkstoffe, z. B. der Gitternetzstruktur, auf atomarer Ebene unter energetischer Anregung oder durch die Erzeugung chemischer Reaktionen. Wärmebehandlung oder Magnetisierung sind Beispiele für Fertigungsverfahren der HG6. [vgl. DIN 8580, S.4 ff.]

Zusätzlich zu der konventionellen Unterteilung der Fertigungsverfahren nach DIN 8580 können diese in Bezug auf die Art des Materialeinsatzes gegliedert werden. Unterschieden wird dabei zwischen subtraktiven Fertigungsverfahren, formativen Fertigungsverfahren und additiven Fertigungsverfahren. Subtraktive Fertigungsverfahren arbeiten abrasiv, d. h. Material wird abgetragen, um den Zielzustand des Werkstückes zu erreichen. Dies setzt ein bereits existierendes Halbzeug als Ausgangszustand für die Bearbeitung voraus. Formative Fertigungsverfahren arbeiten unter der Prämisse einer Massen- und Volumenkonstanz in Bezug auf den Ausgangszustand, was bedeutet, dass der Zielzustand ausschließlich durch die Veränderung der Ausgangsform geschieht. Bei diesen Fertigungsverfahren wird weder Material entfernt noch hinzugefügt. Letzteres kennzeichnet hingegen die additiven Fertigungsverfahren. Additive Fertigungsverfahren stellen Werkstücke durch die sukzessive Zuführung formlosen Ausgangsmaterials und der energetischen oder chemischen Bearbeitung des Werkstoffes her. Besonders hervorzuheben ist bei den additiven Fertigungsverfahren, dass die Herstellung ohne Werkzeuge oder Formen geschieht. Die Herstellung vollzieht sich in vielen kleinen Bearbeitungsschritten entweder durch die gezielte sukzessive, schichtweise Materialzufügung oder den schichtweisen Phasenübergang eines flüssigen oder pulverförmigen Ausgangsmaterials entlang der Volumenkontur in den festen Zustand. In beiden Fällen wird die jeweils nächste Schicht bis zur Fertigstellung des endgültigen Werkstücks zu den bestehenden Schichten „addiert“ [vgl. GEBHARDT 2013, S.1; VDI 3405, S. 4 ff.]

[...]

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Der 3D-Druck zur Erzeugung von Ersatzteilen in Unternehmen. Eine Revolution im Ersatzteilwesen?
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
102
Katalognummer
V315666
ISBN (eBook)
9783668149397
ISBN (Buch)
9783668149403
Dateigröße
1317 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
3D-Druck, Ersatzteilwesen, Instandhaltung, Ersatzteil
Arbeit zitieren
Sven Wojciechowski (Autor:in), 2015, Der 3D-Druck zur Erzeugung von Ersatzteilen in Unternehmen. Eine Revolution im Ersatzteilwesen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315666

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