Boko Haram. Was macht Nigeria so attraktiv für die Terroristen?


Facharbeit (Schule), 2016

33 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Einführung

3. Gesellschaftliche Situation Nigerias

4. Politische/Wirtschaftliche Situation Nigerias

5. Beginn und Entwicklung der Boko Haram

6. Ideologie und Ziele

7. Finanzierung

8. Aufbau und Vorgehensweise

9. Verbindung zu anderen Terrororganisationen

10. Kampf gegen die Boko Haram
10.1 Maßnahmen Nigerias und den Nachbarstaaten
10.2 Reaktionen und Unterstützung anderer Nationen

11. Schlusswort

12. Quellenangaben

1. Vorwort

Es vergeht kein Tag an dem in den Medien nicht von erneuten Terroranschlägen oder vom Kampf gegen den Terror berichtet wird. Schockierende Bilder und Videos gehen um die Welt. Nichts ist so aktuell wie der Terror und seine Flüchtlinge.

In den letzten Jahren wurden besonders die islamistische Organisation IS und die nigerianische Terrorgruppe Boko Haram zum Thema.

Letztere bekam 2014 durch die Entführung von über 200 Schulmädchen internationale Aufmerksamkeit. Und täglich kommt es zu neuen Anschlägen. Nigeria und auch sein Umland sind zu einem Schlachtfeld geworden.

Doch was macht das bevölkerungsreichste Land Afrikas so interessant für die Terrororganisation und warum blieb das Ganze so lange unbeachtet?

2. Überblick

Nigeria liegt im Westen Afrikas und ist das bevölkerungsreichste afrikanische Land.

Im Jahr 2002 bildete sich im Nordosten des Landes eine islamistische Organisation Boko Haram.1 Was zunächst als islamistische Sekte entstand, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer terroristischen Gruppierung, welche zunehmend radikaler wurde, inzwischen das gesamte Land und die Nachbarstaaten bedroht und deren Taten täglich Opfer fordern.

Die lokale Bevölkerung und die Medien gaben der Gruppe den Namen Boko Haram. Dies bedeutet: "Westliche Bildung ist Sünde" oder "Westliche Bildung ist verboten.” 2 Hierbei stammt "haram" aus dem Arabischen und bedeutet „verboten“ und der Begriff "boko" aus der nigerianische Sprache Hausa, welcher für alles steht was mit Betrug und Täuschung zu tun hat.

Als in der damaligen Kolonie Nigeria Anfang des 20. Jahrhunderts von der britischen Kolonialmacht das westliche Schulsystem eingeführt wurde, kam es zu Aufständen und das System stoß bei der Bevölkerung auf große Ablehnung. Die westliche Bildung wurde im Gegensatz zu den weit verbreiteten traditionellen Koranschulen als unzureichend und verlogen aufgenommen - als "boko".

Offiziell trägt die Terrorgruppe seit 2009/2010 den selbsternannten Namen:

„Jamā'at Ahl as-Sunnah lid-Da'wah wa'l-Jihād“, welcher übersetzt wird mit:

"Vereinigung der Sunniten für den Ruf zum Islam und für den Dschihad“. 3

Der Sunnismus ist einer der beiden Hauptströmungen des Islams, etwa 80-90 % der Muslime gehören ihm an.

3. Gesellschaftliche Situation Nigerias

Die Mehrheit der Bevölkerung Nigerias lebt in Armut, die Arbeitslosigkeit ist hoch, vor allem bei den Jugendlichen.4 Immer wieder tauchen Berichte über Menschenrechtsverletzungen in den Gefängnissen des Landes auf. Aufgrund der religiösen und ethnischen Vielfalt gab es auch schon in der Vergangenheit Konflikte in Nigeria.

Es gibt viele Große aber auch kleinere Völkergruppen und es werden über 500 Sprachen und Dialekte gesprochen.5

Doch nicht nur das sorgte schon für Auseinandersetzungen innerhalb der nigerianischen Bevölkerung, auch die religiöse Zusammensetzung bot den Zündstoff für blutige Krawalle. So besteht die Hälfte der Nigerianer aus 45 % Christen und die andere Hälfte etwa zählt 45 % Muslime.6 Dazu kommt, dass im Süden des Landes eher das Christentum dominiert und im Norden der Islam.

Besonders im mehrheitlich muslimischen Norden bildeten sich viele Widerstandsbewegungen gegen die Regierung. Dort ist die Lage noch verheerender. Die Arbeitslosigkeit wird auf 40 % geschätzt, es gibt keine Zukunftspersepktive für die vielen jungen Menschen dort und der Norden ist auch noch ärmer und an somit benachteiligt.

Aber auch der Süden ist nicht komplett problemfrei, die Ölförderung und dessen Transport verursacht große Umweltschäden und dabei kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen. Es herrscht Kriminalität und Überfälle sind an der Tagesordnung.

In Zentralnigeria, treffen die Christen, die im Süden leben auf die Muslime, die im Norden leben aufeinander, dort liegt der sogenannten "Middle Belt" (zu deutsch Mittlerer Gürtel). Dieser stellt fast eine unsichtbare Grenze dar.

Im Middle Belt kommt es immer wieder zu Krawallen, welche teils tödlich enden. Natürlich spielt dort nicht nur die Religion eine Rolle sondern es geht auch um Land- und Machtansprüche, sowie die Verteilung der Ressourcen, die Soziale Ungerechtigkeit und um die Politik.

Längst sind dies nicht mehr einfach nur die anhaltenden Streitigkeiten zwischen Christen und Muslimen, als welche sie gerne dargestellt werden, inzwischen geht es um viel mehr. Es geht um Einfluss, Macht und Geld. 7 Was die schon davor existierenden Anspannungen sicher noch verstärkte, war das Einführen der Scharia, dem religiösem Recht des Islams. Diese wurde in 12 Bundesstaaten, die im Norden des Landes liegen von insgesamt 36 eingeführt. 8

In neun von den 12 Bundesstaaten gilt die Scharia uneingeschränkt und in den drei restlichen Bundesstaaten wird diese nur in auch mehrheitlich muslimischen Gebieten und meist nur bei persönlichen Angelegenheiten (einer Heirat etwa) angewendet. Dies führte zum Scharia-Konflikt in dem die Boko Haram für eine komplette Islamisierung und damit auch für ein Land unter den Gesetzen der Scharia kämpft. Besonders Homosexuelle sind dabei benachteiligt.

In den Bundesstaaten, in denen die Scharia uneingeschränkt gilt können auch Minderjährige ins Gefängnis kommen und hingerichtet werden. So gab es Berichte von einer 14-jährigen, die inhaftiert und schlimmstenfalls hingerichtet werden sollte oder von jungen Müttern, welche wegen Ehebruchs gesteinigt werden sollte .9 Solche Urteile, nur um Beispiele zu nennen, werden meist (oft auch auf Druck von Menschenrechtsorganisationen und ausländischen Regierungen) wieder aufgehoben und nicht vollstreckt. Das letzte Mal, dass in Nigeria ein Minderjähriger hingerichtet wurde war 1997. Dennoch gibt es auch ohne die Scharia viele Hinrichtungen in Nigeria und noch mehr Menschen sitzen in der Todeszelle. Die Gefängnisse sollen bis an ihre Belastungsgrenze und darüber hinaus gefüllt sein.

Die Gesellschaft ist gespalten, der Unterschied zwischen den Armen und Reichen ist groß, ethnische Volksgruppen sind verfeindet und bekriegen sich zum Teil gegenseitig. Seit Jahrhunderten gibt es anhaltende Konflikte zwischen den beiden Religionen.

4. Politische / Wirtschaftliche Situation Nigerias

Afrikas Situation ist schwierig. Im Gegensatz zu etwa China und den westlichen Nationen hat Afrika von der Globalisierung nicht sonderlich profitiert und spielt auf dem Weltmarkt keine größere Rolle. Als Ursachen dafür wird etwa die instabile politische Lage einiger afrikanischer Länder genannt.10

Die großen, einflussreichen Wirtschaftsmächte wie die USA und China beuten den Kontinent aus und schotten zudem ihre Märkte vom den afrikanischen Exporten ab. Afrika wird öfters als "Verlierer" der Globalisierung gesehen, welcher sich nicht weiterentwickelt hat.

Afrika besitzt große Rohstoffvorkommen wie etwa Öl oder Diamanten, so auch Nigeria. Heute ist Nigeria die zweit größte Volkswirtschaft nach Südafrika und auch für Afrika im Allgemeinen von Bedeutung. Dort wurde in den 1950er Jahren vor allem im Süden des Landes große Mengen an Öl entdeckt. 11

Die Lage ist jedoch sehr instabil, die Regierung ist unfähig und untätig, Korruption an der Tagesordnung. Es gibt in dieser Zeit immer wieder Auseinandersetzungen unterschiedlichster Art und das Land bewegt sich auf einen Bürgerkrieg mit anschließender Militärdiktatur zu.

Der Südosten möchte sich abspalten und seine eigene Republik Gründen, daraus resultiert schließlich ein 3 jähriger Bürgerkrieg - der Biafra-Krieg.

Der Krieg endete mit einer Niederlage für den Süden und Nigeria bleibt vereint, jedoch immer noch tief gespalten. 12

Schon vor der Kolonialzeit war Nigeria bereits in einen Süd- und einen Nordteil getrennt. Durch die Briten wurde es 1914 zu einem Land bzw. Kolonie vereint. 13 Durch die Korruption im Land hat die Bevölkerung nichts vom Ölboom und Exporthoch der 70er Jahre mitbekommen, es herrschte weiterhin Armut, Kriminalität und eine große Unzufriedenheit im Volk.

1999 wurde schließlich wieder eine Demokratie in Nigeria etabliert, im Februar selben Jahres wurde ein Präsident gewählt.

Jedoch waren auch die nachfolgenden Wahlen,etwa im Jahr 2007 von Betrug und Korruption geprägt.

Bei den Wahlen 2011 wurde der Christ Goodluck Jonathan zum Präsidenten gewählt. Er versprach, sich vor allem um Reformen im Bereich der Wirtschaft, Bildung und Gesundheitswesen zu kümmern und wollte auch seine wie Vorgänger schon, gegen die herrschende Korruption und Kriminalität vorgehen.

Besonders 2014 geriet der damalige Präsident der Bundesrepublik Nigeria und seine Regierung in die Kritik. Der Regierung wurde vorgeworfen untätig und vor allem unfähig zu sein, sie könne mit der momentanen Lage nicht umgehen und seien überfordert heißt es aus der Bevölkerung. Besonders der Norden des Landes fühlte sich von seiner Regierung im Stich gelassen und benachteiligt.

Auch wurde der damalige christliche Präsident vor allem von der Bevölkerung im Süden gewählt, die Menschen im Norden hatten dadurch das Gefühl, dass Jonathan sich (aufgrund seiner Religionszugehörigkeit) deswegen nicht für sie einsetzen würde. Ein weiterer Nachteil des Nordens ist, dass dieser fast keine Rohstoffvorkommen besitzt, er ist ärmer und auch landwirtschaftlich benachteiligt. Während der Süden am Meer liegt und sich dort Nährstoffreicher Regenwald erstreckt befindet sich im Norden eher trockenes, sandiges Gebiet, die ökonomische Situation ist im Norden schlecht. Doch nicht nur das, auch die fehlende militärische und politische Präsenz im Norden des afrikanischen Staates erweckt den Eindruck, der Norden sei abgeschottet und vernachlässigt; was schließlich genau der Fall ist. Auch der damalige Staatsführer Jonathan konnte die schwierige Lage, die sich zu Beginn seiner Amtszeit 2011 abermals verschärfte nicht verbessern. Trotz den durchgeführten Reformen und aller Bemühungen hat sich für einen Großteil der nigerianischen Bevölkerung nichts geändert.

Bei erneutem Wahlen im März vergangenen Jahres muss Jonathan sein Amt an den ehemaligen muslimische Militärdiktator Muhammadu Buhari abtreten,welcher in den 80er Jahren damit schon einmal Staatsoberhaupt war und der Opposition angehörte. 14 Ursprünglich hätte die Präsidentschaftswahl im Februar stattfinden sollen, sie wurde jedoch aufgrund der Anschlagsserie der Boko Haram um mehr als einen Monat verschoben. 15

Trotz dieser Zwischenfälle wurde die Wahl als sehr vorbildlich und demokratisch - auch von der EU gelobt. Es gab eine hohe Wahlbeteiligung und es war der erste wirklich demokratische und friedliche Machtwechsel in Nigeria seit seiner Unabhängigkeit 1960. Auch das Verhalten des besiegten Jonathan wurde gelobt. Dieser erkannte seine Niederlage an, gratulierte seinem Nachfolger und rief sogar seine Anhänger dazu auf, das Wahlergebnis zu akzeptieren und friedlich zu bleiben. So kam es doch bei bzw. nach den vergangenen Wahlen immer wieder zu teils blutigem Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern. 16

Die Wahl Buhari´s wird zum Teil kritisch gesehen, da er in der Vergangenheit als Diktator das Land regierte und Angst unter der Bevölkerung verbreitete.

Jedoch glauben viele Nigerianer, dass mit Buhari auch etwas bewegt wird und sich endlich etwas ändert. Nigeria braucht ein Staatsoberhaupt, welches nach langer Zeit die großen Probleme in den Bereichen wie der Korruption, Sicherheit, Bildung etc. angeht. Etliche Vorgänger scheiterten daran. Buhari versprach nach seinem Antritt wolle er bis Ende vergangenen Jahres (2015) die Boko Haram besiegt haben. Experten sahen dieses Versprechen von Anfang an als kritisch an, eine Terrororganisation könne man nicht einfach in ein paar Monaten ausrotten. Tatsächlich gelang es die Boko Haram zurückzuschlagen, viele reden jedoch von einer Verdrängung und keiner Vernichtung der Terroristen und so gab es bereits Tage nach Buharis Ansprache abermals tödliche Angriffe. 17 Er wolle sich aber auch endlich darum bemühen die 2014 in Chibok entführten Mädchen zu befreien und sei sogar bereit mit der Terroristen zu verhandeln.

5. Beginn und Entwicklung

Zunächst bildeten sich in Nigeria schon vor 2002 mehrerer Aufstandsbewegung vor allem im Nordosten des Landes, welche gegen die Zustände in ihren Gebieten, die Willkür des Militärs und die Tatenlosigkeit der Politik protestierten. Diese vernetzten sich zunehmend und arbeiteten zusammen.

Schließlich wurde 2002 in Maidiguri, die Hauptstadt des Bundesstaat Borno, im Nordosten des Landes von dem Islamischen Prediger und Salafist Mohammed Yusuf die religiöse Bewegung Boko Haram gegründet, welcher sich auch Viele seiner Aufstandsbewegungen anschlossen. 18 Der Salafismus stellte eine „strikte,fundamentalistische Interpretation des Islams”19 dar, welcher die Rückführung des Islams zu einer ursprünglicheren Form anstrebt. Er sah - wie viele muslimische Nigerianer auch - den Westlichen Einfluss vor allem auf das Schulsystem als schädlich, betrügerisch und traditions- sowie islamfeindlich an, welches die Menschen zu Ungläubigen und Sündern mache. Und so wurde auf seinem Grundstück in Maidiguri neben einer Moschee auch eine Schule, in der die islamischen Traditionen gelehrt werden und erhalten bleiben sollen gegründet. 20 Die Bewegung startete als Sekte, welche zunächst nicht weiter auffällige war und weitgehend friedlich blieb. Die Popularität der Sekte und dessen Oberhaupt zu Beginn lässt sich darin begründen, dass die Bewohner des Nordostens in Yusuf einen Retter und Held sahen, welcher endlich auf die herrschenden Missstände in der Region aufmerksam machte. Er gab sich als Volksnah aus, da er Hausa sprach; eine Sprache die überwiegend in dieser Region gesprochen wird und Muslim war. Viele sahen Ihn als einer von ihnen, er selbst stammte auch aus dem Nordosten Nigeria und galt als sehr charismatisch und intelligent. 21

Die Bevölkerung war wütend und frustriert - ihre Regierung korrupt und unfähig. Vor allem die Jugendarbeitslosigkeit war bzw. ist hoch, Armut beherrscht die Region und besonders junge Männer lassen sich leicht von Terroristen beeinflussen, von welchen sie glauben, dass sie ihnen eine Perspektive bieten können und etwas gegen die Ungerechtigkeit unternehmen. Die Spaltung innerhalb der Gesellschaft ist groß, so kam es im Gründungsjahr der Boko Haram bereits zu heftigen Auseinandersetzungen, angeführt von Islamisten, welche es schon zuvor im Nordosten gab.

Dabei starben mehr als 200 Menschen, es wurden etliche Kirchen zerstört.

Zwei Jahre zuvor starben bei monatelangen Ausschreitungen in Kaduna aufgrund der Einführung der Scharia schon nahezu 200 Menschen ihr Leben verloren. 22

Auch 2002 spricht der Anführer der Boko Haram von der Durchsetzung islamischer Traditionen, einer Einführung des Scharia Rechts in ganz Nigeria und der Errichtung eines Gottesstaates. Das ganze Vorhaben ist von Angst geprägt, vom Verlust der kulturellen Identität, der Religion mit ihren Traditionen und eine Unterdrückung durch den Westen.

Zu Beginn war Boko Haram zwar radikal jedoch nicht gewalttätig.

Der Polizei war Mohammed Yusuf zwar durch seine Predigen in seiner selbst gegründeten Moschee in Maiduguri bekannt. Da es jedoch keine gewalttätigen Zwischenfälle gab geriet er in Vergessenheit.

Auch durch die Überfälle und Anschläge auf Polizeitstationen und Militärstützpunkte in den folgenden Jahren, etwa 2003 und 2004 von Islamischen Extremisten konzentrierte man sich auf die aktuelle Krise. 23

Yusuf stritt später ab, in die Gewalttaten verwickelt oder beteiligt gewesen zu sein und verurteilte die Anschläge sogar. Zum selben Zeitpunkt jedoch wurde die damals noch namenlose Sekte Yusufs als die "nigerianische Taliban" bekannt, es ist nicht genau geklärt woher dieser ursprünglich kommt. 24 Unter diesem Namen werden auch Gewalttaten wie Angriffe auf Polizeistationen begangen und es wird angenommen, dass sowohl Polizei als auch Politiker "Geschäfte" und Vereinbarungen mit Dieser getroffen haben. Bekannt wurde der Fall des nigerianischen Politikers Ali M. Sheriff, welchem etwa vorgeworfen wird an der

Entstehung der Boko Haram schuldig zu sein. Er soll bei Wahlen damit geworben haben, ein strenges Scharia Recht einzuführen, um Wähler unter den Boko Haram Mitglieder zu finden, er stritt dies ab und dies ist nur ein Beispiel welches bekannt wurde. 25 Währenddessen gewinnt die Organisation immer mehr Anhänger. Vor allem unter den jungen und armen Menschen der Bevölkerung finden sich Sympathisanten. 26 Diese kommen nicht nur aus dem eigenen Land, auch aus den Nachbarländern schließen sich junge mittellose Männer an. Der verwahrloste und überwiegend muslimischer Norden eignet sich daher gut für die Rekrutierungen neuer Anhänger. Es gab zwar in dieser Zeit bis etwa in den Jahren 2009/2010 Anschläge der Boko Haram, diese beschränkten sich jedoch auf Maiduguri. Die Regierung in Abuja, also in den Süd- und Zentral Regionen in Nigerias griff nicht ein, es änderte sich zumindest nichts an der Lage.

Mitte/Ende 2009 kam es zum Aufstand der Boko Haram, es gibt verschiedene Ansichten und Version was zu Diesem führte. Es wird jedoch vermutet, dass der Auslöser ein Zwischenfall vom 11. Juni 2009 gewesen sein soll. Bei einer Beerdigungsprozession soll ein Boko Haram Mitglied von Sicherheitskräften einer Spezialeinheit kontrolliert worden sein, sie wollten eine Einhaltung des neuen Gesetztes zur Helmpflicht für Motorradfahrer erreichen. 27

Die anderen Boko Haram Mitglieder empfanden die Kontrolle als würdelos und demütigend und eilten dem Mann zur Hilfe, worauf die Polizisten das Feuer eröffneten. Nach eigenen Aussagen jedoch nur auf die Beine derjenigen zielten, die dem Mann "zur Hilfe" kamen. Dabei wurden mehr als ein Dutzend Anhänger, die der Prozzesion angehörten verletzt.

Yusuf war außer sich und schwur Vergeltung, er spricht von einer hinterhältigen Tat, bei dem mehrere Männer schwer verletzt wurden, manche hatten Gesichtsverletzungen oder wurden von hinten in den Rücken beschossen.

Einige Wochen später - Ende Juli - kam es dann zu Unruhen in Bauchi, der Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates im Norden, welche schnell auf die Nachbarprovinzen übergriffen. Es war das erste größere Aufeinandertreffen der Boko Haram und der Polizei bei dem von fast 100 Todesopfern die Rede ist. Es gab immer wieder Anschläge auf Polizeistationen als Racheakt.

Zum selben Zeitpunkt kam es in weiteren Gegenden im Norden zu Ausschreitungen.

Insgesamt wird von fast 1.000 Toten berichtet. Bei einer von der Regierung gestarteten Militäroffensive wurde auch das Hauptquartier in Maidiguri gestürmt, wobei sie Mohammed Yusuf in Gewahrsam nahmen.

Im Gefängnis wurde er verhört und starb unter ungeklärten Umständen in der Gefangenschaft. Die offizielle Erklärung der Polizei lautete, dass er bei einem Fluchtversuch mit der anschließenden Schießerei erschossen wurde. 28 Die Regierung bestätigte dies. Von anderen Seiten, wie etwa von Journalisten und Menschenrechtsorganisationen ist von einer illegalen Hinrichtung die Rede, was am wahrscheinlichsten anzunehmen ist.

2010 wurde der zunächst totgeglaubte Stellvertreter Yusuf´s - Abubakar Shekau - zum Anführer der Gruppe. Er soll Yusuf bereits zuvor bei seinem Studium zur islamischen Theologie kennen gelernt haben. Wie auch sein Vorgänger spricht er Hausa, die Sprache der Haussa-Fulani, der dominierenden Volksgruppe im Norden. Außerdem spricht er Kanuri, welche etwa 4 Millionen Menschen sprechen. Er selbst soll dem Volk der Kanuri angehören. Shekau spricht arabisch, welches öfters auch im Norden Nigerias gesprochen wird, obwohl die offizielle Amtssprache Englisch ist. Auch er soll in dem sozialen Brennpunkt des Nordens, in Maidiguri aufgewachsen und Salafist wie Yusuf sein. Der Journalist Ahmed Salkida beschreibt ihn so: „Er redet kaum, er ist furchtlos.”29 Unter der neuen Führung wird die Boko Haram mutiger und gewalttätiger, es kommt zu mehr Anschlägen in Nigeria als je zuvor.

Noch Anfang 2010, im Januar kommt es zu Unruhen in der Stadt Jos zwischen Christen und Muslimen, bei dem von schätzungsweise 1.000 Toten ausgegangen wird. Im März gibt es nahe Jos, welches in Zentralnigeria liegt wieder Kämpfe, dabei schwankt die Zahl der tödlich verletzten Opfer von 200 bis zu 500 je nach Quelle.

Im Laufe des Jahres wurden vor allem in der Boko Haram Hochburg Maidiguri kleinere Angriffe verübt, auch auf eine Moschee, da die Boko Haram den "gemäßigte" Islam ablehnt und ihn verurteilt. Er ist für sie nicht der wahre, richtige Glaube und von Allah nicht vorgesehen. In Bauchi gab es einen bewaffneten Gefängnisausbruch von mutmaßlichen Boko Haram Mitglieder, dabei konnten über 700 Gefängnisinsassen befreit werden.30 Was sich zunächst nur in den Krisengebieten ereignete breitet sich langsam aus, auch Richtung Abuja, der Hauptstadt Nigerias. Im Dezember gab es einen Bombenanschlag auf einer Kaserne am Stadtrand von Abuja, die Regierung und das Militär sind in Alarmbereitschaft.

Es wurden 2010 auch vermehrt Angriffe auf Schulen verübt.

Noch während der neu gewählte Goodluck Jonathan als Präsident vereinigt wird, folgen erneute Bombenanschläge in der Regierungshauptstadt, sowie weitere in Maiduguri und Bauchi. Einen Monat später erfolgt ein verheerender Anschlag in der Hauptstadt, dieses Mal auf den Polizeihauptsitz. Es stellte sich heraus, dass dieser Vorfall ein Selbstmordattentat war, der Erste in Nigeria.

2011 häufen sich die Anschläge der Terroristen und noch im selben Jahr wird das UN Gebäude Nigerias angegriffen, das Resultat der Autobombe eines Selbstmordattentäters waren über 20 Tote und viele Verletzte. In einem Statement äußerte sich die Terrorgruppe zu dem Anschlag. 31

[...]


1 Veronika Widmann, „Boko Haram. Das Wichtigste über die nigerianische Terrorgruppe” In: ZEIT ONLINE | AUSLAND, www.zeit.de/politik/ausland/boko-haram-ueberblick

2 Mike Smith, „Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats.” Glossar Seite 261

3 Veronika Widmann, „Boko Haram. Das Wichtigste über die nigerianische Terrorgruppe” In: ZEIT ONLINE | AUSLAND, www.zeit.de/politik/ausland/boko-haram-ueberblick

4 Dr. Emmanuel I. Ede, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH: „Nigeria: Gesellschaft www.liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft/

5 Dr. Emmanuel I. Ede, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH: „Nigeria: Gesellschaft www.liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft/

6 Anonymous, „Religionen in Nigeria.” Daily Times of Nigeria www.dailytimesofnigeria.com/religionen-in-nigeria/

7 Marc Engelhardt, „Heiliger Krieg, Heiliger Profit. Afrika als neues Schlachtfeld des internationalen Terrorismus.” Kapitel 10: Auftragsmörder im muslimischen Rächergewand, Seite 143

8 Mike Smith, „Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats.” Karten, Seite 259

9 vgl. Anonymous, „Mord an Ehemann - 14- jährige vor Gericht.” Süddeutsche Zeitung www.sueddeutsche.de/panorama/prozess-in-nigeria-mord-an-ehemann-jaehrige-vor- gericht-1.2241203

10 Karl-Albrecht Immel (Deutsche Welthungerhilfe), „Afrikas Anteil am Welthandel: 2%.” Agenda21 Treffpunkt www.agenda21-treffpunkt.de/archiv/04/10/DWHHafrika.htm

11 Dr. Emmanuel I. Ede,Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH: „Nigeria: Wirtschaft und Entwicklung.” www.liportal.giz.de/nigeria/wirtschaft-entwicklung/

12 Mike Smith, „Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats.” Zeittafel, Seite 256

13 Mike Smith, „Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats.” Zeittafel, Seite 256

14 Adrian Kriesch/ Jan-Philipp Scholz, „Muhammadu Buhari: Ein Ex-General wird Nigerias Präsident.” DW-Deutsche Welle, 26.3.2015, www.dw.com/de/muhammadu-buhari-ein-ex-general- wird-nigerias-präsident/a-18237020

15 Anonymous, „Nigeria verschiebt Wählen wegen Sicherheitsbedenken.” ZEIT ONLINE, 8.Februar 2015 www.zeit.de/politik/ausland/2015-02/nigeria-wahlen-verschiebung-sicherheitsbedenken

16 Bartholomäus Grill, „Machtwechsel in Nigeria: Neuanfang mit dem Ex-Diktator.” Spiegel, 1.März. 2015, www.spiegel.de/politik/ausland/machtwechsel-in-nigeria-hoffnung-fuer-afrika-a-1026595.html

17 Jan-Philipp Scholz, „Boko Haram noch nicht am Ende.” DW-Deutsche Welle, 21.12.2015 www.dw.com/de/boko-haram-noch-nicht-am-ende/a-18932982

18 Mike Smith: „Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats.” Prolog, Seite 17

19 Mike Smith: „Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats.” Glossar,Seite 262

20 Marc Engelhardt, „Heiliger Krieg, Heiliger Profit. Afrika als neues Schlachtfeld des internationalen Terrorismus.” Kapitel 10, Seite 140

21 Farouk Chothia, „Who are Nigeria's Boko Haram Islamists?” BBC Africa, 4. Mai.2015, www.bbc.com/news/world-africa-13809501

22 Anonymous, „'200 dead' in Kaduna riots.” BBC NEWS, 24.Mai 2000, www.news.bbc.co.uk/2/hi/ africa/761725.stm

23 Mike Smith: „Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats.” Kapitel 2, Seite 100

24 Mike Smith: „Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats.” Kapitel 2. Seite 100

25 vgl. Bayo Oladeji, Bode Gbadebo, „What I Know About Boko Haram- Modu Sheriff.” Leadership, 21.Dezember, www.leadership.ng/news/396663/know-boko-haram-modu-sheriff

26 Mike Smith: „Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats.” Kapitel 2, Seite 107

27 Mike Smith: „Boko Haram. Der Vormarsch des Terror-Kalifats.” Kapitel 2, Seite 117

28 Anonymous, „Nigerias Armee: Sektenchef Yusuf Lebens Polizei übergeben.” N24, 5. August 2009, www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/746216/nigerias-armee--sektenchef-yusuf-lebend- polizei-uebergeben.html

29 Anonymous,bbc,com. „Nigeria's Boko Haram leader Abubakar Shekau in profile” BBC, 9. Mai

30 Anonymous, „More than 700 inmates escape during attack ob nigerian prison.” NEWSONE, 2010, www.newsone.com/724375/more-than-700-inmates-escape-during-attack-on-nigerian- prison/

31 Ibrahim Mshelizza, „Islamist sect Boko Haram claims Nigerian U.N. bombing.” , Reuters, 29. August 2011, www.reuters.com/article/us-nigeria-bombing-claim-idUSTRE77S3ZO20110829

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Details

Titel
Boko Haram. Was macht Nigeria so attraktiv für die Terroristen?
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
2016
Seiten
33
Katalognummer
V316539
ISBN (eBook)
9783668187047
ISBN (Buch)
9783668187054
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Terror, Boko Haram, Nigeria, terrorismus
Arbeit zitieren
Nina Schänzel (Autor:in), 2016, Boko Haram. Was macht Nigeria so attraktiv für die Terroristen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316539

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