Die Partei „Die Grünen“ wurde im Januar 1980 gegründet. Bereits zwei Jahre
später schafften die Grünen den Einzug in den hessischen Landtag und 1983 den
Einzug in den Bundestag mit 27 Abgeordneten. Die Grünen sind damit die einzige
neugegründete Partei in Deutschland nach 1945, die es geschafft hat, die 5 % Hürde
zu überspringen. Der relativ kurze Zeitraum von der Bewegung zur Partei bis hin
zur Regierungspartei ist in der deutschen Parteienlandschaft einzigartig und kann
durchaus als Erfolgsgeschichte angesehen werden.
Doch die Wurzeln des einstigen „Bürgerschrecks“1 und der „Anti-Parteien-Partei“
liegen noch vor dem Jahr 1980. Diverse Bürgerinitiativen, Umweltschutzgruppen,
Friedensaktivisten, Frauengruppen, Linksradikale und noch viele andere
Bewegungen waren der Ausgangspunkt der Parteigründung, aber auch immer
wieder Grund für innerparteiliche Konflikte über Kurs und Ziel der Partei.
Die vorliegende Hausarbeit untersucht zunächst die ideologischen Ursprünge der
Ökologiebewegung anhand von sechs richtungsweisenden Autoren der 70er Jahre,
deren Werke prägend waren für die Ökologie- und Umweltschutzbewegung.
Danach wird die Entwicklung der sog. K-Gruppen von der Studentenbewegung bis
hin zur „Neuen Linken“ nachgezeichnet, die das Bild der Grünen-Partei bis heute
wesentlich prägt. Im letzten Teil des zweiten Kapitels werden die Bürgerinitiativen
und Neuen Sozialen Bewegungen Ende der 70er Jahre als organisatorischer und,
neben der „Neuen Linken“, als ideologischer Grundstein beschrieben. Hierbei soll
der starke inhaltliche Unterschied zwischen Linken und Ökologen hervorgehoben
werden, der beim innerparteilichen Richtungsstreit sowie Kräftespiel vor allem in
der Phase der Parteigründung und zum Teil auch bis heute eine wichtige Rolle
spielt. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Phase der Parteigründung 1980. Dabei
soll nicht nur der Zusammenschluss der verschiedenen regionalen
Umweltschutzparteien beschrieben werden, sondern vor allem die Gründe für die
Linkswendung und das Zurückdrängen des Ökologiethemas kurz nach der
Gründung der Grünen. Das Friedens- und Abrüstungsthema als breite öffentliche
Basis der Grünen Anfang der 80er Jahre schließt das dritte Kapitel.
Das vierte Kapitel gibt abschließend einen kurzen Überblick über die Strömungen
innerhalb der Grünen und ihre politischen Ziele Anfang der 80er Jahre.
1 Raschke, Joachim. Die Zukunft der Grünen. Frankfurt am Main, New York 2001. S. 9 ff.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Ideologische und organisatorische Wurzeln der Grünen
2.1 Ideologische Wurzeln der Ökologie-Bewegung
2.2 Die Studentenbewegung und die „Neue Linke“
2.3 Soziale Bewegungen und Bürgerinitiativen
3. Die Phase der Parteigründung
3.1 Zusammenschlüsse und innerparteiliche Strömungen
3.2 Die Linkswendung der Grünen
3.3 Die Adaption des Friedens- und Abrüstungsthemas
4. Die wesentlichen innerparteilichen Strömungen
4.1 Die „roten Grünen“
4.2 „Grün-rote Realpolitiker“
4.3 Reformökologen
4.4 Fundamentaloppositionelle
4.5 Fundis und Realos
5. Bibliographie
1. Einleitung
Die Partei „Die Grünen“ wurde im Januar 1980 gegründet. Bereits zwei Jahre später schafften die Grünen den Einzug in den hessischen Landtag und 1983 den Einzug in den Bundestag mit 27 Abgeordneten. Die Grünen sind damit die einzige neugegründete Partei in Deutschland nach 1945, die es geschafft hat, die 5 % Hürde zu überspringen. Der relativ kurze Zeitraum von der Bewegung zur Partei bis hin zur Regierungspartei ist in der deutschen Parteienlandschaft einzigartig und kann durchaus als Erfolgsgeschichte angesehen werden.
Doch die Wurzeln des einstigen „Bürgerschrecks“[1] und der „Anti-Parteien-Partei“ liegen noch vor dem Jahr 1980. Diverse Bürgerinitiativen, Umweltschutzgruppen, Friedensaktivisten, Frauengruppen, Linksradikale und noch viele andere Bewegungen waren der Ausgangspunkt der Parteigründung, aber auch immer wieder Grund für innerparteiliche Konflikte über Kurs und Ziel der Partei.
Die vorliegende Hausarbeit untersucht zunächst die ideologischen Ursprünge der Ökologiebewegung anhand von sechs richtungsweisenden Autoren der 70er Jahre, deren Werke prägend waren für die Ökologie- und Umweltschutzbewegung. Danach wird die Entwicklung der sog. K-Gruppen von der Studentenbewegung bis hin zur „Neuen Linken“ nachgezeichnet, die das Bild der Grünen-Partei bis heute wesentlich prägt. Im letzten Teil des zweiten Kapitels werden die Bürgerinitiativen und Neuen Sozialen Bewegungen Ende der 70er Jahre als organisatorischer und, neben der „Neuen Linken“, als ideologischer Grundstein beschrieben. Hierbei soll der starke inhaltliche Unterschied zwischen Linken und Ökologen hervorgehoben werden, der beim innerparteilichen Richtungsstreit sowie Kräftespiel vor allem in der Phase der Parteigründung und zum Teil auch bis heute eine wichtige Rolle spielt. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Phase der Parteigründung 1980. Dabei soll nicht nur der Zusammenschluss der verschiedenen regionalen Umweltschutzparteien beschrieben werden, sondern vor allem die Gründe für die Linkswendung und das Zurückdrängen des Ökologiethemas kurz nach der Gründung der Grünen. Das Friedens- und Abrüstungsthema als breite öffentliche Basis der Grünen Anfang der 80er Jahre schließt das dritte Kapitel.
Das vierte Kapitel gibt abschließend einen kurzen Überblick über die Strömungen innerhalb der Grünen und ihre politischen Ziele Anfang der 80er Jahre.
2. Ideologische und organisatorische Wurzeln der Grünen
2.1 Ideologische Wurzeln der Ökologie-Bewegung
Die ideologischen Wurzeln der Grünen lassen sich auf die ökologische Zeitkritik Mitte der 70er Jahre zurückführen. Nach Jahren stetigen wirtschaftlichen Wachstums und Wohlstandssteigerung zeigten sich erste negative Aspekte einer ungezügelten industriellen Produktion. Der Bericht über die „Grenzen des Wachstums“ des „Club of Rome“ aus dem Jahr 1971 lässt sich als Startpunkt der Umweltschutzbewegung bezeichnen.[2] Es entwickelte sich daraufhin eine breite gesellschaftliche Kritik an der Wachstumsideologie, der Technik- und Fortschrittsgläubigkeit sowie den mit großen Industrieanlagen verbundenen Umweltbelastungen. In Deutschland hatten vor allem sechs Autoren eine starke ideologiebildende Wirkung auf die Gründer der Grünen und waren selbst zum Teil, wenn auch nur zeitweise, in der Partei tätig. Zu ihnen zählen Carl Amery, Rudolf Bahro, Erhard Eppler, Herbert Gruhl, Wolfgang Harich, und Ivan Illich, deren Arbeiten im Folgenden näher erläutert werden.
Für diese sechs Vordenker der Grünen war die Fortschrittskritik der gemeinsame Ausgangspunkt ihrer Überlegungen.[3] Der wissenschaftlich-technische Fortschritt stellte für die genannten Autoren ein nicht mehr zu kalkulierendes Risiko dar. Einer fast unendlichen, friedlichen Energieproduktion stand die Fähigkeit zur völligen Zerstörung im Atomzeitalter gegenüber. Diese Ambivalenz des Fortschritts wurde zusätzlich in der Ökologie sichtbar. Die unerwünschten Nebeneffekte des Fortschritts wie Luft- und Wasserverschmutzung, Verseuchung und Müllproduktion ließen das Zukunftsbild als stetige Erleichterung und Verbesserung menschlichen Daseins in Zweifel ziehen. Auch stellte sich für manche Autoren die Frage, ob angesichts schwindender Rohstoffe ein ständiger technischer Fortschritt sowie industrielles Wachstum überhaupt möglich, geschweige denn wünschenswert sei.[4]
Zwar ist die Fortschrittskritik der gemeinsame Ausgangspunkt der sechs Vordenker, jedoch unterscheiden sie sich sehr bei Stoßrichtung und Reichweite ihrer Kritik sowie den politisch-sozialen Veränderungen, die sie daraus ableiten wollen. Die Katastrophenverhinderung wird zu Epplers zentraler Forderung an Staat und Gesellschaft. Die sozialen und ökologischen Kosten des jetzigen Fortschrittsgedankens würden zwar kurzfristig zu einer weiteren Steigerung des Lebensstandards führen, langfristig aber in die ökologische Katastrophe.[5]
Ähnlich verhält es sich mit Rudolf Bahro. Ein ewiger Fortschritt scheitere allein schon an den Grenzen der Ökologie. Bahro hält den ökonomischen Fortschritt seit der industriellen Revolution durchaus für erforderlich, um die Grundbedürfnisse möglichst vieler Menschen decken zu können. Nun sei jedoch ein Punkt erreicht, an dem Fortschritt nicht mehr technisch-materiell zu definieren sei, sondern vielmehr humanistisch-ideell. Bahro fordert ein Umdenken der Menschen, eine Abkehr vom materiellen Fortschrittsgedanken hin zur Verwirklichung eines humanistischen Kommunismus.[6]
Wolfgang Harich und Herbert Gruhl ähneln sich in ihren Forderungen stark und beschreiten durchaus radikalere Wege als die beiden zuvor genannten Autoren. Aufgrund der ökologischen Endlichkeitsthese fordert Harich die Abkehr vom materiellen Fortschrittsdenken, wobei der Lebensstandard der nördlichen Hemisphäre drastisch zu senken sei.[7] Woher der Wille der Bevölkerung zu solchen Maßnahmen abzuleiten sei, vermag Harich nicht zu erläutern. Auch Herbert Gruhl erscheint der Fortschrittsgedanke der letzten 200 Jahre als Irrweg, den es durch Senkung des Lebensstandards und der Bevölkerungszahlen, drastische Einschränkungen des Konsums und Rationierung der noch vorhandenen Rohstoffe zu verlassen gilt, was durch einen starken, mit vielerlei Befugnissen ausgestatteten Staat zu gewährleisten sei.[8] Die von Harich und Gruhl erdachten Zukunftsvisionen verdienen wegen des von ihm erdachten totalitären Staatssystems durchaus den Begriff von „Öko-Diktaturen“.[9]
Noch radikalere Positionen vertreten Carl Amery und Ivan Illich. Nach Amery muss die Wissenschaft „von der methodischen Gleichrangigkeit alles Belebten ausgehen“. Amery legt damit eine Gleichwertigkeit von Mensch und Natur fest, die von einem auf den Menschen allein bezogenen Fortschritt zerstört werden würde.[10]
An „Zivilisationshass“[11] grenzende Fortschrittskritik kommt von Ivan Illich. Positive Leistungen des Fortschritts werden bei ihm völlig ausgeblendet, negative Folgen dagegen absolut gesetzt. Attackiert werden auch soziale, politische und wissenschaftliche Errungenschaften wenn Illich eine Umwandlung in eine archaisch anmutende Gesellschaftsform fordert, deren genauen Aufbau er jedoch nicht klar beschreiben kann oder will.[12]
Der Gedanke eines kontinuierlichen materiellen Fortschritts wird demnach von allen Autoren mehr oder weniger stark abgelehnt. Bereits in „Die Grenzen des Wachstums“ aus dem Jahr 1971 werden konkrete Maßnahmen beschrieben, die den Zusammenbruch des ökologischen Systems, aber auch der Wirtschaftskreisläufe, verhindern würde.[13]
Somit war die Bereitschaft geschaffen, konkrete politische Konsequenzen aus ökologischen Problemen zu ziehen. Hierbei unterscheiden sich die sechs Autoren jedoch auch wieder stark. Eppler bleibt klar auf der Seite der parlamentarischen Demokratie zur Lösung der Probleme[14], wohingegen Bahro mehr eine Variante des humanen Sozialismus vorschwebt, der jedoch in seinen genauen Ausprägungen nicht beschrieben wird.[15] Die politischen Modelle von Harich und Gruhl verdienen aufgrund der Rolle eines starken Staates zur Bewältigung der ökologischen Probleme und des pessimistischen Menschenbildes der beiden zu Recht die Bezeichnung als „Öko-Diktaturen“. Beide können nämlich nicht plausibel machen, warum die Funktionäre einer Diktatur, einmal von Kontroll- und Rechtfertigungsmechanismen entbunden, ihre Macht altruistisch ausschließlich zur Verfolgung des ökologischen Gemeinwohls einsetzen sollten.[16] Im nicht-anthropozentrischen Weltbild von Amery und Illich wird die Gesellschaftsform von naturwissenschaftlich-ökologischen Gesetzen abgeleitet, die auf ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur abzielen, das so wohl nie existiert hat. Die Konsequenz ist eine romantische Verherrlichung vergangener Gesellschafts-formen.[17]
[...]
[1] Raschke, Joachim. Die Zukunft der Grünen. Frankfurt am Main, New York 2001. S. 9 ff.
[2] Vgl.: Klein, Markus; Falter, Jürgen W. Der lange Weg der Grünen. München 2003. S. 20ff.
[3] Vgl.: van Hüllen, Rudolf. Ideologie und Machtkampf bei den Grünen. Bonn 1990. S. 37 ff.
[4] Vgl.: - Amery, Carl. Natur als Politik. Die ökologischen Chancen des Menschen. Reinbek 1976. S. 148.
- Illich, Ivan. Selbstbegrenzung. Eine politische Kritik der Technik. Reinbek 1975. S. 9.
[5] Vgl.: van Hüllen, a.a.O., S. 42 ff.
[6] Vgl.: a.a.O., S. 44.
[7] Vgl.: Harich, Wolfgang. Kommunismus ohne Wachstum? Babeuf und der Club of Rome. Reinbeck 1975. S. 111.
[8] Vgl.: van Hüllen, a.a.O., S. 45.
[9] Vgl.: ibid.
[10] Vgl.: Amery, Carl. Natur als Politik. Die ökologische Chance des Menschen. Reinbek 1976. S. 39.
[11] Vgl.: van Hüllen, a.a.O., S. 46.
[12] Vgl.: Illich, Ivan. Selbstbegrenzung. Eine politische Kritik der Technik. Reinbeck 1975. S. 9.
[13] Vgl.: Meadows, Dennis; Meadows, Donella; Zahn, Erich;Milling; Peter. Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Stuttgart 1972.
[14] Vgl.: Eppler, Erhard. Maßstäbe für eine humane Gesellschaft: Lebensstandard oder Lebensqualität? Stuttgart 1974. S 42 ff.
[15] Vgl.: Bahro, Rudolf. Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus. Frankfurt am Main 1977. S. 289 ff.
[16] Vgl.: van Hüllen, a.a.O., S. 50.
[17] Vgl.: a.a.O., S. 53ff.
- Arbeit zitieren
- Bernd Reismann (Autor:in), 2004, Die Grünen - Von der Bewegung zur Partei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31698
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