Handlungs- und produktionsorientierter Lyrikunterricht am Beispiel von Poetry Slam


Hausarbeit, 2012

12 Seiten, Note: 1,3

Julia O. (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.EINLEITUNG

2.HANLDUNGS- UND PRODUKTIONIONSORIENTIERTER UNTERRICHT
2.1 DEFINITION
2.2 Ziele

3.Handlungs- & produktionsorientierter Umgang mit Lyrik
3.1 Slam Poetry
3.2 Poetry Slam im Lyrikunterricht

4.Literaturangabe

1. EINLEITUNG

Dem Literaturunterricht wird die schwierige Aufgabe zuteil. Den SuS sollen nicht nur die wesentlichen analytischen Grundkenntnisse vermittelt, sondern auch verschiedene Zugänge zu literarischen Texten aufgezeigt werden. Im gegenwärtigen Unterricht spielen die Leselust sowie die Freude an Gedichten, epischen Texten und Dramen nur noch eine untergeordnete Rolle. Der Rückgang des Lesegenusses basiert vordergründig auf Rahmenrichtlinien, curricularen Vorgaben und kanonischen Orientierungen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, werden in der Deutschdidaktik seit vielen Jahren verschiedene Unterrichtsmethoden kontrovers diskutiert. Im Fokus stehen Arbeitsweisen, die die SuS aktiv in den Unterrichtsprozess einbinden und es ihnen ermöglichen, neue Zugänge zu literarischen Texten zu finden. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Kontroversen ist der handlungs- und produktionsorientierte Unterricht.

Die Behandlung von Gedichten im Unterricht ruft bei vielen Schülern einen faden Beigeschmack hervor, wenn sie sich mit den auswendig zu lernenden Textkonstrukten konfrontiert sehen. Die Palette der Reaktionen reicht je nach Umfang des furchteinflößenden Wortgebildes von bloßem Unbehagen, bis hin zu schierer Panik. Oft wird Lyrik ausschließlich als „reine Übung im Memorieren“1 gebraucht und erstickt damit jegliche aufkeimende Leselust des Schülers bereits im Ursprung. Der überwiegend kognitiv ausgerichtete Lyrikunterricht bietet kaum individuelle Zugänge zu lyrischen Texten, die auch die Gefühle, Phantasie und den natürlichen Tätigkeitsdrang der SuS ansprechen. Mithilfe des handlungs- und produktionsorientierten Unterrichts soll es möglich sein, den Schülern jenen Zugang zu ermöglichen und die positive Grundeinstellung gegenüber lyrischen Texten zu erhalten. Der Lyrikunterricht soll demnach genügend Gelegenheiten aufzeigen, eigenständig produktiv tätig zu werden und den SuS Raum zu bieten, ihre eigenen Gedanken und Gefühle auszudrücken.

Gegenstand der vorliegenden Arbeit soll es daher sein, das Unterrichtskonzept des handlungs- und produktionsorientierten Unterrichtens zu beleuchten. Anschließend wird näher auf die Möglichkeiten und Chancen eingegangen, die der Lyrikunterricht hinsichtlich handlungs- und produktionsorientierter Methoden bietet.

2. HANLDUNGS- UND PRODUKTIONIONSORIENTIERTER UNTERRICHT

„Schülerinnen und Schüler füllen Lücken in Texten aus, schreiben Geschichten aus veränderter Sicht um, verfassen eigene Texte nach vorgegebenen Mustern, spielen, malen zu Texten“2 – Der Literaturunterricht befindet sich im Umbruch, wie man schnell erkennt, wenn man ihn mit den eigenen Erlebnissen der Schulzeit vergleicht. Der produktions- und handlungsorientierte Unterricht befindet sich nunmehr in allen deutschen Bundesländern auf dem Vormarsch und findet Eingang in die Lehrpläne und Klassenzimmer.

In Gerhard Haas‘, Wolfgang Menzels und Kaspar H. Spinners Basisartikel, erschienen in der Zeitschrift Praxis Deutsch, wird jenes Unterrichtskonzept als Methode des Wissenserwerbs beschrieben, die „nicht gelehrt und zur Kenntnis genommen, sondern selber erlebt worden ist; zu Erfahrungen, die man mit eigenen Händen greifen, mit eigenen Sinnen vollziehen, mit eigener Aktivität bewältigen kann“3. Hier findet auch der von Andreas Flitner geprägte Leitspruch „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“4 seinen Ursprung.

2.1 DEFINITION

Um die Kernaussagen dieses Unterrichtskonzeptes vollständig verstehen zu können, kommt man nicht umhin zunächst die zwei Grundformen des aktiv-produktiven Tuns der SuS getrennt voneinander zu betrachten.

Zunächst soll es um die Deutung der Handlungsorientierung gehen. Dieses schul-pädagogische Konzept zielt vor allem auf die Selbständigkeit der SuS im Unterricht ab. Grundlegend dafür ist die Vorstellung eines ganzheitlichen Unterrichts und Tuns.5 Folglich sollen nicht wie bisher nur kognitive Fähigkeiten der SuS geschult, sondern auch affektive und psychomotorische Bereiche angesprochen und gefördert werden. Ziel ist es, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ‚Kopf- und Handarbeit‘ innerhalb eines schülerzentrierten Unterrichts zu schaffen, das es den SuS ermöglicht, sich mit den Unterrichtsabläufen und Ergebnissen zu identifizieren und in den, im Unterricht erarbeiteten, Handlungsprodukten einen sinnvollen Gebrauchswert zu erkennen.

Der Begriff produktionsorientiert definiert hingegen „das selbständige kreative Tun der Schüler“6, das nicht mehr vorrangig auf den Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten abzielt, sondern auf „das produktive Erzeugen von neuen Texten bzw. Teiltexten und Textvarianten“7. Dabei geht es vorrangig um die stärker das kognitive Potenzial beanspruchende Erzeugung neuer Texte.

Der Zugewinn von Kenntnissen und Kompetenzen wird somit zum Nebenprodukt, wodurch sich das angestrebte ausgewogene Verhältnis von Kopf- und Handarbeit durch die Orientierung am Handlungsprodukt zwangsläufig einstellt.8

2.2 Ziele

Daß die Schule die analytisch-reflexive Form des Kontakts mit Literatur bisher so eindeutig bevorzugt hat, wie das in einer langen Traditionslinie quasi selbstverständlich geworden ist, erweist sich in diesem Zusammenhang als grundlegendes Hindernis, [einen] sinnlichen Kontakt überhaupt herzustellen.9

Spinner, Haas und Menzel gehören zur Vielzahl der Pädagogen, die dringend nach einer Lösung für das vorhergehend beschriebene Problem suchen, das bereits Comenius in seinen Schriften aus dem 16. Jahrhundert thematisierte. Nicht nur Reformpädagogen verlangen nach einer eigentätigen, mehrere Sinne einbeziehenden Auseinandersetzung und aktiven Aneignung von Lerninhalten und lehnen „einseitig kognitiv strukturierte Unterrichtswirklichkeit[en]“10 ab.

Die Abwesenheit nicht-analytischer Vorgehensweisen im Literaturunterricht, sowie der stetig zunehmende Analphabetismus, der seine Ursprünge zu einem bedeutenden Teil in der Dominanz des Fernsehkonsums und der damit einhergehenden Buchferne vieler Erwachsener hat, scheinen vordergründig Anlässe für die mangelnde Lese-Motivation der SuS zu sein.11 Haas, Menzel und Spinner merken in diesem Kontext an, dass es sich an dieser Stelle um den Punkt handelt, an dem der handlungs- und produktionsorientierte Unterricht anzusetzen habe, jedoch ohne „darauf aufbauende analytische Prozesse auszuschließen“12. Vielmehr soll der handlungs- und produktionsorientierte Unterricht dazu dienen, ein Fundament für die Lesebereitschaft der SuS zu schaffen und darüber hinaus die Leselust als Grundlage für weitere analytisch-intellektuelle Aktivitäten zu etablieren.

Die wesentliche Aufgabe besteht demnach darin, einen Ausgangspunkt für kognitive Arbeitsprozesse zu gestalten, der den SuS den Einstieg in eine unbekannte Thematik erleichtert und die persönliche Identifikation mit einem Gegenstand ermöglicht. Damit stellt sich eine unumkehrbare Abfolge der literaturdidaktischen Ansätze ein: der handlungs- und produktionsorientierte Unterricht bildet die Basis einer Unterrichtseinheit, an die sich das weitere analytisch-intellektuelle Vorgehen anschließt.

Zusätzlich sei die mangelnde Eigentätigkeit vieler SuS, die durch Lehrkräfte immer wieder angeprangert wird, zu berücksichtigen. Die Forderung der Pädagogen, Selbständigkeit als Bildungsziel zu ernennen und zu fördern ist allgegenwärtig, vor allem da die moderne Konsumgesellschaft die passive Haltung der Heranwachsenden zunehmend unterstützt und befürwortet.13 Die SuS sind gezwungen, sich immer wieder neuen Anforderungen zu stellen und diesen gerecht zu werden. Für die Gewährleistung dieser Flexibilität ist vorauszusetzen, „daß sich Sensibilität mit Reflexion, Phantasie mit Gestaltungsfähigkeit, Wahrnehmung des Fremden mit der Bewußtwerdung einer eigenen Position verbinden“14. Außerdem soll die aktive Beteiligung der SuS an der Planung und Durchführung des Unterrichts zu einer stärkeren Identifikation mit dem Fach führen, wobei die Orientierung an den einzelnen Interessen weniger auf die Inhaltsdimension, als vielmehr auf Methoden- und Handlungsbezug ausgerichtet ist.

Darüber hinaus ist es von enormer Bedeutung, nicht nur die Selbständigkeit jedes einzelnen zu fördern, sondern auch besonderes Augenmerk auf die Individualität der SuS zu legen. „[E]inheitliche Ergebnisse, die bis in die Einzelheiten mit Feinzielen vorgeplant werden können“15 sind nicht Gegenstand handlungs- und produktionsorientierter Vorgehen. Wünschenswerter ist die Produktion einer kreativen und individuellen Vielfalt, die das Überraschende miteinbezieht, „das durch literarische Texte bei Kindern und Jugendlichen ausgelöst werden kann“16. Die Eröffnung individueller Zugänge zum Unterrichtsgegenstand fördert nicht nur die unterschiedlichen Einstellungen sowie die persönlichen Kompetenzen der SuS, handlungs- und produktionsorientierte Methoden unterstützen zusätzlich die Motivation für sich anschließende kognitive Aufgaben und die Aneignung neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass es sich beim handlungs- und produktionsorientierten Unterricht nicht nur um „eine freundliche abschließende Verzierung“17 handelt, dessen Ergebnisse der Verschönerung des Klassenraumes dienen. Vielmehr sollte er die Grundlage jeglichen Wissenserwerbs sein, um allen Begabungstypen und Fähigkeiten innerhalb einer Klasse gerecht werden zu können und die eigentätige, viele Sinne einbeziehende Auseinandersetzung und aktive Aneignung des Lerngegenstandes seitens der SuS zu fördern.

[...]


1 Hurrelmann, B.: Lesen erhöht den Lebensgenuß, aber wollen Kinder noch genießen? S. 3/4.

2 Haas, Gerhard; Menzel, Wolfgang; Spinner, Kaspar H.: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht. S. 7.

3 Ebd.

4 Ebd.

5 Vgl. Spinner, Kaspar H.: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht. S. 247.

6 Ebd.

7 Haas, Gerhard; Menzel, Wolfgang; Spinner, Kaspar H.: S. 8.

8 Vgl. Meyer, Hilbert: Leitfaden zur Unterrichtsvorbereitung. S. 344.

9 Haas, Menzel, Spinner: S. 8.

10 Meyer, Hilbert, S. 218.

11 Vgl. Haas, Menzel, Spinner: S. 8.

12 Ebd.

13 Vgl. Ebd.

14 Ebd., S. 9.

15 Ebd.

16 Ebd.

17 Ebd., S. 8.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Handlungs- und produktionsorientierter Lyrikunterricht am Beispiel von Poetry Slam
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V319929
ISBN (eBook)
9783668192225
ISBN (Buch)
9783668192232
Dateigröße
768 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Produktionsorientierter Unterricht, Handlungsorientierter Unterricht, Lyrik, Poetry Slam
Arbeit zitieren
Julia O. (Autor:in), 2012, Handlungs- und produktionsorientierter Lyrikunterricht am Beispiel von Poetry Slam, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319929

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