Vor etwa 700 Jahren geboren, gilt die heilige Birgitta von Vadstena heute als eine der berühmtesten historischen Persönlichkeiten in der schwedischen Geschichte, von ihrer Rolle in der katholischen Kirchentradition ganz zu schweigen. Am 1. Oktober 1999 wurde sie von Papst Johannes Paul II zur „europäischen Schutzheiligen“ ernannt. Eine intensive Forschung befasst sich sowohl mit ihrem Leben als auch mit ihrem Klosterorden in Vadstena.
Auf ihre Umwelt und ihre Mitmenschen hat Birgitta stets einen starken Eindruck gemacht. Sie konnte Lesen und Schreiben, eine Seltenheit unter den Frauen der damaligen Zeit, und sie wusste ihre Autorität und Wortgewalt in Auseinandersetzungen mit Königen, Päpsten, Bischöfen und anderen mächtigen Herrschern wohl einzusetzen.
Als „Gottes Sprachrohr“ kritisierte sie die moralischen Verfehlungen von weltlichen und kirchlichen Herrschern sowohl in ihrem Heimatland, als auch in Rom, ganz Italien und während ihrer Wallfahrt nach Jerusalem. Als Beraterin am Hofe König Magnus Erikssons mischte sie sich in die europäische Politik ein. Sie gründete einen eigenen Klosterorden.
Gemessen an ihrer Zeit war Birgitta als Politikerin, Mystikerin und Frau eine Ausnahmeerscheinung. Doch dieses Bild ist unvollständig, da über ihr privates Leben nur wenig bekannt ist. Dieser Lücke will sich die vorliegende Arbeit widmen, indem sie Aspekte einbezieht, mit denen sich die Birgittaforschung erst in den letzten Jahren beschäftigt hat. Dazu gehören die Umstände ihres Lebens als Mutter von acht Kindern im 14. Jahrhundert auf einem großen Hof in Ulvåsa sowie die erzwungene Hochzeit in jungen Jahren. Spiegeln Birgittas Ansichten über die Ehe und die Erziehung von Kindern das damalige Frauenideal oder reicht Birgitta auch in diesem privaten Bereich über ihre Zeit hinaus?
Aufschluss zu dieser Frage können ihre zahlreichen Offenbarungen und Niederschriften geben, die im Zentrum der folgenden Darstellung stehen. Diese sind vor dem Hintergrund der historischen Situation zu betrachten, die im ersten Abschnitt skizziert wird, sowie der Herkunft Birgittas, die anschließend kurz dargestellt wird. Den Hauptteil der Arbeit stellt eine Erörterung der Rolle Birgitta als Frau und Mutter dar.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellung
2. Birgittas Schweden
3. Birgittas Kindheit
4. Birgitta und ihre Rolle als Ehefrau und Mutter
5. Nachwort
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung und Fragestellung
Vor etwa 700 Jahren geboren, gilt die heilige Birgitta von Vadstena heute als eine der berühmtesten historischen Persönlichkeiten in der schwedischen Geschichte, von ihrer Rolle in der katholischen Kirchentradition ganz zu schweigen. Am 1. Oktober 1999 wurde sie von Papst Johannes Paul II zur „europäischen Schutzheiligen“ ernannt. Eine intensive Forschung befasst sich sowohl mit ihrem Leben als auch mit ihrem Klosterorden in Vadstena. Trotz Betrachtungen aus historischer, theologischer, psychologischer und kunstgeschichtlicher Perspektive weiß man relativ wenig über ihre Person und ihr Privatleben. Zwar liegen Dokumente vor, u.a. über die Eheschließung und die Mitgift, Geburtsdaten der Kinder und naher Verwandter. Sämtliche Berichte zu Birgittas Kindheit oder ihrem späterem Leben als Ehefrau kommen aus zweiter Hand und sind späteren Datums; zumeist sind sie im Zuge der Heiligsprechung entstanden. Vermutlich wurden in die Berichte der mit der Kanonisierung betrauten Kommission nur wohlwollende Aussagen einbezogen.
Auf ihre Umwelt und ihre Mitmenschen hat Birgitta jedoch starken Eindruck gemacht. Sie konnte Lesen und Schreiben, eine Seltenheit unter den Frauen der damaligen Zeit, und sie wußte ihre Autorität und Wortgewalt in Auseinandersetzungen mit Königen, Päpsten, Bischöfen und anderen mächtigen Herrschern wohl einzusetzen.
Als „Gottes Sprachrohr“ kritisierte sie die moralischen Verfehlungen von weltlichen und kirchlichen Herrschern sowohl in ihrem Heimatland, als auch in Rom, ganz Italien und während ihrer Wallfahrt nach Jerusalem. Als Beraterin am Hofe König Magnus Erikssons mischte sie sich in die europäische Politik ein. Sie gründete einen eigenen Klosterorden.
Birgitta sah sich selbst als eine Art „Kanal“, eine Kontaktperson zwischen Himmel und Erde. Ihren zahlreichen religiös-literarischen Hinterlassenschaften, den sogenannten Himmlischen Offenbarungen lagen spirituelle Erlebnisse zugrunde, die sie um eigenen Erfahrungen als (Ehe)-Frau, Mutter und Tochter ergänzte. Dennoch finden sich in ihrem Werk auch Zweifel und Ungewissheit ob ihrer religiösen Berufung.
Gemessen an ihrer Zeit war Birgitta als Politikerin, Mystikerin und Frau eine Ausnahmeerscheinung. Doch dieses Bild ist unvollständig, da über ihr privates Leben nur wenig bekannt ist. Dieser Lücke will sich die vorliegende Arbeit widmen, indem sie Aspekte einbezieht, mit denen sich die Birgittaforschung erst in den letzten Jahren beschäftigt hat. Dazu gehören die Umstände ihres Lebens als Mutter von acht Kindern im 14. Jahrhundert auf einem großen Hof in Ulvåsa sowie die erzwungene Hochzeit in jungen Jahren. Spiegeln Birgittas Ansichten über die Ehe und die Erziehung von Kindern das damalige Frauenideal oder reicht Birgitta auch in diesem privaten Bereich über ihre Zeit hinaus?
Aufschluss zu dieser Frage können ihre zahlreichen Offenbarungen und Niederschriften geben, die im Zentrum der folgenden Darstellung stehen. Diese sind vor dem Hintergrund der historischen Situation zu betrachten, die im ersten Abschnitt skizziert wird, sowie der Herkunft Birgittas, die anschließend kurz dargestellt wird. Den Hauptteil der Arbeit stellt eine Erörterung der Rolle Birgitta als Frau und Mutter dar.
2. Birgittas Schweden
Prästen skall bedja,
riddaren skall öva rättvisa,
bonden skall skaffa dem bröd.
Miserere (Gebet) aus dem 13. Jahrhundert[1]
Birgitta Birgersdotters Schweden unterschied sich geographisch stark von dem heutigen. Zum Schwedischen Reich gehörte Finnland, aber nicht die Regionen Skåne, Blekinge, Halland, Bohuslän, Jämtland und Härjedalen. Über Norrland war die königliche Herrschaft stark begrenzt; und auch Gotland löste sich 1360 ab und ging an Dänemark verloren.
Das Land war sehr ungleichmäßig bevölkert und bebaut, mit größeren Ansiedelungen lediglich im Mälardalen, in Östergötlands Ebenen, in Kalmarsund und hier und da in Västergötland. Von einem kleinen Prozentsatz abgesehen, lebte und versorgte sich die Bevölkerung durch Landwirtschaft und Viehzucht. Die Großgrundbesitzer des Mittelalters, kirchliche und weltliche, hatten in der Regel mehrere große Güter, die sie abwechselnd bewohnten. Die Höfe ließen sie in ihrer Abwesenheit von Lehnbauern bestellen. Durch Vererbung, Heirat oder einfach durch den Kauf konnten diese Güter über das gesamte Land verstreut liegen. Auch Birgittas Familie gehörte zu dieser Adelsschicht, die ihre Familiennamen oftmals nach ihrem Hauptgut erhielten. So besaß und verwaltete Birgittas Vater Höfe in Uppland, Södermanland, Närke und Småland. Ihr Mann hatte neben seinem Hauptsitz auch noch Güter in Östergötland, Västergötland und Småland.
Die schwedische Gesellschaft zu Beginn des 14. Jahrhunderts war eine Gesellschaft am Scheitelpunkt zur Veränderung. Unter den Folkungareregenterna hatte sich die Königsmacht verstärkt und eine zentralisierte Reichsverwaltung entwickelt. Festungen und Burgen wurden an strategischen Plätzen im ganzen Land gebaut, um Invasionen oder Rebellionen zu verhindern. Die königliche Macht wurde durch eine enge Zusammenarbeit mit der Kirche noch gefördert, die im Gegenzug umfassende Privilegien und Steuerfreiheit auf ihre Güter erhielt, ein Machtzuwachs, der sich u.a. in den großen Bauten von Kirchen und Klöstern spiegelte.
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[1] Birgitta Birgersdotter – kvinnan bakom helgonet. Katalogen till utställningen i Stockholms medeltidsmuseum 27 april – 30 december 2003. S. 5.
- Arbeit zitieren
- Patricia Patkovszky (Autor:in), 2003, Birgitta Birgersdotter - Die Frau Hinter der Heiligen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32068
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