Eines der wohl bekanntesten Zitate aus Gottfrieds von Straßburg Tristan-Roman greift in generalisierter Form auf das Liebesschicksal der Protagonisten Tristan und Isolde voraus. Des Weiteren verweist das Zitat auf die durchaus ambivalente Liebesauffassung der Erzählung, die nur von einer limitierten Leserschaft erfasst werden kann. Gottfried spricht bereits in Vers 47 seines Prologs von den „edelen herzen“, die er kategorisch von denen abgrenzt, „diu keine swaere enmüge getragen/ und niwan in vröuden welle sweben.“ (V. 52 f.) Aus dem Prolog wird erkennbar, dass eben nur die „edelen herzen“ aus der Liebesgeschichte ihre eigenen Schlüsse ziehen können, da nur sie den kontroversen Zustand von Liebe und Leid, Leben und Tod begreifen, annehmen und auch selbst erleben können. Mit jener Abgrenzung „bewegt sich [Gottfried] (...) in die Position eines spiritualisierten Seelenadels. Dies macht die Gruppe noch kleiner, noch elitärer – oder es weitet sie aus.“ Weiter ergründet Gottfried im Prolog das Leiden desjenigen, der inneclîche liebe hât (V. 108), als eine Kraft, die die wahre Liebe gar potenziert. Zur Veranschaulichung dieser paradoxen Daseinsweise bedient er sich dabei Stilmitteln wie dem Oxymoron.
Es soll hier also eine ausgewählte Leser- respektive Hörerschaft angesprochen werden, die aufgrund der Geschichte von Tristan und Isolde, welche ebenfalls zu den „edelen herzen“ gezählt werden können, im Stande sind, einerseits ihr eigenes Liebesfeuer zu schüren und andererseits aus der Fabel Werte zu erkennen und Schlüsse zu ziehen, die auf ihr persönliches Leben anwendbar sind.
Es ist deutlich zu erkennen, dass schon der Prolog Aufschluss gibt über die Liebesauffassungen, auf der die beiden Handlungen vorwiegend basieren. Dabei steht der komplexen und widersprüchlichen Liebeshaltung bei Gottfried eine geradlinigere aber sinngebende bei Fleck gegenüber.
In der folgenden Arbeit möchte ich ausgehend von diesen unterschiedlichen Liebesideologien die Entstehung beziehungsweise die Darstellung der Liebe sowohl in Gottfrieds von Straßburg „Tristan“ als auch in Konrad Flecks Roman „Flore und Blanscheflur“ anhand von vier ausgewählten Szenen analysieren und gegenüber stellen.
Inhaltsverzeichnis
- Der Prolog
- Szenenanalyse
- Markes Maifest
- Baumgartenszene
- Liebestrank-Szene
- Die Kinderliebe
- Fazit
- Literaturverzeichnis
- Textausgaben
- Forschungsliteratur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Entstehung und Darstellung der Minne in Gottfrieds von Straßburg „Tristan“ und Konrad Flecks „Flore und Blanscheflur“. Durch den Vergleich ausgewählter Szenen aus beiden Romanen wird untersucht, wie die Liebe in den jeweiligen Erzählungen konzipiert und inszeniert wird. Dabei stehen die unterschiedlichen Liebesideologien der beiden Autoren im Vordergrund.
- Die Darstellung der Minne in den Romanen „Tristan“ und „Flore und Blanscheflur“
- Der Vergleich der Liebesideologien von Gottfried von Straßburg und Konrad Fleck
- Die Rolle des locus amoenus in der Entstehung der Liebe
- Die Bedeutung von Liebe und Leid in der Minneliteratur
- Die Rezeption der Liebesgeschichte durch die Leser
Zusammenfassung der Kapitel
Der Prolog von Gottfrieds „Tristan“ führt die Leser in die komplexe und ambivalente Liebesauffassung des Romans ein. Die Liebe wird als eine Kraft beschrieben, die sowohl Freude als auch Leid, Leben und Tod beinhaltet. Der Prolog von Flecks „Flore und Blanscheflur“ hingegen zeichnet eine geradlinigere Liebeshaltung, die auf der Tugend und der Erlangung eines seligen Zustands basiert.
Die Szenenanalyse beleuchtet ausgewählte Szenen aus beiden Romanen, die die Entstehung und Darstellung der Liebe veranschaulichen. So wird beispielsweise die Liebesgeschichte der Eltern Tristans auf Markes Maifest in „Tristan“ beschrieben, während in „Flore und Blanscheflur“ die Kinderliebe in den Vordergrund gestellt wird. Die Analyse der Liebestrank-Episode in „Tristan“ und der Kinderliebe-Szene in „Flore und Blanscheflur“ verdeutlicht die unterschiedlichen Liebeskonzepte der beiden Autoren.
Schlüsselwörter
Minne, Liebesideologie, Gottfried von Straßburg, Tristan, Konrad Fleck, Flore und Blanscheflur, locus amoenus, Liebe, Leid, Tugend, Seligkeit, Szenenanalyse, Vergleich, Erzähltechnik.
- Arbeit zitieren
- Kathrin Stegherr (Autor:in), 2013, Die Entstehung und Darstellung der Minne in Gottfrieds von Strassburg „Tristan“ und Konrad Flecks „Flore und Blanscheflur“. Ein Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/321092