Zeitungsvertrieb und Kartellrecht. Presse Grosso


Hausarbeit, 2015

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

A. Einführung

B. Das Presse-Grosso
I. Das Presse-Grosso System
1. Gesetzliche Verankerung
a. Verfassungsrechtlicher Schutz
b. Kartellrecht
(1) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(2) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
2. Historie
II. Gemeinsame Erklärung
1. Dispositionsrecht
2. Remissionsrecht
3. Neutralitätsverpflichtung
4. Gebietsmonopole
5. Preisabsprachen

C. Ausblick

D. Resümee/Fazit

A. Einführung

Artikel 5 des Grundgesetzes gehört unter anderen zu den ältesten und bedeutendsten Grundrechten der deutschen Verfassung. Darin sind die, für eine Demokratie unabdingbar, sogenannten Kommunikationsgrundrechte wie die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit verankert. Rein historisch gesehen sind diese Grundrechte einer der ältesten, im Kampfe der Demokratie entstanden und deshalb mit unter den bedeutendsten Grundrechten unserer Verfassung.1 In Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ist die Pressefreiheit geregelt. Der verfassungsrechtliche Begriff der Presse fasst ein weites Verständnis auf, welches nicht nur alle periodisch erscheinenden Druckschriften, sondern auch sämtliche Betätigungen der Pressefreiheit, also Verhaltensweisen, die in Verbindung mit der Beschaffung, Erzeugung und Verbreitung von Nachrichten und Meinungen in Form von Presseprodukten stehen, einschließt.2 Da in Deutschland seit Jahren eine wirtschaftliche und publizistische Pressekonzentrationsentwicklung zu beobachten ist, ist auch besonderes Augenmerk auf die Pressefreiheit zu legen, weil diese eine Pressevielfalt in der Medienlandschaft der Bundesrepublik sicherstellen soll. Denn genau diese Vielfalt ist für ein politisches demokratisches System wie in Deutschland von enormer Bedeutung. Nur so kann sich jeder Bürger ausreichend und ausgewogen informieren, um sich selbst eine Meinung zu bilden und sich entsprechend an den Wahlen beteiligen. Andererseits ist es auch für die Politiker und den Bund wichtig, nach dem Konzept der externen Vielfalt, ein Bild des öffentlichen Meinungsspektrums zu erhalten.3 Die Gewährleistung und Instandhaltung der Pressefreiheit und vor allem der Pressevielfalt ist also essentiell für eine öffentliche Meinungsbildung und ein funktionierendes demokratisches System.

B. Das Presse-Grosso

Eine geregelte, besondere und aktive Marktstrukturpolitik ist nötig, um die Informationsversorgung der Bürger und die Sicherung der öffentlichen Meinung zu gewährleisten. Im Pressevertrieb findet sich diese in dem System des Presse-Grossos, welches für die bundesweite Versorgung der Einzelhandelverkaufsstellen mit einem breiten Sortiment an Presseprodukten zuständig ist. Dieses System hat eine sehr ungewöhnliche Struktur und vom Gesetzgeber in Deutschland eine besondere Stellung zu gesprochen bekommen. Deshalb soll dieses System nachfolgend näher betrachtet und erläutert werden.

I. Das Presse-Grosso System

Das Pressevertriebssystem in Deutschland ist international als fortschrittlich und wegweisend angesehen, was mit unter an jahrzehntelanger bewährter Ausführung und der selbständigen Regulierung liegen mag.4 So können Verlage zwischen der Direktbelieferung über verlagseigene Vertriebssysteme bei Abonnementzeitungen bzw. -zeitschriften, dem Lesezirkel und dem Bahnhofsbuchhandel oder eben über die Dienstleistung des Großhandels von Presse-Grossisten wählen. Die Pressegroßhändler, also die Presse-Grossisten, sind seit Jahrzehnten auf dem Markt der überregionalen Zeitungen und der Publikumszeitschriften etabliert.5 Dabei ist zu beachten, dass die Tageszeitungen überwiegend im Direktverkauf durch die Verlage im Abonnement vertrieben werden und bei regionalen und lokalen Tageszeitungen beträgt der Anteil, der von Grossisten vertrieben wird, gerade ein mal 30%.6 Auch auf dem Zeitschriftenmarkt ist die Bedeutung der Grossisten insgesamt eher gering. Auch wenn die Zahl der existierenden überregionalen Zeitungen mit nicht mal 20 Stück sehr gering gehalten wird, ist dies ein ausschließlicher Markt der Grossisten.7 Trotz der, auf den einzelnen Märkten eher minderheitlichen Anteile am Vertrieb, muss man bei ganzheitlicher Betrachtungsweise feststellen, dass die Grossisten insgesamt mehr als die Hälfte des Vertriebs aller Presseprodukte beherrschen.8 Sie vertreiben mittels eines mono- polisierten Logistiknetzes vom Verlag abgenommene Druck- erzeugnisse an den Einzelhandel. Das heißt, dass die Verlage ihre Presseprodukte, welche sie aufgrund unzumutbaren Aufwands nicht selbst an jede einzelne Verkaufsstelle vertreiben können, an die einzelnen Presse-Grossisten verkaufen, welche dann, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet, die Produkte preisgebunden an die Einzelhändler bringen, damit eine bundesweite flächendeckende Versorgung gewährleistet ist. Ausgenommen hierbei sind, wie bereits erwähnt das Abonnement, der Lesezirkel und traditionell der Bahnhofsbuchhandel, welcher durch die Direktbelieferung auch zumeist das größte Sortiment bereitstellt.9 Durch dieses System können neben den großen etablierten Verlagen auch den kleinen und mittelständischen Verlagen, deren Produkte eher kleinauflagig sind, eine bundesweite Verbreitung ermöglicht werden.10 Eben diese Offenhaltung der Märkte, also auflagenschwachen Presseprodukten den Marktzutritt zu erleichtern und ihnen die Möglichkeit zum bundesweiten Vertrieb zu geben, ist teleologisch im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verankert.11 Auch die aktuelle Rechtsprechung beruft sich auf die Wichtigkeit der Funktion des Presse-Großhandels, da durch die Aufgabe der Presse-Grossisten eben dieser Marktzutritt von kleinauflagigen Titeln oder Titel kleiner Verlage gewährleistet ist und eine Überallerhältlichkeit von das sämtlichen Presseprodukten sichergestellt ist.12 Rechtlich relevant ist das Presse-Grosso System vor allem aufgrund seines wettbe- werbsbeschränkenden Charakters. Dieser liegt nicht nur in der aufeinander abgestimmten Gebietsabstimmung, sondern auch an der Verhaltensabstimmung in der Preisaushandlung. Auf Grund dessen, muss man den für das Presse-Grosso geltenden gesetzlichen Bestimmungen und Schranken besondere Beachtung schenken.

1. Gesetzliche Verankerung

Das System der Presse-Grossisten an sich ist nicht spezifisch im Gesetz festgehalten. Dennoch genießt es rechtlichen Schutz und wird von gesetzlichen Regelungen geformt und rechtlich abgesichert.

a. Verfassungsrechtlicher Schutz

Wie oben bereits aufgeführt fällt die Tätigkeit der Presse-Grossisten in den Schutzbereich der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Dies war jedoch nicht immer selbstverständlich und wurde nur durch mehrere Rechtsprechungen des Bundesverfassungsgerichtes etabliert.13 Dabei wird eine Definition herausgearbeitet, die die selbstständige Ausübung einer typischerweise pressebezogenen Tätigkeit, die Notwendigkeit dieser Tätigkeit für das Funktionieren einer freien Presse und die organisatorische Bindung der Tätigkeit an die Presse hervorhebt.14 Dass ein Presse-Grossist selbständig arbeitet, ist durch die Natur seines Berufes, der Abnahme und des Weiterverkaufes von Ware, gegeben. Und dass eine freie Presse nur durch die bundesweite Verbreitung von Presseprodukten gewährleistet werden kann, wurde oben bereits erläutert. Zwar könnte auch ohne die spezielle Grossistentätigkeit durch beispielsweise Direktbelieferungen und verlagsinterne Vertriebs- systeme eine freie Presse und ausgewogene öffentliche Meinungs- bildung entstehen, jedoch ist in Deutschland nunmal der Vertrieb mehrheitlich über das Grosso-System gestaltet und macht diesen deswegen essentiell für den Erhalt der verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter. Da der Grossist weder in ein Presse- unternehmen eingegliedert ist, noch inhaltlichen Bezug zu den Produkten besitzt, muss ihm schließlich eine enge organisations- bezogene Bindung zugesprochen werden können.15 Diese ist bei Presse-Grossisten durch die Verschiebung des Haftungsrisikos durch das Remissionsrecht auf die Verlage und damit Haftungs- entlastung der Grossisten, Dispositionsrechte der Verlage und der Gebietsmonopole der Grossisten gewährleistet.16 Diese Beziehungs- ausgestaltung zwischen den Grossisten und Verlage ist in ihrer „Gemeinsamen Erklärung“ festgehalten, auf welche später noch näher eingegangen werden soll. Schlussendlich ist festzuhalten, dass durch ein staatliches Eingreifen in die Grossistentätigkeit eine Einschränkung der Pressefreiheit und die freie Meinungsverbreitung gegeben wäre und diese aufgrund dessen dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG unterliegt.

b. Kartellrecht

Das nationale Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (folgend GWB) befasst sich mit der Bekämpfung von Wettbewerbs- beschränkungen und soll damit für die Sicherstellung einer leistungsfähigen Wirtschaft in Deutschland sorgen.17 Dabei muss aber beachtet werden, dass das europäische Kartellrecht bei selbigem Sachverhalt Vorrang genießt. Auch wenn das GWB mit innerstaatlichem Anwendungsbereich nicht in den grenzüber- schreitenden Anwendungsbereich des EU-Rechts tritt, stellen die europäischen Wettbewerbsnormen grundsätzlich immer geltendes Recht dar.18

(1) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

In Bezug auf das Presse-Grosso wird Art. 101 AEUV relevant, da sich dieser in Abs. 1 mit dem Verbot von wettbewerbs- beschränkenden Vereinbarungen und auf einander abgestimmten Verhaltensweisen und in Abs. 3 mit den Ausnahmen davon befasst. Durch das Verbot von Preis-Festsetzungen in Art. 101 Abs. 1 a) AEUV und das Verbot von Marktaufteilung in Art.101 Abs. 1 c) AEUV könnte das Grosso-System durch seine Preisbindung und Gebietsmonopole schon unvereinbar sein, wenn es nicht durch Art 101 Abs. 3 AEUV ausgenommen wird. Eine aktuelle richterliche Entscheidung des OLG Düsseldorf stellt fest, dass das Grosso- System eben durch seine Preisabsprachen und die räumliche Aufteilung im gesamten Bundesgebiet zu einer Ausschaltung des Wettbewerbs von einem wesentlichen Teil der im relevanten Markt tätigen Unternehmen führt und somit nicht eine Ausnahme durch Art. 101 Abs. 3 AEUV darstellt.19 Außerdem geht die herrschende Meinung davon aus, dass eben durch den totalen Ausfall jeglichen Wettbewerbs der Verbraucher benachteiligt wird, und Art. 101 Abs. 3 AEUV hier keine Anwendung findet.20 Auch eine Ausnahme mit Art. 106 Abs. 2 AEUV wird überwiegend ausgeschlossen, da die erforderliche Betrauung eines Unternehmens mit Dienstleistungen von allgemeinen wirtschaftlichen Interesse durch Hoheitsakt dem Zweck des Presse-Grossos zwar zugeschrieben werden könnte und der Erhalt eines pluralistischen Pressewesens als eine derartige Dienstleitung eingestuft werden kann, jedoch in sämtlicher Rechtsprechung bislang verneint wurde.21

[...]


1 Epping, Grundrechte, S. 92, Rn. 209.

2 Epping, Grundrechte, S. 102 Rn. 231.

3 Seufert/Gundlach, Medienregulierung in Deutschland, S. 182.

4 Beck, Das Mediensystem Deutschlands, S. 120.

5 Seufert/Gundlach, Medienregulierung in Deutschland, S. 188.

6 Immenga/Mestmäcker/ Emmerich GWB § 30 Rn. 16.

7 Immenga/Mestmäcker/ Emmerich GWB § 30 Rn. 16.

8 Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V., abgerufen am 04.12.2014 auf http://www.pressegrosso.de/branche/pressevertrieb.html.

9 Seufert/Gundlach, Medienregulierung in Deutschland, S. 189.

10 Beck, Das Mediensystem Deutschlands, S. 120. BGH, NJW 2012, 773, (50).

11 sämtlichen Presseprodukten sichergestellt ist.12 Rechtlich relevant ist

12 OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.02.2014 - Az. VI - U (Kart) 7/12 Rn. 94.

13 BVerfGE 77, 346, (37).

14 BVerfGE 77, 346.

15 BVerfGE 77, 346, (39).

16 BVerfGE 77, 346, (40).

17 Ekey, Grundriss des Wettbewerbs- und Kartellrechts, S. 185, Rn. 587.

18 Ekey, Grundriss des Wettbewerbs- und Kartellrechts, S. 182, Rn. 580.

19 OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.02.2014 - Az. VI - U (Kart) 7/12 Rn. 86.

20 Immenga/Mestmäcker/ Emmerich, § 30 GWB, Rn. 164.

21 OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.02.2014 - Az. VI - U (Kart) 7/12 Rn. 96.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Zeitungsvertrieb und Kartellrecht. Presse Grosso
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb)
Veranstaltung
Juristisches Seminar, Recht als Nebenfach Seminar Informationsrecht
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
21
Katalognummer
V323321
ISBN (eBook)
9783668225596
ISBN (Buch)
9783668225602
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
zeitungsvertrieb, kartellrecht, presse, grosso
Arbeit zitieren
Katharina Geiger (Autor:in), 2015, Zeitungsvertrieb und Kartellrecht. Presse Grosso, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323321

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