Lateinamerikanische Wirklichkeit in Historiographie und Fiktion

"Os sertões" von Euclides da Cunha und "La guerra del fin del mundo" von Mario Vargas Llosa im Vergleich


Magisterarbeit, 2003

136 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung: ereignisgeschichtlicher Abriss

2. Das Problem der Gattung
2.1. Historisches und literarisches Erzählen
2.2. Der historische Roman
2.3. Gattungsbestimmung der beiden Werke
2.3.1. Os sertões: Wissenschaft und Fiktion
2.3.2. La guerra del fin del mundo: Intertextualität und Referentialität

3. Ideologische und literaturtheoretische Voraussetzungen
3.1. Das Wissenschaftsverständnis und die politische Haltung Euclides da Cunhas
3.2. Die Romantheorie Mario Vargas Llosas

4. Darstellungsästhetische Aspekte
4.1. Erzählsituation und Sprache in beiden Werken
4.2. Struktur und Argumentationsführung
4.2.1. Os sertões: spannende Argumente
4.2.2. La guerra del fin del mundo: spannende Geschichten

5. Personen und Personengruppen im Vergleich
5.1. Die Besetzer von Canudos
5.1.1. Die sertanejos
5.1.2. Antonio Consejero
5.2. Galileo Gall
5.3. Moreira César und die Soldaten
5.4. Rufino und Jurema
5.5. Der kurzsichtige Journalist
5.6. Der Baron von Cañabrava

6. Wirklichkeit, Wahrheit und Geschichtskonzeption
6.1. Versionen der Wahrheit
6.2. Möglichkeiten, Grenzen und Sinn der Geschichtsschreibung
6.3. Die Geschichtskonzeption in beiden Werken
6.4. Fiktion und Wirklichkeit

7. Zusammenfassung: Vargas Llosas „nueva novela histórica“ und Da Cunhas Größe

Abkürzungsverzeichnis

Bibliographie

1. Einleitung: ereignisgeschichtlicher Abriss

Zwei große Werke der lateinamerikanischen Literatur, Os sertões (1902) von Euclides da Cunha aus Brasilien und La guerra del fin del mundo (1981) von Mario Vargas Llosa aus Peru,[1] befassen sich mit demselben historischen Ereignis: ein regionaler Bürgerkrieg im Nordosten Brasiliens Ende des 19. Jahrhunderts, der sogenannte Canudos-Krieg.

Euclides da Cunha (1866-1909) war Zeit- und zum Teil Augenzeuge dieser Auseinandersetzung. Als Ingenieur von der Escola Militar da Praia Vermelha (Rio de Janeiro) und Gelegenheitsjournalist begleitete er die vierte Militärexpedition gegen Canudos als Reporter der republikanischen Tageszeitung Estado de São Paulo und erlebte die letzten drei Wochen des Krieges vor Ort mit. Aber bereits vorher hatte er sich mit dem Thema „Canudos“ in zwei Zeitungsartikeln mit dem jeweiligen Titel „A nossa Vendéia“ befasst.[2] Als er krank und traumatisiert wenige Wochen vor Kriegsende aus Canudos zurückkam, entschied er sich, ein Buch zu schreiben, das alle Grausamkeiten und Versäumnisse des unrühmlichen Konflikts anklagen sollte.

Vargas Llosa (*1936) begann sich seinerseits für den Canudos-Krieg zu interessieren, als ihm der Filmproduzent Ruy Guerra in den 70er Jahren den Auftrag für ein Drehbuch darüber gab, das er auch tatsächlich schrieb. Ein Film wurde jedoch nie verwirklicht. Dafür weckten die Nachforschungen und vor allem die Lektüre von Os sertões das Interesse des peruanischen Romanciers, so dass er sich dazu entschloss, den Stoff in einem Roman zu verarbeiten. Nach zweijährigem Schaffen reiste er nach Brasilien an den einstigen Kriegsschauplatz und kehrte mit zahlreichen neuen Erkenntnissen und Ideen zu nochmals zweijähriger Arbeit an seinen Schreibtisch zurück. Die Hauptquelle des Romans ist dabei nachweislich Os sertões,[3] ein Werk, das der Peruaner wiederholt gelobt hat, da es sich für ihn wie ein Handbuch zur lateinamerikanischen Seinsweise liest, weil sämtliche kulturelle und ethnische Elemente des Subkontinents darin vertreten sind:

Creo que vale por muchas cosas, pero sobre todo porque es como un manual de latinoamericanismo; es decir, en este libro uno descubre primero lo que no es América Latina. América Latina no es todo aquello que hemos importado. No es tampoco Europa, no es el África, no es la América pre-hispánica o las comunidades indígenas, y al mismo tiempo es todo eso mezclado, conviviendo de una manera muy áspera, muy difícil, violenta a veces. Y de todo eso ha resultado algo que muy pocos libros antes de Os sertões lo habían mostrado con tanta inteligencia, con tanta brillantez literaria. Yo quedé deslumbrado (Vargas Llosa/Setti 1988, 4).[4]

Der intertextuelle Bezug des neueren Werks zum älteren, das gemeinsame Thema und seine Verarbeitung in einem historiographischen Werk einerseits und einem fiktionalen Werk andererseits fordern einen genetischen Vergleich nach der Methode der Komparatistik geradezu heraus.

Die historischen Fakten, die zum Verständnis der beiden Werke nötig sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der Wanderprediger Antônio Conselheiro (mit bürgerlichem Namen Antônio Vicente Mendes Maciel) durchzog rund dreißig Jahre das Gebiet des Sertão im Nordosten Brasiliens (in den Bundesstaaten Bahia, Sergipe, Piaui) und predigte vor den armen, ungebildeten Sertão-Bewohnern, bis er und seine stets gewachsene Anhängerschaft, zu der auch viele berüchtigte Kriminelle zählten, sich 1893 in der verlassenen Viehhazienda Canudos niederließen und sie besetzt hielten. Seine tiefe Frömmigkeit hatte Antônio Conselheiro dazu veranlasst, die neuen Gesetze der seit 1898 bestehenden Republik abzulehnen. Er interpretierte die Einführung der Zivilehe als Sakrileg und die Volkszählung, bei der die Einwohner auch Angaben zu ihrer Hautfarbe machen mussten, als vorbereitende Maßnahme zur Wiedereinführung der Sklaverei. Da für ihn die Republik keine von Gott gewollte Herrschaftsform war wie vermeintlich oder vorgeblich die Monarchie, widersetzte er sich der Zahlung von Steuern an den neuen Staat. Daher lehnte er auch das neue Geld ab und bestimmte, dass in Canudos weiterhin mit den Münzen des Kaiserreichs gehandelt werden müsste. Die Zentralregierung interpretierte die religiöse Vereinigung als umstürzlerische Bewegung und ging, ohne Verhandlungsversuche unternommen zu haben, militärisch gegen die Besetzer vor, die mit religiösem Eifer Heim und Leben verteidigten. Die vier immer aufwendigeren Militärexpeditionen,[5] zu denen insgesamt ein Drittel des brasilianischen Heers mobilisiert werden musste, zogen sich über den Zeitraum von fast einem Jahr hin. Schließlich fiel Canudos 1897 nach einer viermonatigen Dauerbelagerung rund zwei Wochen nach dem Tod des Conselheiro. Nahezu alle Einwohner (Schätzungen zufolge 15.000 bis 25.000 Menschen) kamen dabei ums Leben.

Im Gegensatz zu den hispanoamerikanischen Ländern war Brasilien seit seiner Unabhängigkeit von 1822 bis 1889 ein Kaiserreich mit rein portugiesischstämmiger Führungsspitze und weiterhin offizieller Sklaverei. Erst 1888 wurde diese noch unter der Monarchie abgeschafft und das Land ein Jahr später durch einen Militärputsch gewaltsam zur Republik umgewandelt. Die darauffolgenden Jahre sind gekennzeichnet durch schwere Wirtschaftskrisen und nur schleppend vorangehenden gesellschaftlichen Veränderungen, wie dem Abbau des Patriarchatsystems. Die beiden ersten Präsidenten, Deodoro da Fonseca und Floriano Peixoto, kamen aus den Reihen der Militärs. Mit Präsident Prudente de Morais begann 1894 die Phase ziviler Regierungen und der wirtschaftlichen Konsolidierung, die aber nicht bis in die untersten Schichten griff. Eine föderalistische Revolution in Rio Grande do Sul mit monarchistischen und separatistischen Zügen und eine Meuterei der kaisertreuen Armada (1893-94) gefährdeten und verunsicherten die junge Republik und begünstigten übereilte Interpretationen in Hinblick auf den späteren Canudos-Konflikt (Nogueira Galvão 1981, 72f). Zu dieser Zeit standen sich im Wesentlichen zwei konkurrierende politische Lager gegenüber: die positivistischen „Jakobiner“, die eine zentralisierende Militärdiktatur favorisierten, und die liberalen Demokraten, die eine föderative Zivilregierung anstrebten. Die militaristische Strömung gelangte zu ihrer größten Machtausdehnung unter Präsident Floriano Peixoto (1891-1894), der die erwähnten Aufstände äußerst scharf bekämpfte. Seine Anhänger, die Florianisten, verfolgten eine Ideologie der „nationalen Rettung“ und sahen Peixoto als Diktator im Sinne Auguste Comtes,[6] (vgl. Ventura 1990, 132). Sie rechtfertigten die Anwendung von Gewalt mit dem Ziel, Freiheit zu erlangen, und mystifizierten das Heer als Befreiungsinstanz der Nation (Ventura 1990, 133). Das zähe Standhalten der Einwohner von Canudos gegen das Militär veranlasste die Florianisten, die zivile Regierung von Prudente de Morais in Frage zu stellen und zu destabilisieren. Ventura sieht in den politischen Anfeindungen zwischen den konkurrierenden Parteien sogar den eigentlichen Kern des Canudos-Konflikts (vgl. Ventura 1990, 134) und auch bei Vargas Llosa entsteht zeitweilig dieser Eindruck.

Ein Vergleich der beiden Werke Os sertões und La guerra... muss deren spezifische Machart berücksichtigen, das heißt auf ihre jeweilige Zugehörigkeit zu einer bestimmten Textsorte eingehen. Beide Werke schwanken in einer für sie eigentümlichen Weise zwischen Historiographie und Fiktion. Diese Diskurstypen unterscheiden sich in ihrem Verhältnis, das sie zur Wirklichkeit etablieren, und in ihrem Anspruch, historische Wahrheiten ausdrücken zu können und zu wollen, so dass sich die Frage nach Art und Gültigkeit ihrer Aussagen förmlich aufdrängt.

2. Das Problem der Gattung

2.1. Historisches und literarisches Erzählen

Von der Antike an, in der Historiographie als literarische Gattung galt, bis Mitte des 19. Jahrhunderts unterschied man nicht bewusst zwischen historischem und literarisch-fiktionalem Erzählen (Mata 1995, 14). Die Geschichtswissenschaft wurde erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zuerst an den deutschen Universitäten, dann in anderen Ländern, als Forschungs- und Unterrichtsdisziplin eingeführt. In der Folge entstand ein verstärktes Bedürfnis, Geschichtsschreibung und fiktionale Literatur voneinander abzugrenzen. Spang (1995) hat einige Unterscheidungskriterien für die beiden Diskursarten zusammengestellt:

Beim historischen Erzählen unterliegt der Autor der moralischen Verpflichtung, die Quellen zu nennen. Sein Diskurs strebt Genauigkeit und wissenschaftliche Stringenz beim Auffinden der Wahrheit sowie die dafür als idealtypisch geltende Objektivität an. Jedoch verläuft die Selektion und Interpretation des Quellenmaterials unvermeidlich unter subjektiver Schwerpunktsetzung, obwohl eine sachliche Distanz zwischen erzählendem Subjekt und erzähltem Objekt besteht. Dies wird unter anderem an der bevorzugten Verwendung der dritten Person Singular eines Vergangenheitstempus deutlich. In der Historiographie überwiegt diegetisches[7] Erzählen das mimetische[8], das heißt, die Wirklichkeit wird nicht im eigentlichen Sinne nachgeahmt, sondern der Autor spricht über das, was passiert ist, mit anderen Worten, er paraphrasiert Geschichte und somit Wirklichkeit. Seine Sprache ist dabei möglichst eindeutig und denotativ. Der Geschichtsschreiber erhebt einen Autoritätsanspruch über das Gesagte. Das Diskursende bleibt, wie der Zeitenverlauf, offen. Aust präzisiert neben den Kriterien von Spang, dass historisches Erzählen bedeute, „Geschichten zu erzählen, die wiedererkennbare Geschichte voraussetzen“. Es stellt somit in der Vergangenheit Geschehenes dar oder genauer „was bereits als geschehen mitgeteilt wurde“ (Aust 1994, 17). Der Kritiker legt damit den Akzent auf den Umstand, dass das Material des historischen Erzählens fast ausschließlich aus schriftlichen Quellen erhoben werden muss, da ein unmittelbarer Zugriff auf die vergangene Wirklichkeit unmöglich ist.

Die Charakteristika des literarischen Diskurses stellen in vielen Punkten die Umkehrung der eben genannten dar. Literatur unterliegt der Fiktionalitätskonvention, so dass, wenn von literarischem Erzählen gesprochen wird, automatisch auch von fiktionalem Erzählen gesprochen wird. Literarisches Erzählen ist autoreferenziell, das heißt, die Überzeugungskraft des Schriftstellers führt dem Leser eine literarische Wahrheit vor, die keiner außersprachlichen Verbürgung bedarf, aber gerade deshalb eine größere Kohärenz, Anschaulichkeit und Glaubhaftigkeit benötigt. Der literarische Diskurs ist nicht nur diegetisch, sondern auch mimetisch, das heißt, er erweckt den Anschein von Wirklichkeit mit Hilfe von Persuationsstrategien und versucht mit literarischen Techniken (z.B. Dialogen, szenischen Darstellungen) die Wirklichkeit nachzuahmen. Hierbei sind nicht Objektivität und Genauigkeit, sondern Subjektivität und Kreativität ausschlaggebend. Es handelt sich um einen multivokalen und an kein bestimmtes Tempus gebundenen Diskurs, dessen literarische Sprache konnotativ und mehrdeutig ist. Literarisches Erzählen subjektiviert und fiktionalisiert Geschichtliches (Spang 1995, 116ff). Aust hingegen streitet eine Unterscheidungsmöglichkeit von literarischem und historischem Erzählen anhand der narrativen Mittel ab. Als einziges Unterscheidungskriterium lässt er die Herkunft des Materials aus dem „historischen Steinbruch“ beziehungsweise aus der „Einbildung“ gelten (Aust 1994, 18f). Dennoch erscheint es gerechtfertigt, Unterscheidungskriterien aufzustellen, da sie – mag auch jedes für sich genommen widerlegbar sein – dennoch in ihrer Gesamtheit eine Tendenz aufzeigen, die eine Einordnung und Beurteilung eines konkreten Textes erleichtert.

Darüber hinaus hängt die Entscheidung für den einen oder anderen Diskurstyp auch in großem Maße von einer extratextuellen Größe ab, nämlich dem Selbstverständnis des Autors, der sich entweder als Historiograph oder als Romancier definiert. Dies ist nicht unbedingt eindeutig aus dem Text ablesbar, vor allem dann nicht, wenn historisches und literarisches Schreiben so eng nebeneinander liegen wie in Os sertões. Hilfreich zur Beantwortung der Frage nach der Textgattung eines Werkes sind somit Aussagen des Autors über den intentionalen Charakter seines Werks, sowie paratextuelle Fiktionalitätssignale (z.B. die Deklaration eines Werks als Roman auf der Titelseite).

Was bisher als historisches Erzählen bezeichnet wurde ist genauso wenig wie das literarische Erzählen, das in unzählige Individual- und Epochenstile zerfällt, als einheitliches Ganzes zu begreifen. Die Art der Darstellung ist abhängig von der jeweiligen Vorstellung des Historikers über die geschichtliche Zeit. Traditionell gibt es zwei Grundmuster für eine Zeitkonzeption: ein teleologisches und ein zyklisches.[9] Daneben findet man die Vorstellung von der kontingenten Geschichte, die vor allem in neuerer Zeit (20. Jahrhundert) auf Geschichtsschreibung und Literatur eingewirkt hat.[10] Hier wird der Zeitenverlauf als Anhäufung unzusammenhängender Ereignisse, denen erst der Historiker einen Sinn verleiht, verstanden (Spang 1995, 73f).

Den unterschiedlichen Arten der Zeitkonzeption entsprechen unterschiedliche Formen der Geschichtsschreibung. Historiker mit teleologischem oder zyklischem Geschichtsverständnis glauben in der Regel an die Kohärenz der Geschichte und rekonstruieren diesen vorgeblich zusammenhängenden Block von Kausalbeziehungen wie dereinst Leopold von Ranke.[11] Bei dieser Vorgehensweise besteht jedoch die Gefahr der verbalen Verdoppelung der Realität ohne Wissenszuwachs (Spang 1995, 74-76).

Historiker, die nicht an die Kausalbeziehungen zwischen den geschichtlichen Ereignissen glauben, schreiben hingegen interpretativ. Sie zweifeln an einer möglichen Objektivität sowie an der Integrität der Geschichte. Den für sich genommenen Ereignissen wird kein Sinn zugestanden, ein solcher muss ihnen erst durch eine Interpretation verliehen werden. Dies geschieht über Narrativität, die Verbindungen zwischen den Ereignissen herstellt, somit zwangsläufig fiktionalisiert und die Gefahr einer Fehlinterpretation birgt (Spang 1995, 77-79). Die Wahrheit liegt, laut Spang, für die zeitgenössischen Historiker in der Mitte. Weder die Suche nach einer lückenlosen Ursache-Folge-Kette der historischen Ereignisse, noch die Negierung einer solchen dürfen die alleinigen Prämissen der Geschichtsschreibung sein.

Mit Hilfe der Unterscheidung zwischen historischem und literarischem Erzählen kann man sich an die Gattung „historischer Roman“, zu der La guerra... gerechnet wird, annähern (siehe folgendes Kapitel). Zur genaueren Gattungsbestimmung von Os sertões halte ich es jedoch für notwendig, vorab einen dritten Diskurstyp zu unterscheiden und zu charakterisieren, nämlich einen naturwissenschaftlichen im Allgemeinen.

Im Gegensatz zum historischen Diskurs steht er in der Regel im Präsens statt im Präteritum und spricht nicht von einer Person, sondern von Phänomenen oder Dingen im weitesten Sinn. Daraus folgt, dass er keine Kette von zeitlich aufeinander folgenden Ereignissen knüpft, sondern sich weitgehend auf zeitlich nicht verortete Beschreibungen konzentriert, was nicht ausschließt, dass kausale Zusammenhänge zwischen den Phänomenen aufgezeigt werden. Diegetische sowie mimetische Strukturen sind also deskriptiven untergeordnet. Wie im Falle des historischen Diskurses besteht eine Distanz zwischen Autor und Objekt und es wird Autorität über das Gesagte erhoben. Die Sprache ist ebenfalls möglichst denotativ und eindeutig, zeichnet sich aber gegenüber der Geschichtsschreibung durch einen verstärkten Gebrauch eines terminologisch normierten Wortschatzes aus, der als charakteristisch für Fachsprachen gilt. In der Syntax herrschen, stärker als bei der Historiographie, Nominalstil und unpersönliche Konstruktionen vor. Des Weiteren rekonstruiert sich sein Stoff auch nicht in erster Linie aus schriftlichen Quellen, sondern aus Ergebnissen von Beobachtungen und empirischen Experimenten.

2.2. Der historische Roman

Die bewusste Trennung von Literatur und Historiographie ist Voraussetzung für ihre bewusste Vermengung. Solange keine Trennung der beiden Konzepte stattfand, gab es folglich auch keinen historischen Roman, dessen Merkmal ja gerade ihre (wie auch immer geartete) Vermischung ist. Vor dem 19. Jahrhundert bestand die Subgattung historischer Roman also nicht in unserem heutigen Verständnis, obwohl es schon sehr früh zahlreiche literarische Formen gab, die historisches Material mitverarbeiteten (z.B. Epos, „mester de clerecía“, Ritterroman; vgl. Mata 1995, 26ff). Dem höfischen Roman des Barock diente die Geschichte als „poetologisches Element (Wahrscheinlichkeit), belehrendes Exempel oder Projektion der Gegenwart“ und dem Trivialroman des späten 18. Jahrhunderts als Kostümeffekt (Meid 1999, 230f). Der historische Roman des 19. Jahrhunderts zielt demgegenüber auf die geschichtliche Wahrheit des Dargestellten selbst und gerät damit in ein Spannungsverhältnis zwischen diesem Anspruch und der fiktionalen Umsetzung des Stoffes. Als Urvater des historischen Romans in diesem Sinne gilt Walter Scott mit seinen Waverley- Romanen (1814). Lukács hat seine Theorie zum historischen Roman aus der Scott’schen Tradition hergeleitet. Die wichtigsten Merkmale dieser „klassischen Form“ des historischen Romans sind ihm zufolge eine große Nähe zu den historischen Fakten, die Darstellung der Besonderheit der handelnden Menschen, die aus der Eigenart ihrer Zeit abgeleitet wird, und die Darstellung großer gesellschaftlicher Krisen. Das Zentrum bildet der volkstümliche „mittlere Held“, der mit beiden Konfliktparteien in Verbindung steht und eine unbedeutende, erfundene Hauptfigur darstellt, wohingegen die Nebenfiguren bekannte historische Persönlichkeiten sind. Das volkstümliche Element wird bei Scott und seinen Nachfolgern zur Erzeugung des Eindrucks der Echtheit und Erlebbarkeit des Historischen eingesetzt (vgl. Aust 1994, 42). Die geistige Voraussetzung für die Entstehung des Subgenres lieferte Johann Gottfried Herders neues entwicklungsgeschichtliches Denken, die Geschichtsphilosophie Hegels, die Idealisierung der nationalen Vergangenheit durch die Romantiker und Leopold von Rankes Historismus, wonach „alle kulturellen Erscheinungen unter dem Gesichtspunkt ihrer geschichtlichen Entstehung und Entwicklung zu verstehen seien“ (Meid 1989, 232).[12]

Unter den neueren Arbeiten, die Klassifizierungskriterien für die Untergattung „historischer Roman“ anbieten, dürfte die differenzierteste Der historische Roman in England und Amerika (1981) von Ina Schabert sein. Daneben ist die schon zitierte, weniger anschauliche Arbeit von Hugo Aust Der historische Roman (1994) zu erwähnen.[13] In der Forschungsliteratur herrscht Konsens darüber, dass die Versuche, den Historischen Roman als Subgattung zu definieren, stets entweder zu einer zu starken Verengung oder zu einer übermäßigen Ausweitung des Subgenres führen, so dass die Einteilung oftmals hinfällig wird. Sie wird von den Literaturwissenschaftlern dennoch angestrebt, weil die Zusammenfassung von Werken mit bestimmten gemeinsamen Eigenschaften eine vergleichende Betrachtung zulässt, die zu neuen Erkenntnissen führen kann.

Definiert man den historischen Roman nur über seinen Stoffbereich im Sinne, dass er eine „epochenspezifische, kollektiv vorgewusste Wirklichkeit“ zum Thema nimmt und diese über Zeit- und Ortsangaben identifizierbar macht, so gerät er in die Nähe des Zeitromans oder fällt sogar mit ihm zusammen. Das gemeinsame Klassifikationskriterium für beide Subgattungen wäre dann die „panoramatische Breite und gesellschaftliche Repräsentativität der dargestellten Welt“ oder die „dokumentarische Funktion“ des Romans (Schabert 1981, 2). Die zeitversetzte Lektüre eines Gesellschafts- oder Zeitromans, der die Lebensverhältnisse des Autors zum Entstehungszeitpunkt des Romans thematisiert, macht diesen insofern zu einem historischen Roman, als er dem Leser späterer Generationen Aufschluss über eine für ihn vergangene Epoche gibt. Da jedoch fast alle Romane in einer bestimmten Zeit angesiedelt sind, sei es in der Gegenwart, der Vergangenheit oder sogar in der Zukunft (manche Kritiker wollen sogar Science Fiction in die Subgattung miteinbeziehen) und mehr oder weniger Auskunft über bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse geben, fällt der historische Roman, wenn dies das einzige Unterscheidungskriterium bleibt, mit dem Roman schlechthin zusammen.

Eine andere Möglichkeit der Klassifizierung ist die Eingrenzung des historischen Romans über das produktionsästhetische Kriterium des nachzeitigen Erzählens, das seinen Stoff aus historischen Quellen rekonstruiert. Somit rückt die Beziehung zwischen dem Autor und der dargestellten Geschichte, welche nun als „fremde Welt“ charakterisiert werden muss, in den Vordergrund (Schabert 1981, 4f). Dies bringt den Romanschriftsteller in große Nähe zum Historiker. Reizt man dieses Klassifikationskriterium bis zu seinen Extrempunkten aus, so entartet der historische Roman bei der Darstellung allzu fremder Welten zu reiner Fiktion oder zum Abenteuerroman.[14] Daher herrscht heute Einstimmigkeit darüber, dass nur derjenige Roman ein historischer ist, der eine „mittlere Vergangenheit“ darstellt. Häufig wird in diesem Zusammenhang Lukács zitiert, der diese als „Vorgeschichte der Gegenwart“ bezeichnet, also als eine Epoche, die auf die Wirklichkeit des Lesers erkennbaren Einfluss genommen hat (Schabert 1981, 8).

Schabert schlägt wegen der Gefahr der Auflösung des Subgenres ein mechanisches Abgrenzungskriterium vor. Die Handlung der Fiktion soll demnach in einer Epoche liegen, die der Autor nicht selbst miterlebt hat und die er somit aus nichtfiktionalem Textmaterial rekonstruieren muss. Als gemeinsames übergeordnetes Thema aller historischer Romane sieht Schabert „die Inhalte und Formen des Geschichtsbewusstseins“ (Schabert 1981, 9).

Wie aber verbinden sich im historischen Roman Geschichte und Fiktion? Geschichtsschreibung und fiktionales Erzählen sind zwei verschiedene Aussageweisen und Arten der Wirklichkeitsverarbeitung. Die Verbindung beider im historischen Roman erscheint paradox. Schon Aristoteles unterschied: Geschichte berichtet tatsächlich Geschehenes, Zufälliges und Partikulares, wohingegen die Dichtung (d.h. Fiktion) von der allgemeingültigen, überzeitlichen und regelhaften Wahrheit nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit spricht (Schabert 1981, 10).[15] In den Theorien zum historischen Roman wurden Versuche unternommen, diese paradoxe Verschmelzung entweder zugunsten der Fiktion oder zugunsten der Geschichte aufzulösen. In ersterem Fall wird der historische Roman als Fiktion verstanden, die ein fremdes Element integriert, das je nach Kritiker und Autor entweder positiv oder negativ bewertet wird (Schabert 1981, 12-15), während in letzterem Fall die Geschichte als wesentliches, strukturierendes Moment im Vordergrund steht, dem sich die fiktiven Elemente nur in einer ästhetischen, schmückenden Funktion anschließen. Oft wird dabei die Fiktion als Gewinn betrachtet, weil sie das historische Erzählen durch eine teilnehmende Innensicht komplementiert (Schabert 1981, 15-19). Steht aber die Fiktion im Zentrum der Betrachtungsweise, so ist zu hinterfragen, inwiefern sie eine geschichtliche Wahrheit mitausdrücken kann. Schabert spricht von einem „spezifische[n] Aussagebereich“ des historischen Romans, der durch eine Selektion des geschichtlichen Quellenmaterials entsteht. Nur besonders repräsentative und aussagekräftige Elemente werden vom Romancier gewählt, mit dem Ziel, die Vergangenheit typisierend darzustellen und als sinnkräftig erscheinen zu lassen, im Gegensatz zu einer historischen, möglichst vollständigen Bestandsaufnahme. Die Sinnstiftung durch Selektion wird vom Leser nur verstanden, wenn er bereits über ein historisches Vorwissen verfügt (Schabert 1981, 19-24). Insofern vermag die Fiktion eine besonders konzentrierte und für den Leser nachvollziehbare geschichtliche Aussage zu statuieren, die, auch wenn sie teils den historischen Fakten widerspricht, durch ihre besondere Aufbereitung größere Einsichten in allgemeine geschichtliche Zusammenhänge und Mechanismen leisten kann als die Geschichtsschreibung.

Das Problem der widersprüchlichen Vermischung der zwei Diskursformen stellt sich jedoch nicht, wenn man die Geschichte als ein bereits sinnvolles, logisches Ganzes betrachtet und ihr somit eine naturgegebene poetische Dimension zuspricht. Die Dichtung kann somit die Geschichte in ihrem transzendierenden Sinn erfassen, da diese den Strukturgesetzen jener gehorcht. Dies setzt eine idealistische Geschichtsphilosophie voraus, wie die christlich-teleologische, die nationalliberal-progressive oder die hegelianische. Der historische Roman, verstanden als „fiktionale Konkretisation einer objektiven ‘Poesie’ der Geschichte“, bestünde in seiner extremen Ausprägung aus rein fiktiven Elementen, aus denen die Sinnstruktur der Geschichte hervorginge (Schabert 1981, 24-29).[16]

Umgekehrt kann man sowohl den historischen Roman als auch die Geschichtsschreibung als lediglich vereinfachende Modelle der Geschichte begreifen. Dieser Anschauung liegt ein nachkantianisches Denken zugrunde, das nicht an die objektive Erkenntnismöglichkeit der Wirklichkeit und somit der Geschichte glaubt, und ihr nur eine subjektive Sinngebung zugesteht. Auch in dieser Betrachtungsweise verschwimmen die Grenzen zwischen literarischem und historischem Erzählen, da sowohl Romancier als auch Historiker nur ein provisorisches, bewusstseinsbedingtes Bild der Geschichte liefern können, beide die Lücken des Quellenmaterials im Sinne einer (subjektiven) Kohärenzbildung auffüllen und somit die Faktizität eines historischen Romans nicht an der Historiographie verifiziert werden kann (Schabert 1981, 29-33).[17]

Parallel zu der Unterscheidung zweier Arten der Geschichtskonzeption trennt Spang zwischen zwei Typen des historischen Romans. Er spricht hier von einer illusionistischen Ausprägung der Subgattung, (die mit dem traditionellen, teleologischen und zyklischen Geschichtsverständnis korrespondiert), und einer antiillusionistischen Ausprägung, (die der Auffassung von Geschichte als Kontingenz entspricht). Bis Ende des 19. Jahrhunderts kann man nahezu ausschließlich vom illusionistischen Typ ausgehen, der in der Tradition der Romantik steht. In ihm wird die Illusion von Authentizität und Wahrhaftigkeit der Handlung angestrebt, so dass Geschichte und Fiktion überein zu stimmen scheinen (die Scott’sche Tradition). Der allwissende, intradiegetische Erzähler entwickelt eine Kausalkette der Ereignisse, beurteilt die Personen, nimmt am Geschehen teil und verfügt über keine Distanz zum Erzählten. Der Einzelmensch wird als der Motor der psychologisierten und partikularisierten Geschichte begriffen. Es werden Identifikationsfiguren angeboten, denen in manichäischer Weise Negativfiguren gegenüberstehen. Dem Epochengeist gemäß kommt es zu einer romantischen Überhöhung des Individuums und einer Totalisierung des menschlichen Daseins. Deskriptive und mimetische Erzählverfahren herrschen vor. Das Ende ist geschlossen und eine provisorische Konfliktlösung wird angeboten (Spang 1995, 85-90).

Den Gegensatz dazu bildet der antiillusionistische Typ des historischen Romans, der mit fast allen Regeln des illusionistischen Typs bricht. Im antiillusionistischen Roman werden unzusammenhängende Ereignisse mit provisorischem und falsifizierbarem Ausgang dargestellt. Die Trennung zwischen Geschichte und Fiktion wird offensichtlich gemacht. Der extradiegetische Erzähler wendet Verfremdungstechniken an, die in der Diskontinuität und Inkongruenz des Erzählten bestehen. Er urteilt subjektiv, positioniert sich aber trotzdem in Distanz zum Geschehen und kommentiert und reflektiert auf einer metahistorischen Ebene. Nicht ein Erzählstrang dominiert den Roman, sondern viele Geschichten und Perspektiven. Die Massen, nicht das Individuum, bewegen eine nicht dualistische Welt ohne Identifikationsfiguren. Der Fortgang der Geschichte wird desindividualisiert und departikularisiert; das Ende bleibt offen (Spang 1995, 91-94).

Die hier aufgezählten Charakteristika gelten im Großen und Ganzen auch für die sogenannte „nueva novela histórica latinoamericana“, werden bei Spang jedoch nicht explizit auf diese bezogen. Die Einteilung dient bei einer Interpretation zwar zur Orientierung, jedoch erscheinen nur selten alle Kriterien in einem konkreten Werk vereint, so dass es sich meistens um ein Mehr oder Weniger in Bezug auf die beiden Kategorien handelt.[18]

Die „nueva novela histórica“ ist in Lateinamerika seit 1979 verstärkt in Mode gekommen. Als mögliche Gründe dafür nennt Menton die näherrückende 500-Jahrfeier der Entdeckung des Kontinents, ein wachsendes Bewusstsein über historische Ähnlichkeiten zwischen den lateinamerikanischen Ländern, die aufkommende Frage nach der Rolle Lateinamerikas nach 500-jährigem Kontakt mit der europäischen Zivilisation und die Wiederentdeckung der Kolonialliteratur durch die Literaturwissenschaft (Menton 1993, 25-32). Von einer „nueva novela histórica“ spricht man seit dem Erscheinen von Alejo Carpentiers El reino de este mundo (1949), das jedoch in der heutigen Kritik nicht als vorrangig historischer Roman verstanden wird.[19] Ainsa (1991), Menton (1993) und Larios (1997) haben versucht, eine Liste von Merkmalen für diesen neueren Trend aufzustellen. Ainsa betont dabei vor allem den Aspekt der zweiten Lektüre der Geschichte aus einer kritischen Distanz, die es zulässt, Unzulänglichkeiten der historiographischen Methoden auszubessern. Dabei erzeugt der neue historische Roman eine Opposition zur offiziellen Geschichte, die er kritisiert und dekonstruiert. Ein weiteres Merkmal, die Vielfalt der Perspektiven, zeigt die Unmöglichkeit der Existenz einer einzigen historischen Wahrheit. Historische Persönlichkeiten werden durch ihre ironische Dekonstruktion wieder vermenschlicht und authentisch, auch wenn diese Authentizität erfunden ist (Ainsa 1991, 15-21).

Mentons Klassifikationskriterien sind differenzierter und vollständiger. Ihm zufolge wird der mimetische Aspekt bei diesen Romanen einem philosophischen untergeordnet, welcher seit Borges drei Themen umfasst: die Unmöglichkeit, die historische Wahrheit zu ermitteln, die zyklische Natur der Geschichte und ihre Unvorhersagbarkeit. Der Autor verfälscht die geschichtlichen Fakten intentional. Prominente historische Personen fungieren als Protagonisten, was früher vermieden wurde, da der Autor, der sich weitgehend an die historischen Fakten halten wollte, bei der Charakterisierung und Entwicklung der Person zu determiniert gewesen wäre. In einem metafiktionalen Diskurs reflektiert der Erzähler über den Schaffungsprozess des Werks. Auch dieses Merkmal, sowie die manchmal zu findenden apokryph wirkenden Fußnoten, werden dem Einfluss von Borges zugeschrieben. Intertextuelle Bezüge und „rewriting“ beziehungsweise „réécriture“ sind sehr häufig verwendete Methoden. Daraus folgt das Vorherrschen von Textsorten wie Parodie, Palimpsest, Travestie, Pastiche etc., die auf Bakhtins Konzepten des Dialogischen, Karnevalesken und der Heteroglossie beruhen (Menton 1993, 22ff).[20]

Larios nennt als weiteres Merkmal, dass in der „nueva novela histórica“ ein Unglaube („decreimiento“) der historischen Vergangenheit gegenüber vorherrscht und daher gegen die offizielle Geschichte angekämpft wird, während der traditionelle historische Roman durch eine nationalistische Erhöhung des Volksgeistes gekennzeichnet ist (Herders Einfluss) und einen Legitimationsdiskurs auf der Metaebene beinhaltet (Larios 1997, 134). Das „decreimento“ wird von Larios als typisch postmodern verstanden. Aus ihm entstehe ein neuer kreativer Impuls (Larios 1997, 133ff).

2.3. Gattungsbestimmung der beiden Werke

2.3.1. Os sertões: Wissenschaft und Fiktion

Um die Textgattung von Os sertões klassifizieren zu können, müssen, wie bereits angedeutet, drei Diskurstypen unterschieden werden: ein allgemein wissenschaftlicher (Geologie, Geographie, Biologie, Soziologie), ein historiographischer und ein literarischer. Folgender Textausschnitt soll zunächst als Beispiel für den wissenschaftlichen Diskurs dienen:

Há também a presunção derivada de situação anterior, exposta em dados positivos. As pesquisas de Frederick Hartt, de fato, estabelecem, nas terras circunjacentes a Paulo Afonso, a existência de inegáveis bacias cretáceas; e sendo os fósseis que as definem idênticos aos encontrados no Peru e México, e contemporâneos dos que Agassiz descobriu no Panamá – todos estes elementos se acolchetam no deduzir-se que vasto oceano cretáceo rolou as suas ondas sobre as terras fronteiras das duas Américas, ligando o Atlântico ao Pacífico (OS, A terra, 29).[21]

Unabhängig davon, ob die Thesen richtig oder falsch sein mögen, ist offensichtlich, dass der Autor versucht, die Realität zu erfassen, zu erklären und zu beschreiben. Er ist auf der Suche nach empirischen Fakten („dados positivos“) und stützt sich mit der Nennung anderer Wissenschaftler auf bereits Untersuchtes und vermeintlich Bewiesenes. Vergleiche mit schon Bekanntem sollen das noch Unbekannte verstehbar machen. Das Forschungsobjekt steht in objektivierender Distanz zum Autor. Die Sprache ist unpersönlich und denotativ, was vor allem an den verwendeten Fachausdrücken deutlich wird („bacias cretáceas“), und erhebt durch die Aussagesätze Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Autorität über das Gesagte. Auch der typisch fachsprachliche nominale und unpersönliche Stil ist an Stellen wie „Há também a presunção“ oder „no deduzir-se“ erkennbar.

Der historische Diskurstyp setzt sich in Os sertões vom allgemein wissenschaftlichen durch die oben definierten Merkmale deutlich ab:

Antônio Conselheiro adquirira em Juazeiro certa quantidade de madeiras, que não podiam fornecer-lhe as caatingas paupérrimas de Canudos. Contratara o negócio com um dos representantes da autoridade daquela cidade. Mas ao terminar o prazo ajustado para o recebimento do material, que se aplicaria no remate da igreja nova, não lho entregaram. Tudo denuncia que o distrato foi adrede feito, visando rompimento anelado (OS, O homem, 191).

Alle Klassifikationskriterien für den historischen Diskurs werden erfüllt. Der Text steht in der dritten Person Singular in diversen Tempora der Vergangenheit. Es scheint keinen Bezug zwischen Autor und Objekt zu geben, jedenfalls finden sich keine wertenden Kommentare oder Stellungnahmen. Offensichtlich ist die Textinformation das Resultat einer Selektion des Rohmaterials. Ein Mehr (wie viel ist „certa quantidade“?) oder Weniger („contratara o negócio“ mit oder ohne Vertreter der Stadtverwaltung) ist an vielen Stellen möglich, so dass man die notgedrungen subjektive Ausrichtung eines historiographischen Textes erkennen kann. Augenfällig ist auch, dass nicht versucht wird, die Wirklichkeit im Sinne der Mimesis nachzubilden, sondern dass das diegetische Moment vorherrscht. Der Wortschatz ist jedoch weniger spezialisiert und normiert als beim vorhergegangenen Textbeispiel.

Wenn man den historischen Diskurs als eine Sonderform des wissenschaftlichen Diskurses begreift, ergibt sich bis jetzt somit kein Problem, Os sertões als methodenstringenten, wissenschaftlichen Text auszuweisen,. Aber wie gliedern sich Textpassagen wie die folgende Beschreibung eines toten Soldaten in das Werk ein?

Descansava... havia três meses. / Morrera no assalto de 18 de julho. A coronha da Mannlicher estrondada, o cinturão e o boné jogados a uma banda, e a farda em tiras, diziam que sucumbira em luta corpo a corpo com adversário possante […].

E estava intacto. Murchara apenas. Mumificara conservando os traços fisionômicos, de modo a incutir a ilusão exata de um lutador cansado, retemperando-se em tranqüilo sono, à sombra daquela árvore benfazeja. Nem um verme – o mais vulgar dos trágicos analistas da matéria – lhe maculara os tecidos. Volvia ao turbilhão da vida sem decomposição repugnante, numa exaustão imperceptível. Era um aparelho revelando de modo absoluto, mas sugestivo, a secura extrema dos ares (OS, A terra, 38).

Hier kann nicht von einer Distanz zwischen Subjekt und Objekt gesprochen werden. Der Erzähler oder implizite Autor ist emotiv an der Beschreibung des toten Soldaten beteiligt, was an wertenden Adjektiven wie „tranqüilo“, „benfazeja“, „trágicos“ und „repugnante“ deutlich wird. Seine Sprache ist daher nicht denotativ, sondern muss als mehrdeutig und konnotativ eingestuft werden. Denn welche Denotation hätte beispielsweise ein Satz wie: „Nem um verme […] lhe maculara os tecidos“? Das Verb „macular“ meint nicht nur den Akt des Beschmutzens, sondern enthält die Seme der Unrechtmäßigkeit und Schändlichkeit einer Handlung, durch die ein Gegenstand profaniert wird. Auch das Subjekt des Satzes, der Wurm, kann vor diesem Hintergrund nicht mehr rein denotativ verstanden werden. Er wird zum Symbol für einen typischen Aktanten der Profanation und des Verfalls. Und wie könnte man das auf einen menschlichen Körper bezogene Verb „murchar“ anders verstehen als metaphorisch? Die kurzen Sätze: „E estava intacto. Murchara apenas“ verleihen dem Text durch ihr gleiches Metrum außerdem einen besonderen Rhythmus, so dass der ganze Abschnitt an ein impressionistisches Gedicht erinnert. Der lyrische Eindruck verstärkt sich durch den intertextuellen Bezug zu Rimbauds „Le dormeur du val“ (Rimbaud 1992, 68). Ob es jedoch in der Absicht des Autors liegt, die Fiktionalitätskonvention eines literarischen Textes zu erfüllen, kann bezweifelt werden. Der letzte Satz: „Era um aparelho revelando de modo absoluto […] a secura extrema dos ares“, zeigt, dass die Beschreibung des toten Soldaten letzten Endes einer wissenschaftlichen Beweisführung dient. Wie an einem Messinstrument wird an ihm abgelesen, dass die Luft des Sertão die typische Trockenheit von Wüsten aufweist. Somit kann auch nicht bejaht werden, dass es sich um einen autoreferenziellen Text handelt, obwohl man ihn als solchen lesen könnte. Bei Passagen wie diesen muss man also von literarischem Erzählen sprechen, jedoch mit der Einschränkung, dass sie eine Funktionalität innerhalb der wissenschaftlichen Argumentationskette besitzen und somit ihre Daseinsberechtigung nicht allein aus einem ästhetischen Anspruch beziehen.

Wie wirken sich solche Passagen aber auf den Gesamteindruck des Werkes aus? Ziehen sie die Stellen mit wissenschaftlichem Anspruch etwa hinein ins Literarische und mindern somit deren Überzeugungskraft oder stehen sie autonom neben diesen mit der Funktion, dem Leser die Lektüre angenehmer, spannender und fesselnder zu gestalten? Wie ernst kann Da Cunha seine wissenschaftliche Argumentation gemeint haben, wenn er sie letzten Endes auf Poesie gründet?

Die ersten Kritiker Euclides da Cunhas waren sich darüber einig, dass Os sertões eine Fusion von Historiographie und Fiktion darstellt. Diese Interpreten weiteten das Konzept der klassischen Rhetorik, die Literatur und Historiographie noch nicht trennte, auf die Koexistenz von weiteren Diskursarten aus, ohne sich daran zu stoßen. Die Idee von der konfliktlosen Fusion wurde in der Kritik zum Klischee (Costa Lima 1997, 17ff). Costa Lima zitiert einen Ausschnitt aus einem Brief Da Cunhas an José Veríssimo, in dem sich der Autor selbst zu dieser Frage äußert:

Eu estou convencido que a verdadeira impressão artística exige, fundamentalmente, a noção científica do caso que a desperta – e que, nesse caso, a comedida intervenção de uma tecnografia própria se impõe obrigatoriamente – e é justo desde que se não exagere ao ponto de dar um aspecto de compêndio ao livro de que se escreve, mesmo porque em tal caso a feição sintética desaparece e com ela a obra de arte (Da Cunha 1995, 653).[22]

Costa Lima belegt mit diesem Briefausschnitt seine Behauptung, dass Da Cunha zwar den Eingang der Wissenschaft in die Literatur fordere, aber nicht deutlich mache, wie das technisch bewerkstelligt werden soll, ob ein Bereich dem anderen untergeordnet werden muss und wenn ja, welcher welchem. Die „feição sintética“ wird nicht näher definiert. Costa Lima zufolge versteht Da Cunha seine eigene Lösung nicht, da das Problem für ihn und die zeitgenössischen Kritiker nicht existiert (Costa Lima 1997, 18). Er hebt jedoch nicht hervor, dass Da Cunha den Schwerpunkt zumindest im obigen Zitat auf den künstlerischen Aspekt des Werkes setzt, welcher durch den wissenschaftlichen bereichert werden soll und muss, und zwar nur in dem Ausmaß, in dem das Kunstwerk nicht zur wissenschaftlichen Abhandlung entartet. Für Da Cunha besteht also zwar eine Opposition zwischen Wissenschaft und Kunst, jedoch ist in letzterer die Historiographie schon mitenthalten. Die dreigliedrige Opposition, die der Leser von heute zwischen Literatur, Geschichtsschreibung und Naturwissenschaft vornimmt, war auf eine einfache Opposition zwischen Kunst im Sinne der klassischen Rhetorik und Wissenschaft reduziert. Die Verschmelzung dieser beiden Bereiche, wie sie in Os sertões vorliegt, muss auch vor dem Hintergrund des Positivismus gesehen werden, der nicht zwischen Psyche und Physis trennt, sondern beides gleichsam als Natur begreift.[23] Der Hauptdiskurs ist für Da Cunha dem obigen Zitat zufolge der künsterisch-historische. Da jedoch nach heutigem Verständnis die Historiographie in den Bereich der Wissenschaften gehört, muss der Hauptdiskurs als ein wissenschaftlicher verstanden werden, der durch einen fremden Diskurs durchbrochen ist.

Viele der ersten Kritiker da Cunhas stehen noch zu sehr in der Tradition des 19. Jahrhunderts, um die Vermischung von Geschichtsschreibung und literarischem Diskurs wirklich zu problematisieren. Für sie schreibt sich Os sertões in beide Bereiche ein, ohne dass darin ein gattungsdefinitorisches Problem gesehen wird. Araripe Júnior (1903) wirft als erster differenziertere Fragen auf. Der Kritiker vergleicht Os sertões mit dem historischen Roman nach Scott’schem Muster, in dem der historische Kern mit Fiktion nur geschmückt ist, ohne jedoch zu präzisieren, wie weit dieser poetische Schmuck reicht und wie er sich auf das Werk insgesamt auswirkt (Costa Lima 1997, 129). Costa Lima vergleicht diesen Ansatz mit Lukács’ Theorie des historischen Romans (1937) und folgert, dass für Lukács Scott zwar nicht Historiker und Romancier zugleich war, seine Romane aber trotzdem historische Wahrheiten enthalten konnten. Laut Lukács kann ein Romancier zwar der Geschichte treu bleiben, aber daraus geht nicht hervor, dass ein Historiker der Literatur treu sein kann. Eine solche Annahme sei laut Costa Lima jedoch aus Araripe Júniors Artikel ableitbar (Costa Lima 1997, 131f). Nach den heutigen Kriterien zur Gattungsbestimmung des historischen Romans kann Os sertões wegen des fehlenden zeitlichen Abstandes zwischen dem historischen Ereignis und dem Leben des Autors nicht als historischer Roman bezeichnet werden. Es wird weder eine „fremde Welt“ noch eine „mittlere Vergangenheit“ dargestellt. Wenn das Werk schon als Roman klassifiziert werden soll, dann könnte es allenfalls ein Zeitroman sein: Der Autor war nicht nur Zeitzeuge, sondern zum Teil auch Augenzeuge der Geschehnisse und musste nur Teile des Stoffes aus schriftlichen Quellen entnehmen.

Später häufen sich die Stimmen, die Os sertões immer mehr als fiktionales Werk betrachten, wie die von Afrânio Coutinho (1952), der das Werk als rein imaginatives liest (Costa Lima 1997, 131). Costa Lima sieht eine Rechtfertigung dieser Lesart in Searles Sprechakttheorie,[24] nach welcher es keine textuellen Eigenschaften gibt, die einen fiktionalen Text als solchen identifizierbar machen. Als einziges Identifikationskriterium dient demnach die illokutionäre Intention des Autors. Diese Phase der Kritik stützt sich auf die Auffassung, dass die Verwendung literarischer Elemente den gesamten Text seiner wissenschaftlichen Überzeugungskraft berauben, da sie die Verbindungen zwischen den Wörtern und der Welt unterbrechen (Costa Lima 1997, 132f). Ein weiterer Kritiker, Augusto Meyer (1956), bemerkt zwar das Auseinanderdriften von wissenschaftlichem Anspruch und literarischer Sprache, ohne jedoch eine zufriedenstellende Lösung für die Einordnung des Werks anbieten zu können (Costa Lima 1997, 135).

In neuerer Zeit haben sich vor allem Walnice Nogueira Galvão und Luiz Costa Lima mit der Frage nach dem Stellenwert der literarischen Elemente in Os sertões auseinandergesetzt. Nogueira Galvão erkennt in Os sertões den Versuch, zwei verschiedene Zielsetzungen kompatibel zu machen, die der wissenschaftlichen Objektivität und die der Anklage eines Verbrechens, wodurch ein äußerst spannungsvoller und widersprüchlicher Diskurs entstehe. Die Engpässe und Sackgassen in der Logik der Argumentation löse Da Cunha mittels einer literarischen Sprache, die sich durch die häufige Verwendung von Antithesen und Oxymora auszeichne (Nogueira Galvão 1981, 94). Nur in der Poesie kann Da Cunha sich erlauben, Ablehnung und Bewunderung für die jagunços[25] zu verbinden, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die Mischung aus Literatur und Wissenschaft wird also als Folge der Vermischung zweier antagonistischer Zielsetzungen gesehen, wobei die literarischen Elemente eine Art Trick darstellen, um argumentative Unlogik zu vertuschen. Nogueira Galvão hält daher den ästhetischen Wert für den Einbau literarischer Passagen nicht für ausschlaggebend: „A figura da antítese e do oxímoron só exibe a incapacidade de pensar a especificidade do fenômeno“ (Nogueira Galvão 1981, 83).

Für Costa Lima nehmen die literarischen Elemente einen bestimmten Ort und eine bestimmte Ausdehnung in der Texttopographie von Os sertões ein. Wenn sie in ihren Grenzen blieben, schädigten sie den wissenschaftlichen Anspruch nicht (Costa Lima 1997, 137). In dem schon erwähnten Brief an José Veríssimo schreibt Da Cunha außerdem: „o consórcio da ciência e da arte, sob qualquer de seus aspectos é hoje a tendência mais elevada do pensamento humano“. Hier stellt sich Da Cunha die Fusion der beiden Bereiche als eine besonders sublime Form der Geistestätigkeit vor. Costa Lima ist der Meinung, dass Da Cunha zwar eine Verbindung beider Bereiche propagiert, dass er aber in seinem Werk, in der konkreten Realisierung, die Poesie als untergeordnetes Ornament der Wissenschaft verwendet, auch wenn sie in den verschiedenen Teilen zu unterschiedlich großer Wichtigkeit aufsteigt, wie seine Analyse zeigt.

Demnach bilde im Großkapitel „A terra“ das Literarische zumeist den Rahmen, das Ornament, die Wissenschaft aber das Zentrum oder Thema. Im Großkapitel „O homem“ habe das Literarische einen höheren Stellenwert, es sei motiviertes Ornament.[26] Die Motiviertheit entstehe dabei in der Regel aus einem noch nicht bekannten Element, das sich der Wissenschaft nicht unterwerfen lässt, und erst erschlossen werden muss. Die positivistische Natur- und Geisteswissenschaft bleibt aber das Erklärungsinstrument (Costa Lima 1997, 143). Im dritten Hauptteil „A luta“ sei keine Aufteilung in Rahmen-Zentrum mehr möglich, es sei denn, man halte die ersten beiden Großkapitel für das Zentrum und den Rest für ein „Megaornament“. Hier werde die wissenschaftliche Erklärung auf weiten Strecken hinfällig, da alle determinierenden Faktoren bereits vorher dargelegt wurden und jetzt nur noch die Folgen erläutert werden müssen. Ernsthafte, wissenschaftliche Argumente findet man nur noch in Bezug auf die Militärstrategie und die Versorgungslage des Heers. Rahmen und Zentrum seien jetzt nicht mehr unterscheidbar, weil sich Da Cunha durch seinen unbeirrbaren Wissenschaftsglauben und die Art, wie er zuvor mit seinen Unsicherheiten umgegangen ist, die Möglichkeit nehme, sich zu korrigieren, und nun die erzählende, literarische Diskursform wählen muss, um nicht in noch größere Widersprüche zu geraten (Costa Lima 1997, 148f). Das Ergebnis seiner Betrachtungen fasst Costa Lima wie folgt zusammen:

A ciência não só absorve o discurso concorrente, o literário, convertendo-o em parasita ilustrativo e ornamental, meio que mantém em alta temperatura emocional sua recepção, como ela mesma é absorvida pelos resultados práticos que propicia (Costa Lima 1997, 150).

Literarischer und (geistes- und natur)wissenschaftlicher Diskurs beeinflussen und bedingen sich also gegenseitig. Die Einmischung des literarischen Erzählens zuerst aus Gründen der Ästhetik und der Anschaulichkeit steigert sich zur Ausnützung dieses Elements, um Erklärungsengpässe zu verschleiern bis hin zu seiner unvermeidlichen Dominanz. Es wird deutlich, dass sich die Ansichten Nogueira Galvãos und Costa Limas nicht widersprechen. Beide betonen das Vorherrschen des wissenschaftlichen Diskurses und die funktionale, untergeordnete Verwendung literarischer Elemente.

Hilfreich für das Verständnis der Art der Vermengung von Historiographie, Wissenschaft und Fiktion ist zudem Costa Limas Unterscheidung von zwei Bereichen in Os sertões, die er Szene (cena) und Subszene (subcena) nennt. Mit Szene bezeichnet Costa Lima diejenigen Teile des Werks, deren Erklärungsinstrument der wissenschaftliche Hauptdiskurs, also auch der historische, darstellt. Unter Subszene versteht er die Teile mit literarischen Elementen von meist romantisch-patriotischer Tönung. Das Vorhandensein dieser beiden Diskurstypen wird wie bei Nogueira Galvão auf die verschiedenen Zielsetzungen des Autors zurückgeführt: der wissenschaftlichen Erklärung des Krieges und die Anklage seiner Grausamkeiten. Letztere beruht auf Da Cunhas nationalistischem Eifer, der in den sertanejos die Essenz des brasilianischen Volkes erkennen will,[27] und wird von Costa Lima als „fantasia romântica“, also als unwissenschaftlich, klassifiziert (Costa Lima 1997, 159). Dieses Element wirkt sich stark auf die Gesamtaussage des Werkes aus. Verbliebe Da Cunha in einem rein wissenschaftlichen Beschreibungsmuster, wäre die Auslöschung der jagunços durch die Militärs nur das Beschleunigen eines sowieso unvermeidlichen Untergangs.[28] Die hohe Bewertung der ethnischen Konstitution des sertanejo verwandelt jedoch das Verbrechen des Militärs in ein Verbrechen an der Nation. Das romantische Element verleiht dem gesamten Diskurs eine emotive Note; die persönliche Beteiligung des Autors wird auf den Leser übertragen und der wissenschaftliche Diskurs mit patriotischen Gefühlen gelenkt (vgl. Costa Lima 1997, 160). Die literarischen Elemente lassen auf eine starke emotionale Beteiligung des Autors überhaupt schließen. Er sieht den Sertão durch die Brille eines patriotischen Schwärmers, der auch noch den unwirtlichsten Landschaften einen poetischen Glanz abgewinnen kann. Daraus entstehen die argumentativen Engpässe, die von Da Cunha nie kritisch in Hinblick auf eine epistemologische Infragestellung seines Determinismus betrachtet werden (vgl. Costa Lima 1997, 160f).

Gehört die Subszene aber wirklich der Literatur an? Costa Lima unterscheidet zur Beantwortung dieser Frage zwischen Imitation und Mimesis (Costa Lima 1997, 189). Bei der Mimesis ist im Gegensatz zur Imitation das Modell, die Wirklichkeit, lediglich Bezugspunkt, an den der Autor sich zunächst in nachahmender Weise heranschreibt, um ihm dann ein distinktives Merkmal zu verleihen. Mit Differenzierungsstrategien wird ein Unverständliches in der schlichten Wahrnehmung verständlich gemacht. Weiter präzisiert er, dass unter Poiesis (verstanden als der kunstvolle Umgang mit Sprache) nicht automatisch Literatur verstanden werden darf, da die Poiesis noch nichts über den illokutionären Akt des Sprechers aussagt. Laut Costa Lima liegt die Poiesis im vordiskursivem Bereich und kann sich in die verschiedensten Diskurstypen eingliedern. Sie ist also kein Unterscheidungskriterium für Diskursformen.[29] Folglich ist Fiktion Mimesis innerhalb eines bestimmten Diskurstyps und Literatur eine bestimmte Ausprägung der Poiesis und der Mimesis. So sei die Subszene von Os sertões zwar Poiesis und Mimesis, jedoch nicht eines literarischen Diskurses, sondern eines ornamentalen, illustrativen Diskurses, der immer in seinen Grenzen gehalten wird (Costa Lima 1997, 187-192), wie die leserleitenden Kommentare des impliziten Autors beweisen: „Resumamos, enfeixemos estas linhas esparsas“ (OS, A terra, 54); „Não sofismemos a História“ (OS, O homem, 97).

Der deutsche Übersetzer von Os sertões, Berthold Zilly, hat sich zwar nicht so explizit zum Verhältnis zwischen Wissenschaft und Fiktion in diesem Werk geäußert, jedoch kann aus seinen Thesen eine indirekte Aussage darüber abgeleitet werden. Im Vergleich zu den brasilianischen Kritikern gesteht er dem wissenschaftlichen Diskurs weniger Gewicht zu. Das Zunehmen der literarischen Elemente gegen Ende des Werks führt ihn zu der Ansicht, dass in Da Cunha seine Beobachtungsgabe, sein Gefühl und seine Empathie über seine theoretische Voreingenommenheit siegen (Zilly 2000, 777f). Er erklärt die allmähliche Hinwendung zum Literarischen also nicht wie Costa Lima als logische und notgedrungene Folge der Argumentationsführung, sondern glaubt an eine innere Entwicklung des Autors. Da eine Vermittlung zwischen den gegensätzlichen Positionen in seinem eigenen Denken (Bejahung der Zivilisation und gleichzeitige Anklage ihrer Gräueltaten) nicht in Sicht ist, könne Da Cunha Geschichte und Natur nur als tragisch (das Wort ist durchaus im poetologischen Sinne zu verstehen) begreifen. Er sei daher kein naiver Geschichtsschreiber, der behauptet, er könne die Ereignisse und Umstände als solche erzählen (Zilly 2000, 778). Daher wäre es auch verfehlt, ihn in die Ranke-Tradition einzuordnen. Sein Buch hat nach Zilly den Gestus der öffentlichen Rede (Zilly 2000, 780). Damit rückt es der Kritiker wieder in den Bereich der klassischen Rhetorik, zu dem es Da Cunha selbst als zugehörig empfunden hat. Die besondere, auf seiner Sprache beruhende Faszination, die von dem Werk für die Literaturwissenschaftler ausgeht, hat auch Zilly ergriffen. Seine Einschätzung entsteht also weniger aus einer minutiösen Abwägung als aus einem literaturwissenschaftlichen Interesse speziell für den ästhetischen Aspekt des Werkes.

Keiner der heutigen Kritiker, die sich mit dem Problem auseinandergesetzt haben, bezeichnen Os sertões noch als Roman. Handbuchdefinitionen zur Gattung des Romans enthalten stets den Hinweis darauf, dass im Roman die innere Geschichte oder Entwicklung des Menschen dargestellt wird (z.B. Meid 1999, 445ff und v. Wilpert 1989, 784ff). Natürlich erfasst die Gattung „Roman“ sehr viel, so dass es schwer fällt, überhaupt Klassifikationskriterien aufzustellen. Einigermaßen erwartbar ist jedoch das Auftauchen von Personen als Voraussetzung für die Darstellbarkeit der erwähnten inneren Entwicklung. Personen im Sinne von Romanfiguren gibt es in Os sertões jedoch nicht. Es handelt sich eher um die Darstellung von Menschenmassen in Bewegung, die mittels einer Massenpsychologie betrachtet werden. Die wenigen Einzelpersonen, die eine längere Betrachtung finden, wie Antônio Conselheiro und Moreier César, erscheinen eher als wissenschaftliche Forschungsobjekte denn als Individuen, die in ihrer menschlichen Dimension und persönlichen Weltsicht erfasst werden.[30]

2.3.2. La guerra del fin del mundo: Intertextualität und Referentialität

Bezüglich La guerra... stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Wissenschaft und Fiktion nicht im selben Maße wie bei Os sertões, da das Werk als historischer Roman geschichtliches Material zwar aufgreift und mit fiktiven Elementen bis zur Ununterscheidbarkeit vermischt, aber innerhalb der Subgattung des historischen Romans diese Vermengung legitim erscheint, da sowohl Geschichtliches als auch Fiktives durch die Fiktionalitätskonvention der Literatur miteinander versöhnt werden. Somit verfolgt der Romancier auch keine doppelte, in sich widersprüchliche Zielsetzung wie Da Cunha. Der Autor des historischen Romans benutzt geschichtliches Material nur insofern, als es in seiner literarischen Welt eine Funktion erfüllt. Sein Anspruch besteht nicht in einer wissenschaftlichen und faktisch richtigen Darstellung, sondern in der Verwirklichung einer bestimmten Aussageabsicht nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit. Ein Vergleich der fiktionalisierten Romanwelt mit den als Fakten geltenden Ereignissen der Geschichte gibt Aufschluss über diese Intention. Beim historischen Roman ist ein solcher Vergleich Grundvoraussetzung für ein tieferes Verständnis des Werks, da nur so die spezifischen Akzentverschiebungen, Umdeutungen und Verfälschungen der historischen Tatsachen sichtbar gemacht werden können. Im vorliegenden Fall überlagern sich Referentialität und Intertextualität sehr stark, wenn man davon ausgeht, dass Os sertões dem Autor als „historische“ Hauptquelle gegolten hat. Hier muss es also darum gehen, La guerra... in Bezug zu dieser Quelle zu analysieren.

Um eine theoretische Grundlage zum Umgang mit Intertextualität haben sich vor allem Mikhail Bakhtin, Julia Kristeva, Pérez Firmat und Gérard Genette bemüht, wobei die Terminologie Genettes (Palimpsestes, 1982, deutsch 1993) die momentan aktuellste und komplexeste darstellt.[31] Intertextualität wird allgemein verstanden als jegliche Inkorporation eines früheren Textes in einen neuen Text, unabhängig von Intention, Ausrichtung und Ausmaß. Dabei wird der Ausgangstext als Hypotext und der neue Text, der zu diesem Bezug nimmt, als Hypertext bezeichnet.[32]

Bakhtin hebt das schon angesprochene dialogische Prinzip der Intertextualität hervor. Durch die Bezugnahme auf einen Vorläufertext kommt es zur dialogischen Auseinandersetzung mit diesem, zu einer zweiten Lektüre, die vom Leser nur ganz verstanden werden kann, wenn auch er den Hypotext kennt. Der Hypertext ist Antwort und Echo auf den Hypotext und daher zweistimmig. Die Inkorporation des Hypotexts öffnet einen kontroversen Raum, in dem nicht mehr nur der oder die Erzähler und Personen des Hypotextes zu Wort kommen, sondern fremde Stimmen, auf die sich jene in irgend einer Weise beziehen. Der Dialog zwischen den Texten kann die verschiedensten Ausprägungen annehmen, darunter Allusion, Zitat, Parodie, Posse, Travestie, Karikatur und Ironie. Pérez Firmat bezeichnet auch den Einfluss anderer Autoren und Texte auf jeden Autor als eine Form der Intertextualität. Bakhtin deutet, wie schon Kristeva (1969) vor ihm, jeden beliebigen Diskurs als Dialog mit anderen Diskursen, kein Text sei frei von Bezügen zu schon existierenden Texten (Beristáin 1996, 28-31). Ein so verstandener poliphoner Text nach Bakhtin habe keine eigene Ideologie mehr, da sich in seinem Mechanismus die Ideologien in ihrer Gegenüberstellung abnutzen und neutralisieren. Daher könne der unendliche Dialog auch keine empirischen Probleme lösen (Beristáin 1996, 31).

Dass Empirie und Intertextualität zwei unvereinbare Arbeitsmethoden sind, ist augenfällig. Dass aber ein ideologisches Subjekt und eine Ideologie des Hypertextes ausgeschlossen wird, scheint nur für den Extremfall zuzutreffen, da intertextuelle Bezüge, genau wie jede Materialerhebung, durch Selektion von Seiten des Autors hergestellt werden. Gesteht man zu, dass in jeder Selektion eine Ideologie oder zumindest Intention enthalten ist, so kann auch ein Hypertext nicht ideologiefrei sein. Dazu kommt, dass die Art der Verarbeitung sämtlicher Allusionen ebenso wenig ideologiefrei oder zumindest intentionsfrei verläuft. Auch wenn Da Cunhas Ideologien (sein Wissenschafts- und Fortschrittsglaube, sein Determinismus, sein Republikanertum) in La guerra... präsent sind und von verschiedenen Personen aufgegriffen werden und anderen (fiktionalen) Ideologien gegenüberstehen, darf man dem Roman eine Gesamtideologie nicht absprechen, auch wenn diese in keiner politischen Stellungnahme sondern in einem besonderen Geschichtsverständnis besteht. Dasselbe könnte man über die Historiographie sagen, die vom Autor möglichst große Objektivität verlangt, aber immer zwangsläufig dessen Geschichtskonzeption wiederspiegelt.

Die verschiedenen Diskursarten in Os sertões erwiesen sich alle nicht als in engerem Sinne literarisch und fiktional, auch wenn sie zum Teil diesen Verdacht erwecken, sondern als Persuationsstrategien in Sinne der klassischen Rhetorik (Zilly) oder als Ornamente und Illustrationen (Costa Lima). Auch in La guerra... vermischen sich die verschiedenartigsten Diskurse (journalistische Texte, Erzählung in der ersten und in der dritten Person Singular, Troubadourerzählungen), jedoch entstehen bei einer Gattungsbestimmung des Werkes die oben genannten Probleme nicht, da alle Elemente unter dem gemeinsamen Nenner der Fiktionalität zusammengefasst und allesamt als literarisch eingestuft werden müssen. Das Nebeneinander von verschiedenen Erzählerstimmen und Diskurstypen gehört zum Repertoire moderner Erzähltechniken und ist in der Gattung des Romans legitim, da hier eine andere Art von Wahrheit, eine literarische Wahrheit, konstituiert wird. Wenn sich die verschiedenen Stimmen widersprechen, entsteht dennoch kein argumentativer Engpass, denn dies geschieht absichtlich und verfolgt ein literarisches Ziel. Spangs Kriterien zur Unterscheidung des literarischen Diskurses vom historischen treffen auf La guerra... zu, was an einem beliebigen Beispiel nachvollzogen werden kann. Der Text steht nicht ausschließlich in der dritten Person Singular, sondern auch stellenweise in der ersten (Galileo Galls Briefe an l’Étincelle de la révolte). Das Präteritum ist zwar vorherrschend, wird aber nicht immer eingehalten. Der Diskurs ist insofern mimetisch als er zum Beispiel mittels Dialogen wirklichkeitsähnliche und persuasive Situationen erzeugt. Er ist mehrstimmig wegen seiner intertextuellen Bezüge nicht nur zu Os sertões, pluriperspektivisch aufgrund der vielen Personen, die als Reflektoren[33] verwendet werden und plurisemisch im Sinne seiner metaphorischen Literatursprache. Es besteht zwar eine offensichtliche Distanz zwischen implizitem Autor/Erzähler und Objekt, jedoch nicht wie in der Historiographie. Die unparteiliche, distanzierte Haltung des Erzählers in La guerra... verfolgt die literarische Funktion des Flaubert’schen Erzählers, auf die Vargas Llosas zurückgreift.[34]

La guerra... erfüllt die Gattungskennzeichen des historischen Romans.[35] Seine Handlung spielt in einer vom Autor nicht miterlebten Vergangenheit, die dieser aus historischen Textquellen rekonstruieren musste (neben Befragungen von Sertão-Bewohnern, in deren Erinnerung die überlieferten Ereignisse noch wach waren). Es handelt sich um eine zeitlich und geographisch „fremde Welt“, die jedoch nicht so fremd ist, dass der Roman als reiner Abenteuerroman bezeichnet werden könnte. Die erzählte Vergangenheit ist insofern „mittlere Vergangenheit“, als ihre Folgen in der Gegenwart noch spürbar sind, beziehungsweise sie als paradigmatischer Fall auf ähnliche Konflikte der Gegenwart übertragbar ist und sogar im Gedächtnis der Sertão-Bewohner fortbesteht (zumindest noch zur Zeit von Vargas Llosas Brasilienreise). Durch die Vielzahl der Romanpersonen aus den verschiedensten Schichten wird ein sehr breit gefächertes Gesellschaftspanorama Brasiliens Ende des 19. Jahrhunderts entworfen. Es tauchen zahlreiche historische Personen auf, die nicht nur in Os sertões vorkommen, wie beispielsweise auf Seiten der Militärs Leutnant Pires Ferreira, Major Febrônio/Febronio de Brito, Hauptmann Moreira César, General Artur(o) Oscar, Kriegsminister (Carlos Machado de) Bittencourt, General (Cláudio do Amaral) Savaget, General (Miguel Maria) Girard, Oberst (Joaquim Manuel de) Medeiros, Oberst Carlos (Maria da Sivla) Tel(l)es, Oberst (Julião Augusto de) Serra Martins, Hauptmann Coriolano etc. und auf Seiten der yagunzos Antônio Conselheiro/Antonio Consejero, Beatinho/Beatito, Pajeu/Pajeú, Antônio Vila-Nova/Antonio Vilanova, Pedrão und João Abade.[36] Gerade bei der Darstellung der jagunços/yagunzos musste Vargas Llosa viel dazuerfinden, weil außer einzelnen Namen kaum etwas überliefert ist. Bekannte historische Persönlichkeiten (wie der Kriegsminister Bittencourt) nehmen hauptsächlich untergeordnete Rollen ein oder werden nur erwähnt, ohne selbst in Erscheinung zu treten (wie der Präsident Prudente de Morais), und sind Teil des historischen Gesellschaftspanoramas, das den Hintergrund des Romangeschehens bildet. Auch wenn sie in entscheidender Weise in die Geschehnisse der fiktiven Welt eingreifen (wie im Falle Moreira Césars und Antonio Consejeros) und streckenweise mit großem Nachdruck beschrieben werden, so bilden sie dennoch nicht das Zentrum der Romanhandlung, aus welchem die Kernaussage des Werkes hervorgeht. Die eigentlichen Hauptpersonen, Galileo Gall, Jurema und der Baron von Cañabrava sind wie im Scott’schen Roman fiktiv. Ihre Kreation wurde aber zum Teil von Hinweisen im Quellenmaterial inspiriert. Der Löwe von Natuba ist nach Vargas Llosas eigenen Angaben die Person mit den wenigsten Referenzen auf eine real existierende Person, da der Autor lediglich in einem Dokument mit zweifelhaftem Wahrheitsgehalt eine Notiz fand, die besagte, dass unter den Anhängern des Consejeros ein Individuum mit irgendeiner körperlichen Deformation gewesen sei und dass es schreiben konnte. Das genügte ihm, um die Romanfigur zu erfinden. Bei den meisten yagunzos jedoch verfügte er zumindest entweder über einen Namen oder eine Biographie: „[…] de algunos existían nombres y yo les he dado una biografía; en otros casos he tomado unas biografías y se las he incorporado a un personaje inventado“ (Vargas Llosa/Setti 1988, 9). Bezüglich der Militärs gilt, dass diejenigen, die als Reflektoren (vor allem im vierten Teil) in eigens ihnen gewidmeten Kapitelsegmenten auftreten und über eine Innenperspektive verfügen, fiktiv sind. Dazu gehören der Medizinstudent Teotónio Leal Calvacanti, Feldwebel Fructuoso Medrado, der Soldat Queluz, Fähnrich Maranhão und Hauptmann Gerardo Macedo. Der kurzsichtige Journalist bildet eine Ausnahme. Er kann als Karikatur Euclides da Cunhas verstanden werden, obwohl große Unterschiede zu Da Cunhas Lebensdaten existieren. Da Cunha begleitete nicht wie der Journalist des Romans die Expedition Moreira Césars sondern erst die darauffolgende und letzte Expedition und er war auch nicht kurzsichtig. Vargas Llosa selbst weist darauf hin, dass der „periodista miope“ mit Da Cunha in Verbindung gebracht werden kann, aber trotzdem aus kritischem Abstand zu ihm gesehen werden muss: „El periodista miope, al que no le he puesto nombre, un poco porque, bueno, me parecía que no debía ponerle Euclides da Cunha porque no es él, pero al mismo tiempo es él también“ (Vargas Llosa/Setti 1988, 9). Inwiefern La guerra... die Merkmale der „nueva novela histórica latinoamericana“ erfüllt, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit gezeigt.

Da die Hauptquelle des Romans Os sertões darstellt, sprechen manche Kritiker sogar von einer réécriture oder einem remake des Werkes, jedoch sollte man diesen Begriff mit Vorsicht gebrauchen, da der Roman keineswegs das ganze Os sertões „neu schreibt“. Die ersten beiden Großteile von Os sertões, „A terra“ und „O homem“ werden von Vargas Llosa nicht neugeschrieben, sondern ihre Thesen mischen sich lediglich bruchstückartig in den Verlauf des Romangeschehens ein und werden unterschiedlichen Personen, wie beispielsweise General Artur Oscar, in den Mund gelegt.[37] Der gesamte argumentative Part der wissenschaftlichen Herleitung des Krieges fehlt bei Vargas Llosa. Die Begründung für den Krieg wird dagegen durch die episodisch dargestellten Lebensverhältnisse der Sertão-Bewohner gegeben.[38] Ein Vergleich von La guerra... mit Os sertões kann also zum einen nicht den gesamten Hypotext berücksichtigen und zum anderen müssen Aspekte analysiert und interpretiert werden, die auf keiner Vorlage beruhen, sondern einzig im Hypertext vorkommen, was vor allem die Personen Galileo Gall, Rufino und Jurema und den Baron von Cañabrava betrifft.

3. Ideologische und literaturtheoretische Voraussetzungen

3.1. Das Wissenschaftsverständnis und die politische Haltung Euclides da Cunhas

Der wissenschaftliche Hauptdiskurs der von Costa Lima so bezeichneten „Szene“ in Os sertões soll nun im Hinblick auf seine Ideologie und Methodik bestimmt werden. Da Cunhas intellektuelle Ausbildung wurde sehr von seinem Hauslehrer Benjamin Constant[39] beeinflusst, der ihm die damals aktuellen szientistischen Philosophieströmungen nahe brachte. Darunter sind vor allem die wissenschaftliche Methode des Positivismus und die Wissenschaftstheorien des Determinismus, Evolutionismus und Sozialdarwinismus zu nennen (Citelli 1998, 16).

Unter Positivismus versteht man eine wissenschaftliche Methode, die aus der Philosophie Auguste Comtes (1789-1857) Ende des 19. Jahrhunderts hervorgegangen ist und großen Einfluss auf verschiedene Wissensbereiche ausübte. Nach der Ansicht des Positivismus ist die Wissenschaft die einzige Möglichkeit, um Wissen zu erlangen, da nur solches Wissen als wahres Wissen gilt, das sich auf beobachtbare Fakten stützt. Das Positive ist zum einen das Sichere und Unbezweifelbare, das jeden philosophischen Skeptizismus unsinnig erscheinen lässt und zum anderen ist es auch „positiv“ im Sinne von nützlich und fortschrittlich. Subjektivität und Metaphysik werden im Positivismus zugunsten der Empirie ausgeschaltet. Das bedeutet, dass keine Trennung zwischen Psyche und Physis möglich ist. Das Psychische kann nicht ohne das Physische sozusagen hinter (meta) diesem bestehen. Aus dieser Position folgt einerseits ein enges Zusammenrücken von Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften, die im Positivismus gleichberechtigt sind, da beide die Natur zum Gegenstand haben (Geist und Psyche sind gleichermaßen Natur). Andererseits resultiert daraus für die Geschichts- und Literaturwissenschaft die Ansicht, dass kein Mensch ohne das Wissen über sein Leben und Lebensmilieu verstanden werden kann. Aus dieser Anschauung geht die Methode des Biographismus in Historiographie und Literaturwissenschaft hervor. Eine wertende Haltung ist im Positivismus ausgeschlossen, da eine solche nicht auf rational nachprüfbaren Tatsachen, sondern auf ethischen, ästhetischen, politischen und gesellschaftlichen Bedingungen basiert, die sich immer in eine Ideologie einschreiben (Maren-Grisebach 1992, 10-22). Der Positivismus als bürgerliche Geisteshaltung, der die republikanischen Positionen verteidigte, hielt in den 1870er Jahren in Brasilien seinen Einzug. Zeitlich fiel der wissenschaftliche und philosophische Paradigmenwechsel mit der abolitionistischen und republikanischen Propaganda in Brasilien zusammen. Der Positivismus gewann großen Einfluss, weil er politische und soziale Lösungen anzubieten schien und eine Gesellschaftsreform von Fachleuten vorsah, ohne Einbeziehung der Oligarchie und der Volksmassen (Zilly 2000, 767). Für eine brasilianische Elite, die sich noch in ihrer Formation befand und noch auf keine philosophische Tradition zurückschauen konnte, war der Positivismus sehr verlockend, da er die Gesamtheit des menschlichen Daseins umschloss und für alle intellektuellen oder sozialen Fragen in sich stimmige Antworten zu liefern vorgab (Lins 1972, 46). So stammt auch das Motto der brasilianischen Nationalflagge „Ordem e Progresso“ aus der Doktrin Comtes.

[...]


[1] Os sertões gilt als eine „obra maestra“ im Kanon der brasilianischen Literatur, wie in sämtlichen Literaturgeschichten nachzulesen ist. Vargas Llosa hat La guerra del fin del mundo (von jetzt ab mit La guerra... abgekürzt) verschiedentlich als sein bestes Werk bezeichnet. Er nennt den Roman in einem Interview mit Rodríguez (1983, 2) sein Werk „de mayor proyección y en la que trabajé más“. Im Interview mit Setti (1988, 3) sagt er: „creo que nunca una historia me ha apasionado tanto como La guerra del fin del mundo “. Auch Kritiker wie Williams (2000) stimmen diesem Urteil zu.

[2] Beide Artikel wurden zuletzt abgedruckt in: Euclides da Cunha: Diário de uma expedição. (Organização: Walnice Nogueira Galvão). São Paulo, Companhia das Letras 2000. S. 43-61.

[3] Bernucci hat sich am ausführlichsten mit den Quellen für La guerra.. . und ihrer Verwendung und Umarbeitung beschäftigt. Er gibt eine lange Liste von Hypotexten an, unter denen sich auch die bekannteren Antônio Conselheiro e Canudos (1974) von Ataliba Nogueira, Os jagunços (1898) von Alfonso Arinos, O rei dos jagunços (1899) von Manuel Benício befinden (Bernucci 1989, 1-17).

[4] Im Folgenden wird bei Zitaten aus Interviews der Interviewer immer hinter dem Schrägstrich angegeben.

[5] Zur ersten Expedition wurden 100 Soldaten zur zweiten 500, zur dritten 1200 und zur vierten 3000 mobilisiert.

[6] Comte strebte eine Gesellschaft an, die von einer Minderheit von Gelehrten regiert werden sollte, welche mit Hilfe der wissenschaftlichen Methode menschliche und soziale Probleme zu lösen hätten.

[7] Diegese: Ausführung, Erzählung, Beschreibung (vgl. z.B. v. Wilpert 1989, 194).

[8] Mimesis: Seit der Antike (Platon, Aristoteles) ist Mimesis ein in Ästhetik und Kunsttheorie verwendeter Begriff für Nachahmung der Natur in den Künsten. Aristoteles sieht in der Mimesis die „anthropologische Begründung und philosophische Rechtfertigung“ der Künste (Meid 1999, 340). In seiner Poetik heißt es: „Denn sowohl das Nachahmen selbst ist den Menschen angeboren – es zeigt sich von Kindheit an, und der Mensch unterscheidet sich dadurch von den übrigen Lebewesen, dass er in besonderem Maße zur Nachahmung befähigt ist und seine ersten Kenntnisse durch Nachahmung erwirbt – als auch die Freude, die jedermann an Nachahmung hat. Daher ist Dichtung etwas Philosophischeres und Ernsthafteres als Geschichtsschreibung; denn die Dichtung teilt mehr das Allgemeine, die Geschichtsschreibung hingegen das Besondere mit“ (Aristoteles 2002, 11). Laut Fuhrmann (in: Aristoteles 2002, 113) wird diese Behauptung der Geschichtsschreibung nicht gerecht. Außerdem geht der angeborene Nachahmungstrieb des Menschen über die bloße Nachahmung hinaus und gewinnt durch Darstellung des Allgemeinen und Exemplarischen Erkenntnischarakter. Mimesis ist also kreative Nachschöpfung realer oder möglicher Vorgänge mit künstlerischen Mitteln nach den Gesetzen der Anschaulichkeit, Wahrscheinlichkeit und Glaubhaftigkeit. Sie ist Gradmesser für die Stufen der Wirklichkeitsverarbeitung (vgl. v. Wilpert 1989, 574 und Meid 1999, 340).

[9] In der christlichen Vorstellung vermischen sich beide. Ihr Telos ist das zielgerichtete Zuströmen der Geschichte auf das Ende der Zeit und das Paradies, die Nicht-Geschichte, jedoch wird darin ein einziger großer Zirkel gesehen: Anfang und Ende sind bei Gott.

[10] Die Unterscheidung zwischen Notwendigem und Kontingentem, d.h. Zufälligem stammt bereits von Aristoteles.

[11] Leopold von Ranke gilt als der Begründer der idealistischen Geschichtswissenschaft, die auf der Annahme der Möglichkeit einer objektiven Geschichtserkenntnis beruht, wie es sein berühmter Ausspruch von 1824 ausdrückt: „wie es eigentlich gewesen“ (Cornelißen 2000, 14). Sein sogenannter Historismus strebt nach einer möglichst weitgehenden Auslöschung des Historikers im Werk durch verstehende Empathie und somit möglichst großer Objektivität (Mommsen 2000, 32). Ranke steht paradigmatisch für die von Spang unterschiedene erste, traditionelle Möglichkeit der Geschichtskonzeption.

[12] Diese Auffassung darf nicht mit einer teleologischen Geschichtsauffassung verwechselt werden. Die Rankeschule lehrt vielmehr: „Alle Epochen der Geschichte sind gleich unmittelbar zu Gott“. Es gibt also „keine Entwicklungsrichtung, keine Höhepunkte und Niederungen“, wie Lukács es ausdrückt. Die Geschichte ist zwar eine ewige Bewegung und die Ereignisse kausal miteinander verknüpft, aber hat sie keine bestimmte Richtung (Lukács 1965, 213).

[13] Das Standardwerk zum historischen Roman von Georg Lukács (Der historische Roman, 1936, deutsch 1955), das sich vor allem mit der Scott’schen Tradition befasst, reicht für die Beschäftigung mit neueren Romanen nicht mehr aus, da sich diese in vielen Punkten weit davon entfernt haben.

[14] Hauptmerkmal des Abenteuerromans ist der Gegensatz zwischen einer gewohnten sicheren und einer fremden gefährlichen Welt. Der Held muss dabei auf einer meist erzwungenen Reise außergewöhnliche Situationen meistern (vgl. Meid 1999, 9).

[15] „Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch voneinander, dass sich der eine in Versen und der andere in Prosa mitteilt […]; sie unterscheiden sich vielmehr dadurch, dass der eine das wirklich Geschehene mitteilt, der andere, was geschehen könnte“ (Aristoteles 2002, 29; vgl. auch Fußnote 6!).

[16] Aristoteles deutet diese Möglichkeit an, ohne sie zum Gesetz zu erheben. Für ihn kann, muss aber nicht, die Geschichte den poetologischen Strukturgesetzen entsprechen: „[Der Dichter] ist also, auch wenn er wirklich Geschehenes dichterisch behandelt, um nichts weniger Dichter. Denn nichts hindert, dass von dem wirklich Geschehenen manches so beschaffen ist, dass es nach der Wahrscheinlichkeit geschehen könnte, und im Hinblick auf diese Beschaffenheit ist er Dichter derartiger Geschehnisse“ (Aristoteles 2002, 32f).

[17] Die Art des Lückenfüllens von Seiten des Historikers und des Schriftsteller trennt Larios jedoch entschieden und setzt hier sein Unterscheidungskriterium schlechthin zwischen den beiden Diskursformen an. Trotz der Gemeinsamkeit, dass die Autoren (Historiograph oder Schriftsteller) mit einer a priori erzeugten Vorstellungskraft die Lücken im Quellenmaterial ausfüllen, unterscheide beide grundsätzlich, dass dies der Historiker mit einer strukturierenden und der Romancier mit einer künstlerischen Logik vollziehe (Larios 1997, 131).

[18] Für den deutschsprachigen Raum wurden ähnliche Zweigliederungen vorgenommen, zuerst von Geppert (1976), der von einem „üblichen“ und einem „anderen“ historischen Roman spricht, und dann von Müller (1988), der Gepperts Kriterien verbessert und eine Einteilung in einen „traditionellen“ und einen „modernen“ historischen Roman vorschlägt (vgl. Aust 1994, 45ff).

[19] Für den historischen Roman in Lateinamerika schlägt Menton (1993, 18ff) folgende Periodisierung vor:

- 1826-1882: Als ersten historischen Roman Lateinamerikas sieht Menton den anonymen Jicoténcal (1826) aus Mexiko. Dieser erste Abschnitt muss in enger Verbindung mit der Walter-Scott-Tradition gesehen werden. Er umfasst romantische Romane, die auf die Schaffung eines Nationalbewusstseins abzielen und realistische Romane, die eine möglichst faktentreue Geschichte darstellen (v.a. von Ricardo Palma).

- 1882-1915: Der moderne historische Roman thematisiert in geringerem Maß das Nationalbewusstsein. Er entwirft Gegenpositionen zum Kostumbrismus und positivistischen Naturalismus. Das Hauptziel dieser Phase ist die künstlerische Nachbildung einer historischen Szenerie.

- 1915-1945: Der lateinamerikanische Roman dieses Zeitabschnitts wird vom criollismo dominiert. Es handelt sich um eine an historischen Romanen arme Phase. Die Suche nach der nationalen Identität wird von neuem zu einem wichtigen Thema, jedoch jetzt unter Hervorhebung zeitgenössischer Probleme wie z.B. des Gegensatzes zwischen urbaner Zivilisation und Barbarei im Hinterland, der sozialökonomischen Ausbeutung, des Rassismus.

- 1949 bis heute: Mit dem Erscheinen von El reino de este mundo (1949) von Alejo Carpentier beginnt die von der vorherigen Entwicklung stark abgesetzte Phase der „nueva novela histórica latinoamericana“.

[20] Das dialogische Prinzip besagt, dass in einem Text zwei oder mehr miteinander in Konflikt oder Widerspruch befindliche Darstellungen von Ereignissen, Personen oder Perspektiven nebeneinander stehen. Karnevalesk werden Schreibstile mit humoristischen Übertreibungen genannt. Unter Heteroglossie versteht Bakhtin den bewussten Gebrauch vieler verschiedener Diskurstypen in einem Text.

[21] Um dem Leser eine schnellere Einordnung der Textstellen zu ermöglichen, wird bei Zitaten aus Os sertões (=OS) beziehungsweise La guerra... (=LG) immer zunächst das Kapitel, dann die Seitenzahl angegeben.

[22] Der Brief ist mit 3. Dezember 1902 datiert und antwortet auf die Kritik Veríssimos an Os sertões. Vgl. zu dieser Textstelle auch Facioli (1998, 38f).

[23] Genaueres darüber in Kapitel 3.1.

[24] Seine Sprechakttheorie entwickelt Searle in: Searle, John R.: Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay. Frankfurt 1971 (Amerikanisches Original 1969). Vgl. auch Linke/Nussbaumer/Portmann 1994, 182-194.

[25] Bezeichnung für die Anhänger des Conselheiros. Heute fast nur noch in dieser Bedeutung. Ursprünglich wurden damit allgemein Banditen des Sertão bezeichnet.

[26] Der weiter oben analysierte Textausschnitt über den toten Soldaten führte auch zu diesem Ergebnis. Allerdings stammt die Passage aus „A terra“.

[27] Nähere Ausführungen dazu finden sich in Kapitel 5.1.1.

[28] Das Aussterben der sertanejos wird in dem frühen Kapitel „O homem“ vorausgesagt: „Primeiros efeitos de variados cruzamentos, destinavam-se talvez à formação dos princípios imediatos de uma grande raça. Faltou-lhes, porém, uma situação de parada ou equilíbrio, que lhes não permite mais a velocidade adquirida pela marcha dos povos neste século. Retardatários hoje, amanhã se extinguirão de todo“ (OS, O homem, 102).

[29] Poiesis wurde lange Zeit immer in Verbindung mit Ambiguität und Assoziativität gesehen, da sie als Hauptmerkmal der Dichtung galt. Diese heute überholte Auffassung spräche dem „poetischen Gebrauch der Sprache“ die Möglichkeit einer gleichzeitigen Wissenschaftlichkeit ab.

[30] Schon allein deshalb ist es verwunderlich, weshalb Lentzen in seinem noch relativ neuen Werk (1996) über Vargas Llosa Os sertões, schlichtweg einen Roman nennt.

[31] Auch im für den Vergleich von Os sertões und La guerra... fundamentalen Werk von Leopoldo Bernucci (Historia de un malentendido, 1989) wird mit Genettes Terminologie gearbeitet. Eine Zusammenfassung und Gegenüberstellung der verschiedenen theoretischen Ansätze findet man beispielsweise bei Beristáin 1996.

[32] Firmat nennt den Hypotext Intertext und den Hypertext Exotext (Beristáin 1996, 41). Bei Genette ist der Überbegriff für jegliche Beziehungen zwischen zwei Texten Transtextualität. Er definiert fünf Typen von transtextuellen Beziehungen: Intertextualität (Kopräsenz zweier oder mehrerer Texte), Paratextualität (pragmatische Dimension des Textes, die durch Titel, Subtitel, Vorwort, Nachwort, Klappentext etc. hergestellt wird), Metatextualität (das kommentierende Sprechen über einen Text, z.B. die Literaturkritik), Hypertextualität (Gradmesser für das Verhältnis von Hypertext zu Hypotext) und Architextualität (Zugehörigkeit des Textes zu einer Gattung; Beristáin 1996, 31-39).

[33] Siehe dazu Kapitel 4.2.

[34] Für Flaubert sollen die Ereignisse einer Geschichte ganz für sich selbst sprechen und sich selbst interpretieren und der Erzähler den Idealen der „impartialité“ (Unparteilichkeit) und „impassibilité“ (Unerschütterlichkeit) gehorchen.

[35] Viele Kritiker heben auch einige Charakteristika des Abenteurromans hervor (z.B. Kleinert 1987, 50) sowie auch Vargas Llosa selbst (Vargas Llosa/Setti 1988, 3), jedoch ist dies hier nicht Betrachtungsgegenstand.

[36] Die Schreibweise in Klammern bzw. vor dem Schrägstrich entspricht derjenigen von Os sertões. Vargas Llosa hat oft die vielen Vornamen weggelassen und Schreibweisen leicht hispanisiert. Das brasilianische Wort jagunços lautet bei ihm yagunzos.

[37] Vgl. Kapitel 6.1.

[38] Dazu mehr in Kapitel 5.1.1.

[39] Benjamin Constant Botelho de Magalhães galt als der ideologische Führer der republikanischen Bewegung. Er war Positivist und Professor an der Militärschule. In den ersten Jahren der Republik war er zuerst Kriegs-, danach Bildungs- und Postminister (Zoller in: Bernecker/Pietschmann/Zoller 2000, 216).

Ende der Leseprobe aus 136 Seiten

Details

Titel
Lateinamerikanische Wirklichkeit in Historiographie und Fiktion
Untertitel
"Os sertões" von Euclides da Cunha und "La guerra del fin del mundo" von Mario Vargas Llosa im Vergleich
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Romanisches Seminar)
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
136
Katalognummer
V32912
ISBN (eBook)
9783638335065
ISBN (Buch)
9783638917926
Dateigröße
1038 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit untersucht ein historiographisches und ein literarisches Werk über dasselbe Thema (den Canudos-Krieg in Brasilien) und hinterfragt die beiden Gattungen hinsichtlich ihrer Möglichkeit, Wirklichkeit darzustellen. Dabei werden sowohl die ideologischen und poetologischen Ausgangspositionen der beiden Autoren berücksichtigt, als auch die Werke im Detail miteinander verglichen.
Schlagworte
Lateinamerikanische, Wirklichkeit, Historiographie, Fiktion
Arbeit zitieren
Doris Wieser (Autor:in), 2003, Lateinamerikanische Wirklichkeit in Historiographie und Fiktion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32912

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Lateinamerikanische Wirklichkeit in Historiographie und Fiktion



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden