Filme bieten die Möglichkeit selbst Dinge zu visualisieren, die schwer in Worte zu fassen sind, denn während die Literatur gezwungen ist Worte zu benutzen, kann das Bild das Wort verweigern und in seiner Bildsprache versuchen mit dem Rezipienten zu kommunizieren. So kann der Film als audiovisuelles Medium mit Hilfe von nur visuellen Informationen das Innenleben einer Figur erzählen bzw. darstellen.
Auch Regisseurin Angela Schanelec schafft es mit ihrer individuellen Bildsprache in MEIN LANGSAMES LEBEN (D 2001) dem Zuschauer einen Einblick in das Innenleben ihrer Hauptfiguren zu geben. Daher ist das Bild im Film das wichtigste Kommunikationsmedium zwischen Protagonist und Zuschauer, denn nur durch die Bilder werden das Abwegige und das vermeintlich Unscheinbare zum Vorschein gebracht und sinnlich erfahrbar gemacht.
In ihrem Film MEIN LANGSAMES LEBEN stellt Schanelec keine psychologisch ausgearbeiteten Charaktere als Identifikationsfiguren dar, sondern es geht ihr viel mehr um die Beobachtung von Menschen in alltäglichen Situationen. So erzählt MEIN LANGSAMES LEBEN einzelne Lebenssituationen der Hauptfigur Valerie: Valeries Freundin Sophie fliegt für sechs Monate nach Rom und Valerie bleibt in Berlin zurück. In Berlin lernt Valerie den Bruder ihrer neuen Mitbewohnerin Marie kennen und verliebt sich in ihn. Doch dann erfährt Valerie, dass ihr Vater wegen eines Schlaganfalls im Krankenhaus liegt und schon bald darauf stirbt. Angela Schanelec hat in ihrem Film keine klassische Dramaturgie - Sie konzentriert sich auf einige wenige Momentaufnahmen, die sie episodenhaft darstellt. So gibt es viele Auslassungen in der Handlung. Auch ist die Kamera oft distanziert und fängt Geschehnisse in der Diegese des Films bewusst nicht ein. Der Film spielt sozusagen mit dem Abwesenden, mit Dingen, die der Zuschauer nicht sieht und sich somit diese Leerstellen selbst füllen muss.
Wichtig sind hierbei vor allem die Szenen des Films, in denen getanzt wird. Zu nennen sind hier drei Szenen, die dem Zuschauer im Kopf bleiben, denn diese verbinden den körperlichen und sinnlichen Tanz mit der Erfahrung einer grundlegenden Abwesenheit im Tanz.
Doch was genau ist abwesend in den Tänzen? Wie kann der Tanz gleichzeitig präsent und doch abwesend sein und was genau will die Regisseurin Angela Schanelec mit dieser Form der Tanzdarstellung bezwecken? In dieser Arbeit werden diese Fragen geklärt, um letztendlich dem Zuschauer ein besseres Verständnis für den Film zu vermitteln.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- MEIN LANGSAMES LEBEN - Einleitung
- Die Form des Films
- Die Präsenz im Tanz
- Der Begriff der Abwesenheit
- Tanzszene 1
- Tanzszene 2
- Tanzszene 3
- Gemeinsamkeiten der Tanzszenen
- MEIN LANGSAMES LEBEN - ein Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit analysiert die Ästhetik der Tanzszenen in Angela Schanelecs Film MEIN LANGSAMES LEBEN (D 2001). Sie untersucht die spezifischen Tanzbewegungen, die Kameraführung und die filmische Inszenierung, um zu verstehen, wie Schanelec das Konzept der Abwesenheit im Tanz veranschaulicht. Die Arbeit konzentriert sich darauf, wie das Abwesende im Tanz präsent wird und welche Bedeutung der Film dadurch für den Zuschauer erhält.
- Die Rolle der Abwesenheit in der Inszenierung von Tanzszenen
- Die Beziehung zwischen Präsenz und Abwesenheit im Tanz
- Die Funktion von Tanzszenen für die Charakterentwicklung und die emotionale Erfahrung des Zuschauers
- Die Bedeutung der Kameraführung für die Darstellung von Tanz und Abwesenheit
- Die Interaktion von akustischer und visueller Ebene in den Tanzszenen
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- MEIN LANGSAMES LEBEN - Einleitung: Diese Einleitung stellt den Film MEIN LANGSAMES LEBEN von Angela Schanelec vor und hebt die Besonderheit der Bildsprache des Films hervor. Sie beschreibt den Fokus des Films auf die alltäglichen Situationen der Hauptfigur Valerie und die Bedeutung der Tanzszenen für die Analyse des Films.
- Die Form des Films: Dieses Kapitel analysiert die filmische Form von MEIN LANGSAMES LEBEN. Es untersucht die distanzierte Kameraführung, die episodenhafte Erzählweise und die Vermeidung von klassischer Dramaturgie. Die Analyse konzentriert sich auf die Bedeutung der langen Einstellungen und die Trennung von Ton und Bild.
- Die Präsenz im Tanz: Dieses Kapitel beleuchtet die allgemeine Präsenz des Tanzes im Film und die damit verbundene ästhetische Erfahrung des Zuschauers. Es untersucht die Körperlichkeit des Tanzes als Garant für seine Präsenz und die Bedeutung der Flüchtigkeit und Vergänglichkeit der Tanzbewegung.
- Der Begriff der Abwesenheit: Dieses Kapitel analysiert den Begriff der Abwesenheit im Kontext des Tanzes. Es untersucht, wie die Abwesenheit durch das Aussetzen der Präsenz im Tanz entsteht und welche Bedeutung die Abwesenheit für die Interpretation des Tanzes und für die Interaktion zwischen Tänzer und Zuschauer hat.
- Tanzszene 1: Dieses Kapitel bietet eine detaillierte Analyse der ersten Tanzszene des Films. Es untersucht die akustische Präsenz des Tanzes, die Abwesenheit von sichtbaren Bewegungen und die Bedeutung der reglosen Haltung der Figur Clara. Der Fokus liegt auf der Bedeutung der Trennung von visueller und akustischer Ebene und auf der Aktivierung der Zuschauerimagination.
- Tanzszene 2: Dieses Kapitel untersucht die zweite Tanzszene, die in einer Disco spielt. Es analysiert die Bedeutung des Raumes, die Körpersprache der Tänzer und den intimen Charakter des Tanzes. Der Fokus liegt auf der Vermittlung von Emotionen durch den Tanz und der Interpretation der Tanzbewegungen als Ausdruck von Trauerarbeit.
- Tanzszene 3: Dieses Kapitel analysiert die dritte Tanzszene, die auf der Hochzeit von Maria stattfindet. Es untersucht die rituelle Bedeutung des Hochzeitstanzes, die Kameraführung und die Bedeutung des Raumes. Der Fokus liegt auf der Integration des Zuschauers in die tanzende Masse und der Steigerung der Gegenwartserfahrung.
- Gemeinsamkeiten der Tanzszenen: Dieses Kapitel fasst die Gemeinsamkeiten der drei Tanzszenen zusammen. Es untersucht die Aufforderung zum Tanz, die eigenständige Darstellung der Tanzszenen, die unvollständige Präsentation der Tänze und die Bedeutung der diegetischen Musik. Der Fokus liegt auf der Aktivierung des Zuschauers durch die Abwesenheit im Tanz und die verschiedenen Wahrnehmungsformen, die die Tanzszenen beim Zuschauer erzeugen.
Schlüsselwörter (Keywords)
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Ästhetik der Tanzszenen in Angela Schanelecs Film MEIN LANGSAMES LEBEN. Schlüsselbegriffe sind: Abwesenheit, Präsenz, Tanz, Körpersprache, Kameraführung, Bildsprache, filmische Form, Emotionen, Zuschauererfahrung, diegetische Musik, Interpretation, Analyse, filmische Sprache.
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- Katrin Graf (Author), 2015, Die Absenz im Präsenz. Analyse der Ästhetik der Tanzszenen im Film MEIN LANGSAMES LEBEN (D 2001) von Angela Schanelec, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334168