Die räumliche Kompatibilität des Pfeils. Verursacht die besondere Beschaffenheit von Pfeilstimuli den triphasischen Verlauf des lateralisierten Bereitschaftspotentials?


Forschungsarbeit, 2015

41 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Einleitung

Fragestellung und Hypothesen

Methode
Versuchspersonen
Stimuli
Apparatur
Untersuchungsablauf
Reaktionszeitmessung
Elektrophysiologische Messung

Ergebnisse
Reaktionszeiten
Fehlerhäufigkeiten
EEG-Daten

Diskussion

Literaturverzeichnis

Anhang

Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit sollte untersucht werden, ob die räumliche Kompatibilität von Pfeilstimuli den triphasischen Verlauf des lateralisierten Bereitschaftspotentials (LRP) verursacht. Die räumliche Kompatibilität entsteht durch eine asymmetrische Stimulation, die durch zwei verschiedene Bedingungen variiert wurde: Geforderte Reaktion auf die Spitze des Pfeils oder seine offene Seite. An der Untersuchung nahmen insgesamt 35 Versuchspersonen beider Geschlechter teil. Von diesen wurden Reaktionszeiten, Fehlerraten sowie EEG-Daten erhoben. Für die beiden Bedingungen wurden unterschiedliche Verläufe des LRPs erwartet. Im Vergleich zu der Bedingung der Pfeilspitze sollten die Ausschläge des LRPs bei der Reaktion auf die Pfeilöffnung geringer ausfallen, ausbleiben oder sich umkehren. Unsere Erwartungen konnten bestätigt werden. Während in der Bedingung, in der auf die Spitze des Pfeils reagiert werden musste, ein triphasischer Verlauf vorlag, war dieser in der Bedingung, in der auf die offene Seite des Pfeils zu reagieren war, lediglich biphasisch. Zusätzlich wurde bei den mittleren Reaktionszeiten und den mittleren Fehlerraten in beiden Kongruenzbedingungen ein vergleichbarer Negativer Kompatibilitätseffekt (NCE) beobachtet.

Einleitung

Tagtäglich wird der Mensch mit einer Vielzahl von Reizen konfrontiert. Allerdings hat nicht jeder Reiz für das Individuum die gleiche Bedeutung, sodass wir unsere Aufmerksamkeit nur auf die für uns relevanten Dinge richten. Schmidbauer (2001) definiert die Aufmerksamkeit als eine zweckmäßige Auswahl aus der Fülle von Reizen, welche wir in unserer Umwelt auf verschiedene Weise aufnehmen, um den Organismus nicht zu überfordern. Er beschreibt die Aufmerksamkeit als den „[...] Lichtkegel eines Scheinwerfers, der manche Informationen anleuchtet, andere jedoch im Dunkeln lässt“ (Schmidbauer, 2001,S.32). Doch bedeutet dies auch gleichzeitig, dass die Informationen, die im Dunkeln liegen, von uns nicht wahrgenommen werden, und somit nicht unser Bewusstsein erreichen können?

Die Frage nach dem Unbewussten hat eine lange Tradition. Folgendes Alltagsbeispiel illustriert, wie Ereignisse, die nicht bewusst verarbeitet werden, trotzdem in gewisser Weise von uns wahrgenommen werden können. Wir kennen die Situation, in der wir uns auf einer Party angeregt unterhalten und versuchen, dem Gespräch konzentriert zu folgen. Dazu blenden wir die Nebengeräusche um uns herum aus, um nur die Worte unseres Gesprächspartners wahrzunehmen. Hören wir jedoch unseren eigenen Namen, der in einem anderen Gespräch im Raum fällt, lenken wir unsere Aufmerksamkeit unmittelbar auf dieses Gespräch, sodass es von uns bewusst wahrgenommen wird. Die beschriebene Situation wird von Psychologen auch als Cocktail-Party-Effekt bezeichnet und veranschaulicht das Phänomen der selektiven Aufmerksamkeit (Myers, 2005).

Um das Phänomen der unbewussten Wahrnehmung und die dahinterliegenden Prozesse besser verstehen zu können, wird in der heutigen Forschung insbesondere die Methode des sogenannten Primings angewandt. Unter dem Begriff Priming versteht man die erleichterte Verarbeitung eines Reizes, die dadurch erreicht wird, dass unmittelbar zuvor ein ähnlicher Reiz präsentiert wurde (Pethes & Ruchatz, 2001).

Ein sehr klassisches Experiment zum Priming stellt jenes von Stephen Palmer aus dem Jahr 1975 dar. Hierbei diente als Prime die Darbietung einer kontextbezogenen Szene, zu der typischerweise bestimmte Objekte gehören. Als Target dienten entweder zu dieser Szene passende oder unpassende Gegenstände, die für kurze Zeit dargeboten wurden. Die Aufgabe der Probanden bestand darin, diese Objekte zu benennen sowie anzugeben, wie sicher sie sich in ihrer Antwort sind. Beispielsweise wurde als Prime eine Küchenszene präsentiert und als Target diente ein Brotlaib, ein Briefkasten oder eine Trommel. In diesem Fall ist die Küche ein angemessener Kontext für das Brot als Target, für den Briefkasten oder die Trommel allerdings nicht. In einer Kontrollgruppe wurde eine leere Szene als Prime dargeboten, sodass für das Target kein Kontext vorlag. Palmer (1975) konnte zeigen, dass die Identifikationsrate bezüglich des Targets bei passendem Kontext höher war als bei unpassendem. Somit hat die Präsentation einer kontextbezogenen Szene einen Einfluss auf die Identifikation von Objekten, die zu diesem Kontext konform sind.

Das beschriebene Experiment von Palmer (1975) ist ein Beispiel für semantisches Priming. Aber auch soziale Bewertungen bzw. Einstellungen können durch die Methode des Primings indirekt erfasst werden. Devine (1989) führte hierzu insgesamt drei Studien durch, bei denen auf verschiedene Weise Vorurteile und Stereotype aufgedeckt werden sollten. In einer von diesen drei Studien dienten als Primestimuli Wörter, die insbesondere in den USA mit dem Stereotyp des Afroamerikaners in Verbindung gebracht werden, wie zum Beispiel Blues oder Sklaverei. Diese wurden tachistoskopisch, d.h. für sehr kurze Zeit dargeboten, sodass sie von den Versuchspersonen nicht bewusst wahrgenommen werden konnten. An den verschiedenen Studien nahmen ausschließlich weiße amerikanische Studierende teil. Zudem gab es eine Kontrollgruppe, in der ausschließlich neutrale Primes präsentiert wurden, wie zum Beispiel Nummer oder Wasser. Anschließend wurde den Probanden nach der Bearbeitung einer Vigilanzaufgabe eine Beschreibung des Alltags von einer fiktiven Person namens Donald vorgelegt und die Aufgabe bestand darin, sich auf Grundlage dieser Beschreibung ein Bild von Donald zu machen. Es wurde unter anderem beschrieben, wie Donald einige feindselige Verhaltensweisen zeigte. Diese fiktive Person sollte anschließend auf verschiedenen Skalen eingeschätzt werden. Es zeigte sich, dass die Gruppe, bei denen das Stereotyp eines Afroamerikaners durch die entsprechenden Primes aktiviert wurde, das Verhalten von Donald feindseliger einschätzte im Vergleich zur Kontrollgruppe. Devine (1989) schlussfolgerte daraus, dass Stereotype durch den Prozess des Primings aktiviert werden können und so die Interpretation von darauffolgender Information gegebenenfalls beeinflussen.

Das Konzept des Primings kann in sehr vielen weiteren Bereichen angewendet werden. So konnte beispielsweise auch das Priming von Zielen (Bargh, Gollwitzer, Lee-Chai, Barndollar & Trötschel, 2001) oder das Priming von Personenurteilen (Higgins, Rholes & Jones, 1977) gezeigt werden.

Um die bereits angesprochene unbewusste Wahrnehmung auch empirisch nachweisen zu können, verwendet man eine besondere Methode des Primings, nämlich die des subliminalen Primings. Subliminal bedeutet in diesem Zusammenhang unterschwellig. Unterschwellig präsentierte Reize können in diesem Fall nicht bewusst wahrgenommen bzw. nicht diskriminiert werden. Sie liegen somit unterhalb der entsprechenden Wahrnehmungsschwelle (Brockhaus, 2001).

Subliminales Priming wurde erstmals von Fehrer und Raab (1962) innerhalb eines Experiments untersucht. In ihrer Untersuchung bestand die Aufgabe der Probanden darin, so schnell wie möglich auf einen Reiz zu reagieren, der durch die Methode der sogenannten Metakontrastierung kaum sichtbar war. Bei der Methode der Metakontrastierung wird nach dem Prime eine Maske gezeigt, die genau auf den Prime passt, ohne diesen zu überdecken. In ihrem Experiment verwendeten Fehrer und Raab (1962) zwei kleine Quadrate als Stimuli. Der Primestimulus wurde von zwei größeren Quadraten maskiert, deren innere Konturen die äußeren Ränder des Primes genau umfassten. Die Aufgabe der Probanden bestand darin, so schnell wie möglich auf die Präsentation dieser Maske zu reagieren, die somit zugleich die Funktion des Targets übernahm. Da hier lediglich die reine Reaktion auf das Target verlangt wurde, spricht man auch von einem Simple-Reaction-Time-Experiment. Fehrer Die Methode des Response Primings spielt bei der Erforschung der unbewussten Wahrnehmung eine entscheidende Rolle. Hierbei muss auf ein Target so schnell und fehlerfrei wie möglich reagiert werden, dessen bewusste Wahrnehmung verhindert wird. Dies kann durch die bereits beschriebene Methode der Metakontrastierung oder das sogenannte pattern masking erfolgen, bei dem die Maske an gleicher Position erscheint wie der Primestimulus. Das Target wird beim Response Priming von einem Prime angekündigt, der entweder die gleiche oder die entgegengesetzte Antwort in Bezug auf das Target erfordert. Bei identischem Prime- und Targetstimulus erfolgt die Antwort typischerweise schneller als bei Stimuli, welche die gegensätzliche Antwortalternative verlangen. Beim Response Priming ist zudem das Zeitintervall zwischen der Präsentation des Primes und dem Erscheinen des Targets von Bedeutung. Dieses wird auch als Stimulus Onset Asynchrony (SOA) bezeichnet. Ist dieses Intervall zu lang, so wird der zuvor unbewusst präsentierte Prime zu einem bewusst wahrnehmbaren Reiz.

Neumann und Klotz (1994) untersuchten das Response Priming im Zusammenhang mit der Choice Reaction Time. Hierbei mussten die Probanden nicht nur auf die Präsentation von Stimuli reagieren, sondern auch zwischen ihnen diskriminieren. Als Targetreize dienten zwei Rechtecke, die sich jeweils auf der linken und rechten Seite eines Bildschirms befanden. Die Primes bestanden aus zwei horizontalen Balken. In kongruenten Durchgängen erschienen diese Balken an gleicher Position wie das nachfolgende Target und in inkongruenten Abfolgen auf der entgegengesetzten Seite. In neutralen Durchgängen wurden keine Primes präsentiert. Wurde eines der beiden Rechtecke von den Balken markiert, so sollte entsprechend mittels rechter bzw. linker Taste reagiert werden. Wurde beispielsweise das linke Rechteck von den zwei Balken markiert, musste die Reaktion mit linker Taste so schnell wie möglich erfolgen. Die Primes wurden jedoch mithilfe von Maskierungsreizen in ihrer Sichtbarkeit beeinflusst, sodass die Probanden nicht erkennen konnten, ob die kleineren Balken auf der rechten oder auf der linken Seite des Bildschirms präsentiert wurden. Durch eine Signalentdeckungsaufgabe zeigten Neumann und Klotz (1994), dass die Primes von den Versuchspersonen nicht bewusst diskriminiert werden konnten. Trotzdem wurde beobachtet, dass die Probanden in kongruenten Abfolgen, in denen die Position der beiden Stimuli identisch war, schneller reagierten als in inkongruenten, in denen sie gegensätzlich war. Dies wird auch als Positiver Kompatibilitätseffekt (engl.: positive compatibility effect, PCE) bezeichnet. Ein PCE ist dadurch gekennzeichnet, dass in kongruenten Durchgängen, in denen Prime und Target identisch sind, signifikant schnellere Reaktionszeiten und niedrigere Fehlerraten vorliegen als in inkongruenten, in denen sie entgegengesetzt sind (vgl. Abbildung 2).

Die direkte Parameterspezifikation von Neumann (1989, 1990) liefert eine mögliche Erklärung für den zuvor beschriebenen Fehrer-Raab-Effekt und die anfänglichen Response-Priming-Experimente. Hierbei wird angenommen, dass eine direkte Verbindung zwischen sensorischer Information und den entsprechenden Antwortparametern auch ohne die Vermittlung durch bewusste Wahrnehmung möglich ist. Ein Reiz kann somit eine willentliche Reaktion evozieren ohne dafür notwendigerweise eine bewusste Repräsentation erreichen zu müssen. Eine motorische Reaktion kann vielmehr schon ausgelöst werden, bevor der Reiz überhaupt bewusst repräsentiert wird. Dieser Prozess wird vom Individuum allerdings nicht bewusst erlebt. Da beim Response Priming bei kongruenten Abfolgen von Prime und Target typischerweise schnellere Reaktionszeiten vorliegen als dies bei inkongruenten Durchgängen der Fall ist, kann die direkte Parameterspezifikation auch indirekt den PCE erklären.

Eimer und Schlaghecken (1998) fanden bei ihrer Replikation des Response Primings zunächst sehr überraschende Ergebnisse. Sie führten insgesamt drei Experimente durch, bei denen nach rechts und nach links zeigende Doppelpfeile sowohl als Prime als auch als Target dienten. Die Primes wurden von einer Maske gefolgt, die aus zwei übereinander gelegten nach rechts und nach links zeigenden Doppelpfeilen bestand. Sie enthielt somit stets Elemente der präsentierten Prime- und Targetreize (vgl. Abbildung 1). Anders als bei den zuvor beschriebenen Untersuchungen bestand das Stimulusmaterial hier somit nun aus drei separaten Reizen (Prime, Maske und Target), die stets mittig präsentiert wurden. Die Maske übernahm somit nicht auch zugleich die Funktion des Targets, wie es beispielsweise bei der Untersuchung von Fehrer und Raab (1962) der Fall war. Ihre Funktion bestand vielmehr darin, die bewusste Wahrnehmung der Primestimuli zu verhindern. Durch eine separate Forced-Choice-Aufgabe konnten Eimer und Schlaghecken (1998) zeigen, dass die Identifikation der Primes auf Zufallsniveau erfolgte und die Maskierung somit erfolgreich war.

Prime/Target Maske

Eimer & Schlaghecken (1998) Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten oder Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Abbildung 1. Die von Eimer und Schlaghecken (1998) verwendeten Doppelpfeile mit einem Winkel von 36°. In kongruenten Durchgängen zeigten die als Prime und als Target dienenden Doppelpfeile in dieselbe Richtung und in inkongruenten hingegen in die entgegengesetzte Richtung. Der Prime wurden von einer Maske gefolgt, die aus einem Konglomerat beider möglicher Ausprägungen des Pfeilstimulus bestand.

Auf das Target sollte entsprechend der angezeigten Richtung des Pfeils per Tastendruck mit rechter bzw. linker Hand reagiert werden. Ein nach rechts zeigender Doppelpfeil erforderte somit eine Reaktion mit der rechten Hand, auf einen nach links zeigenden Pfeil musste hingegen mit linker Hand reagiert werden. Die Reaktion sollte so schnell und fehlerfrei wie möglich erfolgen. Es gab sowohl kongruente, inkongruente als auch neutrale Durchgänge. In den kongruenten Abfolgen waren Prime und Target identisch, d.h. die Doppelpfeile zeigten in die jeweils gleiche Richtung. Inkongruent bedeutet, dass die beiden Pfeilstimuli und ihre dazugehörigen Antworten gegensätzlich waren. Ein nach links zeigender Doppelpfeil wurde also von einem nach rechts zeigenden Doppelpfeil als Target gefolgt und vice versa. In den neutralen Durchgängen verwendeten Eimer und Schlaghecken (1998) nach innen und nach außen zeigende Doppelpfeile (<> bzw. ><), die somit keine Richtung anzeigten. Ein Trial setzte sich wie folgt zusammen: 16 ms Prime, 100 ms Maske und 100 ms Target ohne Intervall dazwischen. Um den Einfluss der maskierten Primes auf die Antwortprozesse genauer untersuchen zu können, wurde neben den Reaktionszeiten und den Fehlerhäufigkeiten zudem das LRP der Probanden erhoben. Das LRP ist ein elektrophysiologischer Indikator für die zentrale Aktivierung von motorischen Antworten. Es wird auf der Grundlage von ereigniskorrelierten Potentialen (engl.: event-related potentials, EKP) gewonnen, die am rechten und linken motorischen Cortex abgeleitet werden. Der Vorteil besteht darin, dass EKPs während kognitiver Prozesse kontinuierlich aufgenommen werden können und somit genaue Kenntnisse über die funktionelle Organisation von Prozessen der Informationsverarbeitung ermöglichen. EKPs können bereits vor und auch während der Durchführung einer motorischen Antwort aufgenommen werden (vgl. Eimer, 1998). Durch das lateralisierte Bereitschaftspotential konnten bei Eimer und Schlaghecken (1998) somit Tendenzen zu einer Antwortalternative aufgezeigt werden. Die Richtung des Effekts auf Verhaltensebene war allerdings genau gegensätzlich zu dem, was vor den Experimenten erwartet wurde. Statt schnellere Reaktionszeiten und niedrigere Fehlerraten in kongruenten Durchgängen im Vergleich zu inkongruenten Abfolgen wurde genau das Gegenteil beobachtet: Bei identischem Prime und Target ergaben sich langsamere Reaktionszeiten und höhere Fehlerraten, während in inkongruenten Abfolgen, in denen die beiden Pfeilstimuli in entgegengesetzte Richtungen zeigten, die schnellsten Antworten und niedrigsten Fehlerraten vorlagen. Eimer und Schlaghecken (1998) konnten durch ihre Experimente somit nicht den Positiven Kompatibilitätseffekt (PCE) aus den vorangegangenen Untersuchungen replizieren. Vielmehr zeigte sich der sogenannte Negative Kompatibilitätseffekt (engl.: negative compatibility effect, NCE), der durch signifikant schnellere und fehlerfreiere Reaktionen in inkongruenten Durchgängen im Vergleich zu kongruenten gekennzeichnet ist (vgl. Abbildung 2). Die Verläufe des LRPs zeigten ein sequentielles Muster der motorischen Aktivierung, das sich zwischen den beiden Bedingungen signifikant voneinander unterschied. Die Prime-Target-Kompatibilität hatte somit einen starken Einfluss sowohl auf die Verhaltensmaße als auch auf die LRP-Verläufe.

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Abbildung 2. Schematische Darstellung der Reaktionszeiten in ms für kongruente und inkongruente Durchgänge. Der PCE zeichnet sich durch schnellere Reaktionszeiten in kongruenten im Vergleich zu inkongruenten Durchgängen aus. Beim NCE zeigt sich ein gegensätzlicher Effekt: Schnellere Reaktionszeiten in inkongruenten als in kongruenten Abfolgen.

In der Literatur findet man verschiedene Ansätze, die versuchen, die Entstehung des NCEs zu erklären. Eimer und Schlaghecken (1998) selbst gehen von der sogenannten Selbst-Inhibitionshypothese (engl.: self-inhibition hypothesis, SI) aus. Hierbei wird postuliert, dass jeder Prime unmittelbar nach seiner Präsentation eine Aktivierung von motorischen Prozessen evoziert. Dieser Prozess erfolgt nach Eimer und Schlaghecken (1998) automatisch. Die Handlungsvorbereitung wird somit an den Prime angepasst. Wird zum Beispiel ein nach rechts zeigender Doppelpfeil als Prime dargeboten, so erfolgt eine Vorbereitung auf die Antwort mit der rechten Hand. Wenn das Target kurz nach der Präsentation des Primes erscheint, fällt es auf diese Aktivierungsphase und es kommt zu Straight bzw. Positivem Priming. In kongruenten Durchgängen, in denen Prime und Target identisch sind, resultieren somit schnellere Reaktionszeiten und niedrigere Fehlerraten als in der inkongruenten Bedingung, in der die Pfeilstimuli in entgegengesetzte Richtungen zeigen. Allerdings wird diese Aktivierung nach Eimer und Schlaghecken (1998) stets von einem Inhibitionsprozess gefolgt, der in einem gegensätzlichen Effekt resultiert. In der Selbst-Inhibitionshypothese wird daher angenommen, dass bei längeren Prime-Target-Intervallen die postulierte Inhibitionsphase starten kann und Inverses Priming resultiert, d.h. die Probanden reagieren in inkongruenten Durchgängen schneller und fehlerfreier als bei Abfolgen, in denen Prime und Target in dieselbe Richtung zeigen. Inverses Priming kann also nur auftreten, wenn der zeitliche Abstand zwischen Prime und Target lang genug ist und die Stimuli mittig präsentiert werden (Schlaghecken & Eimer, 2000). Zudem nehmen Eimer und Schlaghecken (1998) innerhalb ihrer Selbst-Inhibitionshypothese an, dass die beobachteten Primingeffekte unabhängig von der Gestalt der Maske sind, vorausgesetzt sie ist neutral zur Antwortalternative. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass die Inhibitionsphase und daraus resultierend Inverses Priming nur erfolgen kann, wenn der Prime gänzlich maskiert wird. Ist die Maskierung nicht effizient genug, resultiert Straight Priming (Eimer & Schlaghecken, 2002; Schlaghecken & Eimer, 2002). Eimer und Schlaghecken (1998) untersuchten in ihren Experimenten allerdings nicht nur die Reaktionszeiten und Fehlerraten der Probanden, sondern wie bereits erwähnt auch das lateralisierte Bereitschaftspotential (LRP). Die Verläufe, die sich hierbei ergaben, passten zu den beobachteten Reaktionszeiten und Fehlerhäufigkeiten. In Abbildung 3 sind die Kurven für die kongruenten Durchgänge dargestellt. Hier lässt sich erkennen, dass bei ca. 200 ms nach Präsentation des Primes eine Aktivierung der Antwort entsprechend der Richtung des Targets erfolgt (Bereich oberhalb der Baseline). Bei ca. 300 ms nimmt diese Aktivierung jedoch ab und kehrt sich in die dem Target entgegengesetzte Antwort um (Bereich unterhalb der Baseline). Nach Präsentation des Targets kommt es erneut zur Aktivierung der ihm entsprechenden Richtung. Da hier also zunächst die inkorrekte Antwort gebahnt wird, muss die Aktivität in kongruenten Durchgängen notwendigerweise umschlagen, bevor die korrekte Antwort gegeben werden kann. Eimer und Schlaghecken (1998) sehen in diesem triphasischen Verlauf des LRPs die Ursache für die langsameren Reaktionszeiten und höheren Fehlerraten in den kongruenten Durchgängen.

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Abbildung 3. Der von Eimer und Schlaghecken (1998) beobachtete triphasische Verlauf des LRPs in den kongruenten Durchgängen. Bei ca. 200 ms nach Präsentation des Primes kommt zu einer Aktivierung in Richtung der korrekten Antwort (Bereich oberhalb der Baseline). Nach ca. 300 ms kehrt sich diese Aktivierung ins Gegenteil um und entspricht nun der inkorrekten Antwort (Bereich unterhalb der Baseline). Nach Präsentation des Targets erfolgt erneut eine dem Target entsprechende Aktivierung.

In Abbildung 4 ist der Verlauf in den inkongruenten Durchgängen abgebildet, der sich von jenem in den kongruenten Abfolgen deutlich unterscheidet. Hier erfolgt nach Präsentation des Primes bei ca. 200 ms eine Aktivierung in Richtung der dem Target widersprechenden Antwort (Bereich unterhalb der Baseline). Bei ca. 300 ms muss diese Aktivierung lediglich in Richtung der korrekten Antwort umschlagen (Bereich oberhalb der Baseline). Wird darauffolgend das Target dargeboten, verstärkt dies die Aktivierung der korrekten Antwortalternative. Die schnelleren und fehlerfreieren Reaktionen in den inkongruenten Abfolgen begründen Eimer und Schlaghecken (1998) mit diesem biphasischen Verlauf des LRPs.

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Abbildung 4. Der von Eimer und Schlaghecken (1998) beobachtete biphasische Verlauf des LRPs in den inkongruenten Durchgängen. Bei ca. 200 ms nach Präsentation des Primes kommt zu einer Aktivierung in Richtung der inkorrekten Antwort (Bereich unterhalb der Baseline). Nach ca. 300 ms kehrt sich diese Aktivierung ins Gegenteil um und entspricht nun der korrekten Antwort (Bereich oberhalb der Baseline). Bei Präsentation des Targets wird diese noch einmal verstärkt.

Eimer (1999) führte nachfolgend drei Experimente durch, um die Annahme von Eimer und Schlaghecken (1998), dass die zunächst beobachtete Aktivierung der entsprechenden Antwort von einer Hemmung gefolgt wird, weiter zu untersuchen und genauere Evidenz für diese Idee zu erhalten. Dabei fand er heraus, dass diese frühe Antwortaktivierung durch perzeptuell-motorische Verbindungen direkt modelliert und anschließend durch einen zentralen Mechanismus inhibiert wird. Hierbei spielt nach Eimer (1999) das Stimulus Onset Asynchrony (SOA) eine entscheidende Rolle. Er nahm an, dass die Dauer dieses Intervalls einen Einfluss darauf hat, ob ein Vorteil in kongruenten oder inkongruenten Durchgängen vorliegt. In einem der drei Experimente untersuchte er daher über den Einfluss von Response Priming auf die verschiedenen Prime-Target-SOAs direkt den zeitlichen Verlauf von motorischer Erleichterung und Hemmung. Als Prime und Target dienten wie in der Untersuchung von Klotz und Wolff (1995) Quadrate und Rauten, die zu der Antwort mit rechter bzw. linker Hand zugeordnet wurden. Eimer (1999) variierte hierbei das Intervall zwischen Darbietung des Primes und Ausführung der Antwort: Der Prime wurde entweder gleichzeitig mit der Maske oder jeweils 32, 64, 96 oder 128 ms nach ihrer Darbietung präsentiert. Die Ergebnisse konnten die bereits vorangegangen Vermutungen von Eimer und Schlaghecken (1998) bestätigen. Es zeigte sich, dass die Richtung des Kompatibilitätseffekts mit dem Maske-Target-SOA interagierte. Bei einem kurzen Intervall zwischen 0 und 32 ms hatten die Probanden in den kongruenten Durchgängen einen Vorteil, d.h. hier wurde signifikant schneller und fehlerfreier reagiert als bei inkongruenten Durchgängen, in denen Prime und Target gegensätzlich waren. Ab einem SOA von 32 ms kehrte sich dieser Effekt um und die Reaktionszeiten und Fehlerraten verringerten sich in den inkongruenten Abfolgen im Vergleich zu den kongruenten Abfolgen.

Ein weiterer möglicher Erklärungsansatz bezüglich der Entstehung des NCEs stellt die Object-Updating-Hypothese (engl.: object-updating hypothesis, OU) von Lleras und Enns (2004) dar. Hierbei ist die Grundannahme, dass das visuelle System ankommende Informationen stets mit einer bestehenden Repräsentation der beobachteten Szene vergleicht, um so die Repräsentation bei Bedarf aktualisieren zu können. Liegen keine Veränderungen der beobachteten Szene vor, so wird die alte Repräsentation lediglich verstärkt. Erkennt das visuelle System allerdings Veränderungen innerhalb des Beobachteten, werden die neuen Informationen so verarbeitet, dass die Vorbereitung auf die Antwort entsprechend der Gestalt des neuen Objekts möglich ist. Bezieht man diese Annahmen auf die von Eimer und Schlaghecken (1998) durchgeführten Experimente, so bedeutet dies, dass die prime-induzierte Verarbeitung durch die Präsentation der Maske aktualisiert wird. In ihren Experimenten bestand die Maske aus einem Konglomerat der beiden möglichen Ausprägungen der Pfeilstimuli, sodass sie stets sowohl den Prime als auch einen neuen Reiz enthielt, dessen Richtung der des Primes widersprach. Nach Lleras und Enns (2004) stellt sie somit eine relevante Maske dar (vgl. Abbildung 5). Wird als Prime beispielsweise ein nach links zeigender Doppelpfeil präsentiert, der von der Konglomeratmaske gefolgt wird und als Target allerdings ein nach rechts zeigender Pfeil dient, so wechselt die Verarbeitung zu diesem nach rechts zeigenden Stimulus. Die vorherige Vorbereitung entsprechend des nach links zeigenden Primes wird unterbrochen und durch die Vorbereitung auf die Antwort mit der gegensätzlichen Hand ersetzt. Die Informationen, welche die Maske beinhaltet, werden somit automatisch analysiert, um nach relevanten Merkmalen zu suchen. Daraus resultieren in kongruenten Durchgängen langsamere Reaktionszeiten und höhere Fehlerraten, da durch die neue Information in der Maske eine motorische Aktivierung vorbereitet wird, die dem Target widerspricht. In inkongruenten Abfolgen profitiert man nach Lleras und Enns (2004) von diesem Aktualisierungsprozess, da die vom Prime ausgelöste motorische Aktivierung durch die Präsentation des Targets verstärkt wird. Während bei Eimer und Schlaghecken (1998) der Maske keine spezifische Funktion zugeschrieben wird, erhält sie in diesem Ansatz eine Schlüsselfunktion, da sie mit den Prozessen, die durch den Prime ausgelöst werden, interagiert. Enthält sie Elemente, die beispielsweise bereits im Primestimulus enthalten waren, so resultiert daraus Inverses Priming. Besteht sie jedoch aus irrelevanten Elementen, die keinen Bezug zur Aufgabe der Probanden aufweisen, lässt sich Straight Priming beobachten (vgl. Abbildung 5). Der NCE spiegelt nach diesem Ansatz somit ein Update von Wahrnehmungsobjekten wider, die Verbindungen zu Antwortalternativen aufweisen, die mit diesen Objekten verbunden sind.

[...]

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Details

Titel
Die räumliche Kompatibilität des Pfeils. Verursacht die besondere Beschaffenheit von Pfeilstimuli den triphasischen Verlauf des lateralisierten Bereitschaftspotentials?
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft)
Veranstaltung
Empirisch-experimentelles Projektseminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
41
Katalognummer
V334319
ISBN (eBook)
9783668244313
ISBN (Buch)
9783668244320
Dateigröße
829 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Räumliche Kompatibilität, Pfeil, Allgemeine Psychologie, EEG, Laterialisiertes Bereitschaftspotential, Negativer Kompatibilitätseffekt, Triphasischer Verlauf
Arbeit zitieren
Corinna Spruss (Autor:in), 2015, Die räumliche Kompatibilität des Pfeils. Verursacht die besondere Beschaffenheit von Pfeilstimuli den triphasischen Verlauf des lateralisierten Bereitschaftspotentials?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334319

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