Die Mythologie, die sich durch Volkssagen, Märchen und Aberglaube um das Objekt des Spiegels rankt, birgt seit jeher etwas Geheimnisvolles. Hauptsächlich steht dabei der Spiegel immer in Verbindung mit dem Tod. So werden zum Beispiel nach dem Tod eines geliebten Menschen alle Spiegel im Haus verhüllt, um den Toten, der im Spiegel erscheinen kann, daran zu hindern einen weiteren Menschen zu sich zu holen. Heutzutage hat der Spiegel allerdings etwas von seinem geheimnisvollen Zauber eingebüßt, denn er ist als Alltagsgegenstand in die Einrichtung eines jeden Haushalts integriert, hat dort allerdings als Gebrauchs- und Dekorationsgegenstand nur kosmetische bzw. ästhetische Funktion.
Dem Spiegel können jedoch noch andere Funktionen zugesprochen werden. So sagt Manfred Faßler „[…] mal steht Spiegel für Abbild, mal für Nicht-Identität, mal für Differenz, mal für Symbiose, mal für Selbsterkenntnis, mal für 'Ankündigung von der Wahrheit' […].“ In der Literatur gilt der Spiegel als Symbol der Eitelkeit, wie in der Sage von Narziss, als Portal der Wahrheit, wie in Grimms Märchen Schneewittchen, sowie als Tor in andere Zeiten und Orte, wie in Lewis Carrols Kinderbuch „Through the Looking-Glass and What Alice Found There.“ Das Medium des Films macht sich dabei diese semantische Vielschichtigkeit des Spiegels zu Nutzen. Dieser fungiert dabei nicht nur als visuell ästhetisches Handlungsrequisit, sondern hat gehäuft darüber hinaus eine symbolische Bedeutung.
So dienen Spiegel im Rahmen der filmischen Erzählung als Objekt und Metapher zugleich. Das Vorkommen von Spiegeln und Spiegelungen im Film bleibt aber von den Zuschauern oft unbemerkt oder ihnen wird keine weitere Bedeutung zugemessen. Allerdings werden aufmerksame Zuschauer schnell merken, dass das (gehäufte) Erscheinen von Spiegeln einer visuellen Semantik unterliegt und häufig essentielles Element der Narration ist. So zeigt auch die genauere Analyse, der für die vorliegende Arbeit gesichteten Filme, dass Spiegel in der filmischen Gestaltung nicht willkürlich eingesetzt, sondern als Teil einer durchkonstruierten Bildsprache anzusehen sind. Sie avancieren als Metapher zu einem essentiellen Motiv, um Selbsterkenntnis, Identitätskrisen, ambivalente Gefühle, innere Konflikte, sowie die Parallelität zweier Welten auch ohne Dialog zu visualisieren.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einleitung
- Der Spiegel und seine Eigenschaften
- Verwendung des Spiegelmotivs im Film
- Der Spiegel als Instrument der Identitätsfindung
- Spiegel zur Visualisierung von Identitätskrisen
- Das Spiegelmotiv in Black Swan – Anzeichen einer Schizophrenie
- Das Spiegelmotiv in DORIAN GRAY - Verlust der eigenen Identität
- Magische Spiegel
- THE MATRIX – Der Spiegel als Tür zwischen zwei Welten
- Spiegel im Horrorfilm MIRRORS
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die vorliegende Arbeit untersucht das Spiegelmotiv in Filmen und beleuchtet dessen vielfältige Bedeutungen und Funktionen. Es geht darum, die Relevanz von Spiegelszenen zu charakterisieren, eine breite Palette von Motiven aufzuzeigen und dem Zuschauer ein tieferes Filmverständnis zu vermitteln.
- Der Spiegel als Symbol der Identität und Selbsterkenntnis
- Die Funktion des Spiegels bei der Darstellung von Identitätskrisen und Bewusstseinsspaltung
- Der Spiegel als Tor zu anderen Welten und Wirklichkeitsdimensionen
- Die verschiedenen Typologien des Spiegelmotivs im Film
- Die Bedeutung der Spiegelmetapher für die filmische Narration
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- Das erste Kapitel legt den Grundstein für die Analyse des Spiegelmotivs im Film, indem es die vielfältigen physikalischen Eigenschaften des Spiegels beleuchtet.
- Das zweite Kapitel diskutiert die unterschiedlichen Verwendungen von Spiegelmotiven im Film und liefert einen Abriss über die filmgeschichtliche Einordnung von Spiegelszenen.
- Das dritte Kapitel widmet sich dem Film BLACK SWAN und zeigt, wie der exzessive Einsatz von Spiegeln den Identitätszerfall und die Selbstfindung der Protagonistin Nina Sayers visualisiert.
- Das vierte Kapitel analysiert den Film DORIAN GRAY, in dem der Spiegel als Sinnbild für Dorians wahre Identität und die Vergänglichkeit seiner Schönheit fungiert.
- Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Darstellung von magischen Spiegeln in Filmen wie THE MATRIX und MIRRORS, die jeweils das Nebeneinander von zwei Welten und die Grenzüberschreitung zwischen Realität und virtueller Welt veranschaulichen.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit befasst sich mit dem Spiegelmotiv im Film, der Identitätsfindung, Identitätskrisen, Bewusstseinsspaltung, Doppelgänger, magische Spiegel, Realität und Virtualität, parallele Welten, Grenzüberschreitung, psychologische Metaphern, filmische Narration.
- Arbeit zitieren
- Katrin Graf (Autor:in), 2013, Spiegel und Spiegelungen. Funktion und Bedeutung des Spiegelmotivs im Film, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334364