Erzählungen vom Weltuntergang gibt es viele, und das Genre bietet eine weitaus größere diachrone Anzahl an Vertretern, als in Zeiten der bombastischen Katastrophenfilme und der den Zeitgeist treffenden Öko-Thriller bewusst ist. Das Erzählmuster der Apokalypse ist ein altes, das viele prominente Vorlagen bietet – beispielsweise die Offenbarung des Johannes –, die über die Jahrhunderte in vielfältiger Form wieder aufgegriffen, entwickelt und zu neuen Ausformungen gebracht worden sind. Die Erzählung vom Weltuntergang oder zumindest einer weitreichenden Katastrophe, jüngst z. B. in Der Schwarm von Frank SCHÄTZING oder dem Film The Day After Tomorrow von Roland EMMERICH, ist also das Ende einer langen literarischen Entwicklung.
Gemeinsam ist diesen Genrevertretern, dass – zumindest bei einer kursorischen Betrachtung, die auf eine ‚übliche‘ Ausführung des Weltendes schließen lässt – das Ende der Welt und der Untergang der Menschheit nicht so absolut und allumfassend sind, wie das Heraufziehen der (wie auch immer gearteten) Katastrophe vermuten lässt. Naturkatastrophen sind meist lokal begrenzt, Pandemien schon globaler, die Invasion von Außerirdischen birgt ein noch größeres Zerstörungspotential – aber nach dem Weltuntergang bleibt immer mindestens ein Überlebender, meistens sogar mehrere, in der Welt des ‚Danach‘ zurück. Intuitiv benötigt dieses Motiv vom letzten Überlebenden keine tiefgreifende Begründung, schließlich muss jemand übrig bleiben, der die Geschichte erzählt.
Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, diese intuitive Erkenntnis literaturtheoretisch aufzuarbeiten. Warum gibt es immer mindestens diesen einen Überlebenden? Kann ein Ende der Welt ohne Überlebende erzählt werden? Kann eine Welt nach diesem Ende erzählt werden, und wenn ja, ist dies sinnvoll? Diese und weitere Fragen wurden in einer vorangegangenen Arbeit bereits nach verschiedenen, stark strukturgebundenen Blickwinkeln untersucht: Der Aspekt der Handlung unter Anwendung der Grenzüberschreitungstheorie Jurij M. LOTMANNS, die Frage nach der Verortung des Erzählers in einer Welt ohne Figuren mit den Überlegungen Gérard GENETTES sowie einige Überlegungen zum Sinn nach Reto SORG et al.
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG.
- 2. DIE HANDLUNG
- 2.1 MERKMALE EINER ERZÄHLUNG VOM ENDE DER WELT.
- 2.2 VERKNÜPFUNGEN DER KATASTROPHEN
- 3. ERZÄHLEN UND ERZÄHLER
- 3.1 ERZÄHLTER WELTUNTERGANG
- 3.2 DER ERZÄHLER VOM ENDE
- 4. DER SINN
- 4.1 VERSTÄNDNIS UND RELEVANZ..
- 4.2 DAS LEBEN ALS ERZÄHLUNG
- 4.2.1 LEBEN...
- 4.2.2... UND ÜBERLEBEN
- 4.3 DAS ENDE ERZÄHLEN..
- 5. ES WAR EINMAL... DIE APOKALYPSE
- 6. ANHANG...
- A: DAS PROBLEM DER ANTHROPOMORPHISIERUNG
- B: ERZÄHLEN ALS KOMMUNIKATION.
- C: NARRATIVE EBENEN ALS LÖSUNGSVORSCHLAG..
- D: DIE VERORTUNG DES ERZÄHLERS.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Frage, wie und ob ein Weltuntergang ohne Überlebende erzählt werden kann und welche Bedeutung und Relevanz eine solche Erzählung hat. Sie untersucht die narrative Struktur und die Sinnkonstitution von Geschichten über das Ende der Welt, insbesondere im Hinblick auf die Rolle des Erzählers und die Darstellung der Katastrophe.
- Narrative Struktur von Erzählungen vom Weltuntergang
- Die Rolle des Erzählers in einer Welt ohne Überlebende
- Sinnkonstitution und Relevanz von Erzählungen über das Ende der Welt
- Grenzüberschreitungstheorie von Jurij M. Lotman
- Anthropomorphisierung und Erzählbarkeit einer Welt ohne Menschen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Thematik der Erzählungen vom Weltuntergang einführt und den Forschungsstand beleuchtet. Im zweiten Kapitel wird die Handlungsstruktur von solchen Erzählungen unter Verwendung der Grenzüberschreitungstheorie von Jurij M. Lotman analysiert. Dabei werden die Herausforderungen bei der Erzählung eines Weltuntergangs ohne Überlebende im Hinblick auf die notwendigen Handlungsträger und die Einordnung der Katastrophe als Ereignis im Sinne der Theorie beleuchtet.
Das dritte Kapitel widmet sich der Rolle des Erzählers in solchen Erzählungen. Es wird untersucht, welche Probleme die GENETTEsche Erzählertheorie bei der Darstellung einer Welt ohne Menschen aufwirft und welche Möglichkeiten sich durch die Annahme eines optionalen Erzählers eröffnen.
Im vierten Kapitel wird die Frage nach dem Sinn und der Relevanz von Erzählungen vom Weltuntergang behandelt. Es werden die Probleme beleuchtet, die der ‚gewöhnliche‘ und der absolute Weltuntergang für die Sinnkonstitution solcher Erzählungen mit sich bringen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen Weltuntergangserzählung, Narrative Strukturen, Erzähler, Sinnkonstitution, Anthropomorphisierung, Grenzüberschreitungstheorie, Jurij M. Lotman, Gérard Genette, Reto Sorg, Frank Schätzing, Roland Emmerich, The Day After Tomorrow.
- Quote paper
- Nathalie Exo (Author), 2011, "Es war die Apokalypse." Fortgesetzte Überlegungen zur Narration nach dem Weltuntergang, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335878