In der vorliegenden Arbeit soll die Darstellung der Optik bei Lukrez untersucht werden und zwar am Beispiel von Spiegelbildern. Daher wird, im Anschluss an eine kurze Einführung in "De rerum natura", zunächst erläutert werden, wie Lukrez ein so komplexes Phänomen wie den Sehvorgang anhand eines rein atomistischen Weltbilds überzeugend erklären kann und welche Annahmen er dabei macht.
Aufbauend auf diesen Annahmen erklärt Lukrez schließlich die Spiegelbilder. Dabei werden sich die Untersuchungen hinsichtlich Argumentationsgang, Leserlenkung und Sprache auf die Erklärung der Lage des Spiegelbilds jenseits der Spiegeloberfläche beschränken. Die weiteren im Zusammenhang mit den Spiegeln auftretenden Phänomene werden nur in ihren wesentlichen Grundzügen dargestellt werden, und, wo es sich anbietet, den Erläuterungen bei Platon und Seneca gegenübergestellt werden. Das Farbsehen jedoch, welches ebenfalls ein Bestandteil der Optik ist und von Lukrez auch behandelt wird, wird nicht betrachtet werden, da die Farbwiedergabe bei Spiegelungen nicht verfälscht wird und somit keine Rückschlüsse auf ihre Funktionsweise zulässt. Zuletzt soll Lukrez’ Optik mit der unserer heutigen Physik gegenübergestellt werden, wozu im Anhang die zeitgemäßen Erklärungen der Spiegelbilder nachgereicht werden.
„Fort fahre ich, aus den Verstrickungen der Gottesfurcht den Geist zu befreien.“ Im Proöm zum vierten Buch seines Lehrgedichtes De rerum natura bringt Lukrez seine Absicht auf den Punkt. Bereits der Vorsokratiker Xenokrates setzte Naturerscheinungen mit dem Wesen der Götter gleich und dasselbe allegorische Denken war auch der römischen religio zueigen: So wurde Iris als Göttin des Regenbogens verehrt und die Stellen, an denen Blitze eingeschlagen hatten, waren dem Iuppiter Fulgur heilig. Wie ließen sich Naturphänomene für den antiken Menschen auch anders erklären, in einer Zeit, in der die Naturwissenschaft noch in den Kinderschuhen steckte? Es mangelte dem antiken Menschen an Konzepten über die Abläufe in der Natur, sodass er gezwungen war, die Phänomene auf eine übernatürliche Kraft zurückzuführen, wenn er nicht in Furcht vor dem Unerklärlichen verharren wollte. Jedoch führte dies nur zu einer Verschiebung des Problems, da der Mensch nun zwar nicht mehr unerklärliche Naturerscheinungen, dafür aber die Unberechenbarkeit der Götter fürchten musste, die fortwährend über das Leben und Handeln der Menschen urteilten, es zum Guten wie zum Schlechten beeinflussen konnten.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Lukrez und sein Werk De rerum natura
- III. Optik und Spiegelbilder bei Lukrez
- III.1. Die simulacra und der Sehvorgang
- III.2. Die Bedeutung des Lichts
- III.3 Die jenseitige Lage des Spiegelbildes
- III.3.a Einordnung in den Kontext von De rerum natura
- III.3.b Textversion
- III.3.c Übersetzung Luc.rer. 4, 269-288
- III.3.d Textkritik
- III.3.e Interpretation
- III.4 Die weiteren Eigenschaften der Spiegelbilder
- III.4.a Die Spiegelverkehrtheit
- III.4.b Die Mehrfachspiegelung
- III.4.c Die Parabolspiegel oder rechtwinkeligen Spiegel
- III.5 Lukrez und die moderne Optik
- IV. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, die Darstellung von Spiegelbildern bei Lukrez in seinem Werk De rerum natura zu analysieren. Im Zentrum steht die Frage, wie Lukrez, ausgehend von einem atomistischen Weltbild, das komplexe Phänomen der Spiegelung erklären kann. Hierbei werden insbesondere die Argumentationslinien, die Leserlenkung und die Sprache Lukrez' in Bezug auf die jenseitige Lage des Spiegelbildes untersucht.
- Die Rolle der simulacra und ihre Bedeutung für den Sehvorgang
- Die Erklärung der jenseitigen Lage des Spiegelbildes durch Lukrez
- Die weiteren Eigenschaften von Spiegelbildern, wie z.B. die Spiegelverkehrtheit und die Mehrfachspiegelung
- Ein Vergleich der Optik bei Lukrez mit modernen physikalischen Erklärungsmodellen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Ausgangspunkte der Arbeit vor und skizziert das Problem, dass die antike Gesellschaft aufgrund fehlender naturwissenschaftlicher Erklärungen für Naturphänomene diese auf übernatürliche Kräfte zurückführte. Hier zeigt Lukrez, wie die epikureische Philosophie eine alternative Erklärung für die Natur liefert und so zu einer Befreiung vom Aberglauben beiträgt.
Kapitel II liefert eine kurze Einführung in Lukrez und sein Werk De rerum natura. Dabei wird die epikureische Naturlehre vorgestellt, die auf den beiden Grundprinzipien der Atome und des leeren Raumes beruht. Die sechs Bücher von De rerum natura werden kurz zusammengefasst, um einen Überblick über die Inhalte zu geben.
Kapitel III widmet sich der Optik und den Spiegelbildern bei Lukrez. Zunächst wird die atomistische Erklärung des Sehvorgangs durch simulacra erläutert. Anschließend werden die Argumente Lukrez' für die jenseitige Lage des Spiegelbildes im Detail betrachtet. Die weiteren Eigenschaften von Spiegelbildern, wie die Spiegelverkehrtheit, die Mehrfachspiegelung und die Parabolspiegel, werden ebenfalls behandelt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen De rerum natura, Lukrez, Optik, Spiegelbilder, simulacra, Atomismus, Sehvorgang, jenseitige Lage, Spiegelverkehrtheit, Mehrfachspiegelung, Parabolspiegel, Epikur, Philosophie, antike Naturphilosophie. Die Arbeit befasst sich insbesondere mit der Frage, wie Lukrez das Phänomen der Spiegelung anhand seines atomistischen Weltbildes erklären kann.
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- Anja Bülles (Author), 2014, Cur ultra speculum videtur imago? Optik und Spiegelbilder bei Lukrez, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337408