Angriff oder Erneuerung? Die Bedeutung der Alternative für Deutschland für die liberale Demokratie


Essay, 2015

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Was die liberale Demokratie ausmacht

Die AfD und die anderen

Familien- und Gesellschaftspolitik

Bildungspolitik

Wirtschaftspolitik

Demokratiepolitik

Innere Sicherheit

Asylrecht, Integration und Zuwanderung

Vom Bewahren der alten Freiheiten

Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

„Die Partei schwankt zwischen FDP und NPD.“ Mit diesem Satz über die Alternative für Deutschland zitierte das Handelsblatt am Beginn des Jahres Bernd Riexinger (Neuerer 2015). Das zugegeben etwas provokante Zitat des Fraktionschefs der Linken im Bundestag umreißt ziemlich gut zwei Fragen, welche die Gesellschaft in Bezug auf die AfD seit ihrer Gründung beschäftigen. Erstens: Was genau will die Alternative für Deutschland? Und zweitens: Ist sie eine Gefahr oder doch eine erneuernde Bereicherung für die Demokratie im Allgemeinen und unsere liberale Demokratie im Speziellen? Fakt ist: Von der Alternativen als schnöde Ein-Themen-Partei zu reden, die lediglich der D-Mark nachtrauert, greift mittlerweile zu kurz. Nach ihrer Gründung mutierte die Partei zu einem Sammelbecken unterschiedlichster Strömungen. Bei Wahlen klaut sie von allen Parteien Stammwähler, am meisten betroffen waren in Thüringen und Brandenburg - recht paradox - CDU und die Linke, also die Au- ßenränder der Parteien (Friedrich 2015, S. 72). Die Varianz ihrer politischen Forderungen ist in der Tat beachtlich. Dabei ist die Partei anscheinend noch in der Findungsphase, das zeigt nicht zuletzt der Richtungsstreit am Bremer Parteitag. Ein Bundesprogramm gibt es noch nicht, lediglich einen Leitfaden. Parteimitglieder, Journalisten und Politologen suchen noch nach dem richtigen Etikett für die Partei.

Weil sich die beiden oben erwähnten Fragen einander bedingen, sollen sie in diesem Essay auch zusammen behandelt werden. Die Frage nach den Forderungen der Alternative soll mit einem exemplarischen Blick in den Bundesleitfaden sowie die Wahlprogramme aus Sachsen und Hamburg erfolgen. Wo ist die AfD liberal, konservativ oder gar rechtspopulistisch? Wo ein Gewinn oder eine Bedrohung für die liberale Demokratie? Dazu kommen Aussagen be- kannter AfD-ler. Doch ganz am Anfang steht natürlich die Frage: Was ist eigentlich eine liberale Demokratie?

Was die liberale Demokratie ausmacht

Der Liberalismus ist der Vater der Staaten, so wie wir sie kennen. Liberale Vordenker wie John Locke oder Immanuel Kant wurden von der Vorstellung getrieben, dass erst die Grün- dung eines Staates Recht und Ordnung schaffe, die dem Einzelnen im Rahmen der Gesetze seine persönliche Freiheit zusichert. In einer liberalen Demokratie ist es oberstes Staatsziel, den Bürger zu schützen, gerade auch vor Eingriffen in seine Rechte vom Staat selbst. Dabei hat ein liberaler Rechtsstaat den Grundsatz zu wahren: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und besitzen die gleichen Rechte. Wie Dieter Langewiesche beschreibt, ist der Begriff des Liberalismus also nicht mit dem eines wirtschaftsnahen Neoliberalismus gleichzusetzen, der den Staat weitestgehend aus der Wirtschaft hinausdrängen möchte. Er ist vielmehr Grundkonzept der heutigen westlichen Staaten. Wenn in einem liberalen Rechtsstaat das

Volk Souverän ist und seine Repräsentanten wählen kann, dann wird aus ihm eine liberale

Demokratie (Hafez 2013, S. 19-20).

Die viel beschworene Einheit von liberalem Rechtsstaat und Demokratie ist dabei fragiler als oft vermutet. Denn die Grenzen der persönlichen Freiheit, also die Gesetze, werden in einer Demokratie in der Regel per Mehrheitsentscheid bestimmt (Hafez 2013, S.20-21). Und das kann zu Problemen führen. Durch Mehrheiten können Minderheitenrechte einge- schränkt werden. Schon Aristoteles wusste, dass aus einer Herrschaft des Volkes, in der kei- ne Rücksicht auf Minderheiten genommen wird, schnell eine Diktatur der Masse werden kann. Zwar hat Hafez Recht, wenn er sagt, dass den Grundgedanken eines liberalen Staates heute alle wichtigen Parteien der westlichen Welt teilen und sie sich nur in der philosophi- schen Herleitung ihrer Politik unterscheiden. Übersetzt heißt das aber doch auch: Es gibt in der Konsequenz liberalere und weniger liberale Parteien, bedingt durch unterschiedliche politische Ideologien. Manche Parteien wünschen sich in der Wirtschaft stärkere staatliche Vorschriften, andere wollen mehr Freiheit in der Familienplanung, wieder andere wollen den Staat generell zurückdrängen.

Noch etwas ist für die liberale Demokratie entscheidend: Es ist ihre politische Kultur, die Art und Weise, wie die Bevölkerung mit Entscheidungen der Politik umgeht, diskutiert und Werte wie Toleranz und Gleichberechtigung lebt. Erst durch einen Grundwerte- Minimalkonsens in der Gesellschaft kann die in der liberalen Demokratie gewünschte Viel- falt entstehen (Hafez 2013, S. 299). Parteien können diese Kultur beeinflussen. Ein Liberaler, sagt Langewiesche, habe stets das Individuum im Blick. Die Freiheit des Ein- zelnen wiege mehr als das Kollektiv. „Kulturelle Assimilationspflicht für nationale Minder- heiten als Preis, um als gleichberechtigte Staatsbürger in einer andersnationalen Mehrheits- gesellschaft leben zu dürfen, widerspricht dem Credo des historischen Liberalismus“, scheibt er. (Langewiesche 2001, S. 53). An diesen Idealen muss sich die AfD messen lassen.

Die AfD und die anderen

Wesentlich leichter als zu sagen, wofür die AfD steht, ist die Definition dessen, was sie ab- lehnt. Das ist - grob umrissen - nicht nur die deutsche Politik der vergangenen zehn bis zwanzig Jahre, sondern auch deren Akteure und Mechanismen. Die Partei ist angetreten zur Restaurierung, den einzelnen Bürger wieder in den Fokus der Politik zu rücken und somit das nachzuholen, was die politischen Mitbewerber ihrer Meinung nach schon lange nicht mehr tun. Ihr Name soll im wahrsten Sinne des Wortes Programm sein. Die AfD sieht sich voller Leidenschaft als Alternative zu der bisweilen „alternativlosen“ Politik einer Angela Merkel. Denn viele Bürger, so die Argumentation der AfD, können sich in den politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre schlicht nicht wiederfinden. Das fängt bei Eurohilfspaketen an und reicht über eine überhastete Energiewende bis hin zu der Aussage eines

Bundespräsidenten, der Islam gehöre zu Deutschland. Die AfD betrachtet sich selbst als Sprachrohr und politischen Zufluchtsort für die in ihren Augen wachsende Anzahl ent- täuschter Bürger. Nicht von ungefähr kam Alexander Gauland auf die Idee, die Demonstran- ten der PEGIDA-Bewegung als „natürliche Verbündete“ der AfD zu bezeichnen (Die Zeit 2015). Wie Dresdens Wutbürger sieht sich die AfD als Bewahrerin eines christlichen Abendlandes. Als „Alt“- und „Systemparteien“ bezeichnet sie eher abschätzig ihre etablier- ten Mitbewerber und unterstreicht so auch rhetorisch ihre Rolle als durch und durch frische politische Kraft im Land, die die Politik zurück zu einem idealen Urzustand führt.

Der revolutionäre Geist findet sich auch in einem Wahlslogan der Partei wieder. „Mut zur Wahrheit“, damit wirbt die AfD immer wieder auf Plakaten und Programmen. Ihrer Auffas- sung nach werden politische Meinungen und Forderungen, die nicht dem mitte-linken Mainstream zuzurechnen sind, in der medialen Öffentlichkeit und zusammenhängend damit auch im politischen Tagesgeschäft systematisch unterdrückt. Das Totschweigen bestimmter Ansichten sei eine Gefahr für die durch das Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit, die es unbedingt zu bewahren gelte. Die Partei schlägt nicht nur an dieser Stelle in die Kerbe eines Thilo Sarrazin, der sich nach dem heftigen Gegenwind zu seinen Integrationsthesen in einem Buch namens „Der neue Tugendterror“ über den Mangel an Meinungsfreiheit in Deutsch- land beklagte. Der Begriff der political correctness taucht bei der AfD immer wieder als erklärtes Feindbild auf, der einen offenen Diskussionsprozess verhindere, heißt es bei- spielsweise im Leitfaden der Bundespartei. Die AfD wende sich mit Nachdruck „gegen zu- nehmend verbreitete Tendenzen selbsternannter Gesinnungswächter, Andersdenkende ein- zuschüchtern oder gesellschaftlich auszugrenzen.“ Religionskritik müsse auch der Mei- nungsfreiheit unterliegen, schreiben die AfD-ler weiter (AfD Bund 2014, S. 7). Die Formu- lierung bleibt neutral. Welche Religion die Partei wohl überwiegend hiermit adressiert, steht nur zwischen den Zeilen. Kleiner Tipp: Es dürfte der Islam sein.

Das Eintreten für das Recht aufs freie Wort ist ein urliberales Kernthema. Ist die AfD also eine bürgerliche Partei, die für die Restaurierung unterdrückter Grundrechte eintritt? Im Kontext des Kampfes für freie Meinungsäußerung kann gleichzeitig ein anderes Prädikat, mit dem die junge Partei regelmäßig versehen wird, Berechtigungspunkte sammeln. Die Behauptung, als mutiger Widersacher gegen den Mainstream unbequeme Wahrheiten auszu- sprechen, das bisherige System und seine Vertreter zu schmähen und zeitgleich einen Ge- gensatz zwischen „dem einfachen Volk“ und „denen da oben zu schüren“, sind klare We- sensmerkmale einer rechtspopulistischen Partei (Häusler/Teubert/Roeser 2013, S. 16). Dazu sind die sprachlichen Filter, welche die AfD umgehen will, zumeist auf bestimmte Politik- felder spezialisiert. Der Politologe Werner Patzelt sagte in einem Interview mit tages schau.de dazu: „Das ist vor allem dann der Fall, wenn es um Minderheiten, Ausländer oder die Rolle des Islam geht. Der öffentliche Diskurs unterschied sich bislang drastisch von dem privaten Gespräch. Das ist bei der AfD anders, sei es aus der Lust an der Provokation, sei es aus politischer Torheit. Aber das macht die Partei für viele Wähler attraktiv“ (Patzelt 2014). Die Kritik der AfD und ihrer Anhänger ist hier in Teilen nachvollziehbar. Es ist in der Tat schwierig, sich hierzulande kritisch zu Themen wie Zuwanderung oder Islam zu äußern, ohne einen Hieb von der Nazi-Keule abzubekommen.

Wir sehen also: Der Ruf nach Meinungsfreiheit kann verschiedene Hintergründe haben: Lust am Hetzen oder echte Freiheitsliebe. Wie steht es um die anderen Forderungen der AfD? Was macht sie eher liberal, was eher konservativ oder populistisch? Beginnen wir mit einem kleinen Überblick und starten bei der Familien- und Gesellschaftspolitik.

Familien- und Gesellschaftspolitik

Das Feld hat sich im Laufe der Zeit zu einem Kernthema der AfD gemausert. Nicht umsonst eröffnet es das Wahlprogramm der Partei in Sachsen. Schon in der Präambel positioniert sich die Partei als „Alternative zur offen betriebenen Herabsetzung und Verhöhnung der Familie.“ (AfD Sachsen 2014, S. 2). Die Partei beruft sich auf die allgemeine Erklärung der Menschenrechte und sieht in der Familie die Grundeinheit einer Gesellschaft. Einige ihrer konkreten Forderungen: Junge Familien sollen steuerliche Vorteile erhalten. Mit Hilfe eines Betreuungshonorars sollen Eltern frei entscheiden können, wie sie ihr Kind betreuen lassen wollen - in der Kita oder doch lieber zu Hause. Im öffentlichen Dienst sollen Eltern bevorzugt eingestellt, das Modell „Studieren mit Kind“ gestärkt werden.

Schnell wird klar: Die AfD kämpft für ein klassisches, konservatives Familienbild. So ak- zeptiert sie eingetragene homosexuelle Lebenspartnerschaften zwar als verfassungsrechtli- che und gesellschaftliche Realität, eine weitere Gleichstellung der „Homo-Ehe“ zur klassi- schen Ehe soll es aber nicht geben. Relative Berühmtheit erlangte eine Aussage von Partei- chef Bernd Lucke, als der sich zum Coming-Out des Fußballprofis Bernd Hitzlsperger äu- ßerte: „Ich hätte es gut gefunden, wenn Herr Hitzlsperger sein Bekenntnis zu seiner Homo- sexualität verbunden hätte mit einem Bekenntnis dazu, dass Ehe und Familie für unsere Ge- sellschaft konstitutiv sind“ (Die Welt 2014). Da starke familiäre Beziehungen Grundlage einer freiheitlichen Gesellschaft seien, betrachtet sich die AfD in Sachsen als liberal, wenn sie sich gegen Abtreibungen und für eine „Schwangerschaftskonfliktberatung, die sich vor- dergründig dem Lebensschutz verpflichtet fühlt“, einsetzt (AfD Sachsen 2014, S. 3). Dieter Langewiesche würde wohl eher die Möglichkeit der Mutter über ihren eigenen Körper zu entscheiden als liberal bezeichnen. Individuum kommt vor dem Kollektiv.

Um Schwangerschaft im weiteren Sinne geht es auch im Bildungsabschnitt der AfD Sachsen.

Die Partei fordert, Sexualkunde sollte frühestens mit Beginn der Pubertät unterrichtet wer- den, um eine Hypersexualiserung der Kinder zu vermeiden. Die Lehrbuchinhalte haben sich dabei ihrer Meinung nach „an der Lebenswelt von Mehrheiten zu orientieren, nicht an der von Minderheiten.“ Zwei Sätze weiter heißt es: „Insbesondere ist einer Indoktrinierung [...] durch LGBT-Lehrplaninhalte entgegenzuwirken“ (AfD Sachsen 2014, S. 7). Übersetzt be- deutet das: Felder wie Homosexualität oder Transgender sind im Sexualunterricht tabu. Da- mit verschließt die AfD ihrerseits die Augen vor der Lebenswirklichkeit sicherlich nicht aller, aber vieler Menschen im 21. Jahrhundert. Sexuelle Vorlieben sind Gegebenheiten der Natur, keine Krankheiten, die sich durchs Totschweigen im Aufklärungsunterricht ausrotten lassen.

Zudem wehrt sich die AfD gegen jede Art von „Gender Mainstreaming“. Geschlechtsneutra- le Begriffe lehnt sie zwar für den gesamten Sprachgebrauch ab, aber zumindest in Sachsen bläst sie insbesondere unter der Kategorie Bildung gegen die vermeintliche Gehirnwäsche. Frauke Petry, Chefin der Alternativen in Sachsen, sagte jüngst auf dem Bremer Parteitag, als sie die Politik der „Altparteien“ mit einem faden Mittagsessen verglich: „Gender- Mainstreaming - ist die Maggisauce mit einer Überdosis ideologischem Geschmacksver- stärker, bei dem der Konsument nach Genuss am besten nicht mehr sicher sein soll, ob er Männlein oder Weiblein ist“ (mmnews.de 2015). Das dürfte Sympathien einbringen. Poli- tisch korrekte Schreibweisen wie „Professor_innen“ in Tageszeitungen gehen einer ganzen Menge Leute auf den Nerv, die alles andere als frauenfeindliche Chauvinisten sind.

Bildungspolitik

Liberale Punkte kann die AfD sammeln, wenn es um die Teile der Bildungspolitik geht, die nichts mit Lehrinhalten und Sexualkunde zu tun haben. Im liberalen Hamburg, einem der Schlusslichter im deutschen Bildungsvergleich, eröffneten die Standpunkte zur Bildungspo- litik das Wahlprogramm der AfD. Hier propagiert die Alternative die Rückkehr zum bürger- lichen Leistungsideal in Hamburger Schulen und Universitäten. Damit einhergehend ist man für das dreigliedrige Schulsystem und eine Stärkung des Gymnasiums als Elitenschmiede. Forderungen, die bereits auch mit blauer Schrift auf FDP-gelben Plakaten zu lesen waren. Die Beurteilung der Leistung soll durch Noten erfolgen. Wer zu viele schlechte einsammelt, bleibt sitzen. Vor allem die so genannten MINT-Fächer sieht die AfD als Grundlage des Wohlstands an, weshalb sie die neben der deutschen Sprache fördern möchte (AfD 2015 Hamburg, S. 6-9). Ein netter Widerspruch findet sich im Sächsischen Bildungsprogramm: Um die Freiheit der Forschung zu gewähren, müssten Hochschulen ideologiefrei sein. Und genau aus diesem Grund sollten Gender Studies sofort abgeschafft werden. Gedankenfrei- heit durch Denkverbote. Das passt nicht wirklich zusammen. (AfD Sachsen 2014, S. 8).

Wirtschaftspolitik

Die Kompetenz in Wirtschaftsfragen ist eine Fähigkeit, die nicht nur Parteichef Bernd Lucke in der AfD gerne für sich beansprucht. Die Partei propagiert einen Austritt aus dem Euro, jedoch nicht die Bundesrepublik betreffend. „Nicht Deutschland soll den Euro verlassen, sondern die südeuropäischen Staaten", sagte Lucke der FAZ (Lucke 2013). Die Eurokrise habe gezeigt, dass „die Einführung des Euros eine Entscheidung gegen die ökonomische und politische Vernunft war“, heißt es in den Bundesleitlinien (AfD Bund 2014, S. 5). Weil die Einheitswährung die Südstaaten stark belaste, gehöre es sozusagen zur Pflicht eines solidarischen Europas, sie aus den Fängen des Währungssystems zu entlassen.

Die AfD bekennt sich klar zur sozialen Marktwirtschaft nach Ludwig Erhard. Dabei will sie vor allem mittelständische Betriebe fördern. Dem freien Markt räumt sie mehr Kompetenz ein als der Politik, die nur eingreifen soll, wenn der Markt tatsächlich versagt. Uns selbst dann nicht immer. Die Bankenrettung habe nicht nur Bürgerrechte durch Enteignung beschnitten, sondern auch eklatante Marktregeln, das Zusammenspiel von Verantwortung und Haftung, außer Kraft gesetzt (AfD Bund 2014, S. 5).

Sie wünscht sich eine EU, die nicht für Wettbewerb und gegen Gleichmacherei steht. Ein starkes Europa besteht für sie aus wirtschaftlich starken, eigenständigen Nationalstaaten. Für manche Beobachter ist die AfD deswegen nicht nur wirtschaftsliberal, sondern sogar markt- radikal. Interessant ist die Überlegung, ob sich durch ein Zurechtstutzen der EU mehr De- mokratie schaffen ließe. Die Schmähung, wir lebten in einem „Europa der Konzerne“ ist nicht zu unrecht ein Schlagwort geworden. Schrumpft die EU, schrumpfen auch die Mög- lichkeiten der Wirtschaft, Politik zu beeinflussen. Allerdings lassen sich durch eine transpa- rentere und gedrosselte Einbindung von Wirtschaftslobbygruppen wohl ähnliche Effekte erzielen. Und zwar ohne Gefahr zu laufen, dass die Wirtschaft zwar nicht mehr in Brüssel Gesetze diktiert, dafür aber der gänzlich freie Markt die Demokratie unterhöhlt.

Demokratiepolitik

Brüssel einzudämmen, ist das eine Rezept der AfD, um die Demokratie zu stärken. Dazu verlangt sie nach mehr Volksentscheiden, um dem eigentlichen Souverän seine Macht zu- rück zu verleihen. (AfD Sachsen 2014, S. 22). Erneut ist es kompliziert, die gedankliche Marschrichtung der Partei eindeutig zu erkennen. Beides, das Verlangen nach schlankeren, demokratischeren Strukturen in der EU (was der Union tatsächlich gut täte) sowie der Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung können Forderungen echter Demokraten sein. Aller- dings gehören beide auch zum Standardwerkzeugkasten neuer rechter Populisten, die versu- chen, das verhasste System mit seinen eigenen Waffen zu schlagen (Häusler/Teubert/Roeser 2013, S. 16). Die AfD ist noch zu jung, um hierüber abschließend zu urteilen. Es scheint allerdings, als hätten sich unter ihrem Dach echte Demokratieerneuerer aber auch Demokratiedemonteure versammelt.

Innere Sicherheit

Die Partei kämpft für einen starken Rechtsstaat, will Polizei und Justiz besser ausstatten. Beispiel Hamburg: Hier sollen 500 mehr Polizisten eingestellt werden. Dazu will sie die Beamten mit Körperkameras ausrüsten, um Angriffe auf die Staatsgewalt besser aufklären zu können. Außerdem will sie die Vorratsdatenspeicherung. Der letzte Punkt dürfte Libera- len Bauchschmerzen bereiten. Bei der Landtagswahl in Sachsen legte die Partei einen Schwerpunkt auf das eher populistische Thema Grenzkriminalität, forderte vermehrt mobile Kontrollen an den Rändern des Freistaates (AfD 2014 Sachsen, S. 21). Hätte die CSU in Sachsen zur Wahl gestanden, sie wäre mit den gleichen Ideen aufgetreten. In Hamburg ist es dagegen die linke Szene, die die Partei als Bedrohung wahrnimmt. Die Hansestadt habe sich zu einer Hochburg der Linksextremisten entwickelt, schreibt sie in ihrem dortigen Wahlpro- gramm. Dabei wünscht sie sich wegen der geänderten Bedrohungslage eine Umverteilung der Mittel für politische Aufklärung. Die Stadt solle bei der Prävention gegen Rechtsextre- mismus kürzen und das eingesparte Geld Aktionen gegen Linksextremismus und Islamis- mus zur Verfügung stellen (AfD Hamburg 2014, S. 17-19). Der simple Austausch von Links- gegen Rechtsextremismus und Islamismus löst keine Probleme.

Asylrecht, Integration und Zuwanderung

Auch die Positionen zum Themenblock Asylrecht und Zuwanderung hat der rechte bis popu- listische Flügel der Partei zu verantworten. „Zuwanderung braucht klare Regeln“ forderte die AfD auf ihren Plakaten zu den Landtagswahlen 2014. Mit Slogans wie „Wir sind nicht das Weltsozialamt“ schürte sie die Angst einer Unterwanderung der deutschen Sozialsyste- me. Interessant: Die NPD warb derweil mit einem nicht ganz unähnlichen Spruch. „Wir sind nicht das Sozialamt der Welt“. Im Vorfeld der Wahlen in Thüringen bekamen es die Rechts- extremen ganz schön mit der Angst zu tun, als sich die neue Konkurrenz von rechts formier- te. „Lassen Sie sich nicht alternativ veräppeln, vertrauen Sie dem ehrlichen Original - wäh- len Sie die NPD“, schrieben die braunen Kameraden auf ihrer Heimseite im Weltnetz (Amann 2013).

Die AfD wünscht sich weiterhin ein Punktesystem für Einwanderer nach dem Vorbild von Kanada. Dort werden Einreisewillige nach ihren Fähigkeiten bewertet. Erneut hat man den Anschein, die Partei habe beim Tippen des Parteiprogramms ab und zu in das Buch eines gewissen Sarrazin geschaut, warnt die AfD in Sachsen doch davor, eine unkontrollierte

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Details

Titel
Angriff oder Erneuerung? Die Bedeutung der Alternative für Deutschland für die liberale Demokratie
Hochschule
Universität Erfurt  (Staatswissenschaftliche Fakultät)
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
14
Katalognummer
V342194
ISBN (eBook)
9783668322387
ISBN (Buch)
9783668322394
Dateigröße
580 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
AfD, Partei, liberale Demokratie, Gefahr, Chance
Arbeit zitieren
Juri Auel (Autor:in), 2015, Angriff oder Erneuerung? Die Bedeutung der Alternative für Deutschland für die liberale Demokratie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342194

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