Wann sind wir mit unserem Einkommen zufrieden? Eine geschlechter- und konjunkturspezifische Panelanalyse

Welche Indikatoren lassen sich für das als gerecht empfundene Einkommen identifizieren?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

62 Seiten, Note: 1,6

Anonym


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. EMPIRISCHES VORGEHEN
2.1. DATENBASIS SOEP
2.2. EINKOMMENSVARIABLEN
2.3. AUSGEWÄHLTE PERIODEN
2.4. DATENAUSWAHL

3. BESCHREIBENDE STATISTIK
3.1. EINKOMMENSUNTERSCHIEDE GENDER
3.2. OPERATIONALISIERBARKEIT NACH JASSO
3.3. KONJUNKTURELLER EINFLUSS
3.4. VARIANZ DES GERECHTEN EINKOMMENS
3.5. WAHRNEHMUNG STEUERGERECHTIGKEIT

4. REGRESSIONSMODELL - GERECHT EMPFUNDENES EINKOMMEN
4.1. BEGRÜNDUNG DER AUSGEWÄHLTEN VARIABLEN
4.2. SCHÄTZUNG DES LINEAREN REGRESSIONSMODELLS

5. DISKRETE MODELLE - EINKOMMENSZUFRIEDENHEIT
5.1. MLOGIT MODELL
5.2. OPROBIT UND OLOGIT MODELL
5.3. MODELLVERGLEICH LINEARE/OPROBIT/OLOGIT
5.4. GENERALIZED ORDERED MODELLE
5.5. VERGLEICH ORDERED VS. GERNERALIZED ORDERED MODELLE

6. ZUSAMMENFASSUNG
6.1. DISKUSSION
6.2. FAZIT UND AUSBLICK

7. ANHANG
7.1. ANNAHMEN DES REGRESSIONSMODELLS
7.2. DURCHSCHNITTLICHE MARGINALE EFFEKTE

8. VERZEICHNIS
8.1. ABBILDUNGSVERZEICHNIS
8.2. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
8.3. LITERATURVERZEICHNIS

Abstract:

In makroökonomischen Modellen gehen wir davon aus, dass Arbeitnehmer in konjunkturschwachen Phasen geringere Löhne hinnehmen, da mit einer steigenden Arbeitslosigkeit auch die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer sinkt. Dabei wird die Veränderung des BIP im Vergleich zum Vorjahr als Determinante für das „als gerecht empfundene Einkommen“ herangezogen.

Im vorliegenden Paper wird das „als gerecht empfundene Einkommen“ geschlechterspezifisch untersucht. Da- bei zeigt die Analyse deutlich, dass es vor allem die Bezieher niedriger Einkommen sind, die sich als ungerecht entlohnt sehen. Überraschender Weise sinkt dieses Ungerechtigkeitsempfunden aber nur bis zum dritten Ein- kommensquartil, bevor es wieder ansteigt. Dies geht mit den Ergebnissen anderer Studien einher, dass sich gerade Manager und Vielverdiener in Deutschland als unterbezahlt einschätzen. Die Analyse verdeutlich auch die Ergebnisse früherer Untersuchungen, dass sich selbst bei den subjektiv bewerteten Einkommen deutliche geschlechterspezifische Lohnunterschiede ergeben. Ebenso sind die Differenzen zwischen Ost- und West- deutschland fortbestehend. Aus den Untersuchungen geht auch hervor, dass es gerade die mittlere Einkom- mensschicht ist, die sich durch den progressiven Steuersatz ungerecht behandelt sieht.

Schlagwörter: Lebenszufriedenheit, Glück, Jassoindex, Kleinste-fehlerquadrate-Methode, Geschlech- teranalyse, multinominale Modelle, diskrete Modelle, Sozioökonomische Panel (SOEP), Deutschland.

Zusammenfassung:

In macroeconomic models we assume that workers in economically weak phases accept lower wages, since with the rising unemployment also bargaining power of workers decreases.

In the present paper the "justice of perceived income" will be analyzed by looking to the different sexes. It becomes clear that especially low income persons suffer the feeling of being paid in an unfair way. Surprisingly this feeling decreases just until the third quartile, before it rises again. Therefore, it makes sense that especially managers and high income persons feel underpaid. The analysis also clarified the results of previous studies that the ‘as fair viewed’ income would not solve the problem of wage difference between man and women. Likewise, the differences between East and West Germany remains an important effect. Further more we can see that especially the middle income persons feel unfair paid because of German progressive taxations.

Keywords: Life-satisfaction, happiness, Jasso index, ordinary least squares regression model, gender, mutinominal models, discrete models, Socio-Economic Panel (SOEP), Germany.

1. Einleitung

Ob am Stammtisch oder im Betrieb, es kommt mitunter zu heftigen Auseinandersetzun- gen bei der Frage, „Wer »gerechterweise« wie viel verdienen?“. Ein Thema, das die Menschen bewegt und bei dem die Auffassungen häufig weit auseinanderliegen. Dabei hat ein als ungerecht empfundenes Einkommen diverse negative Auswirkungen auf das persönliche Wohlbefinden von Individuen. Dazu zählen Probleme mit der psychischen Gesundheit, höhere Fehlzeiten bei der Arbeit oder ein Anstieg des Korruptionsverhalten (Schunck, Sauer & Valet, 2013). Ebenso kann eine geringere Wahlbeteiligung durch eine als ungerechte empfunden Einkommensverteilung induziert werden (Liebig, 2010; Fet- chenhauer, 2010). Zudem wird die Lebenserwartung durch das tatsächliche Einkommen determiniert (Reil-Held, 2010). Für den Ökonom Henry George (2006) ist Einkommens- gerechtigkeit damit nicht nur eine ökonomische, sondern ebenso eine ethische Frage.

Die Frage nach der Einkommensgerechtigkeit beschäftigt die Volkswirte schon lange. Kaum einem Thema wird so viel Aufmerksamkeit gewidmet (Schwarze, 2003). Dabei ist das Thema höchst brisant, denn Einkommensungerechtigkeit wird in der Literatur auch als der „elementarste Demokratiefeind“ beschrieben (Bollen, 1985). Dies gilt insbeson- dere dann, wenn die Differenz zwischen dem gerechten und tatsächlichen Einkommen, bei gleichzeitiger Einkommensungleichheit, steigt, führt Bollen (1985) aus. In der vorlie- genden Ausarbeitung wird mithilfe des SOEP-Datensatzes untersucht, wie sich der Un- terschied zwischen dem als gerecht empfundenen Einkommen und dem tatsächlichen Einkommen erklären lässt. Dazu soll auch untersucht werden, inwiefern die konjunktu- relle Lage einen Einfluss auf das als gerecht empfundene Einkommen haben kann. Er- gänzt wird das Modell durch subjektive Zufriedenheitsvariablen.

Betrachtet man das Realeinkommen oder das BIP, so stellt man fest, dass die Wirtschafts- leistung Deutschlands in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist (Statistisches Bundesamt, 2016). Geht man davon aus, dass die Einkommenszufriedenheit an das BIP geknüpft ist, so könnte man einen kontinuierlichen Anstieg genau dieser Zufriedenheit erwarten. Paradoxer Weise ist dieser kontinuierliche Anstieg in der Lebenszufriedenheit nicht zu beobachten (Easterlin, 2001). Vielmehr ergeben Studien, dass die mittlere Le- benszufriedenheit seit den 90er Jahren in Deutschland sogar abgenommen hat (van Suntum, Prinz & Uhde, 2010). Insofern ist fraglich, inwiefern das BIP überhaupt die Zufriedenheit mit dem Einkommen determinieren kann.

So wird im Rahmen des Easterlin Paradoxon auch deutlich, dass vielmehr das relative Einkommen entscheidend über den Zusammenhang zwischen subjektivem Glück und Einkommen entscheidet. Es gilt, dass ein Einkommensanstieg nicht zu „einem Mehr an Glück“ führt, sobald die grundlegenden Bedürfnisse gestillt sind (Graham, 2008). Mitt- lerweile haben sich unterschiedliche subjektive Wohlfahrtsparameter in den Studien etab- liert, sodass zunehmend neben den objektiven Parametern, wie dem BIP, auch subjektive Bewertungen in die Analysen mit einfließen. Das Land Bhutan hat den subjektiven Para- metern eine besondere Bedeutung beigefügt, indem es das Bruttonationalglück 2008 als Staatsziel anerkannte (Pfaff, 2011).

Nichts desto trotz sollten diese subjektiv geprägten Kennzahlen, wie die Einkommenszu- friedenheit, eher ergänzend zum BIP betrachtet werden (van Suntum, Prinz & Uhde, 2010). In der Literatur ist gleichzeitig auch ein breiterer Konsens dafür zu finden, dass die herkömmlichen Kennzahlen keinesfalls durch subjektiv geprägte Kennzahlen substi- tuiert werden sollten (Weimann, Knabe & Schöb, 2012). Vielmehr sollte man diese Kenn- zahlen als eine Ergänzung zu den bestehenden Indikatoren betrachten (Diefenbacher & Zieschank, 2010).

Dass eine Steigerung des BIP zu einer gleichwertigen Erhöhung des Volkseinkommens führt, ist Grundannahme aller wichtigen Makroökonomischen Modelle. Beide Variablen werden mit Y definiert und entsprechen sich im Modell (Blanchard & Illing, 2014). In der folgenden Untersuchung wollen wir feststellen, ob eine Veränderung des BIP (Makroökonomie) einen Effekt auf das als gerecht empfundene Einkommen hat.

These: Wirtschaftssubjekte sehen in Krisenzeiten die Einkommen als gerechter an. Sie sind dementsprechend auch eher bereit Einkommensreduktionen hinzunehmen.

2. Empirisches Vorgehen

2.1. Datenbasis SOEP

Die Ausarbeitung basiert auf den Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP), eine wiederholte Befragung aller Personen eines Haushaltes ab 17 Jahren (Schupp, 2009). Das Ziel des SOEP ist es, die Stabilität und Veränderung der Lebensbedingungen in Deutsch- land zu beobachten (Wooldridge, 2009; Greene, 2012). Dazu werden Informationen zur Haushaltsstruktur, Erziehung, Gesundheit sowie Zufriedenheit abgefragt (DIW, 2015). Insbesondere werden im SOEP Fragen nach der allgemeinen Zufriedenheit, wie auch be- reichsspezifische Zufriedenheiten abgefragt (z.B. Zufriedenheit mit der Arbeit, Schlaf o- der Einkommen). Die Auswahl der Befragten erfolgt über eine geschichtete Zufallsaus- wahl unter Deutschen, Auswandern und Zuwanderern. Für die Hochrechnung auf die Grundgesamtheit finden sich Hochrechnungsfaktoren, die auf Basis des Mikrozensus ge- bildet werden, in der Literatur von Pischner (2009). Wir verwenden die Informationen über die persönliche wie auch haushaltsspezifische Einkommenszufriedenheit, welche von null bis zehn ordinalskaliert, als subjektiver Parameter vorliegt. Außerdem fließen in die Analyse metrische Variablen wie das Netto und Bruttoeinkommen ein. Die Frage, wie Zufriedenheit wissenschaftlich operationalisiert werden kann wird ausführlich in der Li- teratur zu „happieness/satisfaction“ thematisiert (et al. Clark, Frijters & Shields, 2008). Als Hilfe zur Operationalisierung der Einkommensgerechtigkeit wird der Gerechtigkeits- koeffizient von Jasso1 (1978) herangezogen (siehe Kapital: Operationalisierbarkeit nach

Jasso). Es werden Angaben zu dem „als gerecht empfundenen Einkommen“ ver- wendet, sodass sich der Datensatz auf etwa 15.000 Beobachtungen be- schränkt. Wir können im SOEP einen signifikanten Unterschied zwischen dem „tatsächlichen“ und dem „als ge- recht empfundenen“ Einkommen be- obachten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: gerechtes vs. tatsächliches Einkommen

2.2. Einkommensvariablen

Generell kann zwischen zahlreichen unterschiedlichen Einkommensvariablen unterschieden werden. Die Definition des Einkommensbegriffes ist von entscheidender Aussagekraft für die Analysen. Nach Bedau (1990) kann im Allgemeinen unter:

(1) Arbeits-Einkommen, Einkommen aus Arbeitsleistung in Form von Lohnzahlungen
(2) Besitz-Einkommen, Einkommen aus Vermögen in Form von Zinsen bzw. Grundrente durch die Bereitstellung von Kapital oder Boden
(3) Transfer-Einkommen, Einkommen aufgrund rechtlicher Ansprüche oder freiwilliger Zuwendungen sowie
(4) Unternehmer-Einkommen, Einkommen als Residualgewinn aus unternehmerischer Tätigkeit.2

differenzieren werden. Zu ergänzen sind Differenzialeinkommen, die sich aus Leistungsdifferenzen von Faktoren ergeben.3

Im SOEP wird die Definition »PINC« persönliches monatliches Nettoeinkommen verwendet. Hierzu werden die oben genannten Einkommensdefinitionen vereint. Damit bildet die Nettoeinkommensdefinition den tatsächlichen Wert monetärer Zugänge einer Person innerhalb einer Periode ab. Diese Definition des PINC umfasst alle Einkünfte aus Erwerbsarbeit, Wohngeld, Kindergeld, BAföG, Unterhaltszahlungen etc. abzüglich Steuern und Sozialabgaben für ein Individuum (DIW - SOEP, 2016). Aus dem persönlichen Einkommen kann dann auch das Haushaltseinkommen berechnet werden, welches für die vorliegende Ausarbeitung jedoch eine sekundäre Rolle spielt.

Für die Analysen von Bedeutung ist das für die Jahre 2005, 2007, 2009 und 2012 erfasste »als gerecht empfundene« Einkommen. Diese metrisch skalierte Variable ist nur in den genannten Jahren zu finden. Wir versuchen das „als gerecht empfundene“ Einkommen mithilfe eines linearen Regressionsansatzes systematisch zu erklären. Dazu haben wir den Datensatz mit dem BIP (Makrovariable) monatsinterviewgetreu verknüpft. Außerdem fließen in die Regression typischen Einkommensvariablen nach Frick (2009) ein. Die Li- teratur gibt zahlreiche Hinweise dafür, dass das als gerecht empfundene Einkommen in erster Line durch das tatsächliche Einkommen determiniert wird. Es ist also denkbar, dass Variablen, die das Einkommen definieren, gleichzeitig auch das als gerecht empfundene Einkommen bestimmen. Zu diesem Zweck fließen in die Analyse Humankapitalvariablen (Ausbildungsdauer, Berufserfahrung, Gesundheitszustand), Diskriminierungsvariablen (Geschlecht, Ost-West, Religionszugehörigkeit), berufsspezifische Variablen (berufliche Stellung, Branchen, Arbeitszeit, Vertragslaufzeit, Nachtarbeit, Sonntagarbeit, Gewerkschaftsmitglied) und Haushaltsvariablen (Haushaltstyp) ein.

2.3. ausgewählte Perioden

Sämtliche Analysen basieren auf den Jahren 2005, 2007, 2009, 2011 sowie 2013, da zur Operationalisierung der Gerechtigkeit der Jasso-Index verwendet wird. Das gerechte Brutto- und Nettoeinkommen wurde nur in den oben genannten Perioden erhoben.4 Damit haben wir den Fokus der Analyse auf die Perioden:

- 2007 (stabile wirtschaftliche Lage, Referenz),
- 2009 (Krisenperioden mit BIP Stagnation), sowie
- 2013 (stabile wirtschaftliche Lage, Referenz)

gelegt. Insgesamt sind die subjektiven Angaben über das als gerecht betrachtete Netto- einkommen nur für die Perioden 2005, 2007, 2009, 2011, 2013 gegeben. Einführend werden die Perioden umfassend deskriptiv beschrieben und dann untereinan- der verglichen. Die eingangs beschriebene zu prüfende Hypothese besagt, dass Wirt- schaftssubjekte in Krisenzeiten ein geringeres Einkommen eher als gerecht empfinden als in hochkonjunkturellen Phasen. Diese Annahme ist implizit auch in diversen makroöko- nomischen Modellen zu finden. So beschreiben Blanchard und Illing (2014), dass bei einem Rückgang der Produktion die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer sinkt, was eine Lohnreduktion zur Folge hat. Auch in verschiedenen personalökonomischen Model- len wird diese Annahme impliziert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gleichung 1: Arbeitsmarkt (Blanchard & Illing, 2014)

Der Nominallohn (W) ergibt sich aus dem erwarteten Preisniveau multipliziert mit Verhandlungsmacht, die sich aus unterschiedlichen Variablen, wie der Arbeitslosigkeit (u), den Lohnnebenkosten und der Gewerkschaftsmacht (z Sammelvariable) ergibt. Mithilfe des SOEP wird analysiert, ob die Wirtschaftssubjekte diese Art der Lohnsetzung unter Berücksichtigung der konjunkturellen Lage als gerecht empfinden. Demnach müsste nicht nur das tatsächliche, sondern auch das „als gerecht empfundene“ Einkommen von der konjunkturellen Lage abhängen.

2.4. Datenauswahl

Das SOEP stellt eine repräsentative jährliche Befragung für Deutschland mit Wiederho- lungscharakter dar (Wagner, Frick & Schupp, 2007). Seit 1984 werden die Daten konti- nuierlich erhoben. Dementsprechend ist die Datenmenge äußerst umfangreich. Neben der Beschränkung auf die oben genannten Perioden sind weitere Beschränkungen vorgenom- men worden. So werden keine Beobachtungen in die Analyse einbezogen, bei denen keine eindeutigen Angaben zum „als gerecht empfundenen“ Nettoeinkommen ange- geben sind, da ohne diese Angaben der Jasso-Koeffizient nicht gebildet werden kann. Zudem werden nur Individuen betrachtet, die über ein eigenes Einkommen über dem Harz VI Satz von 404 Euro verfügen und mindestens Voll- oder Teilzeitbeschäftigt sind. Da im Anschluss eine geschlechterspezifische Analyse für das als gerecht und un- gerecht empfundene Einkommen stattfinden soll, werden nur Beobachtungen mit ein- deutiger Geschlechterspezifikation betrachtet. Damit reduziert sich der Datensatz auf ca. 15.000 Beobachtungen. Hier sei entsprechend auf die leichte Geschlechterverzerrung im Datensatz hingewiesen. So befinden nach dem Datenmanagement noch 8.300 Männer und 6.876 Frauen im Datensatz.

3. Beschreibende Statistik

3.1. Einkommensunterschiede Gender

Untersucht man den Einkommensunterschied, so stellt man eine relativ konstante Diffe- renz zwischen dem tatsächlichen und dem als gerecht empfundenen Einkommen über alle Perioden hinweg fest (Abbildung 10, 11). Zu sehen ist, dass bei Männern eine stärkere Tendenz zu Extremabweichungen5 existiert als bei Frauen. Die geschlechterspezifische Struktur des subjektiven Zufriedenheitsparameter ähnelt sich augenscheinlich stark.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Einkommenszufriedenheit Häufigkeit Male

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Einkommenszufriedenheit Häufigkeit Frauen

Die augenscheinliche Ähnlichkeit täuscht jedoch. So lassen sich signifikante Unterschiede im Mittelwert der Einkommenszufriedenheit feststellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: T-Test Einkommenszufriedenheit

Es kann festgehalten werden, dass Frauen mit ihrem Einkommen im Durchschnitt signifikant unzufriedener sind als Männer (- = 5%).

Betrachtet man die Häufigkeit in den Einkommensdezentilen, so ergeben sich klare Unterschiede zu der tatsächlichen Einkommensverteilung. Dieses Phänomen wird in der Literatur unter dem Begriff »Gendergap« ausführlich diskutiert (et al. Liebig, Valet & Schupp, 1992). Während Männer eher zu den oberen Einkommensdezentilen häufig sind, findet man Frauen in den unteren Einkommensdezentilen besonders oft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Einkommensverteilung Male Abbildung 5: Einkommensverteilung Female

Die Verteilung der als gerecht empfundenen Einkommen erfolgt erwartungsgemäß ähnlich der tatsächlichen Einkommensverteilung. Dies kann als erstes Indiz dafür

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Gerechtes Einkommen Male Abbildung 7: Gerechtes Einkommen Female

verstanden werden, dass sich das gerechte Einkommen durch das tatsächliche Einkommen bestimmmen lässt. Die Häufigkeit der tatsächlichen und gerechten Einkommen scheinen sich bei der geschlechterspezifischen Betrachtung zu ähneln.

3.2. Operationalisierbarkeit nach Jasso

Um eine subjektive Definition von Gerechtigkeit zu vermeiden, verwenden wir in der vorliegenden Ausarbeitung fokussiert den von der Soziologin Guillermina Jasso (1978) definierten Begriff der Einkommensgerechtigkeit. Dieser ist wie folgt definiert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Jasso Index nimmt den Wert 0 an, wenn perfekte Einkommensgerechtigkeit vorliegt. Ein positiver JI-Wert resultiert, wenn ein Befragter angibt, dass sein aktuelles Einkommen größer ist als es gerechterweise sein müsste. Positive Werte des Jasso Index sind im SOEP dementsprechend selten zu finden, da Individuen ihr gerechtes Einkommen tendenziell über dem tatsächlichen Einkommen ansiedeln (Tinbergen, 2013). Wir haben diese in der Analyse der JI_2 ausgeblendet und somit nur die Personen beobachtet, die ihr Einkommen als ungerecht empfinden. Ein negativer JI-Koeffizient resultiert dann, wenn das tatsächliche Einkommen unter dem als gerecht empfunden Einkommen liegt. Je größer die Differenz zwischen tatsächlichem und als gerecht erachtetem Einkommen ausfällt, desto größer ist die Abweichung des J-Wertes von 0.

Aus Darstellungsgründen haben wir den Jassokoeffizienten für einige Auswertungen po- sitiviert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dementsprechend ist die Interpretation des Koeffizienten - vise versa.

Während ein Wert von 0 weiterhin eine vollständige Einkommensgerechtigkeit darstellt, sprechen negative Werte für eine hohe Gerechtigkeit und positive Werte für eine ausgeprägte Ungerechtigkeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Empfundene Einkommensgerechtigkeit nach Dezentilen J2

Wie in der Darstellung zu sehen, empfinden insbesondere Personen der unteren Einkom- mensdezentile eine deutliche Einkommensungerechtigkeit gegenüber den mittleren Ein- kommensdezentilen. Überraschend ist, dass der Jassoindex in den oberen Einkom- mensdezentilen wieder zunimmt. Dies könnte im Zusammenhang zu Theorien, wie der Status-Value-Theory (Berger et al. 1972) oder Equity-Theorie (Homans 1961) stehen.

Die prognostiziert geringste Einkom- mensungerechtigkeit empfinden die Perso- Jasso Index nach Geschlechtern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Geschlechtervergleich

nen, die sich im 6./7. Einkommensdezentil befinden. Untersucht wurden in dieser Dar- stellung nur Personen, die ihr Einkommen als ungerecht empfinden. Also Personen, bei denen das „tatsächliche“ Einkommen unter dem „als gerecht empfundenen“ liegt.

Führen wir eine geschlechterspezifische Analyse des Jassokoeffizienten durch, so fällt auf, dass sich Frauen innerhalb eines Einkommensdezentils tendenziell ungerechter bewertet fühlen als ihre männlichen Wettbewerber (Abbildung 9).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: Empfundene Einkommensungerechtigkeit Female Abbildung 10: Empfundene Einkommensungerechtigkeit Male

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten6

Abbildung 12: Methodik empirischer Gerechtigkeitsforschung im SOEP

3.3. Konjunktureller Einfluss

Ein weiterer Faktor zur Bestimmung des als ge- recht empfundenen Einkommens könnte die kon- junkturelle Lage sein (Liebig, Valet & Schupp, 2010). Betrachtet man den saisonbereinigten Kon- junkturverlauf, so fällt das Jahr 2009 mit einem strukturellen Konjunktureinbruch auf (Dreger, Al- varez-Plata & Bernoth, 2009). So konnten die Sta- tistiker des DIW den Einfluss der konjunkturellen Lage auf das als gerecht 2005 empfundene Einkommen empirisch belegen (Dreger, u.a. 2009). Wir könnten hier das Jahr 2009 als Refe- renzwert für einen konjunk- 2011 turellen Einbruch verwen- den. Stimmt die eingangs gestellte These, so müsste

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13: Konjunkturelle Entwicklung (Weltbank)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 14: Einkommensungerechtigkeit Periodenvergleich

im Krisenjahr das als ge- recht betrachtete Einkom- men systematisch fallen. Zu diesem Zweck wird ein Pe-riodenvergleich des Jasso-Koeffizienten durchgeführt. Demzufolge müssten wir beim Jasso-Koeffizienten im Jahr 2009 einen deutlichen Unterschied gegenüber den Ver- gleichsperioden feststellen können. Dieser Bruch im Verlauf des Jasso Koeffizienten wird deutlich, wenn wir den Jasso Index über mehrere Perioden betrachten (vgl. Abbildung 16). Im Jahre 2009 ist eine erhebliche Veränderung der Ungerechtigkeitswahrnehmung zu beobachten. Zudem wird ein geschlechterspezifischer Periodenvergleich durchge- führt, sodass die Beobachtungen in männliche und weibliche Untersuchungseinheiten ge- trennt werden.

Sowohl Frauen als auch Männer waren mit ihrem Einkommen unzufriedener, als im Re- ferenzjahr 2007. Dabei waren Frauen innerhalb eines Einkommensdezentils jedoch zu- friedener als ihre männlichen Konkurrenten (vgl. Abbildung 18). Die Einkommenszufrie-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 16: subjektive Einkommenszufriedenheit Abbildung 17: Als gerecht empfundenes Mehreinkommen

denheit nimmt zu Krisenzeiten ab (vgl. Abbildung 19). Dies impliziert aber nicht, dass auch das Ungerechtig- keitsbewusstsein steigt. Liebig, Valet und Schupp (2010) haben die wahrgenommen Einkommensgerech- tigkeit innerhalb bestimmter Statusgruppen nach ISEI- Klassifikation7 geschlechterspezifisch untersucht. Da- bei werden alle Individuen bestimmten Statusgruppen zugeordnet und so untereinander vergleichbar gemacht. Liebig, Valet und Schupp (2010) sind in einer weiter- gehenden Analyse zu dem Ergebnis gekommen, dass Frauen ihr als gerecht empfundenes Einkommen schneller reduzieren als Männer. Dabei ist zu erkennen, dass innerhalb einer Statusgruppe das von Frauen als ge-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 15: ISEI-Statusgruppenvergleich (Liebig & Vallet & Schupp, 2010)

recht empfundene Einkommen immer noch unter dem tatsächlichen Einkommen der Männer liegt, obwohl die Personen gleiche Tätigkeiten und Lebensbedingungen nach ISEI aufweisen.

[...]


1 Jasso = ln((»gerechtes Einkommen«)/(»tatsächlich Einkommen«))

2 vgl. auch Gabler Wirtschaftslexikon »Einkommen«

3 ebd.

4 Die Erhebung der „Gerechtigkeitsvariablen“ findet zweijährig statt (SOEP)

5 Mehr als 1,5-fache Quartilsabweichung(vgl. Whisker Boxplot S.14)

6 Angelehnt an: Liebig, S., Hülle, S. & Schupp, J. (2014). Empfundene Lohngerechtigkeit. Löhne werden in Ostdeutschland weiterhin als ungerechter empfunden als im Westen.

7 (International SocioEconomic Index of Occupational Status) Ganzeboom, H. B. G., De Graaf, P. M., Treiman, D. J., de Leew, J.: A Standard International Socio-Eco- nomic Index of Occupation Status. In: Social Science Research 21, 1992, 1-56.

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Wann sind wir mit unserem Einkommen zufrieden? Eine geschlechter- und konjunkturspezifische Panelanalyse
Untertitel
Welche Indikatoren lassen sich für das als gerecht empfundene Einkommen identifizieren?
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Note
1,6
Jahr
2016
Seiten
62
Katalognummer
V343180
ISBN (eBook)
9783668373853
ISBN (Buch)
9783668373860
Dateigröße
2653 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lebenszufriedenheit, Jassoindex, Kleinste-fehlerquadrate-Methode, Geschlechteranalyse, multinominale Modelle, diskrete Modelle, Sozioökonomische Panel (SOEP)
Arbeit zitieren
Anonym, 2016, Wann sind wir mit unserem Einkommen zufrieden? Eine geschlechter- und konjunkturspezifische Panelanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343180

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Wann sind wir mit unserem Einkommen zufrieden? Eine geschlechter- und konjunkturspezifische Panelanalyse



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden