Manga und Manhwa. Japanische und koreanische Comics im Vergleich


Hausarbeit, 2016

14 Seiten, Note: 1,0

Nini Lovevalley (Autor:in)


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Geschichtlicher Hintergrund

3. Manga und Manhwa im Vergleich

4. Fazit

Bibliographie

1. Einleitung

Werden die Begriffe Manga und Manhwa aus sprachlicher Sicht betrachtet, fällt auf, dass beide sowohl auf Japanisch als auch Koreanisch mit Hilfe derselben sinojapanischen Zeichen verschriftlicht werden. Lediglich die Aussprache fungiert als Unterscheidungsmerkmal, der Unterschied ist letztendlich jedoch nicht sehr gravierend. Die Zeichenkombination wird also in Abhängigkeit von der Sprache Manhwa oder Manga gelesen, aber es handelt sich um gleiche Zeichen im koreanischen Hanja und japanischen Kanji.1 Bezüglich der Begriffe Sunj ŏ ng und Sh ō jo kann man zumindest bezüglich der Aussprache auch eine Verwandt- schaft vermuten. Beide Begriffe beschreiben ein Comic-Genre für Mädchen oder Frauen, ihre Nuancen sind allerdings differenzierbar und sollen im Verlauf dieser Ausarbeitung erklärt werden.

Interessanterweise bemüht man sich in Südkorea darum, Manhwa als etwas Einzigartiges in Abgrenzung zu japanischen Comics zu vermarkten. Die südkore- anische Regierung sowie große Verlagshäuser bemühen sich um eine Verbreitung der „ Manhwa -Kultur“ über das Inland hinaus. So unterstützt die „Korea Culture and Content Agency“ den Export von Manhwa und ist Sponsor für die Teilnahme an ausländischen Messen.2 2003 veröffentlichte der Comicverlag „Daiwon C.I. Inc.“ ein Comicmagazin namens „TOKEBI“ und versah das Magazincover mit der Aufschrift „100% Manhwa“, um explizit auf die Begrenzung auf koreanische Comics in Abwesenheit japanischer Comics aufmerksam zu machen.3 Die Stadt Puch‘ŏn ist aufgrund des dort ansässigen Manhwa Museums als „ Manhwa Ci- ty“ bekannt.4 In großen Städten wie Puch‘ŏn und Seoul finden des Weiteren Festivals zum Thema statt, darunter das Puch‘ŏn International Manhwa Festival5 und Seoul International Cartoon and Animation Festival.6

In Korea bemüht man sich also sehr darum, die heimischen Comics im Ausland popularisieren und sie somit im Weltmarkt für Comics als eigene Marke etablie- ren zu können.

Heute befinden sich in Südkorea sowohl etwa 10.000 Manhwadaey ŏ j ŏ m, in denen Manhwa ausgeliehen werden können, als auch etwa 10.000 Manhwabang, in denen sie gelesen und darüber hinaus ausgeliehen werden können.7 Das „Koreanische“ scheint meist durch simple Abwesenheit des „Japani- schen“ verstanden zu werden und dem aufmerksamen Beobachter wird deutlich, dass es bei der Unterscheidung von Manga und Manhwa um mehr gehen mag als nur Comicbücher und ein grundsätzlicher Konflikt dahinterstehen könnte.8 Im Folgenden wird der geschichtliche Hintergrund der koreanischen Comics untersucht. Hierbei sollen die japanisch-koreanische Beziehung und die Entste- hung und Entwicklung der Manhwa erläutert werden. Im Anschluss wird der Unterschied von Manga und Manhwa mit Fokus auf den Genres Sh ō jo und Sunj ŏ ng verdeutlicht und untersucht, wie sich die Comic-Kultur in Japan und Korea darstellt.

2. Geschichtlicher Hintergrund

Die Entwicklung koreanischer Comics kann in fünf Zeitphasen unterteilt werden. Die erste Phase beginnt mit der Kolonialzeit von 1910 bis 1945, in der es durch die japanische Herrschaft über Korea zu einem Fluss der japanischen Comic- Kultur in das Land kam.9 Bis zu dieser Zeit waren Manhwa weitestgehend in Zeitungen auffindbar gewesen, wo sie zur Bewerbung von Regierungsbeschlüssen verwendet worden waren. Der erste offizielle Comicstrip war Yi Doyŏngs gesell- schaftskritischer Comic „ Saphwa “, welcher im Jahre 1909 in der Zeitung „ Daehan Minbo “ erschien. Die Illustrationen dienten auf karikative Weise als Ausdrucksmittel der Kritik an Japan und zur Aufklärung. Mit der offiziellen Annektierung Koreas durch Japan im Jahre 1910 wurde diese Zeitung durch japanische Autoritäten eingestellt.10 Vor dem Hintergrund, dass Japan das Land an sich gerissen und die Bevölkerung als Menschen zweiter Klasse zur Ablegung ihrer koreanischen Identität und Kultur gezwungen hatte, wurde die Entwicklung der koreanischen Comics angehalten und die Veröffentlichung japankritischer Inhalte verhindert.11 Im Rahmen strikter Gesetze zur Beschränkung der Pressefreiheit war die freie Meinungsäußerung autoritätskritischer Autoren zu dieser Zeit nicht gewährleistet. Bekannte Autoren wie Kim Tongsŏng oder An Sŏkchu wurden durch stark satirische und japankritische Comics, welche zur Emanzipierung der Presse aufriefen, zu Helden dieser Ära. Während des 1939 beginnenden Zweiten Weltkrieges wurden die Beschränkungen verschärft und von japanischen Autoritäten als verdächtig eingestufte Veröffentlichungen verbrannt. Viele koreanische Autoren fühlten sich gezwungen, Werke im Sinne der japanischen Propaganda zu zeichnen, um Geld verdienen zu können.12

Nach der Kolonialzeit ab 1945 und Japans Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde die japanische Zensur aufgehoben und es begann eine neue Phase der koreanischen Comics. Die ersten Magazine legten Comics als zentralen Inhalts- punkt fest und ließen die Nachrichten- und Berichterstattungsfunktion in den Hintergrund treten. Eines der bekanntesten Comic-Magazine war „ Manwha Segye “ („ Manhwa World“), dessen Name bereits sämtliche andere Inhalte aus- schloss. In den 1960ern entstanden durch das Wachstum der koreanischen Comic- Kultur Leihshops (Manhwabang), in denen man diese Magazine lesen oder ausleihen konnte.13 Im Anschluss an die Kolonialzeit war es durch das Verbot japanischer Kulturprodukte durch die Regierung zur Zensur und Zerstörung vieler japanischer Comics gekommen. Jahrelange Unterdrückung und Herrschaft der Japaner über Korea hatten zu einer Abneigung gegenüber allem Japanischen geführt.14 Die japanische Kultur wurde als verdorben angesehen und man ver- suchte einen negativen Einfluss in Form von japanischer Kultur auf die koreani- sche Bevölkerung zu verhindern, denn selbige Kultur betrachtete man in Korea als Ursache der erlebten Grausamkeiten.15 Ab 1961 wurden daher der Presse durch den neuen Präsidenten Pak Chŏng-hŭi wieder Regulierungen auferlegt, die den Einfluss der japanischen Kultur begrenzen sollten. Im Zuge dessen kam es zu solch strikten Begrenzungen, dass nicht mal mehr Frauen und Männer in ein und demselben Comic dargestellt werden sollten.16 Manhwa sollten für Paks Kampag- ne der sozialen Säuberung als Sündenbock dienen, weshalb im Jahre 1971 etwa 25.000 „entartete“ Comictitel beschlagnahmt und zerstört wurden.17 Dies führte zu einem Anstieg von Raubkopien, genauer Kopien von japanischen Manga, die allerdings als Manhwa unter koreanischem Autorennamen veröffentlicht wurden und deren japanische Herkunft verschwiegen wurde. So wurden staatliche Verbo- te umgangen, da man nun keine japanischen, sondern offiziell koreanische Co- mics auf dem Markt veröffentlichte.18 Heute erklärt sich daraus auch eine auffälli- ge Stil-Hybridisierung welche es Lesern erschwert, Manga und Manhwa vonei- nander zu unterscheiden.19 Aus dem berühmten japanischen Manga „ Sh ō nen Kenya “ („Kenya Boy“) wurde im Zuge dessen eine raubkopierte Version mit dem Titel „ Millim ŭi wangja “ („Prince of the Jungle“), die auf dem koreanischen Comicmarkt als Manhwa unter koreanischem Pseudonym veröffentlicht wurde. Der eigentliche Bezug des Comics zur japanischen Geschichte, nämlich ein Verweis auf den Angriff auf Pearl Harbour 1941, wurde hierbei gestrichen. Die japanischen Raubkopien verzeichneten einen großen Erfolg in Korea, besonders im Bereich der Mädchen-Comics, wobei koreanische Manhwa hingegen im eigenen Land weniger Zuspruch erfuhren.20 In den 1960er Jahren entwickelten sich vor allem die Genres Sunj ŏ ng und My ŏ ngnang im koreanischen Comic- Sektor. Sunj ŏ ng Manhwa waren aufgrund ihrer Sentimentalität besonders für Mädchen und Frauen attraktiv, während My ŏ ngnang Manhwa humorvolle Comics (heute vor allem für Kinder) waren, die den Leser zum Lachen bringen sollten.21 Zu dieser Zeit besaßen koreanische Frauen nicht viel Mitspracherecht in der Politik. Sie wünschten sich daher eine Stimme innerhalb ihrer sozialen Beschrän- kungen und fanden im Medium Comic eine Möglichkeit ihren Gedanken und Wünschen Ausdruck zu verleihen. Aus diesem Grund waren die Raubkopien der 70er und 80er Jahre vor allem Sh ō jo Manga, in deren Geschichten die Protagonis- tin nach einer schweren und problematischen Zeit ihr Glück finden würde. Dem weiblichen Zeitgeist in Korea entsprachen diese Geschichten in vollem Maße, da sich koreanische Frauen durch ihr eingeschränktes Mitspracherecht und eine harte Nachkriegszeit der gleichen schweren Ausgangssituation ausgesetzt sahen, wie es für die Heldin der raubkopierten Manga der Fall war. Die letztendlich für die Heldin gut ausgehenden Geschichten dienten somit in gewisser Weise als Motiva- tion für Koreanerinnen und ließen sie an eine bessere Zukunft glauben.22

[...]


1 Chie Yamanaka, „Manhwa in Korea - (Re-)Nationalizing Comics Culture,” in Manga ’ s Cultural Crossroads, Hrsg. Jaqueline Berndt und Bettina Kümmerling-Meibauer (New York und Abingdon: Routledge, 2013), 96.

2 Yamanaka (Fn. 1) 93.

3 Chie Yamanaka, „Domesticating Manga? National Identity in Korean Comics Culture,“ in Reading Manga: Local and Global Perceptions of Japanese Comics, Hrsg. Jaqueline Berndt und Steffi Richter (Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2006), 194.

4 Jaqueline Berndt, „Manga x Museum in Contemporary Japan,“ in Manhwa, Manga, Manhua: East Asian Comics Studies, Hrsg. Jaqueline Berndt (Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2012), 141.

5 Korea Tourism Organization, „Puch‘ŏn International Comics Festival“.

6 Korea Tourism Organization, „Seoul International International Cartoon & Animation Festival”.

7 Kŭk-hi Ch’u, „Consuming Japan - Early Korean Girls Comic Books Artists’ Resistance and Empowerment,” Complicated Currents: Media Flows, Soft Power and East Asia, ed. Daniel Black et. al. (Melbourne: Monash University ePress, 2010), Teil 2 Kapitel 6.

8 Yamanaka (Fn. 3) 196.

9 Yamanaka (Fn. 1) 87.

10 Hyo-jin Kim, „Comics aus Korea - Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter,” Goethe-Institut Korea, November 2012.

11 Harald Wiederschein, „Korea-Konflikt - die tiefe Wurzel des Hasses: Die Schrecken der japanischen Besatzung“, Focus Online am 7. April 2013.

12 Justin Muir, „History of Manhwa Comics,” Hubpages am 08. Dezember 2012.

13 Charles Armstrong, Hŭi-suk Shin und Dima Mironenko „Korean Comics (Manhwa)“, Columbia University am 24. April 2015.

14 Yamanaka (Fn. 3) 196.

15 Ch’u (Fn. 7).

16 Muir (Fn. 12).

17 Kyu-hyŏn Kim, „Fisticuffs, High Kicks and Colonial Histories - The Ambivalence of Modern Korean Identity in Postwar Narrative Comics,” in The Korean popular culture reader, Hrsg. Kyŏng-hyŏn Kim und Yŏng-min Choe (Durham: Duke University Press, 2014), 41.

18 Ch’u (Fn. 7).

19 Steffi Richter, „’Trans’ and ‘Inter’: An Attempt at Definition,“ in Manhwa, Manga, Manhua: East Asian Comics Studies, Hrsg. Jaqueline Berndt (Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2012), 117.

20 Kim (Fn. 17) 40.

21 Muir (Fn. 12).

22 Ch’u (Fn. 7).

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Manga und Manhwa. Japanische und koreanische Comics im Vergleich
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Koreanistik)
Veranstaltung
K-Pop und Hallyu: Globalisierung und Populäre Kultur
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
14
Katalognummer
V343301
ISBN (eBook)
9783668336148
ISBN (Buch)
9783668336155
Dateigröße
964 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Japan, Korea, Manga, Manhwa, Comics, Kpop, K-Pop, Hallyu
Arbeit zitieren
Nini Lovevalley (Autor:in), 2016, Manga und Manhwa. Japanische und koreanische Comics im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343301

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