Sklaverei im Film. Eine filmästhetische Analyse der Gewaltdarstellung in "Django Unchained" und "12 Years a Slave"


Bachelorarbeit, 2016

42 Seiten

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Der Begriff Gewalt und sein Bezug zum Film

3 Sklaverei: Historischer Abriss und Medienbezug

4 Quentin Tarantino und Django Unchained
4.1 Quentin Tarantino
4.2 Django Unchained
4.2.1 Entstehung und Inhalt
4.2.2 Gewalt an Sklaven
4.2.3 Gewalt an Sklavenhändlern
4.2.4 Situative Komik
4.2.5 Symbolik und Motive
4.3 Zwischenfazit

5 Steve McQueen und 12 Years a Slave
5.1 Steve McQueen
5.2 12 Years a Slave
5.2.1 Inhalt
5.2.2 Gewalt in Echtzeit
5.2.3 Psychische Gewalt
5.2.4 Idylle und Leid
5.3 Zwischenfazit

6 Fazit

7. Endnoten

8. Literaturverzeichnis

9. Quellenverzeichnis

10. Film- und Serienverzeichnis

1 Einleitung

Das Thema Gewalt stellt für die Menschheit seit Jahrzehnten sowohl Faszinosum als auch Angst dar.1 Auch in der Forschung erlangte die Thematik in den letzten Jahren so-wohl inter- und transdisziplinär mehr und mehr Beachtung. Dabei hat sich allen voran die sogenannte Gewaltforschung international etabliert, die sich mit historischen Ereig-nissen bis hin zu „sprachlichen Praktiken oder Rollenverteilungen in privaten Räumen“2 auseinandersetzt. Zudem generierte die Thematik Gewalt auch zunehmend in anderen akademischen Strömungen, wie den Sozial-, Natur- oder Filmwissenschaften große Aufmerksamkeit.3 Vor allem die zuletzt genannte Wissenschaft, baut dabei auf einem Medium auf, das es wie kein anderes schafft, Gewalt sowohl audio- als auch visuell beispiellos zu verarbeiten.

In der folgenden Arbeit soll diese Verarbeitung des Gewaltmotivs im Film am Beispiel der Thematik der Sklaverei näher analysiert werden. Die Basis für die Untersuchung bilden dabei die beiden Filme Django Unchained (2012) und 12 Years a Slave (2013), die sich mit der Sklaverei in den USA im 19. Jahrhundert auseinandersetzen. Auf Grund der offenen Inszenierung von Gewalt auf mehreren Ebenen sowie ihrer nahen zeitlichen Erstausstrahlung, scheinen beide filmische Umsetzungen prädestiniert für eine verglei-chende Analyse.

Dabei soll der Frage nachgegangen werden, wie beide Filme das Motiv Gewalt verar-beiten. Es wird untersucht, inwiefern die Filmwerke Ähnlichkeiten, aber auch Differen-zen aufweisen. Die These der Arbeit lautet, dass die Darstellung von Gewalt in Django Unchained überzogener und damit weniger "realitätsnah" inszeniert ist, als dies bei 12 Years a Slave der Fall ist. 12 Years a Slave hingegen setzt auf eine "realistische" Ge-waltdarstellung, der eine extreme Brutalität inhärent ist. Damit soll gezeigt werden, wie unterschiedlich das Motiv Gewalt verarbeitet und genutzt werden kann: Quentin Taran-tino gebraucht die Gewaltdarstellung in erster Linie als Unterhaltungsmittel, während Steve McQueen Gewalt nutzt, um die Grausamkeiten der Sklaverei zu visualisieren und um Authentizität zu erzeugen.

Zur Beantwortung der Fragestellung wird der Fokus dieser Arbeit aus einer filmanalyti-schen Perspektive bestehen. Dabei soll vor allem die, wie oben erwähnte, (audio-) visu-elle Inszenierung von Gewalt im Verlauf des Handlungsbogens eine Analyse und Inter-pretation erfahren. Dazu wird das Augenmerk sowohl auf die Figuren an sich gerichtet sein, darüber hinaus jedoch vor allem auf die „Mise en Scène“4, wodurch nicht nur Aus-sagen über die Gewaltdarstellung per se, sondern auch über die innere Montage, und damit über die Symbolik des Bildes, möglich sein sollen.

Um sich dem Thema anzunähern, wird in den ersten Kapiteln eine theoretische Basis geschaffen. Dabei widmet sich Kapitel 2 zunächst allgemein dem Thema Gewalt, sowie im speziellen auf das Medium Film bezogen. Kapitel 3 setzt sich dagegen mit dem Thema Sklaverei auseinander und betrachtet diese ebenfals im medialen Kontext.Kapitel 4 und 5 bilden den analytischen Part der Arbeit, in dem beide Filme jeweils ge-sondert voneinander untersucht werden: Kapitel 4 befasst sich zunächst mit dem Regis-seur Quentin Tarantino, um so eine Grundlage für die weitere Analyse und Interpretati-on zu schaffen, und konzentriert sich in den Punkten 4.2.1 – 4.2.5 auf die Gewaltanaly-se des Filmes Django Unchained. Kapitel 5 beleuchtet im Weiteren zunächst den Regis-seur Steve McQueen und setzt sich in den folgenden Kapiteln 5.2.1 – 5.2.4 mit der Ge-waltdarstellung der filmischen Umsetzung 12 Years a Slave auseinander. Überblicksar-tig soll beiden Analysen dabei ein kurzes Zwischenfazit nachgestellt werden.

Kapitel 6 setzt schließlich beide Gewaltinszenierungen in einen direkten Vergleich und beantwortet dabei die eingangs gestellte Forschungsfrage.

2 Der Begriff Gewalt und sein Bezug zum Film

Es existieren in der einschlägigen Literatur viele Definitionen von Gewalt, die den Fo-kus auf verschiedenste Aspekte legen.

Paul Hugger versteht dabei beispielsweise unter Gewalt einen „aufgezwungenen Wil-lensakt“5, der an einem Individuum, ungeachtet eines Eingeständnisses, verübt wird. Diesem Gewaltakt liegt ein Machtverhältnis zu Grunde, das dabei zugunsten der Gewalt ausübenden Instanz oder des Gewalt ausübenden Individuums ausfällt.6 Ähnlicher An-sicht ist der Soziologe Heinrich Popitz, der davon spricht, dass Gewalt eine „Machtakti-on“ darstelle, die zur „absichtlichen körperlichen Verletzung“7 anderer führe.

Kucznik und Zipfel hingegen differenzieren den Gewaltbegriff weiter aus: Sie unter-scheiden zwischen der indirekten (strukturellen) Gewalt und der direkten (personalen) Gewalt. Mit der strukturellen Gewalt ist die in einem sozialen System beinhaltete Ge-walt gemeint, wobei sich die Gewalt ohne die Präsenz eines konkreten Akteurs voll-zieht. Bei der direkten Gewalt „handelt es sich um die physische und psychische Schä-digung einer Person.“8 Weitere Ansätze sind bei Kepplinger und Dahlem zu finden, die zwischen realer und fiktiver Gewalt unterscheiden. Die reale Gewalt ist dabei bei-spielsweise die Gewalt, die „physische und psychische Schädigungen beabsichtigen oder bewirken kann“.9 Bei der fiktiven Gewalt spricht man von der Präsentation von Verhaltensweisen, die diese nur vorgeben.10

Da sich die Untersuchung auf die Gewalt im Film konzentriert, soll im Folgenden vor allem die mediale Darstellung personaler Gewalt von Bedeutung sein, in der ein Akteur Gewalt gegen andere Menschen ausübt und dabei körperliche oder psychische Schädigungen verursachen kann. In diesem Zusammenhang wird sodann vor allem von „Ge-walttätigkeit“ gesprochen: „Ganz allgemein kann man feststellen, dass es sich bei der Gewaltätigkeit um einen Spezialfall der sozialen Interaktion handelt, eben eine gewalt-tätige Form der sozialen Interaktion. Was dabei als gewalttätig gilt, hängt jedoch […] vom sozialen und kulturellen Kontext ab, in dem die Gewalttätigkeit ausgeübt wird.“11

Hugger versteht unter Gewalttätigkeit im Weiteren „das bewusste oder unbeabsichtigte Zufügen eines körperlichen oder seelischen Schadens, ohne dass eine gesellschaftliche Legitimation vorliegt.“12 Auf den Film bezogen, kann dabei vor allem zwischen der na-türlichen Gewaltdarstellung – der lebensechten Präsentation (Realfilm) und der künstli-chen Darstellung – der artifiziellen Präsentation (z.B. Zeichentrickfilm), unterschieden werden.13

Doch nicht nur in der Theorie, sondern vor allem in der Praxis wurde das Thema Gewalt zu einem festen Bestandteil vieler filmischer Gattungen: Primär seien dabei die Genres der Actionfilme, Horrorfilme, Thriller und der Western zu nennen, die das Thema Ge-walt als ein zentrales Motiv nutzen.14 Durch diese Darstellung auf visueller Ebene er-möglicht der Film dabei eine Transformation der Erscheinungsweisen der Gewalt. Diese wird im Film vor allem als Mittel zum Zweck genutzt, um ein breites Publikum anzu-sprechen. Nicht umsonst sind sämtliche Action, Thriller- und Horrorfilme bei Neuer-scheinung in den Kinos stark besucht: Das Erleben von Spannung und Angstlust dient als Unterhaltung und wird von Filmemachern als ein wichtiges Element eingesetzt. Hierbei geht es „[...] nicht um Gewalt an sich, sondern um das Zeigen von Gewalt, d.h. Gewalt wird als solche ausgestellt sowie in einem ästhetischen Rahmen rationalisiert.“15

Zugleich ermöglicht Gewalt für die Rezipienten neben dem Erleben von Schmerz und Lust, auch den Moment von Unmittelbarkeit, was immer ein Zeichen von Authentizität vermittelt.16

Interessant ist im Weiteren die Tatsache, dass vor allem Filme, die auf einer historischen und gewalthaltigen Vergangenheit aufbauen, „bestimmte Narrative verwenden und so-mit eine standardisierte Erzählung schaffen, die meist einen legitimatorischen Charakter inne hat.“17 Dies bedeutet, dass sie unter anderem darauf abzielen eine Identifikation mit dem gewaltausübenden Helden herzustellen: Etwa durch eine Vorgeschichte, in der der Held selbst oder eine Figur mit der er verbunden ist, zum Opfer einer grausamen Gewalttat wird.18 Die Filmemacher bedienen sich dabei zumeist an Stilmitteln wie Blut, dunklen Szenerien, dramatischer Musik und besonders nahen Kameraeinstellungen, um die Gewalt und Brutalität zu inszenieren und zu verstärken.19

3 Sklaverei: Historischer Abriss und Medienbezug

Schon im 4. und 5. Jahrhundert, zu Zeiten der Barbarensklaverei in Griechenland, be-schäftigten sich die beiden griechischen Philosophen und Geschichtsschreiber Herodot und Aristoteles mit dem Begriff der Sklaverei. An dieser Stelle ist die Definition des Begriffes Sklaverei und Sklave indiziert:

„Sklaverei bezeichnet die völlige persönliche, rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit eines Men-schen von einem anderen. Dieser abhängige Mensch – der Sklave– ist das Eigentum seines Herrn– des Sklavenhalters. Letzterer kann im Extremfall über körperliche Bestrafung, Verkauf, Vererbung und Tötung, aber auch über die Freilassung seines Sklaven entscheiden.“20

Als ein wichtiger geographischer Hintergrund für die schnelle Verbreitung der Sklaverei im 16. und 17. Jahrhundert gilt vor allem der zentral-afrikanische Raum. Dabei war die Sklaverei schon lange vor der Präsenz europäischer Händler in afrikanischen Kulturen bekannt. Allerdings erst durch die Entdeckung der „neuen Welt“ Amerikas durch Chris-toph Kolumbus im Jahre 1492, bekam die Sklaverei durch den damit einsetzenden transatlantischen Sklavenhandel eine neue Dimension. Im Jahre 1619 begann der erste Transport afrikanischer Sklaven an nordamerikanische Kolonien, wie Jamestown (Vir-ginia), durch holländische Händler.21 Sklaven wurden hierbei vor allem für die Tabak-produktion benötigt.

In den Staaten angekommen wurden sie zunächst auf Sklavenmärkten nackt vorgeführt, damit potenzielle Käufer eine umfassende Körperinspektion durchführen konnten. Im Besitz des neues Herren erhielten sie andere Namen und man „vervollständigte den Raub ihrer Identität und ihrer eigenen Geschichte“22 mit gefälschten Papieren. Im Wei-teren wurden sie dann primär als Haus- oder Landsklave genutzt. Meist wurden jedoch nur Frauen zu Haussklaven, da sie Tätigkeiten wie Kochen, Putzen, Näharbeiten oder auch das Betreuen der Kinder ausüben "konnten". Damit waren sie für die gesamte Hausarbeit zuständig, wobei sie außerdem häufig der sexuellen Gewalt ihres Hausher-ren ausgeliefert waren. Kinder die aus solchen Beziehungen entstanden, erfuhren meist eine bessere Behandlung und konnten in manchen Fällen sogar mit ihrer Freilassung rechnen.23 In Häusern, in denen der Sklavenhalter einen hohen Lebensstandards genie-ßen konnte, arbeiteten die Sklaven abermals auch als Diener, Kutscher oder Butler. Sie unterschieden sich eindeutig von den Landsklaven, die primär für die wirtschaftliche Ertragslage des Sklavenhalters verantwortlich waren. Diese Sklaven wurden dabei als eine Art “Zugtiere“ genutzt: Sie bekamen ein Brandzeichen oder auch einen Halsring als Kennzeichnung und mussten ihrer Arbeit zumeist im gefesselten Zustand nachge-hen. Zu ihren Tätigkeiten gehörte vor allem die Feldarbeit, zu der man beispielsweise das Setzen von Zuckerrohr oder die Ernte von Baumwolle zählte.24

In den Jahren 1619 bis 1865 gehörten Sklaven zu einem festen Bestandteil des Südens Amerikas. Flucht war diesen aufgrund ihrer Hautfarbe nicht möglich, denn sie galten schon von Haus aus als unfrei.

Durch das Zeitalter der Aufklärung kam es jedoch zu einem Wandel – die Stimmung in Europa schlug um und die ersten Proteste gegen die Sklaverei breiteten sich aus. Der berühmte Sklavenaufstand religiös motivierter Gruppen auf Saint-Domingue von 1791 - 1803, leitete die Abschaffung der Sklaverei ein: Zunächst verbot Dänemark 1722 den Handel mit Menschen, angeschlossen von England im Jahre 1807 und zu guter Letzt die USA im Jahr 1865.25 Ferner fand 1948 die Verabschiedung der allgemeinen Menschen-rechte statt. Die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen hat dabei festgehal-ten: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begeg-nen.“26 Artikel 4 formuliert das Verbot der Sklaverei nochmals präziser aus: „Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen sind verboten.“27

Auch wenn die "systematische" Sklaverei vor allem im afrikanischen und US-amerika-nischen Raum schon Jahre zurück liegt, verliert sie dennoch auch heutzutage nicht an Aktualität.28 Ein Bericht der Weltarbeiterorganisation (ILO) kam im Jahr 2005 zu dem Schluss, dass weltweit noch immer mindestens 12,3 Millionen Menschen Opfer ge-zwungener Arbeit sind.29

Auch in vielen Medien wird die Thematik der Sklaverei und des Rassismus‘ dabei stark diskutiert. Bereits 1852 erschien der erste Roman zur Sklaverei, mit dem Titel Uncle Tom’s Cabin 30 , von der Autorin Harriet Beecher Stowe. Der Roman fand viel gesellschaftliche Anerkennung und ermutigte vor allem die farbigen Menschen gegen das Un-recht zu protestieren, das ihnen zu Teil wurde. Durch diese große Aufmerksamkeit, die dem Roman entgegengebracht wurde, kam es 1907 zur ersten filmischen Umsetzung mit dem gleichnamigen Titel. Jahre später folgten einige weitere Filme, die heute zu den wichtigsten filmischen Inszenierungen zu dem Thema Sklaverei gezählt werden. Dazu gehören Gone with the Wind (1939), Roots (1977), Amistad (1997) und Beloved (1998).

Auch Filmregisseure wie Quentin Tarantino haben sich der Thematik der Sklaverei auf filmischer Ebene angenommen und dabei viel Aufmerksamkeit erzeugt. Um dieses Thema näher zu erschließen, soll im Folgenden zunächst auf den Regisseur allgemein und dessen stilistische Merkmale eingegangen werden.

4 Quentin Tarantino und Django Unchained

4.1 Quentin Tarantino

Die Anfänge von Tarantinos Filmkarriere können bis in die 80-er Jahre zurückverfolgt werden. Dabei versuchte er sich nach eigenen schauspielerischen Tätigkeiten an ersten Spielfilmen, wie beispielsweise 1987 My Best Friend‘s Birthday, der jedoch wenig öf-fentliche Resonanz erzielen konnte.31 Bekannt wurde Tarantino dann jedoch vor allem mit seinen Filmen Reservoir Dogs (1992) und Pulp Fiction (1994), mit denen ihm seine ersten großen Welterfolge gelangen. Anschließend folgten eine Reihe von Filmen bei denen er Regie führte, als Drehbuchautor fungierte oder sogar selbst eine Nebenrolle als Schauspieler einnahm.

Bekannt wurden seine Werke unter anderem durch ausgefeilte Gewaltdarstellungen, die als kennzeichnendes Merkmal in all seinen Filmen auffindbar sind.32 Für Tarantino ist Gewalt dabei vordergründig ein Unterhaltungsinstrument, das kaum Platz für Authenti-zität lassen soll.

Er setzt dabei vor allem auf Wirkung und nicht Bedeutung:

„Tarantino begegnet den Gewalt-Exzessen seiner Filme unbekümmert. Allerdings mit dem Hinweis darauf, dass Filmgewalt keine reale Gewalt sei: Die Gewaltszenen seiner Filme zitieren Szenen aus anderen Filmen, wirken comicartig überzeichnet und sollen der Unterhaltung dienen.“33

Auch in seinem Film Django Unchained 34 ist die Gewalt und Brutalität anhand der Sklaverei in Szene umgesetzt worden. Sexszenen bleiben meist außen vor, dafür setzt er aber auf sprachliche Ausdrücke wie „nigger“, „dick“, „shit“ und „fuck“. Diese Tatsa-chen verursachen ein R-Rating35 vieler seiner Filme, das auch bei Django Unchained Anwendung fand.36

Neben des Motivs der Gewalt, zählen zum einen die hybride Erzählweise, die sich vor allem durch Genremischung äußert, zum anderen Selbstreferenzialität, wobei Zitate und Anspielungen auf diverse Filme als häufigstes stilistisches Mittel festzumachen sind, als wichtigste filmästhetische Merkmale Tarantinos. Zuletzt bediente sich dieser zusätzlich des Mittels der Komik und des schwarzen Humors, dabei häufig in Zusammenhang mit Gewalt.37

Einen besonders großen filmischen Einfluss auf Tarantino hatte der 1990 verstorbene italienische Filmregisseur Sergio Corbucci.38 Tarantino war es dabei seit geraumer Zeit ein Anliegen ein Western nach dessen Art zu drehen, demnach möglichst düster und brutal. Als geeignet für diese filmische Umsetzung empfand Tarantino die Thematik der Sklaverei39: „I thought the closest equivalent to Corbucci’s brutal landscapes would be the antebellum South. When you learn of the rules and practices of slavery, it was as violent as anything I could do-and absurd bizarre.“40

Kritik verübt der Regisseur in diesem Zusammenhang immer wieder an seinen Kolle-gen aus der Filmindustrie, indem er beanstandet, dass sich nur wenige Filmemacher mit der Thematik der Sklaverei befassen. Ihm selbst war es schon Jahre vor der Verfilmung von Django Unchained ein Anliegen, einen Film zu drehen, der den Opfern der Sklave-rei eine Illusion von Rache41 ermöglicht.42 Zwar setzten sich schon vorher einige Filme und Fernsehserien wie beispielsweise Roots 43 mit dem Thema auseinander, jedoch fehl-te Tarantino vor allem der Rachefeldzug der Protagonisten. Ähnlich wie in seinem Film Inglourious Basterds, in dem die Nationalsozialisten zu einer gerechten Strafe geführt werden, sollten in Django Unchained die „Sklavenhalter zur Rechenschaft gezogen werden“.44 Dieser Anspruch stand dabei stets im Mittelpunkt des Filmes.

Schon während der Produktion erhielt Tarantino jedoch von anderen Filmschaffenden, wie beispielsweise von Regisseur Spike Lee, enorme Kritik. Er rief ohne Django Un-chained gesehen zu haben zum Boykott auf, mit der Begründung, dass der Film das „Erbe seiner Vorfahren beschmutze“.45 Besonders die Tatsache, dass Tarantino das Thema Sklaverei in einem „Sergio-Leone-Spaghetti-Western“ verarbeite, stieß auf gro-ße Kritik. Dadurch wurde die Sklaverei, seiner Meinung nach, ins Lächerliche gezogen.

Vor allem aber äußerte er Ärger über das Wort „nigger“, das im Film insgesamt 166-Mal Anwendung findet.46

4.2 Django Unchained

4.2.1 Entstehung und Inhalt

Django Unchained (2012) spielt sich im Jahre 1858 im Süden der Vereinigten Staaten ab und wird visuell in erster Linie dem Genre des Western zugeordnet. Auch auf inhalt-licher Ebene wird sowohl das Genre des Westerns als auch des Exploitationsfilms zu-sammengebracht, wobei die Genremischung, ein typisches Kennzeichen Tarantinos Äs-thetik, auch hierbei wiederzufinden ist. Diese Mischung findet man jedoch nicht nur an inhaltlichen Verknüpfungen „verschiedener generischer Motive oder Handlungsteile wieder, sondern auch technisch in der verschiedenartigen stilistischen Umsetzung ein-zelner Filmabschnitte.“47

Im Film trifft der Sklave Django (Jamie Foxx) kurz vor dem Bürgerkrieg auf Dr. King Schultz48 (Christoph Waltz), der als Kopfgeldjäger im Süden der USA49 unterwegs ist und die Verbrecherbande Brittle Brothers sucht. Dr. King Schultz befreit (unchained) Django und verlangt im Gegenzug seine Hilfe die Verbrecherbande aufzufinden, da die-ser zuvor bei den Brittle Brothers in Gefangenschaft leben musste und diese daher wie-der erkennen könnte. Als Revanche würde Dr. King Schultz ihm seine Freiheit schen-ken. Nach erfolgreicher Rache an den Brittle Brothers wird allerdings deutlich, dass Django nur ein Ziel vor Augen hat: Er möchte seine Frau Broomhilda50 wiederfinden und retten: Auch sie wurde in Gefangenschaft von Sklavenhaltern genommen und von Django getrennt. Dr. King Schultz ist bereit Django im Weiteren bei dieser Suche zu unterstützen. Dabei müssen beide jedoch einige Hürden leisten und auf geschickte Art und Weise verschiedene Sklavenhalter in den Hinterhalt locken. Auf diesem Unterfan-gen ist es vor allem Django der eine große Entwicklung durchläuft: „Django entwickelt sich in Windeseile vom Legastheniker und unterdrückten Sklaven zum rhetorisch ge-schliffenen Revolverhelden.“51 Broomhilda finden beide am Ende auf einer der größten Plantagen auf Candieland wieder. Dort kommt es zu einem Schusswechsel und Dr. King Schultz wird getötet. Broomhilda und Django kommen ebenfalls in Gefangennahme. Während einer erneuten Überführung von Django gelingt ihm jedoch die Flucht. Er rei-tet nach Candieland zurück und befreit seine Frau.

[...]


1 Vgl. Michael Günter: Gewalt entsteht im Kopf. Stuttgart 2011, S. 14.

2 Felix Schnell: Gewalt und Gewaltforschung. In: Docupedia, 08.11.2014, URL: https://docupedia.de/zg/ Gewalt_und_Gewaltforschung (Stand: 05.04.2016).

3 Vgl. Michaela Christ/Christian Gudehus: Gewalt-Begriffe und Forschungsprogramme. In: Christian Gudehus/Michaela Christ (Hrsg.): Gewalt. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart 2013, S. 7.

4 Bezeichnet den Aufbau des Filmbildes, beziehungsweise dessen innere Montage. Vgl. hierzu weiterfüh-rend Nadja Sennewald: Alien Gender. Die Inszenierung von Geschlecht in Science-Fiction-Serien. Bie-lefeld 2007, S. 41.

5 Paul Hugger: Elemente einer Kulturanthrophologie der Gewalt. In: Paul Hugger/Ulrich Stadler (Hrsg.): Gewalt - Kulturelle Formen in Geschichte und Gegenwart. Zürich 1995, S. 22.

6 Vgl. ebd.

7 Heinrich Popitz: Phänomene der Macht-Autortiät-Herrschaft-Gewalt-Technik. Tübingen 1986, S. 68.

8 Michael Kunczik/Astrid Zipfel: Medien und Gewalt: Befunde der Forschung seit 1998 (2004) UR-L:https://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSF/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Medien-und-Gewalt-Be-funde-der-Forschung-Langfassung,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf,S.10 (Stand: 07.04.2016).

9 Ebd.

10 Vgl. Hans Mathias Kepplinger/Stefan Dahlem: Medieninhalte und Gewaltanwendung. In: Hans-Dieter Schwind u.a. (Hrsg.): Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt. Berlin 1990, S. 384.

11 Lothar Mikos: Ästhetik der Gewalt im Film und Fernsehen. Genrespezifik und Faszination der Zu-schauer. Potsdam 2001, S. 18.

12 Erwähnenswert ist an dieser Stelle zudem, dass es auch Fälle gibt, bei denen man von legitimierten Gewaltformen spricht, wie zum Beispiel die des Staates: Der Staat garantiert hierbei mit seiner Gewalt die soziale Ordnung. Hugger/Stadler: Gewalt - Kulturelle Formen in Geschichte und Gegenwart, S. 22.

13 Vgl. Kunczik/Zipfel: Medien und Gewalt, S. 10.

14 Filme wie beispielsweise Kill Bill (2003) oder Saw (2004) sind dafür bekannt, dass sie Gewalt als zen-trales Motiv nutzen.

15 Detlef Kremer: Gewalt du Groteske bei David Lynch und Francis Bacon. In: Rolf Grimminger (Hrsg.): Kunst–Macht–Gewalt. Der ästhetische Ort der Aggressivität. München 2000, S. 209.

16 „So bürgen Gewaltdarstellungen im Film und Fernsehen einerseits für den realistischen Authentizitäts-eindruck der erzählten Welt, andererseits werden sie immer aufgrund der konventionellen Darstellung in einer für die Zuschauer rationalisierbaren Weise dargeboten. Diese ästhetische Dimension wird umso bedeutsamer, wenn richtig ist, dass Filme im Kopf der Zuschauer entstehen.“ Lothar Mikos: Ästhetik der Gewalt im Film und Fernsehen. S. 19.

17 Michaela Krützen: Dramaturgie des Films. Wie Hollywood erzählt. Frankfurt am Main 2004, S. 30.

18 Vgl. ebd.

19 Vgl. Sven Kramer: Transformationen der Gewalt im Film. Über Riefenstahl, Amery, Cronenberg, Go-yan, Marker, Kluge, Farocki. Berlin 2014, S. 7.

20 Martin Schneider: Die Geschichte der Sklaverei. Von den Anfängen bis zur Gegenwart.Wiesbaden 2015, S.

21 Vgl. Uwe Schmitt: Schwarze Frauen, wie leibeigene Huren gehalten. In: Die Welt, 15.01.2013, URL: http://www.welt.de/geschichte/article112767236/Schwarze-Frauen-wie-leibeigene-Huren-gehal-ten.html (Stand: 15.05.2016).

22 Hannes Schwenger: Verbrechen in schwarz-weiß. In: Tagesspiegel, 06.10.2008, URL: http://www.ta-gesspiegel.de/kultur/literatur/buch-verbrechen-in-schwarz-weiss/1339884.html (Stand: 05.04.2016).

23 Vgl. Jochen Meissner/Ulrich Mücke/Klaus Weber: Schwarzes Amerika. Eine Geschichte der Sklaverei. München 2008. S. 119.

24 Vgl. ebd., S. 103.

25 Vgl. Gregor Delvaux de Fenne: Sklaverei. In Planet Wissen, 29.02.2016, URL: http://www.planet-wis-sen.de/geschichte/menschenrechte/sklaverei/pwwbsklaverei100.html (Stand: 29.03.2016).

26 Vereinte Nationen: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. In: UN, 10.12.1948, URL: http://ww-w.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf (Stand: 29.03.2016).

27 Ebd.

28 Vgl. Meissner/Mücke/Weber: Schwarzes Amerika, S. 13.

29 Vgl. ebd.

30 Hierin werden die Abgründe der Sklaverei, anhand der Geschichte einiger Sklaven, aufgetan und ange-prangert.

31 Vgl. Susanne Kaul/Jean-Pierre Palmier: Quentin Tarantino – Einführung in seine Filme und Filmästhe-tik. München 2013, S. 8.

32 „Nach dem Überraschungserfolg von Reservoir Dogs (1992) und dem Bestätigungserfolg durch Pulp Fiction (1994) schuf die Kritik ein Wort zur Bezeichnung der den Tarantino-Filmen eigenen innovati-ven Ausdrucksgewalt: tarantinoesk.“ Tanja Prokic: Tarantino synaesthetics-Intermedialität als ästheti-sche Strategie. In: Christian Hoffstadt/Nils Bothmann (Hrsg.): Quentin Tarantino zwischen Komik, Katharsis und Gewalt. Bochum/Freiburg, 2016, S. 15.

33 Kaul/Palmier: Quentin Tarantino, S.7.

34 Dieser zählt mit zwei ausgezeichneten Oscars zu einem seiner erfolgreichsten Filmen. Vgl. Michael Scholten: Quentin Tarantino Unchained – Die blutige Wahrheit. München 2016, S. 190.

35 R-Rating stellt aufgrund von Sex-, Gewalt- und Drogenszenen ein Altersverbot für Filme dar.

36 Vgl. Kaul/Palmier: Quentin Tarantino, S. 9.

37 Vgl. Sonja Neiß: Filme von Quentin Tarantino. Ein Regisseur prägt ein neues Genre. Saarbrücken 2007, S. 46.

38 Zu Sergio Corbuccis erfolgreichsten Filmen zählt der Italo-Western Django aus dem Jahr 1966. Stilisti-sche Merkmale finden sich vor allem in der äußerst brutalen Gewaltinszenierung und in der Verwen-dung von schwarzem Humor. Mit Django Unchained nimmt Tarantino direkten namentlichen Bezug auf den Westernklassiker. Da der Sklave Django jedoch zu Beginn des Films befreit wird, erweitert Tarantino den Titel zu Django Unchained. Vgl. Scholten: Quentin Tarantino Unchained, S. 179.

39 Vgl. Kaul/Palmier: Quentin Tarantino, S. 134.

40 Quentin Tarantino: Quentin Tarantino Tackles Old Dixie by Way of the Old West (by Way of Italy). In: NY Times, 30.09.2012, URL: http://nytimes.com/2012/09/30/magazine/quentin-tarantino-django.html (Stand: 05.04.2016).

41 „Im Gegensatz zu Kill Bill gehen die Racheakte in den Tarantino-Filmen Django Unchained und Death Proof über diese Rachemechanismen heraus, sie sind sowohl persönliche als auch methaphorische Akte der Vergeltung.“ Bothmann, Nils: Der Krieg kennt keine Helden: Gebrochene Versprechen, generische Kontexte und ironische Auseinandersetzung mit den Titelfiguren in Inglourious Basterds. In: Christian Hoffstadt/Nils Bothmann (Hrsg.): Quentin Tarantino zwischen Komik, Katharsis und Gewalt. Bochum/ Freiburg, S. 85.

42 Vgl. Kaul/Palmier: Quentin Tarantino, S. 134.

43 Nach dem Roman von Alex Haley, Erstausstrahlung USA 1977.

44 Scholten: Quentin Tarantino Unchained, S. 181.

45 Vgl. Florian Leue: Django Unchained: Regisseur Spike Lee weigert sich den Western anzuschauen. In: Filmstarts, 24.12.2012, URL: http://www.filmstarts.de/nachrichten/18476475.html (Stand: 01.04.2016).

46 Vgl. Scholten: Quentin Tarantino Unchained, S. 190.

47 Kaul/Palmier: Quentin Tarantino, S. 14.

48 „Mit der Figur Dr. King Schultz ruft Tarantino die Erinnerung an die handlungstragende Figur des Oberst Landa aus Inglourious Basterds in Erinnerung.“ Kaul/Palmier: Quentin Tarantino, S. 137.

49 Gedreht wurde vorwiegend in New Orleans. Tarantino gestaltete den Ort als eine Art „Auschwitz für Schwarze.“ Vgl. Scholten: Quentin Tarantino Unchained, S. 186.

50 „[…] während der Nachname von Djangos Frau an John Shaft erinnert, den schwarzen Bond der Blax-ploitation-Filme der 70-er Jahre, stellt ihr Vorname den Bezug zu Wagners «Ring des Nibelungen» her.“ Elisabeth Bronfen: Nur die Bösen bluten opulent. In: Tagesanzeiger, 17.01.2013, URL: http:// www.tagesanzeiger.ch/kultur/kino/Nur-die-Boesen-bluten-opulent/story/21838657 (Stand: 01.04.2016).

51 Kaul/Palmier: Quentin Tarantino, S. 136.

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Sklaverei im Film. Eine filmästhetische Analyse der Gewaltdarstellung in "Django Unchained" und "12 Years a Slave"
Hochschule
Universität Siegen
Jahr
2016
Seiten
42
Katalognummer
V344733
ISBN (eBook)
9783668416109
ISBN (Buch)
9783668416116
Dateigröße
655 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sklaverei, film, eine, analyse, gewaltdarstellung, django, unchained, years, slave
Arbeit zitieren
Anonym, 2016, Sklaverei im Film. Eine filmästhetische Analyse der Gewaltdarstellung in "Django Unchained" und "12 Years a Slave", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/344733

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