Der politische Islam

'Das politische System der Islamischen Republik Iran als Anwendungsbeispiel' und 'Totalitarismus – der Zwiespalt zwischen Religion und Ideologie'


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

59 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Iran – Im Spannungsfeld zwischen Politik und Religion
2.1 Die Idee des Gottesstaates – Das Verhältnis von Politik und Religion im Islam
2.2 Der ‚ideale politische Islam’ – Ein politisches System
2.2.1 Der religiöse Aspekt – Das „Leistungsprinzip“
2.2.2 Der politische Aspekt – Die „politische Wirklichkeit“
2.2.3 Die Funktionsweise des politischen Islam
2.3 Der ‚reale politische Islam’ – Der Vergleich mit dem Idealtypus
2.4 Zäsur

3. Theoretische Modelle – Der Begriff ‚Totalitarismus’
3.1 ... nach Linz
3.2 ... nach Merkel
3.3 ... nach Friedrich / Brzezinski – Wahdat Hagh
3.4 ... nach Loewenstein
3.5 ... in Bezug auf den politischen Islam
3.5.1 Religion und Ideologie im politischen System
3.5.2 Monismus-Pluralismus / Die islamische Kultur
3.6 ... und der Iran
3.7 ... ein anderes Modell (nach Hoffmann-Nowotny)

4. Zusammenführung

5. Anhang
5.1 Glossar – Islamische Begriffe
5.2 Abbildungsverzeichnis
5.3 Tabellenverzeichnis
5.4 Bibliographie

1. Einleitung

„Die historische Bilanz ist so bedrückend, dass Kommentatoren […] von einer ‚Sonderentwicklung’ sprechen und überzeugt sind, die vom Islam geschaffene Situation mache islamische Länder demokratieunfähig und verurteile sie zum ewigen Kampf gegen die Aufklärung und ihre bürgerlichen und demokratischen Errungenschaften. Daran anknüpfend ist last but not least festzuhalten: Islamismus in seiner Staatsform ist totalitär.“[1]

Mit diesen Worten schließt Wahdat-Hagh seine Argumentation, nachdem er auf 450 Seiten die Islamische Republik Iran äußerst gewissenhaft analysiert hat. Er irrt. Dabei handelt es sich natürlich nicht um eine personalisierte Kritik, denn eine ganze Reihe anderer Autoren würde ihm zustimmen. Diese Ausführung möchte eine Gegenposition darstellen.

Im großen Zusammenhang gesehen, dreht sich dieser Text um Verständnis, im kleinen um die Analyse und Verortung eines politischen Systems. Der Iran hat seit nunmehr 25 Jahren eine politische Struktur, die nach westlichem Maßstab alles andere als demokratisch und damit nach westlichem Maßstab alles andere als ‚gut’ ist. Es gibt dahingehend verschiedene Analyseschematas, mittels derer politische Systeme verortet werden können. Mit eben jenen Modellen wird der Iran als totalitäres System beschrieben.

Die These dieser Ausführung ist dabei folgende: Jener verwendete Totalitarismus-Begriff kann für die Beschreibung des politischen System Irans nicht verwendet werden. Die Gründe dafür sind inadäquate Kategorien, die die spezifischen Merkmale des iranischen Systems entweder falsch einberechnen oder nicht beachten.

Um diese, zugegebenermaßen etwas anmaßende Behauptung zu untermauern, soll im ersten Teil das politische System Irans genauer untersucht werden. Dafür wird der ‚politische Islam’ als ein Idealtypus skizziert. Der Iran, als Beispiel dieses politischen Systems verstanden, wird folgend daran erörtert. Der zweite Teil beschäftigt sich eingehend mit der hier aufgestellten These.

Der Forschungsstand wird jeweils zu den einzelnen Themen kommentiert werden.

2. Der Iran – Im Spannungsfeld zwischen Politik und Religion

Der Iran ist ein merkwürdiges Land, jedenfalls könnte man schnell zu einem solchen Urteil kommen, legt man diesem die Logik der europäischen Tradition zugrunde. Vom Kaspischen Meer bis zum Persischen Golf, von der Türkei und dem Irak bis nach Pakistan und Afghanistan erstrecken sich die heutigen Landesgrenzen und umreissen damit eine Fläche, die der viereinhalbfachen Ausdehnung der Bundesrepublik entspricht. Die Bevölkerungszahl beträgt hingegen lediglich 66 Mio. Menschen, wobei allein über ein Fünftel (14 Mio.) in Teheran leben. Die iranische, oder besser persische Geschichte kennt dabei noch weitaus ausgedehntere Reichsgrenzen, eine zivilisatorisch wegweisende Hochkultur und eine 2500 Jahre währende Monarchie[2].

Die Entwicklungen der Moderne, die unser heutiges europäisches Verständnis prägen[3], lassen den Iran in einem, ja man möchte fast sagen, mittelalterlichen Licht erscheinen. Aus dieser Perspektive ist es merkwürdig, dass die iranische Gesellschaft trotz ihrer stolzen und starken Kultur solch „unmodernen“ Prinzipien wie der Pflicht der Verschleierung oder der politischen Unmündigkeit bis hin zur Unterdrückung unterliegt. Noch merkwürdiger wird es, betrachtet man die durchaus „modernen“ Probleme mit denen dieses Land zu kämpfen hat. Eine volkswirtschaftlich und auch gesellschaftlich lähmende Arbeitslosigkeit, ebenso wie eine daraus entstehende Perspektivlosigkeit verstärken Phänomene wie Gewaltbereitschaft oder Drogensucht und desillusioniert bzw. entpolitisiert den Bürger. Dahingehend erscheint es nahezu paradox, der Moderne in einer solchen Weise zu begegnen, wie es der Iran versucht.

Kurz gesagt, das europäische Verständnis der Moderne kennt keine adäquate Bestimmung zur iranischen Staatlichkeit und kein Gesellschaftsbild, das dem iranischen Bürger entspräche. Der Grund wird dabei im Wesen und Sein des Islam gesucht. Dabei geht es selten darum, die Religion Islam in Frage zu stellen als vielmehr das Verhältnis jener Religion zur Politik als Ursprung dieser Unbestimmtheit zu sehen. Seit der Etablierung der Schia als Staatsreligion um 1500 ist der schiitische Glaube tief in der iranischen Tradition und vor allem Kultur verwurzelt, was ein grundlegender Aspekt für diese Ausführung ist. Dabei hat die Religion im Laufe der Geschichte naturgemäss immer unterschiedliche Einflüsse auf das Politische gehabt. Mit der Revolution von 1979 erhält sie jedoch einen Stellenwert, der über ihre enorme gesellschaftliche Bedeutung weit hinaus geht: Religiöses Recht ist nunmehr auch Politisches Recht, ist damit gesellschaftlich legitimiert und gilt umgekehrt als verbindliche Normierung.

Diese „Merkwürdigkeit“, die Sichtweise der „europäischen Moderne“ auf den Iran und die daraus resultierenden Fehlinterpretationen, aufzulösen, damit beschäftigt sich dieses Kapitel. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die europäische Denktradition allenfalls vergleichend zu Rate gezogen werden darf, ihre Grundprinzipien dabei aber keinesfalls wertende Axiome für die nähere Analyse dieses Phänomens darstellen dürfen.

2.1 Die Idee des Gottesstaates – Das Verhältnis von Politik und Religion im Islam

Zunächst einmal ist es nötig, sich mit wesentlichen Grundzügen des Islam auseinander zu setzen, die für die vorliegende Problematik von Bedeutung sind[4]. Grundlage des Islam ist „touhid“, der Glaube an die Einheit Gottes (also dem Monotheismus), der durch das Bekenntnis „Es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Gesandter“ bekundet wird[5]. Durch touhid sind alle Mitglieder der islamischen Gemeinschaft (umma) angehalten, nach den Gesetzen des Islam zu leben, die in der Scharia (vgl. hierzu Abbildung 2, S.49) geregelt sind. Das heißt, der Islam beschränkt sich nicht nur auf den transzendentalen Bereich, sondern umfasst alle Bereiche des täglichen, individuellen Lebens. Zirker schreibt in diesem Zusammenhang:

„Religion (din) kann nach muslimischem Verständnis nie auf individuelles Denken und Verhalten, gar auf spirituelle Innerlichkeit beschränkt bleiben, sondern muss sich in der gesamten Lebenswelt realisieren. Eine Eigengesetzlichkeit von Bereichen, die der Religion gegenüber indifferent bleiben könnten, ist nach muslimischer Sicht verwehrt. Damit wird ‚ din ’ zum Begriff umfassender Ordnung.“[6]

Gott ist somit das Absolute, schöpft und offenbart. Der Mensch ist ein gottförmiges Geschöpf, das mit Intelligenz begabt ist (die das Absolute zu erkennen vermag) und mit einem Willen (der fähig ist zu wählen, was dahin führt). Das impliziert das Prinzip der absoluten Gleichheit aller gläubigen Menschen vor Gott. Das impliziert weiterhin, dass es im Islam zuerst um die Religiösität des Menschen, also um seine geistige Haltung und sein Handeln geht[7]. Der Islam kennt somit prinzipiell auch keine Vermittler zwischen Gott und den Gläubigen, der Koran ist das einzig vermittelnde Element[8]. Nur der „Grad der Frömmigkeit und der Nachahmung des göttlichen Willens bestimmt den individuellen Wert eines Menschen. Daraus folgt auch die grundsätzliche Einteilung der Gläubigen nach dem Grad ihres Sachwissens in ‚ Modjtaheds ’ (höherrangige islamische Rechtsgelehrte) und ‚ Moqaleds ’ (normale Gläubige, die Nachahmer).“[9]

Der Muslim, geprägt durch das ‚islamische System’, hat eine vollkommen andere Einstellung zu seiner Lebenswelt als etwa ein Christ oder Buddhist. Das Absolute in Form von Gott („die Wahrheit und das Gesetz“[10] ) bestimmt nicht nur seine transzendentale Verortung, sondern eben auch seine Gesellschaftliche[11]. Jedweder Sinnzusammenhang wird somit zu einem Relativ des Absoluten, wobei die Erkenntnis des Absoluten der Triebfaktor ist[12]. Dieser Gedanke spielt in den weiteren Ausführungen, speziell in der Betrachtung des Verhältnisses von Religion und Ideologie, eine zentrale Rolle.

Gegenüber dieser zugegebener Maßen etwas schroffen, zumindest aber idealisierten Zusammenfassung des Islam verweist Manousakis’ Statement, im Rahmen seiner Definition totalitärer Herrschaftsformen, auf die für die Betrachtung politischer Systeme vermeintlich wichtigsten Faktoren des Islam:

„Im Islam haben wir: die Einheit von Religion und Staat, den Koran als Mittler zwischen Himmel und Erde, die „umma“ als einheitliche islamische Gemeinschaft und die „Scharia“ als ihr allumfassendes Gesetz.“[13]

Diesem Statement wohnt eine Kernfrage im Bezug auf das Verhältnis von Religion und Ideologie inne, welches an anderer Stelle nähere Erläuterung erfährt: Ist die „Einheit von Religion und Staat“ eine grundsätzliche Eigenschaft des Islam, wie es Manousakis proklamiert? Die Basis für die Beantwortung dieser wichtige Frage liegt in der Betrachtung des Wirken Muhammeds in Medina[14]. Infolgedessen konkretisiert sich die Frage: Inwieweit ist das Handeln des Propheten neben der religiösen Offenbarung politischer Natur im Sinne der Herstellung „staatlicher“ Strukturen? Jung zufolge, setzte der Prophet Muhammed drei Bestimmungen gegen die Prinzipien der Blutrache durch:

„Zum ersten wurde die Verfolgung von Verbrechen nicht mehr allein als Angelegenheit der geschädigten Familie, sondern als eine Aufgabe der gesamten Gemeinschaft definiert. Zum zweiten wurde die Loyalität gegenüber der Familie dem Rechtsanspruch der Gemeinde untergeordnet. Schließlich wurde der Frieden der Gemeinschaft auch gegenüber äußeren Feinden über bestehende Familien- und Sippenbande gestellt.“[15]

Tatsächlich gehen die Meinung in der Forschung über die Beantwortung der zugrunde liegenden Frage und der Interpretation der historischen Gegebenheiten auseinander: Jung z.B. weigert sich, hieraus eine staatliche Herrschaft abzuleiten und stellt somit den idealen muslimischen Gottesstaat Medinas als Vorbild prinzipiell in Frage. Während Metzger ihm zustimmt, gehen z.B. Lewis, Mardjani oder etwa Kallscheuer vom Gegenteil aus. Aus ihrer Sichtweise vereint das Handeln des Propheten somit Religion und Politik und kann als Legitimierungsgrundlage[16] für die Muslime gelten[17]. Die Auflösung der Frage findet sich jedoch eher in den Ansätzen von Antes, Hofmann bzw. Zirker. Eine säkularisierte Ordnung wird hier für das islamische System grundsätzlich ausgeschlossen. Der Grund dafür wird aber hier im religiösen Vollzug gesucht und nicht in den ursprünglichen Quellen des Islam. Die Formel „din wa-dawla“ (= Religion und Staat), die in dieser Form nicht im Koran oder in der Sunna steht, hat für die muslimische Religiosität dennoch eine beziehungsreiche Bedeutung bezüglich des Verhältnisses von Religion und Politik, obwohl sie eine grundlegende Einheit generell ausschließt.

„Die maßgebliche Formel heißt nicht ‚Religion ist Staat’, sondern ‚Religion und Staat’. Damit wird unwillkürlich anerkannt, dass beides nicht identisch ist, sondern das es um unterschiedliche Bereiche geht, die allerdings auf islamische Weise in harmonische Beziehung zueinander gebracht werden müssen.“[18]

Durch die Erweiterung des Blickwinkels, nämlich die Verortung des Politischen in den gesellschaftlichen Prozess gelingt es, die Frage mittels des Stellenwertes des ‚Absoluten’ im islamischen Denken aufzulösen. Der gesellschaftliche Prozess unterliegt dabei dem oben aufgeführten Verhältnis von Gott und Mensch. Somit wird folgend davon ausgegangen, dass Religion und Politik im Islam theoretisch keinen Widerspruch darstellen und direkte Vollzugszusammenhänge islamisch legitimiert werden können.

Eine praktische Verknüpfung der beiden Sphären wurde jedoch erstmalig und einzig mit der islamischen Revolution im Iran 1979 vollzogen. Zuvor strebten die Geistlichen keine Übernahme politischer Aufgaben an. Die Distanz, die sich die Mehrheit der schiitischen Gelehrten über die Jahrhunderte von der Staatsmacht bewahrt hat, resultiert dabei aus zwei unterschiedlichen Erwägungen:

„Die meisten verwerfen […] alle menschlichen Versuche, die göttlich-gerechte Ordnung auf Erden zu schaffen, als frevlerische Anmaßung. Sie warten schlicht auf das Eintreffen des schiitischen Messias, des Mahdi, dem allein es zukomme, Gottes Reich auf Erden herbeizuführen. […] Da in Abwesenheit des Mahdi jegliche politische Herrschaft illegitim sei, sollten die Theologen sie den Laien überlassen, um sich nicht zu beschmutzen. […] Andere Geistliche wiederum sehen in der finanziellen und organisatorischen Unabhängigkeit von der politischen Macht gerade die Chance, auf irdische Angelegenheiten Einfluss zu nehmen.“[19]

Diese Jahrhunderte alte Einstellung, die auch „das Warten“ (Entesar) genannt wird[20], hat in den Reihen der heutigen iranischen Geistlichkeit keineswegs ihre Anwendung verloren. Im Gegenteil, die Heterogenität der Gelehrten verblüfft ebenso wie das Faktum, dass eine breite Masse der Geistlichen in beschriebener Tradition jedwede politische Anteilnahme ablehnt.

2.2 Der ‚ideale politische Islam’ – Ein politisches System

Grundsätzlich kann man sagen: Das politische System des Iran ist der „politische Islam“[21]. Aufgrund seiner Erstmaligkeit und Einzigartigkeit fällt es schwer, den politischen Islam in dem Feld der politischen Systeme ohne weiteres zu verorten. Die Ursache hierfür liegt zum einen darin, dass allzu oft versucht wird, das islamische System, welches keinen historischen Vorläufer hat und noch dazu mit sehr spezifisch gearteten Eigenheiten ausgestattet ist, aus der Sicht eines geschichtlich weit verzweigten politikwissenschaftlichen Feldes zu betrachten (das noch dazu der abendländischen Tradition entspringt und zivilisatorisch gesehen eine weitaus intensivere Entwicklung als Hintergrund hat, wie der hier zu untersuchende Kulturkreis). So erklärt es sich auch, dass dem islamischen System eine breite Palette an Eigenschaften zugeschrieben wird und zwar von demokratisch bis totalitär.

Zum anderen benötigt eine objektnahe Betrachtung ein sozusagen „einfühlendes islamisches Verständnis“. Jenem Verständnis wohnt aber eine gewisse Unbestimmtheit inne, die zwangsläufig eine ausgeprägte Interpretationsvielfalt mit sich führt[22]. Zusätzlich kommen die oben gezeigten verschiedenen Grundlageninterpretationen hinzu, die unterschiedliche Legitimationszusammenhänge hervorbringen. Wie im weiteren Verlauf noch gezeigt wird, ist es darüber hinaus äußerst heikel, religiöse Funktionsweisen denen der Ideologischen gleich zu setzten oder sie gar zu subsumieren.

Daher soll der Verortung des politischen System Irans folgender methodologischer Ansatz zugrunde liegen: Aufgrund des Fehlens vergleichbarer historischer Vorläufer des islamischen Systems und der gravierenden Verschiedenheit der islamischen Denk- und Glaubenstradition zur Abendländischen wird hier zunächst die Kontur des „idealen politischen Islams“ umrissen um ihn danach in seiner Anwendung als politisches System (nachfolgend: „realer politischer Islam“) anhand des Iran zu analysieren. Um das Wesen dieses Systems zu untersuchen, ist es außerdem von Nöten, sich mit seinen integralen Bestandteilen auseinander zu setzen. Erst die Auflösung[23] der jeweiligen Funktionsweisen dieser Bestandteile charakterisiert das islamische System[24].

Ebenso wie dem demokratischen System ein Ideal bzw. ein Prinzip zugrunde liegt, nämlich, vereinfacht ausgedrückt, dass das Politische (in Handeln und Struktur) den Volkswillen repräsentiert und das Volk das Politische legitimiert, kann man auch für den politischen Islam einen solchen Idealtyp beschreiben. Dieser soll folgend in groben Zügen umrissen werden.

Den Begriff der „islamischen Herrschaft“ definierte Khomeini[25] als „Herrschaft des göttlichen Gesetztes über die Menschen“. Die staatliche Führung soll dabei durch die Regeln der göttlichen Offenbarung geleitet werden, die Gesetzgebung an sich liegt allein bei Allah (niemand außer Gott habe das Recht, Gesetze zu erlassen).

„Da die Rechtsgelehrten [das religiöse Recht meinend] kraft ihres spezialisierten Wissens am besten ausgerüstet seien, die Gesetze Gottes zu verstehen, obliege ihnen die Pflicht, über die Ausführung der göttlichen Gesetze auf Erden zu wachen. Gemäß schiitischer Tradition gelten die Rechtsgelehrten als Stellvertreter des Verborgenen Imam auf Erden, bis der Mahdi (Messias) bei seiner Rückkehr auf die Erde wieder selber die Herrschaft übernimmt. Nach Khomeini sind es folglich auch die Rechtsgelehrten, die nun stellvertretend für den verborgenen Imam, bis zu dessen Rückkehr als Inhaber der weltlichen Macht zu gelten hätten.“[26]

Somit ist das Grundprinzip des islamischen Systems die „Welayat-e Faqih“ (die „Herrschaft der Rechtsgelehrten“)[27]. Gottes Gesetz ist dabei Grundlage jedweden politischen Handelns, und jenes Gesetz übermittelt der Koran. Lewis führt dazu folgenden Gedanken an:

„Muslimisches Recht gesteht dem Souverän [besser: dem politischen Entscheidungsträger] keine absolute Macht zu, noch ist eine solche Macht über eine nennenswerte Zeitspanne aufrechtzuerhalten. […] Die Autorität des Herrschers, so überragend sie auch sein mag, ist einer sehr wichtigen Einschränkung unterworfen. Das Prinzip, das dieser Begrenzung zugrunde liegt, leitet sich aus dem muslimischen Rechtsverständnis ab. Nach traditionell muslimischer Vorstellung erzeugt nicht der Staat das Gesetz, vielmehr wird er selbst durch das Gesetz geschaffen und aufrechterhalten. Das Gesetz seinerseits geht auf Gott zurück und wird von denen kommentiert wie auch verwaltet, die für diese Aufgaben ausgebildet sind. Die Pflicht des Herrschers besteht darin, das Gesetz, an das er nicht weniger als der geringste seiner Untertanen gebunden ist, zu verteidigen und zu hüten, aufrechtzuerhalten und durchzusetzen. Um diesen Vorhaben zu entsprechen, darf er Regeln aufstellen und Verfügungen erlassen, damit das Gesetz überschaubar und anwendbar ist. Auf keinen Fall aber darf er das Gesetz aufheben, verändern oder ergänzen.“[28]

Reformuliert man Lewis’ Gedanken bezüglich des politischen Islam, so obliegt dem System eine determinierte Grundordnung, die eine weltliche Allmacht nicht zu lässt, da „Untertanen“, „Herrscher“ und „Ausgebildete“ vor dem Gesetz Gottes gleich sind. Auch dass der politische Islam sozusagen Legislative und Exekutive institutionell vereint[29], ändert nichts daran, dass eine willkürliche Gesetzesschöpfung schlicht nicht möglich ist. Ein Ansatz zur weltlichen Macht findet sich lediglich in der Tatsache der „Dokumentation und Verwaltung“ des göttlichen Gesetzes. Es wurde schon angemerkt, dass der Koran einer immerwährenden Interpretation bedarf, die nur von den Gelehrten geleistet werden kann. Weiterhin enthält er keine konkreten Richtlinien, die ein Staatswesen beschreiben sowie nur wenige Prinzipien für die Staatsführung.

„Unmittelbar aus dem Koran […] lassen sich für ein Staatswesen tatsächlich nur drei Elemente isolieren:

- Das Präsidialprinzip, wonach an der Spitze des Staates ein Staatschef zu stehen hat, der als Nachfolger des Propheten, nicht aber als ‚Stellvertreter Gottes’ im päpstlichen Sinne fungiert;
- das Konsultationsprinzip, wonach exekutive wie legislative Funktionen auf der Grundlage von Konsultationen (schura) auszuüben sind und
- das Prinzip des Islam als Staatsreligion. Dies erfordert, dass das Staatsoberhaupt Muslim ist und die gesamte Rechtsordnung am Koran als obersten ‚Grundgesetz’ ausgerichtet wird.“[30]

Im Schiismus fand das Präsidialprinzip im oben gemeinten Sinne nach dem Verschwinden des Zwölften Imam (siehe Fußnote 20, S. 7) bis 1979 keine Anwendung. An dessen Stelle trat die Maxime Entesar (Warten), die eine islamisch-politische Zukunft im Unbestimmten lässt und keine verbindliche Vorstellung hat. Lediglich die Rückkehr des Zwölften Imam steht als Prophezeiung. Diese würde der politische Islam mit seiner Anwendung prinzipiell erfüllen, da er weltliche und religiöse Herrschaft vereint. Wie in dem Zitat von Kauz (Seite 9, Fußnote 26) aber zum Ausdruck kommt, löst die Welayat-e Faqih den Glauben an das Imamat nicht auf, obwohl dieser Schluss, ob der eben getroffenen Aussage, nahe liegend ist, sondern beinhaltet eine Art „Sub-Präsidialprinzip“. Will heißen, das Warten auf den Zwölften Imam und im Zuge dessen der Glaube an die Prophezeiung, ist immer noch gegenwärtig, lediglich seine Aufgaben werden schon wahrgenommen. Das Entesar wird mit dem politischen Islam sozusagen zu einem „überbrückten Entesar“.

Dem dritten Prinzip, „Islam als Staatsreligion“, wird durch die Welayat-e Faqih natürlicher Weise nachgekommen. Das „Konsultationsprinzip“ hingegen bedarf einer näheren Konkretisierung. Hierfür ist es von Nöten, sich vorerst mit den strukturellen Gegebenheiten des islamischen Systems auseinanderzusetzen.

2.2.1 Der religiöse Aspekt – Das „Leistungsprinzip“

Grundsätzlich gibt es im Islam weder eine Bezeichnung für Kirche im Sinne geistlicher Ordnung[31] noch eine Institution, die einen kirchenähnlichen Charakter und eine personale Hierarchie aufweist. Die religiöse Vermittlung richtet sich hier nach folgenden strukturellen Prinzipien. Jeder Muslim kann die religiösen Quellen (in arabisch verfasst) auslegen, insofern er die dafür notwendigen theologischen und sprachlichen Fähigkeiten (arabisch) erworben hat. Jener Fakt unterteilt die umma in Modjtaheds (islamische Rechtsgelehrte) und Moqaleds (normale Gläubige, die Nachahmer). Jeder Nachahmer kann sich den Gelehrten wählen, dessen Interpretation der heiligen Quellen er für sich bevorzugt. Strukturiert durch dieses Anhängerverhalten gibt es verschiedene Stufen, die ein Geistlicher erreichen kann und welche folgend kurz benannt werden[32]:

- Wer sich dafür entscheidet, die heiligen Quellen interpretieren zu wollen, ist zunächst für ein bis zwei Jahrzehnte Student der Theologie.
- Wenn man sich das grundlegende Wissen angeeignet hat, wird man von seinen Lehrern zum Modschtahed („Interpreten“) erklärt. In diesem Stadium betreibt man vorrangig weitere Studien aber man beginnt auch schon zu lehren.
- Wenn sich genügend Gläubige (Nachahmer) um den „Junggeistlichen“ geschart haben, sehen diese ihn als ihren persönlichen Mardscha’ an.
- Im Laufe der Zeit und wachsender Kompetenz und Autorität redet man ihn dann als Hodschtoleslam (= „Beweis des Islam“) an.
- Wenn er eine theologische Schrift von Rang anfertigt und seine Gefolgschaft entscheidend erweitern kann, nennen ihn seine Anhänger und Kollegen im Laufe der Zeit Ayatollah („Zeichen Gottes“). Auf dieser Stufe ist neben der Anzahl seiner Anhänger vor allem die fachliche Reputation entscheidend, da diese Stufe erstens eine sehr exklusive ist und zweitens die religiösen Interpretationen jener Geistlichen richtungweisenden Charakter haben.
- Wenn der Geistliche über ganze Regionen von Gläubigen als theologische Autorität angesehen wird, erreicht er den Rang eines Ayatollâh al-ozma (Großayatollah).
- Hat er eine derartige Kompetenz und Autorität erlangt, dass er in der Geistlichkeit Vorbild- und religiöse Führungsfunktion einnimmt, so wird er Mardscha’-e taqlid („Quelle der Nachahmung“).

Dieses Anhängerprinzip hat zur Folge, dass die „Lehren der Geistlichen immer der öffentlichen Bewährung und Anerkennung ausgesetzt bleiben. Die absolute Verbindlichkeit der Scharia führt nicht auch zur Letztverbindlichkeit eines Lehramtes.“[33] Somit wohnt diesen Abhängigkeitsverhältnissen ein demokratisches, auf jeden Fall aber ein Leistungsprinzip inne, dass zum einen die Pluralität der Lehrmeinungen fordert und fördert und zum anderen im besonderen Maße auf die Bedürfnisse der Gläubigen (Nachahmer) zielt[34]. Gleichsam bedeutet das für die Geistlichen eine finanzielle Unabhängigkeit, da sie ihre Einnahmen aus den Spenden ihrer Anhänger beziehen.

Somit kann man hier nicht von einer personalen Hierarchie sprechen, keinesfalls gar von einer Institutionellen. Man kann das System als eine „molekulare Struktur“[35] bezeichnen, die sich durch mehrere Kompetenzzentren auszeichnet, welche sich auf verschiedenen Kompetenzstufen ansiedeln. Hier ein homogenes Bild der Geistlichen zeichnen zu wollen, ist daher nicht möglich obwohl sie die Exklusivität ihrer Schicht verbindet. Kermani schreibt in diesem Zusammenhang über die schiitische Geistlichkeit Irans:

„Dabei sind ihre Strukturen, ist vor allem die Art und Weise, wie sie sich untereinander trifft, verständigt oder streitet, noch heute von außen kaum zu durchschauen: Die Geschmeidigkeit der Argumentation, der Reichtum an Nuancen, Anspielungen sowie ritualisierten Gesten der Höflichkeit, die exakt dosiert, häufig auch ins Ironische gewendet eingesetzt werden, vor allem aber die schier unglaubliche Fähigkeit zum Konsens, wenn es das gemeinsame Interesse bedarf. Nicht anders lässt sich verstehen, warum etwa der Revolutionsführer [Khamenei] und der Präsident [Chatami] eine gemeinsame Ebene des Redens, des Sichverständigens, wahrscheinlich auch des Plauderns und des Scherzens haben, obwohl ihr Konflikt zweifellos echt und – denkt man die Gefährdung, die für Khameinis Position vom Reformprojekt ausgeht, und die Verhaftungen und Anschläge, denen Chatamis engste Mitstreiter ausgesetzt sind – sogar existentiell ist. Das ist fast ein eigener Code, der seine Subtilität nicht zuletzt dem Gewicht verdankt, das die theologische Ausbildung der Schiiten auf die Rhetorik, die Grammatik und die Logik legt, die drei ersten Unterrichtsfächer.“[36]

[...]


[1] Wahdat-Hagh, Iran, 2003, S. 484.

[2] Ein kleiner Einblick findet sich bei Wöhlert, Republik Gottes, 1993, S. 12-13. Weniger wissenschaftlich, dafür aber literarisch sehr gut verarbeitete, reichhaltige Informationen bietet Konzelmann in seinem Werk über Persiens Weg. Vgl.: Konzelmann, Pfauenthron, 2001, S. 14-216. Vgl. auch: Lewis, politische Sprache, 1991, S. 20-23; ebenso: Hottinger, Gottesstaaten, 2000, S. 35-46.

[3] Anm.: Hier wird im Besonderen an die Beben der Aufklärung gedacht und den damit stark verbundenen Veränderungen des politischen und gesellschaftlichen Verständnisses mit den Schlagworten Demokratisierung, Säkularisierung und Pluralisierung einerseits und Individualisierung, Emanzipierung und Institutionalisierung andererseits. Des Weiteren wird hier bewußt von einem europäischen, oder besser abendländischen Verständnis ausgegangen. Der Grund hierfür liegt in der Entwicklung des Verhältnisses von Religion und Politik, das in der europäischen, wie auch in der islamischen Geschichte eine weitaus nachhaltigere Rolle spielt als etwa in der Amerikanischen.

[4] Anm.: Diese Thematik hält naturgemäß eine Fülle von Ausführungen bereit, die in diesem Rahmen keine adäquate Auswertung erfahren können. Diesbezüglich begnügt sich diese Arbeit mit ein paar wenigen ausgewählten Darstellungen. Aus thematischen Gründen wird dies hier vor allem aus schiitischer Sicht versucht. Vgl. in diesem Zusammenhang: Zirker, Islam, 1993, S. 241-252; Schuon, Islam, 1991, S. 9-50; Mardjani, Islamisierung, 1996, S. 72-83; Lewis, politische Sprache, 1991, S.14-18, S. 56-59.

[5] Mardjani, Islamisierung, 1996, S. 72-73. Hier sind die fünf schiitischen Grundglaubensprinzipien benannt: 1. touhid; 2. nobavad = Glaube an das Prophetentum; 3. Ma’ad = Glaube an die Auferstehung und das jüngste Gericht; 4. Adl = Glaube an Gottes Gerechtigkeit; 5. Imamat = Glaube an die religiöse und politische Führerschaft durch die Imame als Statthalter Gottes auf Erden. Ebenda, Anm. 152. Vgl. auch: Schuon, Islam, 1991, S. 13. Zur Thematik des Imamats, das vor allem im Zusammenhang mit der Legitimation politischer Führerschaft steht, vgl.: Kauz, Islamisierung der Gesellschaft, 2000, S. 219-224.

[6] Zirker, Islam, 1993, S. 244. Schoun kommentiert jene „umfassende Ordnung“ mit folgenden Worten: „Der Islam ist die Wirklichkeit des Absoluten und die Abhängigkeit der Dinge vom Absoluten.“ Schoun, Islam, 1991, S. 14.

[7] Vgl.: Ebenda.

[8] Vgl. bezüglich der Wirkung des Koran: Abdullah, Koran, 2001, S.25-30. Hier findet sich ein kurzer, aber prägnanter Abriss über den Stellenwert des Koran im Leben eines Muslim. Vgl. weiterhin: Kermani, Iran, 2001, S. 206; Zirker, Islam, 1993, S. 250.

[9] Mardjani, Islamisierung, 1996, S. 73. Vgl. auch: Kermani, Iran, 2001, S. 206.

[10] Schuon, Islam, 1991, S. 10.

[11] Vgl. die Anmerkungen zur muslimischen Frömmigkeit bei: Hartmann, Islam, 1992, S. 139-142.

[12] Anm.: Schuon bemerkt in diesem Zusammenhang: „Vor sich – vor seiner Erkenntnis, welche das Einzige gewählt hat – hat er [der Muslim] keinen Willensraum, der ihm wie eine Versuchung zu ichhaften Abenteuern erschiene, sondern ein Netz von Kanälen, von Gott vorgesehen zum Ausgleich seiner lebendigen Willensregungen; dieses Gleichgewicht, das ganz und gar nicht um seiner selbst willen erstrebt wird, wie das die an einen willensbestimmten, mehr oder weniger ausschließlichen Idealismus gewöhnten Christen glauben, ist im Gegenteil letztlich nur eine Grundlage dazu, in der tröstenden und befreienden Betrachtung des Unwandelbaren den Ungewissheiten und widerstreitenden Strebungen des Ich zu entrinnen.“ Schuon, Islam, 1991, S. 17.

[13] Manousakis, Islam – totalitäre Gefahr, 1993, S. 225.

[14] Eine gelungene Zusammenfassung findet sich bei Jung: „Als Muhammed im Jahre 622 mit seiner Gefolgschaft Mekka verließ, befanden sich die Stämme in Medina in einem Zustand permanenter gewaltsamer Konflikte. Die Bevölkerung Medinas setzte sich aus heterogenen, inzwischen sesshaften tribalen Gruppierungen zusammen. Im Konflikt um knappe Ressourcen, v.a. fruchtbares Land, versagte das Ordnungsprinzip der Blutrache und führte zu einer Spirale der Gewalt unter einer sesshaften Bevölkerung, die dem Teufelskreis von Rache und erneuter Vergeltung nicht ausweichen konnte. In dieser Krisensituation erschien Muhammed, der sich in Mekka trotz aller Anfeindungen standhaft und unbeugsam gezeigt hatte, als eine geeignete Person, die Rolle eines Schiedsrichter zwischen den medinesischen Stämmen zu übernehmen.“ Jung, Religion und Politik, 2002, S. 32.

[15] Ebenda, S. 33.

[16] Im islamischen Sinne ist es eine Legitimitätsgrundlage, weil: „Der Prophet ist der Maßstab für den Menschen, sowohl in Hinsicht auf individuelle und kollektive als auch auf geistige und irdische Aufgaben.“ Schuon, Islam, 1991, S. 127.

[17] Vgl. bezüglich der verschiedenen Interpretationen: Jung, Religion und Politik, 2002, S. 33: „[…] aber das war nie eine staatliche Herrschaft, die sich auf ein legitimes Monopol physischer Gewalt stützte.“; Metzger, Gesichter des Islamismus, 2002, S. 7: „So gibt es keine eindeutige Bestimmung, Religion und Politik gehörten zwangsläufig zusammen. Vielmehr gibt es keine eindeutigen Aussagen darüber, wie ein islamischer Staat auszusehen habe.“; Lewis, politische Sprache, 1991, S. 15: „Im klassischen Islam gab es keine Trennung von Kirche [gemeint ist wohl hier Religion, da eine kirchenähnliche Institution im Islam nicht existiert] und Staat.“; Mardjani, Islamisierung, 1996, S. 72: „Dieser theokratische Musterstaat [Medina] unter der politischen und religiösen Führung des Propheten gilt auch heute noch als Idealstaat für über 900 Mio. Moslems.“; Zirker, Islam, 1993, S. 249-250: „So ist diese Religion insgesamt – im persönlich-privaten wie politisch-öffentlichen Bereich – ein theokratisches Handlungssystem ganz auf Gott hinbezogen und ganz auf die Gestaltung des irdischen Lebens. Wenn man in diesem Zusammenhang von „Theokratie“ spricht, muss man allerdings mitberücksichtigen, dass sich der Wille Gottes in der Institution eines Buchs und nicht in der irgendwelcher personaler Hierarchien vermittelt.“ Vgl. auch: Kallscheuer, Politik und Religion, 2002, S. 5 oder Stahr, Portrait des Islamismus, 2001, S. 73.

[18] Hofmann, Islam als Alternative, 1992, S. 114. Ähnlich beschreiben es auch: Zirker, Islam, 1993, S. 249; Antes, Islam als politischer Faktor, 2001, S. 36.

[19] Kermani, Iran, 2001, S. 49. Vgl. auch: Buchta, 25 Jahre Iran, 2004, S. 7.

[20] Anm.: „Die Schiiten gehen davon aus, dass die wahre Herrschaft in erster Linie den ‚Menschen, die im Hause des Propheten wohnen’ (Ahle Beyte Peyambar), gehöre [sprich Herrscher können nur Angehörige der Familie des Propheten sein].“ So heißt es, „dass eine islamische Herrschaft erst am Ende der Zeiten nach dem Erscheinen des Zwölften Imam errichtet werden könne. Das Verschwinden und der Glaube an die Rückkehr des Zwölften Imam stellt die messianische Dimension im schiitischen Islam dar. […] Daher weilen die Schiiten stets im Zustand des ‚Entesar“ (Wartens).“ Wahdat- Hagh, Iran, 2003, S. 2-3.

[21] Anm.: In der Forschung wird dieser Begriff allerdings nicht homogen genutzt. Synonyme wie „Islamismus“ (exemplarisch: Metzger, Gesichter des Islamismus, 2002, S. 7), „Gottesstaat" (eher im umgangssprachlichen Bereich), „Theokratie“ (z.B.: Mardjani, Islamisierung, 1996, S.72; Hottinger, Gottesstaaten, 2000, S. 402) oder gar „Hybridsystem“ (Buchta, 25 Jahre Iran, 2004, S. 6: „republikanisch-demokratische und theokratisch-autoritäre Elemente“) meinen prinzipiell das selbe. Die Verwendung des Begriffes der Theokratie als Beschreibung für den idealen „politischen Islam“ gebietet allerdings Vorsicht. Um mit Lewis zu sprechen: „Wenn wir unter Theokratie einen Staat verstehen, der von der Kirche, d.h. von Priestern, gelenkt wird, dann ist der Islam mit Sicherheit keine Theokratie […]. Der Islam hat keine Kirche oder Priesterschaft, und zwar weder im theologischen Sinn, da kein Priesteramt, keine Vermittlerrolle zwischen Gott und dem einzelnen Gläubigen existiert, noch als Institution, da es keine Würdenträgerschaft oder Hierarchie gibt.“ Lewis, politische Sprache, 1991, S. 57.

[22] Antes bemerkt bezüglich dieses Gedanken: So „darf davon ausgegangen werden, dass [im Koran] nicht alles gleichermaßen verbindlich ist. Gott, so wird gesagt, ist ein guter Pädagoge, der den Menschen auf dem Stand seiner Entwicklung und Vorstellungswelt seine ewige Botschaft offenbart, so dass Ewiges und Zeitliches im heutigen Text miteinander verwoben vorliegen. Die Aufgabe der Interpretation ist es demnach, dies mit Blick auf heute wieder zu trennen und allein am ewig Gültigen der Botschaft festzuhalten.“ Antes, Islam als politischer Faktor, 2001, S. 41.

[23] Anm.: Wie die Bezeichnung ‚politischer Islam’ schon suggeriert, handelt es sich dabei um die Vereinbarung von Politik und Religion, zwei Funktionssysteme also, die eigentlich grundsätzlich in Widerspruch stehen.

[24] Anm.: Diese Auflösung ist dabei nicht als dialektisches Prinzip zu verstehen, da zwischen den Bestandteilen, wie gezeigt, prinzipiell kein Konflikt besteht. Ein zweiter Grund ist, dass der politische Islam an sich prinzipiell keine Entwicklungsstufen höherer Art erklimmen kann (nach dem Prinzip der „Identität von Identität und Nichtidentität“ in: Hegel, Philosophie des Rechts, 2000, § 341-360), da er das Absolute (die absolute Wahrheit, nämlich Gott) inkludiert, wobei das Absolute aber gleichzeitig Wandelbarkeit der Bestandteile zulässt. Man kann somit in diesem Sinne von einem dynamisch-deduktiven Prozess sprechen, der permanent auf eine immer wieder neu bedingte Umwelt hin aktualisiert wird.

[25] Anm.: Ruhollah al-Musavi al-Khomeini gilt als Vater der islamischen Revolution, führte diese an und hatte von 1979-1989 das Amt des „Revolutionsführer“ inne.

[26] Kauz, Islamisierung der Gesellschaft, 2000, S. 312.

[27] Anm.: Die Welayat-e Faqih ist das Herzstück der von Khomeini ausgearbeiteten Verfassung für die Islamische Republik Iran von 1979 und wird darin erstmalig als politisches Prinzip angewendet. Vgl. dazu: Rose, Walayat-e Faqih, 1983, S. 176-188.

[28] Lewis, politische Sprache, 1991, S. 59-60.

[29] Anm.: Gemeint ist hier das Prinzip der Welayat-e Faqih, in der die „Verwaltung“ und die „Ausführung“ des göttlichen Gesetzes auf ein und dieselbe politische Gruppe fällt. Der Begriff der Legislative erfährt in diesem Zusammenhang aber eine entscheidende Einschränkung, da das Gesetz schon vorhanden ist und lediglich verwaltet wird.

[30] Hofmann, Islam als Alternative, 1992, S. 115.

[31] Lewis, politische Sprache, 1991, S. 15.

[32] Vgl.: Kermani, Iran, 2001, S. 208; sowie: Mardjani, Islamisierung, 1996, S. 73.

[33] Zirker, Islam, 1993, S. 250.

[34] Anm.: So entstammen die meisten Geistlichen des Irans der mittleren und unteren Schichten, fühlen sich im Volk zutiefst verwurzelt und haben daher auch enorme Mobilisierungsmöglichkeiten in jenen so bevölkerungsreichen Schichten.

[35] Anm.: Kermani bezeichnet diese Struktur als ein organisches System, da die Form der „Beförderungen nirgends geschrieben steht und niemand festlegt: Es ergibt sich einfach.“ Kermani, Iran, 2001, S. 208.

[36] Ebenda.

Ende der Leseprobe aus 59 Seiten

Details

Titel
Der politische Islam
Untertitel
'Das politische System der Islamischen Republik Iran als Anwendungsbeispiel' und 'Totalitarismus – der Zwiespalt zwischen Religion und Ideologie'
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Politikwissenschaft / Hannah-Arendt-Institut)
Veranstaltung
„Nicht-demokratische politische Systeme“
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
59
Katalognummer
V34681
ISBN (eBook)
9783638348348
ISBN (Buch)
9783638809931
Dateigröße
797 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das vorrangige Anliegen dieser Arbeit ist die Verortung des pol. System Irans in der politikwissenschaftlichen Systemanalyse. Hierfür wird der 'politische Islam' als ideales pol. System skizziert und mit dem pol. System Irans abgeglichen. Nach einer Analyse der bekanntesten Typologien pol. Systeme stellt diese Arbeit folgende These auf: Der Totalitarismus-Begriff dieser Typologien ist ungeeignet für die Beschreibung des pol. System Irans und bedarf einer adäquaten Reformulierung.
Schlagworte
Islam, Systeme“, Thema Islam
Arbeit zitieren
Bastian Wienrich (Autor:in), 2004, Der politische Islam, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34681

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