Die Querbebauung der Elbe am Beispiel der Stadt Dresden

Inwieweit wirkte der ästhetische Aspekt bei der Bebauung bzw. „Nichtbebauung“ des Dresdner Elbabschnittes


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

40 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 abstract – von der Residenzstadt zur bürgerlichen Metropole
1.2 abstract – die Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Dresden
1.3 abstract – Industrialisierung in Dresden
1.4 Der Ausbau der Elbe zur Wasserstraße – eine Übersicht der Rahmendaten

2. Hauptteil
2.1 Die Wahrnehmung der Elbe – der Fluß als integraler Bestandteil der Stadt
2.2 Der ästhetische Aspekt – Dresden, die bewahrte Stadt
2.2.1 Der Generalbauplan 1859-62 und die „Normierung der Elbe“
2.2.2 Das „Ortsstatut betreff der Industrieflächen“ von 1878
2.2.3 Die Bauordnung von 1905

3. Zusammenfassung

4. Anhang
4.1 Genealogie der Elbebaumaßnahmen
4.2 Abbildungsverzeichnis
4.3 Bibliographie

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: Die Eingemeindungen von Dresden

Abbildung 2: Das Ortsstatut von 1878

Abbildung 3: Der Generalbauplan von 1862

Abbildung 4: Die Bauordnung 1905 - Industrieflächen

Abbildung 5: Die Bauordnung 1905 - Bauweise

Abbildung 6: Vergleichende schematische Darstellung

1. Einleitung

Ein gemeinsames Merkmal großer Städte ist ihre Lage an einem größeren Fluß, sei es Wien an der Donau, Prag an der Moldau, Köln am Rhein oder Berlin an der Spree. Die Besiedlung einer günstigen Stelle an einem Wasserlauf bedeutete einige strategische Vorteile. Vor allem entwickelten sich diese Städte zu wichtigen Handelsknotenpunkten, da hier zumeist eine Brücke die ‚Verkehrswege’ beider Ufer verband. Gleichfalls dienten die Städte als Halte- und Umschlagspunkt für den Wasserverkehr. Das 19. Jahrhundert bedeutet in der Fluß- und Stadtentwicklung eine Zeit massivster Veränderungen. Der Beginn der Moderne, getragen durch neue soziale und politische Strukturen und durch revolutionäre technische Entwicklungen, die das wirtschaftliche und gleichzeitig das vorherrschende Wertegefüge nachhaltig veränderten, löste einen ungeahnten Wachstumsboom der Städte aus.

In der Beschreibung dieses Prozesses wird der Einfluß der Ströme aber auch der Einfluß der Städte auf die Flüsse oftmals marginalisiert oder ganz und gar vergessen. Dabei ist der oben genannte Siedlungsvorteil auch in dieser Epoche eine die Entwicklung beeinflußende Größe. Diese kann in zwei verschiedenen Dimensionen untersucht werden: einmal aus der Sicht des Flusses (Längsbebauung) und einmal aus der Sicht einer Stadt (Querbebauung). Diese Arbeit konzentriert sich auf die Querbebauung der Elbe aus der Sicht der Stadt Dresden in der zweiten Hälfte des 19. Jhd.. Dabei ist die Elbe aus städtebaulicher Sicht zu betrachten, sozusagen als Abschnitt der Stadt mit den typischen Eigenschaften und Wirkungen einer Wasserstraße. Der Fluß wird in diesem Kontext verschiedenartig wahrgenommen. Der Fokus dieser Ausführungen liegt dabei in der Beantwortung der Frage, inwieweit die (relativ) naturnahe Flußlandschaft als ästhetischer Aspekt die Querbebauung beeinflußte.

Die behandelte Literatur ist sehr vielschichtig, da die aufgeworfene Frage nur im Kontext der Zeit und der Stadtentwicklung Dresdens beantwortet werden kann. Dabei wurde auf einige Standardwerke für Dresden zurückgegriffen, wie etwa die von Werner Pampel, Bernhard Geyer und Fritz Löffler bzw. Michael Schmidt und Volker Helas die jüngeren Datums publizierten. Rudolf Forberger und Hubert Kiesewetter geben einen weitreichenden Überblick die Auswirkungen der Industrialisierung. Darüber hinaus finden sich gute Beiträge im, vom Stadtmuseum Dresden publizierten, Dresdner Geschichtsbuch sowie in den vom Dresdner Geschichtsverein herausgegebenen Dresdner Heften. Hier ist vor allem der Beitrag von Christian Korndörfer zu erwähnen, der sich eingehend mit der Geschichte der Elbauen beschäftigt. Das Standardwerk zur Elbe von Karl Jüngel konnte hier nur peripher verwendet werden, da hier die Betrachtung des Flusses aus einer anderen Perspektive erfolgt.

Die Quellenlage für die Stadtentwicklung Dresdens ist gut, da im Sächsischen Hauptstaatsarchiv und im Dresdner Stadtarchiv eine Vielzahl an Akten zu diesem Thema vorliegen. Darüber hinaus erweisen sich die Darstellungen von Zeitzeugen als fruchtbar, wie etwa von Moritz Wilhelm Schmidt, Camillo Sitte oder Hermann Kretschmar.

Für die Beantwortung der oben gestellten Frage sind einige Fakten von Nöten, deren Beschreibung im Hauptteil eher hinderlich sind. Daher werden diese in Form von ‚abstracts’ der eigentlichen Arbeit voran gestellt.

1.1 abstract – von der Residenzstadt zur bürgerlichen Metropole

Die städtebauliche Entwicklung Dresdens in der ersten Hälfte des 19. Jhd.

Um die Stadtentwicklung Dresdens in der zweiten Hälfte des 19. Jhd. zu vergegenwärtigen, ist es von Nutzen, sich einen kleinen Überblick über deren Wurzeln zu verschaffen. Wegweisende Zäsuren bzw. Phasen stellen dabei die Entfestigung der Stadt, die Bauverordnung von 1827 und die Verdichtung der Vorstädte dar, welche folgend kurz skizziert werden sollen.

Dresden war seit 1547 die Hauptstadt des Kurfürstentums Sachsen. Dieser Funktion als Residenzstadt ist es in erster Linie zuzuschreiben, daß Dresden zu jener Bedeutung gelangen konnte, die sie im 18. und 19. Jahrhundert innehatte. Als Residenzstadt den Gefahren ständiger Eroberungsfeldzüge besonders ausgesetzt, ließ Kurfürst August von Sachsen 1546-91 die Stadt Dresden als Hauptfestung des Kurfürstentums ausbauen, bestehend aus einer doppelten 5 m hohen Mauer, 7 Bastionen, einem Wassergraben, Wällen und diversen vorgelagerten Schanzen. Um den Charakter der Residenz zu betonen, erfolgte in dieser Zeit auch ein Umbau der alten Burg auf linkselbischer Seite direkt am Brückenkopf zu einem repräsentativen Renaissance-Schloß.

Mit Friedrich August I., August dem Starken, trat die Stadt in ihr Goldenes Zeitalter und verwandelte sich innerhalb weniger Jahrzehnte in eine europäische Metropole in barockem Glanz. Außerhalb der Stadtmauer lagen auf Altstädter Seite zehn selbständige Gemeinden, die in drei Vorstädten zusammengefaßt wurden: Wilsdruffer-, Pirnaische- und Seevorstadt. Jenseits des Weißeritzflusses erstreckte sich die Friedrichstadt.

In der zweiten Hälfte des 18. Jhd. wurde der Festungscharakter der Stadt zunehmend als hinderlich empfunden. Die Verteidigungsanlage war der sich rasch entwickelnden Militärtechnik nicht mehr gewachsen und stand zudem einer Stadtausdehnung im Weg. Aus diesem Grund gab es bereits ein halbes Jahrhundert vor Beginn des Festungsabrisses 1809 verschiedene Pläne zur Schleifung der Stadtbefestigung, die aber allesamt aufgrund finanzieller Engpässe nicht umgesetzt werden konnten.

1809 nahm man das Projekt des Festungsabrisses wieder auf[1]. Die Behinderungen des Verkehrs durch die geringe Zahl der Stadttore, die fehlende Anbindung der Vorstädte an die Altstadt und das stehende und faulige Wasser des Festungsgrabens waren Gründe genug, die nutzlos erscheinende Festung niederzulegen. Die städtebauliche Planung übernahm Johann Gottlob Hauptmann. Sein Plan beinhaltete bereits die Anlage von Plätzen an den drei Toren, den Bau des heutigen Albertplatzes sowie einer Freitreppe vom Schloßplatz zur Brühlschen Terrasse. Während des Rückzuges der napoleonischen Truppen 1812 wurden die Abrißarbeiten wieder eingestellt und ruhten bis 1817.

In diesem Jahr wurde der klassizistische Architekt und Städtebauer Gottlob Friedrich Thormeyer Leiter der neu gebildeten Demolierungs-Kommission. Seine Pläne knüpften in vielen Punkten an die Entwürfe Hauptmanns und den Arbeiten des 18. Jahrhundert an. Das Neue, den veränderten Bedingungen weitaus besser Angepaßte an Thormeyers Plan war, daß er sich nicht nur auf die Gestaltung der niedergerissenen Festungswerke beschränkte, sondern seinen Entwurf als Projekt für den gesamten Stadtraum betrachtete. Gemäß Thormeyers Plan entstand die Ringstraße, der Pirnaische Platz im Osten der Stadt und der Antonplatz im Westen. Des Weiteren wurde unter seiner Leitung die Neustadt, die sich Anfang des 19. Jhd. zu einer regen Garten- und Gewerbevorstadt entwickelt hatte, in eine feste städtische Form gebracht.

Der Abbruch der Dresdner Festungsanlagen kennzeichnet die Abgrenzung mittelalterlicher bzw. frühneuzeitlicher Stadtstruktur zur neuzeitlich-modernen Stadt. Diese tiefe Zäsur am Beginn des 19. Jahrhunderts stellt für die Entwicklung der barocken Residenz zur offenen Bürger- und Verwaltungsstadt einen markanten Ausgangspunkt dar.

Eine weitere wegweisende Zäsur beschreibt die 1827 erlassene „Allgemeine Bauverordnung“. Nachdem sich die Stadt geöffnet hat, begannen private Bauherren vor den ehemaligen Toren der Stadt nach eigenem Gutdünken Häuser zu errichten. Um solchen Gefahren planloser Stadterweiterung und unregelmäßiger Bauweise zu begegnen, entschloß sich die Baupolizei zum Aufstellen dieser neuen Bauordnung und somit zur zentralen Kontrolle aller Stadtbauaktivitäten. Aufschlußreich sind die Argumente, mit welchen die Baubehörde gegen den Bauunternehmer vorging. In dem Gutachten einer Expertenkommission heißt es:

Ein Bau, der "nur dazu beitragen muß, den schönen Eindruck zu vermindern, den die freundliche Landschaft bey dem Ausgang der Pirnaischen Vorstadt von allen Seiten dem Auge gewährt, […] dürfe unter keinen Umständen zugelassen werden“. Anderenfalls „würde bey der vorhandenen Baulust die Möglichkeit eintreten können, daß jeder Besitzer eines der Stadt angrenzenden Felder nach eigener Willkür Gärten mit Mauern einfriedigen und Häuser erbauen, und hierdurch in kurzer Zeit die schöne Residenz durch ein ungeregeltes Chaos von Häusern und Vermachungen umgeben und verunstaltet werde. Die freundliche Seite sollte erhalten und die unfreundliche (...) verziert und verdeckt werden.“[2]

So wird als Hauptgrundsatz der Bauordnung in § 7 festgehalten: "Niemand darf der öffentlichen Sicherheit, Wohlfahrt und Zierde hiesiger Stadt zum Nachteil bauen".[3] Folglich findet man in dem Gesetzeswerk eine ganze Reihe von Anordnungen zur Gewährleistung des Feuerschutzes als oberstes Gebot sowie Bestimmungen zur Einhaltung hygienischer Grundforderungen.

Kapitel 8 („Von der Regelmäßigkeit und Schönheit bei Bauen“) bringt unter § 95 eine für die Erweiterung der Stadt bedeutungsvolle Anordnung, nach der die Bebauung neuer Plätze stets nach einem von der Baubehörde vorher ausgearbeiteten Plan zu erfolgen hatte[4]. Bedeutungsvoll dahingehend, daß somit eine gesetzliche Grundlage zu einem geordneten Stadtplanungswesen geschaffen wurde. Für die Umsetzung der stark reglementierenden Bauordnung war die Baupolizei verantwortlich, deren konsequentes Wirken das „willkürliche Bauen“ stark einschränken konnte. In vielen Fällen entschied sich die Baupolizei gegen private Sonderwünsche und leistete starken Widerstand gegen den Druck der Grundstückseigentümer nach individuellen Bauwünschen, so daß es zu einer größeren Baufreiheit in der sächsischen Residenz nie gekommen ist.

Mit der Bauordnung von 1827 und der Übergabe der Baupolizei in die Zuständigkeit des Rats waren entscheidende Weichen für eine geordnete, bürgerlich-liberal orientierte Stadtentwicklung gestellt. Nach anfänglicher architektonisch und städtebaulicher Stagnation im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts folgte eine allmähliche Belebung der wirtschaftlichen Konjunktur, die einen raschen Bevölkerungsanstieg nach sich zog. In den späten 40er und 50er Jahren setzte ein starker Wachstumsschub in den älteren Vorstädten und an dessen Rändern ein. Die Vorstädte, ihrer untergeordneten Rolle als zweitrangige, vor der eigentlichen Stadt liegenden Gemeinden enthoben, wurden aufgewertet. An einigen Punkten entwickelten sie sich zu attraktiven Baustandorten, insbesondere an den Verkehrsknotenpunkten der ehemaligen Stadttore.

Die selbständige Amtsgemeinde „Neuer Anbau“ (Neustadt) nebst den so genannten Scheunenhöfen und der neue Stadtteil um den Bautzener Platz (später Albertplatz) wurden auf Ersuchen der Einwohner des Neuen Anbaus 1835 zur Stadt Dresden eingemeindet und verwaltungstechnisch vereint. Im gleichen Jahr erfolgte die Einverleibung der bis dahin ebenfalls selbständigen Gemeinde Friedrichstadt (siehe Abbildung 1: Die Eingemeindungen von Dresden, S. 26).

Der räumlichen Ausdehnung folgte bald eine beschleunigte Umstrukturierung im vorstädtischen Produktionsprofil. Die noch im 18. Jahrhundert vornehmlich dörflich-agrarisch orientierten Vorstadtgemeinden wandten sich handwerklich-gewerblicher und industrieller Produktion zu. In diesem Prozeß wandelten sich die Vorstädte mehr und mehr zu dichten, urbanen Zentren. Außer dem Grundgerüst der Bauordnung von 1827 gab es dabei keine umfassende Stadtplanung, die einen größeren städtischen Zusammenhang berücksichtigte.

In diesem halben Jahrhundert vollzog sich der Wandel von der Residenzstadt mit Festungscharakter hin zu einer bürgerlichen Metropole. Dabei waren Fragen der Ästhetik und des Stiles ausschlaggebende Faktoren für die Entwicklung der Stadt Dresden. Dieses Bewußtsein für die Stadt und die damit verbundene Sehnsucht nach Schönheit und Eleganz finden in dieser Zeit ihre Rolle als ein Leitmotiv für die weitere Entwicklung Dresdens.

1.2 abstract – die Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Dresden

Neben der Dampfmaschine, die ab 1830 das Wesen der Arbeit völlig neu strukturierte, ist die Eisenbahn ein gewichtiger Motor für die gesellschaftliche, industrielle und somit auch für die städtebauliche Entwicklung. Dresden besaß schon seit dem Mittelalter eine große Bedeutung als Brückenort und Kreuzungspunkt wichtiger Handelsstraßen in Nord-Süd und Ost-West- Verbindungen. Die Lage an der Elbe bildete dabei eine günstige Voraussetzung für den Güterumschlag zwischen Schiff und Pferdefuhrwerk. Doch die traditionellen Verkehrsmittel genügten den Anforderungen des 19. Jahrhunderts nicht mehr. Billigere Transportkosten und eine Verbesserung des gesamten Verkehrsnetzes wurden erforderlich.

1836 gelang die Fertigstellung der ersten in Deutschland gebauten Lokomotive. Bald darauf konnte am 7. April 1839 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die erste deutsche Fernbahnstrecke Leipzig - Dresden (115,4 km) eröffnet werden. Der Bau der Eisenbahn leitete eine Revolution des gesamten Verkehrswesens ein und beeinflußte die städtebauliche Entwicklung Dresdens ganz entscheidend. Es mußten Entscheidungen getroffen werden über die Führung der Bahnstrecken an das Stadtgefüge, die Lage der Bahnhöfe und über verschiedene Standorte von Bahnübergängen bzw. Elbbrücken. Bei diesem Prozeß kam es zu Beeinträchtigungen städtischer Interessen, da z.B. die Eisenbahnlinie einzelne Stadtgebiete voneinander trennte oder städtisches Territorium für Eisenbahnanlagen blockiert wurde. Eine der wichtigsten städtischen Forderungen konzentrierte sich auf die Bewahrung der reizvollen landschaftlichen Situation der Stadt.

Die Herausbildung des Dresdner Eisenbahnnetzes vollzog sich im wesentlichen in den Jahren 1834-1859. In dieser Zeit wurde auch die Lage der einzelnen Bahnhöfe festgelegt. In Dresden mündeten drei Eisenbahnlinien:

- die erste Ferneisenbahnlinie zwischen Leipzig und Dresden (1839), die am Leipziger Bahnhof (Neustädter Bahnhof) endete,
- die Sächsisch-Schlesische Bahnlinie (1847), die am Schlesischen Bahnhof (nahe des Leipziger Bahnhofs) endete,
- die Sächsisch-Böhmische Bahnlinie (1851), die am Böhmischen Bahnhof (Hauptbahnhof) endete.

Durch den Bau der Marienbrücke (1852) und der damit erlangten Verbindung der Strecken sowie der später folgenden Linien nach Chemnitz/Hof und Berlin konnte sich die sächsische Hauptstadt bis zum Ende des Jahrhunderts zu einem bedeutenden Eisenbahn- bzw. Verkehrsknotenpunkt entwickeln. Des weiteren hatte der Ausbau des Gleissystems katalysierende Wirkung auf die Stadtentwicklung. Vermögende Bürger erkannten schnell, welche Wertsteigerung für eine Immobilie möglich ist, wenn sie sich in der Nähe eines Bahnhofs befand. Ein weiteres Beispiel ist die Anlage des Schweizer Viertels südlich vom Böhmischen Bahnhof am Ende der 1850er Jahre. Mit der Erschließung der Seevorstadt rückten die Gemeinden Löbtau und Plauen immer näher an Dresden heran. Und schließlich wird die Nähe zum Schienensystem ein ausschlaggebender Aspekt für die industrielle Besiedlung. Festzuhalten bleibt, daß es trotz der rasanten Entwicklung des Eisenbahnnetzes und des ihr zu Grunde liegenden hektischen Engagements der Eisenbahngesellschaften und Großindustriellen gelungen ist, ein eher „unscheinbares“ Schienensystem in Dresden zu errichten, daß die Elbe zudem lediglich ein einziges Mal kreuzt.

1.3 abstract – Industrialisierung in Dresden

In der Residenzstadt war Anfang des 19. Jahrhunderts Gewerbe und Handwerk noch in hohem Maße auf die Funktionen und Bedürfnisse der Landeshauptstadt und des höfischen Lebens zugeschnitten. Die Stadt charakterisierte sich vor allem als Beamtenstadt, zentraler Ort für die Armee und als Dienstleistungszentrum. Hier konzentrierte sich ein spezialisiertes und vielfältiges Handwerk. Mit zunehmender Liberalisierung des Landes und dem damit einhergehenden schwindenden Einfluß der sächsischen Monarchen änderte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich das Produktionsprofil, so daß nun immer weniger Luxusartikel für den Hof hergestellt wurden. Stattdessen spielte der stetig ansteigende Fremdenverkehr eine größere Rolle als zahlungskräftige Käuferschicht. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte es in Dresden eine Reihe Ansiedlungen kleinerer Industrieunternehmen gegeben, so z.B. eine Zuckersiederei (1820), das erste Gaswerk (1828) und die Waldschlösschenbrauerei (1836).

In dieser Frühphase der Industrialisierung ließen sich die Unternehmen auf das ganze Stadtgebiet verstreut nieder, nachdem mittels der Dampfmaschine die zwangsläufige Bindung an den Energiespender Wasserlauf fortgefallen war. Schon in den Regulativen der Demolations-Kommission für das freigewordene Festungsgelände wurde ein striktes Verbot der Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen in den neuen Wohngebieten ausgesprochen und so eine erste Lenkung der Gewerbestandorte angestrebt. Infolge der Lasten des verlorenen Krieges, den Sachsen bis 1815 als Rheinbundstaat neben Napoleon geführt hatte, kam die industrielle Entwicklung des Landes in den ersten Jahrzehnten nur langsam voran. Der Eintritt des Landes in den Norddeutschen Zollverein 1834 konnte den Prozeß des wirtschaftlichen Aufschwungs zunächst nur wenig beschleunigen, da sich die politische Zersplitterung Deutschlands weiterhin negativ auf die ökonomische Situation auswirkte. Der wirtschaftlichen Belebung in den sächsischen Städten stand noch der Zunftzwang und das Bannmeilenrecht für das Umland entgegen. Das Bannmeilenrecht ließ z.B. eine Betätigung der Gewerbe, für die eine Zunft bestand, nur innerhalb der Stadtgrenze zu. Allerdings entstand in Dresden ein wissenschaftlich-technisches Zentrum.

Neben den für die Wirtschaft günstigen politischen Entwicklungen (1830 und 1848/49) war der Ferneisenbahnbau eine entscheidende Größe für die weitere Entwicklung. Er löste einen enormen Nachfrageschub im Ausrüstungssektor aus, ermöglichte arbeitsteilige Produktion über große Entfernungen und überregionalen Absatz in erheblichen Umfang. Der Durchbruch der Industrialisierung im Dresdner Raum wird an einer Gründungswelle von Firmen sichtbar, die relativ rasch zu arbeitsteiliger Produktion mit Maschineneinsatz übergingen und ihr Geschäftsfeld über den regionalen Markt ausweiteten. Seit der Jahrhundertmitte entwickelte sich Dresden somit zur Industriestadt. Die Elbe blieb weiterhin, trotz ihres schlechten Ausbaus, ein entscheidender Transportfaktor. Ein weiterer wichtiger Grund für die Herausbildung der Stadt als Industriezentrum war die hohe Qualifikation und der Gewerbefleiß der Dresdner Arbeitskräfte. Dies führte zur Entstehung einer Fein- und Qualitätsindustrie, wie z.B. der Präzisionsmechanik. Der Mangel an Rohstoffen im Dresdner Raum ließ das Entstehen von Schwerindustrie nicht zu. Diese konzentrierte sich wegen der großen Kohlenlager im Vogtland, im Chemnitzer Raum und in der Oberlausitz.

[...]


[1] Am 13.11.1809 erging vom König ein Beschluß an das Militärdepartement des Geheimen Kabinetts, alle Schanzen und Festungswerke abtragen zu lassen. HSTA, Loc. 2505, Vol. I., Bl.39, 13.11.1809.

[2] HSTA, Loc. 35 851 Dresden, Nr. 305, 1831.

[3] Die Allgemeine Bauordnung von 1827 ist abgedruckt in: Sammlung, 1894, S. 112-137; sowie in: Geyer, Alt-Dresden, 1964, S. 93-107. Zit. in: Sammlung, 1894, S.113.

[4] Ebenda, S. 127.

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Die Querbebauung der Elbe am Beispiel der Stadt Dresden
Untertitel
Inwieweit wirkte der ästhetische Aspekt bei der Bebauung bzw. „Nichtbebauung“ des Dresdner Elbabschnittes
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Geschichte/ Lehrstuhl für Sächsische Landesgeschichte)
Veranstaltung
Geschichte der Elbe. Leben am Fluß
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
40
Katalognummer
V34682
ISBN (eBook)
9783638348355
ISBN (Buch)
9783638809986
Dateigröße
1544 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit setzt sich mit der Querbebauung der Elbe am Beispiel Dresden auseinander, d.h. sie untersucht die Wechselwirkung von Fluß und Stadt anhand der Baumaßnahmen den Fluß betreffend. Dabei wird hier speziell die ästhetische Komponente untersucht, sprich welche Wirkung hatten gestalterische Gesichtspunkte auf die Elbbaumaßnahmen.
Schlagworte
Querbebauung, Elbe, Beispiel, Stadt, Dresden, Geschichte, Elbe, Leben, Fluß
Arbeit zitieren
Bastian Wienrich (Autor:in), 2004, Die Querbebauung der Elbe am Beispiel der Stadt Dresden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34682

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