Ist die Deutsche Frage endgültig beantwortet? Deutschlands Situation und Ost-Grenzen aus unterschiedlichen Blickwinkeln


Seminararbeit, 2000

23 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhalt

1. Einführung

2. Die Deutsche Frage im Lauf der Geschichte
2.1 Der Wandel der deutschen Außengrenzen
2.2 1918: Gebietsverluste mit Folgen
2.3 Erste Pläne für ein Nachkriegsdeutschland und Besatzung
2.4 Der administrative Neubeginn
2.5 Zwei deutsche Staaten aber nicht das gesamte Territorium

3. Die Deutsche Frage im Nachkriegsdeutschland
3.1 Staatsziel Nummer eins: die staatliche Einheit
3.2 Das Scheitern verschiedener Vorschläge
3.3 Normalisierung und Anerkennung des status quo
3.4 Die friedliche Revolution wird zur Wiedervereinigung

4. Die Wiedervereinigung - eine Teilvereinigung?
4.1 Das Bewusstsein für ,,Deutschland als Ganzes"
4.2 Bedenken und Vorbehalte im Ausland
4.3 Der Verzicht auf Gebiets- und Besitzansprüche

5. Was ist Deutschland heute?
5.1 ,,...in den Grenzen von 1937"
5.2 Von der Flexibilität eines Staates
5.3 Generationenkonflikt

6. Ausblick

Abkürzungsverzeichnis

Anhang

Literaturverzeichnis

1. Einführung

,,Die Deutsche Frage bleibt bestehen!" war oftmals die Schlagzeile nach Kongressen der Vertriebenenverbände. Seit der Deutschen Einheit 1990 klingen die Forderungen und Slogans zwar etwas milder, der Grundtenor aber bleibt.

,,Die Deutsche Frage ist beantwortet!" war am 3. Oktober 1990 der Ausruf derer, die im Nachkriegsdeutschland geboren sind, keinen Bezug zu Schlesien oder Ostpreußen haben und somit die Deutsche Frage immer nur auf die Einheit von Bundesrepublik und DDR bezogen hatten.

Im Zuge der Wiedervereinigung kamen Tausende ehemaliger Westbürger nach Brandenburg und Sachsen, nach Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, nach Sachsen-Anhalt und in den ehemaligen Ostteil Berlins und forderten Grundbesitz und Immobilien zurück, die ihnen oder ihren Vorfahren im Zuge der Verstaatlichung allen Besitzes in der DDR enteignet worden waren - der Einigungsvertrag sah es so vor. Dass viele von ihnen die SBZ bzw. die DDR aus mehr oder weniger freien Stücken verlassen hatten und jetzt trotzdem Rückforderungen stellten, säte mancherorts böses Blut.

Deutsche, die 1945 vor der Roten Armee flüchteten, oder während der Umsiedelung vertrieben wurden, können auch heute noch nicht ihre gezwungenermaßen aufgegebenen Häuser und Höfe, die jetzt in Polen oder Russland liegen, zurück fordern oder dafür Entschädigung verlangen. Auch das sieht der dem Einigungsvertrag zu Grunde liegende 2+4-Vertrag so vor. Und auch das sät bei vielen Vertriebenen natürlich böses Blut.

Wie kam es überhaupt dazu, unter Wiedervereinigung lediglich die Einigung von Bundesrepublik (alt) und DDR ohne ehemalige Ostgebiete zu verstehen? War dies nicht doch nur eine Teileinigung - vom Staat durch Verzichtserklärungen erkauft? Oder sollte jeder einzelne heute im Zeitalter von EU- und NATO-Öffnung nach Osten und im Bewusstsein, dass unter deutscher Herrschaft gerade Osteuropa brutal gelitten hat, für sich den status quo im Interesse des Friedens endlich anerkennen - auch wenn die Eltern aus Königsberg stammen?

Im Folgenden wird dies primär im Hinblick auf die an Polen und die UdSSR abgetretenen Gebiete beleuchtet, da das an die nach dem 2. Weltkrieg wieder errichtete Tschechoslowakei zurück gefallene Gebiet bereits nach dem 1. Weltkrieg an diese abgetreten worden war und somit dem Deutschen Reich am 31. Dezember 1937 nicht mehr angehörte.

2. Die Deutsche Frage im Lauf der Geschichte

2.1 Der Wandel der deutschen Außengrenzen

Es gibt wenige Länder, deren Grenzen annähernd so oft verschoben, korrigiert, aufgehoben und wieder neu gesetzt wurden wie die Grenzen dessen, aus dem die heutige Bundesrepublik Deutschland hervorgegangen ist. Die Ursachen sind zu finden in der Kleinstaaterei, die erst vor knapp 130 Jahren endete; denn Deutschland ist - einzig in Europa - nicht die Bezeichnung für das Gebiet eines Volksstammes, sondern für das Gebiet der ,,theudisc" (ahd. = dem eigenen Stamme zugehörig) Sprechenden1. Schon damals also war das ostfränkische Reich ein Sammelbecken vieler verschiedener Stämme. Die kurzzeitig von Erfolg gekrönten Versuche, dieses Gebiet zu einen und als Heiliges Römisches Reich deutscher Nation zu führen, fanden ab dem Spätmittelalter keine Nachahmer mehr; die deutsche Viel- und Kleinstaaterei war besiegelt. Somit ist es schwierig, von überlieferten, gemeinsamen deutschen Außengrenzen zu sprechen (Mat. 1).

Hinzu kommt, dass gerade viele Landstriche, die heute gängigerweise mit ,,Ostgebiete" bezeichnet werden, erst nach und nach durch Kolonialisierung zu den deutschen Landen hinzu kamen2, während Polen früher sehr viel weiter westlich gelegen war (Mat. 2). Das ist der große Streitpunkt: Sind diese Gebiete, die von den bestehenden deutschen Landen ab dem 12. Jahrhundert besiedelt wurden, jetzt als ,,urdeutsche Ostgebiete" zu betrachten, oder sind wir nun endlich an dem Punkt angelangt, an dem die ehemaligen ,,Besatzer" in ihre eigenen Grenzen zurück verwiesen wurden?

Denn erst 1871 wurde der von Vielen gehegte Wunsch eines einigen Deutschlands ,,von oben" erfüllt, nachdem die Versuche ,,von unten" in der 48er Revolution noch gescheitert waren - von einer langen Deutschland-Tradition als Ganzem kann also objektiv nicht gesprochen werden.

2.2 1918: Gebietsverluste mit Folgen

Nachdem aber der seit dem Absolutismus aufstrebende Staat Preußen viele Siedlungsgebiete Volksdeutscher in Osteuropa geeint und seine Außengrenzen in das neue Deutsche Reich mit eingebracht hatte, schien der im Versailler Vertrag ausgehandelte Gebietsverlust ein schwerer Schlag. Dass viele Teile dieses abgetrennten Gebietes erst seit der letzten polnischen Teilung preußisch und dann deutsch waren, wurde wahrscheinlich geflissentlich übersehen (Mat. 3). Diese den Deutschen zugefügte ,,Schmach", das ,,Diktat von Versailles", wurde schließlich für viele Bürger zu einem Grund, 1933 Hitler zu wählen, dessen erste Gebietskorrektur folglich auch die Wieder-Besetzung von Böhmen und Mähren war. Mit dem Anschluss Österreichs ging er über den Einigungswillen der 48er-Revolutionäre hinaus und mit dem Überfall Polens bescherte er diesem Land seine vierte Teilung und zweite Auslöschung - der deutschen Bevölkerung die Notwendigkeit von ,,Lebensraum im Osten" einhämmernd.

2.3 Erste Pläne für ein Nachkriegsdeutschland und Besatzung

Im November 1943 trafen sich die damaligen Alliierten (USA, UdSSR und Großbritannien) in Teheran, um über ein Nachkriegsdeutschland zu beraten. Man verständigte sich vage darauf, Deutschlands Staatsgestalt zu zersplittern, um die potentielle Gefahr eines erneut aufstrebenden Aggressorstaates im Keim zu vereiteln (,,Morgenthau-Plan")3. Auf den Folgekonferenzen von Jalta und Potsdam 1945 wurden diese Tendenzen umgekehrt: Die Alliierten manifestierten den eindeutigen Willen, die staatliche Einheit Deutschlands zu erhalten4. Die Aufteilung Deutschlands in die vier Besatzungszonen war rein praktischer Natur, um die Übergangsadministration zu gewährleisten und um die UdSSR davon abzuhalten zu weit in den Westen vorzudringen5. Dass auf Vorschlag der UdSSR ein Großteil Ostdeutschlands unter polnische Verwaltung gestellt wurde, war zwar Beschluss der Konferenz von Potsdam, um Polen für die Abtretung eigener östlicher Gebiete an die UdSSR zu entschädigen, sollte jedoch nicht abschließend den Umfang und die Außengrenzen eines zukünftigen deutschen Staates definieren, sondern nur bis zu einem abzuschließenden Friedensvertrag gelten6.

2.4 Der administrative Neubeginn

Da man sich eigentlich geeinigt hatte, in Deutschland ein föderatives System zu restaurieren, wurden Länder geschaffen, deren Regierungen durch die Alliierten eingesetzt wurden und die den Aufbau eines administrativen System unter Aufsicht leisten sollten. Bereits bei der Schaffung dieser Einheiten, die größtenteils auf überlieferten Länderstrukturen basierten (lediglich das Gebiet des ehemaligen Preußen, das ,,schon in frühen Jahren ein Träger von Militarismus und Reaktionismus war"7, wurde aufgeteilt), wurden die Gebiete unter polnischer Verwaltung nicht mehr berücksichtigt. Da sich der Alliierte Kontrollrat in Berlin, der eigentlich für die Deutschland als Ganzes betreffende Politik zuständig sein sollte, als unflexibles und kontraproduktives Instrument erwiesen hatte (zunächst v.a. durch eine Vetopolitik der Franzosen, die anfangs gegen eine Restaurierung eines gesamtdeutschen Staates waren8) und sich eine Spaltung der Alliierten abzeichnete, begannen die Siegermächte zunehmend mit einer eigenen Politik in ihren Zuständigkeitsbereichen, wobei sich in den drei Westzonen, zunächst durch die Schaffung der Bizone, später durch intensive Konsultationen auch mit der französisch besetzten Zone, eine gemeinsame Politik heraus kristallisierte. Die UdSSR hingegen ließen in ihrer Zone politische und administrative Strukturen aufbauen, die diese Zone immer stärker an das sowjetische System anglichen und auch banden. Die inoffizielle Zweiteilung Deutschlands war somit bereits Anfang 1946 existent.9

2.5 Zwei deutsche Staaten, aber nicht das gesamte Territorium

Als die Trennung Deutschlands und die Spaltung 1949 mit der doppelten Staatsgründung besiegelt war, schien auch die Abtrennung der Ostgebiete endgültig: Polen hatte das Ministerium für die Verwaltung der deutschen Gebiete, das auch für die Umsiedelung zuständig gewesen war, bereits am 11. Januar 1949 aufgelöst und das Territorium somit zu polnischem Staatsgebiet deklariert10. So waren zwei deutsche Staaten geschaffen worden, die jedoch nicht das ganze Staatsgebiet des ehemaligen Deutschen Reiches umfassten, was in westlicher Sicht genauso provisorischen Charakter hatte wie die mit Bundesrepublik und DDR entstanden Zweistaatlichkeit selbst. Die DDR hingegen schloss, wenn auch vermutlich nicht aus eigenem Antrieb, bereits 1950 den ersten Vertrag mit Polen, in dem die Oder-Neiße-Linie als ,,unantastbare Friedens- und Freundschaftsgrenze"11 und somit als unwiderrufliche Ostgrenze Deutschlands anerkannt wurde.

3. Die Deutsche Frage im Nachkriegsdeutschland

3.1 Staatsziel Nummer eins: die staatliche Einheit

In der Bundesrepublik war die Einheit Deutschlands unmissverständlich oberstes Ziel allen politischen Handelns: Die Präambel des Grundgesetzes drückte diesen Wunsch ebenso aus wie Formulierungen innerhalb einzelner Artikel12. Völkerrechtlich beanspruchte die Bundesrepublik - unterstützt von den drei westlichen Alliierten - sowohl den Status eines Nachfolgestaates des Deutschen Reiches13 als auch das alleinige Recht, Gesamtdeutschland zu vertreten; die DDR beanspruchte zumindest Letzteres ebenfalls - wurde aber in dieser Rolle nur von den Ostblock-Staaten akzeptiert. Auch in der ersten Verfassung der DDR wurden der Sonderstatus Deutschlands und das Ziel der Wiedervereinigung klar erwähnt14. Undefiniert blieben in beiden Gestzestexten der genaue Umfang des ,,ganzen Deutschlands". Lediglich in Bezug auf die Staatsangehörigkeit bezog sich das Grundgesetz auf jene Bürger, die vor Beginn der NS-Expansionspolitik auf deutschem Gebiet lebten15, was gemeinhin dahingehend interpretiert wurde, dass auch ,,Deutschland als Ganzes" in diesen Grenzen zu sehen war.

3.2 Das Scheitern verschiedener Vorschläge

Nachdem der Versuch, die SBZ-Ministerpräsidenten noch vor den verfassungsgebenden Versammlungen in West und Ost in die Münchner Ministerpräsidentenkonferenz einzubinden, an deren kompromissloser Haltung in Bezug auf die Zusammensetzung des Gremiums gescheitert war (sie wollten nach sowjetischem Vorbild auch Parteien und Gewerkschaften beteiligen)16, waren auch nach der erfolgten Teilung Deutschlands die Initiativen, Versuche und Verhandlungen von verschiedener Seite, eine Einigung und Einheit herbeizuführen, immer von Misserfolg gekrönt.

Die bereits 1950 angestrengten Überlegungen der DDR-Führung stellten die Beibehaltung des sozialistischen Staatsmodelles für Gesamt-Deutschland, die Bundesrepublik freie Wahlen vor Aufnahmme jedweder Verhandlungen zur Bedingung17. Auch diverse durch die Bonner Regierung vorgeschlagene Einigungspläne, die zunächst 1962 im Burgfriedenplan ihren Abschluss fanden (der übrigens nur die Beseitigung der Mauer und das freie Entfaltungsrecht für die DDR-Bevölkerung forderte), wurden von Ost-Berlin und Moskau abgelehnt, genau wie deren Ideen im Westen auf taube Ohren stießen18. Die Situation war verfahren, der Kalte Krieg auf dem Höhepunkt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Ist die Deutsche Frage endgültig beantwortet? Deutschlands Situation und Ost-Grenzen aus unterschiedlichen Blickwinkeln
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Propädeutisches Proseminar
Note
1-
Autor
Jahr
2000
Seiten
23
Katalognummer
V3484
ISBN (eBook)
9783638121446
ISBN (Buch)
9783668105270
Dateigröße
608 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Relativ geschichtsträchtige Abhandlung über die Frage, was deutsch und Deutschland war, wurde und ist. Beantwortung der Frag: Sind die fünf neuen Länder nun Ost- oder Mitteldeutschland?
Schlagworte
Deutsche, Frage, Deutschlands, Situation, Ost-Grenzen, Blickwinkeln, Propädeutisches, Proseminar
Arbeit zitieren
Sebastian Kölsch (Autor:in), 2000, Ist die Deutsche Frage endgültig beantwortet? Deutschlands Situation und Ost-Grenzen aus unterschiedlichen Blickwinkeln, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3484

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