Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Kulturbegriff
3. Interkulturalität
3.1 Interkulturelle Kommunikation
3.2 Interkulturelle Einflüsse in Deutschland
3.2.1 Eine jugendsprachliche Varietät- das Kiezdeutsch
3.2.2 Merkmale des Phänomens Kiezdeutsch
3.3 Interkulturelle Werbung
3.4 Interkulturelle Werbung aus fachdidaktischer Perspektive
3.4.1 Voraussetzungen der Schülerschaft
3.4.2 Werbung als Medium zur Sprachreflexion
3.5 Interkulturelle Werbung im Unterricht
3.5.1 Betrachtung der Werbemaßnahme von EDEKA in Hinblick auf die jugendsprachliche Varietät und den interkulturellen Einfluss
3.5.2 Darstellung einer Unterrichtsstunde
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Für Lehrkräfte ist es durch eine heterogene Schülerschaft oftmals eine Herausforderung den Deutschunterricht so zu gestalten, dass er motivierend und lehrreich zugleich ist. Die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler (im Weiteren: SuS) äußert sich besonders in großstädtischen Regionen, in denen viele Kulturen und somit auch viele Sprachen aufeinandertreffen, durch unterschiedliche Sprachstile der Sprecher und Sprecherinnen. Das Standarddeutsch bildet dort oftmals nicht mehr die Norm.
Auch in den Medien werden Abweichungen des Standarddeutschen als Werbezweck genutzt. Mittels auffälliger Sprache in der Werbung wird Aufmerksamkeit erreget und potentielle Kunden zum Nachdenken angeregt. Auch SuS können mit Hilfe von Werbung und Werbeslogans zur Sprachreflexion bewogen werden.
Das Ziel dieser Hausarbeit ist es zu zeigen wie die jugendsprachliche Varietät Kiezdeutsch im Unterricht thematisiert werden kann, um den SuS einen ersten Zugang zur kritischen Auseinandersetzung mit Sprache zu liefern.
Als Hinführung dazu wird zunächst ein Überblick über die Bedeutung und die Bestandteile von Kultur und Interkulturalität gegeben. Der Begriff der Interkulturalität subsumiert dabei weitere Aspekte wie die interkulturelle Kommunikation oder die interkulturellen Einflüsse in Deutschland. Im Zuge dessen wird die jugendsprachliche Varietät Kiezdeutsch mit ihren Merkmalen fokussiert. Im weiteren Verlauf werden die Eigenschaften interkultureller Werbung thematisiert und aus fachdidaktischer Perspektive beleuchtet.
Die Analyse eines exemplarischen Werbespots eröffnet darauffolgend die interkulturellen Einflüsse in deutscher TV- Werbung.
Am Ende der Hausarbeit zeigt eine ausführliche Unterrichtsstunde, in der der analysierte Werbespot im Fokus steht, eine Möglichkeit diese jugendsprachliche Varietät mit den SuS zu behandeln und für die Sprachreflexion zu nutzen.
2. Der Kulturbegriff
Die Erklärungen sind vielschichtig und abhängig von der Perspektive, aus der man den Kulturbegriff betrachtet. So kann Kultur das Produkt kreativer oder künstlerischer menschlicher Arbeit sein, wie die Kunst, der Film oder die Architektur. Auch kann Kultur eine Sammelbezeichnung für die Lebensart einer bestimmten Menschengruppe sein, die besonderen Wert auf gute Manieren, ein gepflegtes Erscheinungsbild, eine gute Bildung und auf eine humane Gesinnung legen. Hier ist der Begriff auch gleichzusetzen mit Kultiviertheit. Eine weitere Perspektive kann sein, Kultur als eine Begrifflichkeit zu verstehen, die das Brauchtum, die Religion, besondere Verhaltensweisen und Ansichten eines fremden Volkes miteinschließt. Dieses Verständnis von Kultur ist sehr umfassend, da sowohl das Interesse für Kunst oder Film, als auch ein kultivierter Lebensstil mit einbegriffen werden können (vgl. Hansen 2011, 11ff.).
Ergänzend erklärt Goodenough (1964), dass Kultur nichts Materielles sei, sondern das Produkt der Art und Weise wie Menschen Dinge wahrnehmen und sie interpretieren (36).
Aus verschiedenen Quellen lassen sich weitere Definitionen entnehmen: „Eine Kultur ist eine Lebensform […]. Wie Sprache ist sie eine menschliche Institution, die auf gemeinsamem Wissen basiert. Kultur ist entstanden, sie ist geworden in gemeinsamem menschlichen Handeln“ (Heringer 2014, 110).
Im Metzler Lexikon Sprachen (2005) ist Kultur beschrieben als „die Gesamtheit der materiellen, sozialen und ideellen Schöpfungen“ (362). Ergänzend wird hinzugefügt, dass die Sprache der Hauptbestandteil einer Kultur ist, da die Menschen ohne die Sprache nicht in der Lage wären miteinander zu kommunizieren (vgl. ebd.).
Dennoch ist Kultur nicht als ein homogenes Gebilde zu betrachten, da innerhalb der jeweiligen Kultur Menschen auch abweichende Ansichten und Werte vertreten können (vgl. Heringer 2014, 158). Innerhalb eines Nationalstaates können demnach mehrere Kulturen persistieren. Ebenfalls kann eine Kultur die Ländergrenzen überschreiten. Sowohl in Deutschland, als auch Österreich und der Schweiz wird die deutschsprachige Kultur vertreten, dennoch gibt es innerhalb von Deutschland beispielsweise eine Unterscheidung zwischen der bayrischen, türkischen und nordfriesischen Kultur. Welcher Kultur ein Individuum angehört ist abhängig von der räumlichen, sprachlichen und sozialen Gruppe, zu der er sich zugehörig fühlt (vgl. Porila & Thije 2008, 27).
Zusammenfassend lässt sich Kultur also als eine Gruppe von Menschen, ein Kollektiv beschreiben, die durch ihre speziellen Gewohnheiten charakterisiert sind. Diese Gewohnheiten können auch als Konventionen oder Traditionen bezeichnet werden. Hansen (2011) spricht in diesem Zusammenhang von „Standardisierungen“ (29). In Bezug auf die Kommunikation, das Denken, das Fühlen und das Handeln hat sich innerhalb einer Gemeinschaft weitestgehend ein gleichwertiges Verhalten bzw. ein standardisiertes Verhalten entwickelt. Diese Gemeinschaft wird auch als ethnische Gruppe bezeichnet (vgl. ebd.).
3. Interkulturalität
3.1 Interkulturelle Kommunikation
Da nun deutlich geworden ist was unter dem Kulturbegriff verstanden werden kann, wird nun der Begriff Interkulturalität mit Bezug zur interkulturellen Kommunikation erläutert.
Von Interkulturalität kann gesprochen werden, wenn verschiedene Kulturkreise aufeinander treffen. Demnach ist interkulturelle Kommunikation als eine Unterhaltung, ein Dialog zwischen Mitgliedern verschiedener Kulturen zu verstehen. Dabei interagiert jeder Beteiligte auf eine spezifische, für die Eigenkultur typische, Art und Weise (vgl. Hinnenkamp 1994, 6). Auch Litters (1995) beschreibt interkulturelle Kommunikation als eine „interpersonale Kommunikationssituation zwischen Mitgliedern verschiedener kultureller Gruppen“ (20) und Maletzke (1996) ergänzt, dass sich die Gesprächspartner „der Tatsache bewußt [sic] sind, daß [sic] der jeweils andere >anders< ist, wenn man sich also gegenseitig als >fremd< erlebt“ (37).
Unstimmigkeiten entstehen vor allem durch kulturelle Differenzen. Das bedeutet, dass Situationen entstehen, in denen eine Person die Nachricht einer anderen Person falsch interpretiert. Aus dem Grund, weil der Empfänger Äußerungen oder Handlungsmuster auf die bekannte, in seiner Kultur übliche, Weise hin analysiert (vgl. Porila & Thije 2008, 45). Sowohl die verbale Sprache als auch die nonverbale Kommunikation können Missverständnisse auslösen (vgl. Heringer 2014, 141). Die verbale Interaktion, zu der u.a. die Sprechlautstärke oder das Tempo gehören, wird dabei von nonverbalen Handlungen begleitet, die kulturspezifisch unterschiedlich eingesetzt werden. Die Gestik, wie die Körperbewegungen, die Mimik, wie z.B. ein Lächeln und die proxemischen Elemente, wie der Abstand zum Interaktionspartner können im interkulturellen Austausch von dem Gesprächspartner als unpassend oder übertrieben wahrgenommen werden und sind daher die Hauptursache für Probleme in der Interaktion (vgl. Lüsebrink 2012, 61f.). Probleme können aber auch inhaltlich entstehen, indem Wörtern unterschiedliche, kulturspezifische Bedeutungen und Konnotationen zugeschrieben werden. Beispielsweise wird dem Wort `Sonntag´ eine kulturtypische Vorstellung zugeschrieben. Die Deutschen assoziieren damit, einen Ruhetag, an dem die Geschäfte üblicherweise geschlossen sind, was auf die Spanier aber nicht zutreffen würde. Des Weiteren wird der Gesprächsverlauf den kulturspezifischen Gewohnheiten angepasst. So kann bereits die Begrüßung sehr unterschiedlich ausfallen. Auch die Wahl des Gesprächsthemas ist kulturbedingt different, sodass in östlichen Regionen sexuelle Themen im Gegensatz zu westlichen Teilen tabuisiert sind. Konfliktpotential beherbergen auch die Gewohnheiten bezüglich der Redepausen, des Redeanteils bzw. des Redewechsels (vgl. ebd. 54ff.).
Zusammenfassend kann der interkulturelle Kontakt daher als ein „instabiles Vorhandensein und Interagieren sehr unterschiedlicher, sprachlich und kulturell geprägter Handlungsmuster, Kommunikationsstile und Werte“ (ebd., 51) verstanden werden.
Mitglieder einer Kultur sollten sensibel mit den Konventionen einer anderen Kultur umgehen und diese berücksichtigen, um Missverständnisse zu reduzieren und der damit zusammenhängenden Frustration zu entgehen. Auch Stereotypisierungen oder der Kontaktvermeidung mit Vertretern anderer Kulturen wird durch ein sensibles Verhalten vorgebeugt (vgl. Helmlot & Müller 1993, 528).
3.2 Interkulturelle Einflüsse in Deutschland
3.2.1 Eine jugendsprachliche Varietät- das Kiezdeutsch
Der interkulturelle Kontakt kann „innerhalb der Nation stattfinden, nämlich zwischen den Vertretern verschiedener ethnischer Gruppen“ (Schugk 2004, 52). Diese Gruppierungen lassen sich vermehrt in den Großstädten Deutschlands finden. Als Folge der Globalisierung, Migration und der Zuwanderung von Gastarbeitern wird Einheimischen die Möglichkeit geboten mit diesen ethnischen Gruppen und fremden Kulturen in Kontakt zu treten. Schon ein Besuch in einem italienischen, chinesischen oder türkischen Restaurant bietet die Gelegenheit Einblicke in die Gepflogenheiten der jeweiligen Kultur zu bekommen (vgl. Heringer 2014., 160).
Durch die Existenz mehrerer Kulturen in einem Land entwickeln sich zunehmend neue Sprachvarietäten. Eine in Deutschland weit verbreitete sprachliche Varietät, die besonders in multiethnischen Wohngegenden vorkommt, ist die sogenannte „Kanak Sprak“ bzw. das „Kiezdeutsch“ (Canoğlu 2012, 11), die/das sich besonders bei jüngeren Generationen durchzusetzen scheint. Anders als der Begriff „Kanak Sprak“ ist „Kiezdeutsch“ nicht negativ konnotiert und beschränkt sich nicht auf eine bestimme ethnische Gruppe (hier: Türken) oder nur auf Menschen, die im Umkreis von Berlin leben. Im Weiteren wird daher ausschließlich dieser Begriff verwendet.
Dieses sprachliche Phänomen hat sich nicht nur bei den Nachkommen der Zuwandergeneration herausgebildet, sondern allgemein bei anderen ethnischen Gruppen (u.a. auch bei Deutschen), die über vielsprachige Kompetenzen verfügen. Auf Grund dessen ist das Kiezdeutsch oftmals eine Kombination aus der deutschen Sprache und Elementen aus der jeweiligen Kontaktsprache der Sprecher und Sprecherinnen. Das können sowohl türkische oder arabische Elemente sein, als auch kurdische oder persische (vgl. Canoğlu 2012, 12ff., vgl. Wiese 2012, 46).
Canoğlu (2012) merkt an, „dass die migrantenspezifische Jugendsprache mit der kulturellen Erfahrungswelt der Jugendlichen eng verbunden ist“ (70) und „damit ein herausragendes Beispiel für das Zusammenstoßen der Sprache mit der Kultur innerhalb von multikulturellen Kontexten“ (ebd.) ist. Die jungen Erwachsenen gebrauchen diese Form der Sprache, um ihre Herkunftskultur so widerzuspiegeln (vgl. ebd., 77).
3.2.2 Merkmale des Phänomens Kiezdeutsch
Das Kiezdeutsch äußert sich durch eine bestimmte Systematik hinsichtlich der Lexik, Syntax, Morphologie, Prosodie und Grammatik.
Besonders charakteristisch ist die Ersetzung des Phons [ç], durch [ʃ], sodass „Ich“ zu „Isch“ wird (vgl. Heringer 2014, 160).
Auffallend ist auch der Gebrauch türkischer oder arabischer Wörter, die in deutsche Formulierungen integriert werden. Beispielsweise ist der Einsatz von Anredefloskel wie „lan“ oder „wallah“ (ebd., 76) (übersetzt: Alter; Ich schwöre.) zu beobachten. Eine veränderte Wortstellung wird verwendet in Äußerungen wie „Dann isch ruf dich an“ oder „wenn wir umziehen so, isch hab keine Zeit zu essen“ (Wiese 2012,82) da hier eine nötige Veränderung der Verbstellung, die Inversion, nicht berücksichtigt und die Subjekt- Verb- Objekt Abfolge beibehalten wird. Ebenfalls auffällig ist bei dem letzten Beispiel die Verwendung von „so“ an Stellen, an denen es im Standarddeutschen unüblich ist. Andere Beispiele dafür wären: „Dis find ich voll cool so“ (ebd., 95), „also, ich mein so blond so“ (ebd., 101). „So“ ist an diesen Stellen eingesetzt, bedeutungsleer, hebt entweder die zentralen, bedeutungstragenden Elemente hervor oder dient dazu einen Satz abzuschließen. Außerdem beinhalten viele Formulierungen grammatische Reduktionen. Abweichungen der Genus- und Kasusflexion wie im Beispiel: „Isch frag mein Schwester“ (ebd., 60), „Isch hab voll Schock“ (Heringer 2014, 160) sind ebenso Bestandteil dieser Form der Jugendsprache wie das Auslassen von Artikeln oder Präpositionen in folgenden Aussagen: „Gehst du ALDI?“ (ebd), „Heute muss isch wieder Solarium“ (Wiese 2012,53) oder „Isch bin Schule“ (ebd., 56).
Eine weitere Veränderung ist das Kombinieren von Wörtern: „Lassma“, „Musstu“ „Ischwör“ (ebd., 63). Sie sind ursprünglich aus „Lasst uns mal“, „Du musst“ und „Ich schwöre“ entstanden und beinhalten die Verschmelzung aus dem Pronomen und dem Verb (vgl. ebd., 63ff.).
Neben den genannten Eigenschaften, gibt es noch weitere typische Erkennungsmerkmale des Phänomens Kiezdeutsch, die an dieser Stelle aber unerwähnt bleiben. Es ist nachvollziehbar, dass Sprachwissenschaftler diese spezifische Sprechweise als „ein komplexes sprachliches Register“ (Schlobinski 1993, 12) ansehen.
3.3 Interkulturelle Werbung
Werbung ist die willentliche Beeinflussung der Allgemeinheit durch den Einsatz von Werbemitteln, wie Werbeanzeigen, Werbeplakaten oder Werbespots. Sie besteht aus der Werbebotschaft und dem Medium, durch das die Botschaft vermittelt wird und dient der Verkaufsförderung und zur Erhöhung der Bekanntheit eines Produktes, um einen möglichst großen Profit für das werbende Unternehmen zu erlangen. Sie dient als Kommunikationsmittel für das werbende Unternehmen und ist das bedeutendste Instrument, eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen (vgl. Gabler Wirtschaftslexion).
Soll eine bestimmte Kulturgruppe auf eine Werbekampagne aufmerksam werden und sich angesprochen fühlen, ist es für die Entwickler einer Werbeanzeige oder Werbespots nötig die Sprache, die Werte, den Lebensstil und die Konsumgewohnheiten dieser Zielgruppe in Betracht zu ziehen und die Werbekampagnen individuell anzupassen (vgl. Müller/ Gelbrich 2014, 213). Wie bei einem interkulturellen Dialog müssen die Kommunikationsmaßnahmen der Werbeaktivität an den kulturellen Hintergrund des Empfängers angepasst werden, um so die potentiellen Kunden für sich zu gewinnen (vgl. Akin 2012, 52). Spörri (1993) erachtet den „Übertrag von kulturellen Werten auf die Produkte unserer Marktwirtschaft“ (154) als besonders wichtige Funktion von Werbung. Dabei werden die Ideen der Unternehmen meist von Werbefachleuten, die mit der jeweiligen Kultur vertraut sind, überprüft und ggf. verändert (vgl. Friedrich 2015, 112).
Soll eine Werbemaßnahme nun die Aufmerksamkeit eines bestimmten Kollektivs, z.B. die von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen auf sich ziehen, ist die Sprache das wirksamste Mittel dafür.
Da die Werbesprache aber keinen festen oder grammatischen Regeln unterliegt, orientiert sie sich oft an der Alltagssprache, der Jugendsprache oder an Dialekten. Die Verwendung einer jugendsprachlichen Lexik verhilft dazu dem Produkt ein jugendliches Image zu verschreiben und für das Publikum interessant zu werden (vgl. Ehrhardt 2007, 251).
3.4 Interkulturelle Werbung aus fachdidaktischer Perspektive
3.4.1 Voraussetzungen der Schülerschaft
Der Sprachgebrauch der SuS ist besonders an Schulen in Brennpunkten aufgrund der unterschiedlichen sprachlichen Voraussetzungen sehr heterogen. Auch wenn die Klasse aus SuS zusammengesetzt ist, die Gebrauch von verschiedenen Sprachvarietäten machen, ist jedes Mitglied der Klasse höchstwahrscheinlich schon einmal in Kontakt mit dem Kiezdeutsch gekommen. Der Kontakt muss nicht zwangsläufig in der Schule zustande gekommen sein, sondern kann sich auch durch verschiedene Medien (TV, Radio, Internet,…) ereignet haben.
Die Lehrkraft muss weiterhin davon ausgehen, dass das Kiezdeutsch oder die individuelle Sprechweise eines Jugendlichen nicht der einzige Stil ist, die derjenige in der Lage ist zu gebrauchen. Verschiedene Situationen erfordern auch verschiedene Sprachstile. So sollte für die Unterrichtskommunikation das Standarddeutsch verwendet werden. Allerdings ist es möglich, dass die SuS zwar wissen, dass in der Schule eine andere Sprechweise nötig ist, dennoch aufgrund ihrer Herkunft nicht in der Lage sind diese zu gebrauchen. Daher sollten sowohl jugendsprachliche Varietäten, als auch das Standarddeutsch ein Gegenstandsfeld im Unterricht sein (vgl. Wiese 2012, 235).
Auch für Baradaranossadat (2011) ist es ein Unterrichtsziel die SuS über die Jugendsprache für die Standardsprache bzw. die Sprachnorm zu sensibilisieren und Sprache in verschiedenen Verwendungskontexten zu untersuchen (128).
Die Herausforderung für die Lehrkraft ist es nun diese sprachheterogenen Voraussetzungen der SuS in den Deutschunterricht zu integrieren und ihn so zu gestalten, dass die curricularen Anforderungen erfüllt werden können (vgl. Baradaranossadat 2011, 13ff.). Ein Kompetenzbereich der Bildungsstandards im Fach Deutsch für die Sekundarstufe 1 ist „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“. Hierunter fällt u.a. die Anforderung „Äußerungen/Texte in Verwendungszusammenhängen [zu] reflektieren und bewusst [zu] gestalten“ und schließt „Sprachen in der Sprache [zu] kennen und in ihrer Funktion [zu] unterscheiden: z.B. Standardsprache, Umgangssprache, Dialekt; Gruppensprachen, Fachsprachen; gesprochene und geschriebene Sprache“ (Bildungsstandards im Fach Deutsch 2003, 15f.) mit ein. Unter diesen Lernbereich kann die jugendsprachliche Varietät Kiezdeutsch gefasst werden. Unterrichtsinhalte zur dieser Thematik können zum Erreichen der beschriebenen Anforderungen und Ziele verhelfen (vgl. Baradaranossadat 2011, 152).
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