Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I Einleitung
II 1. Der Naturzustand
1.1 Das Naturrecht
1.2 Die natürlichen Gesetze
2 Der Übergang vom Naturzustand zum Staat
2.1 Der Gesellschaftsvertrag
2.2 Die Rolle des Souveräns
3. Die Freiheit der Untertanen
3.1 Gesetz
3.1.1 Die bürgerlichen Gesetze
3.2 Recht
3.2.1 Die Freiheit im Schweigen der Gesetze
III Schluss
Literaturverzeichnis
I Einleitung
Mit seinem im Jahre 1651 erschienen Werk Leviathan, schafft Thomas Hobbes die Grundlage einer modernen, neuzeitlichen Staatsphilosophie und den Beginn der Kontraktualismus-Ära.[1] Er gilt als Erster, der das Individuum in den Fokus seiner politischen Theorie rückt, was ihn zum „radikale[n] Denker der Moderne“[2] macht. „Hobbes ist sich der epochalen Bedeutung seines Beitrags zur politischen Philosophie der Neuzeit von Anfang an sicher. Selbstbewusst erhebt er den Anspruch, Erneuerer der philosophia civilis, ja deren eigentlicher Begründer zu sein.“[3], so Prof. Dr. Karlfriedrich Herb. Hobbes versteht die Gesellschaft (oder, was bei Hobbes synonym ist, der Staat) als die Gesamtheit der vielen einzelnen Menschen, aus denen sie besteht. Um das Funktionieren der Gesellschaft sicherzustellen, muss der Mensch als Einzelner in seinem Wesen, seiner Natur und seinen Antrieben vollständig begriffen werden.[4] Diese Erkenntnisse über den Menschen fungieren als Ausgangspunkt für Hobbes‘ politische Überlegungen, aus denen schließlich der optimale Staat resultieren soll.[5] Die Anerkennung des Individuums als Ausgangspunkt für die Gesellschaft und den Staat gilt als „der Motor aller modernen Entwicklungen von Recht und Staat“.[6] Eine entscheidende Rolle für diese Entwicklung spielt hier vor allem der Aspekt der Freiheit des Individuums, was Hobbes zum „Wegbereiter des modernen Freiheitsbegriffs“[7] macht. Aus diesem Grund widmet sich die vorliegende Arbeit dem Verständnis von Freiheit, das Thomas Hobbes in seinem Werk Leviathan zum Ausdruck bringt. Im Wesentlichen unterscheidet er zwischen der natürlichen Freiheit und der bürgerlichen Freiheit bzw. der Freiheit der Untertanen. Doch bevor er auf beide genauer eingeht, formuliert er in Kapitel 14 eine generelle und ursprüngliche Beschreibung des Begriffs Freiheit: „Freiheit begreift ihrer ursprünglichen Bedeutung nach die Abwesenheit aller äußeren Hindernisse in sich.“[8] In den verschiedenen Zuständen, die der Mensch im Verlauf von Hobbes‘ Leviathan durchläuft, verändert sich nicht nur der Status des Menschen hin zum Bürger, sondern mit ihm ebenso die Auffassung von Freiheit. Das Ziel dieser Arbeit ist es, den Bedeutungswandel des Freiheitsbegriffs herauszuarbeiten und zu untersuchen, inwieweit der Mensch als Bürger seine Freiheit verliert bzw. gewinnt.
Im Folgenden soll nun zunächst der Naturzustand betrachtet werden und unter dem Aspekt des Naturrechts sowie der natürlichen Gesetze erläutert werden. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Übergang vom Naturzustand hin zur staatlichen Gesellschaft. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf dem Gesellschaftsvertrag und der Rolle des Souveräns gelegt. Der dritte und letzte Teil - die Freiheit der Untertanen - gliedert sich in die Punkte Recht und Gesetz, die jeweils getrennt betrachtet werden. Von großer Bedeutung sind hier die bürgerlichen Gesetze sowie das die Freiheit im „Schweigen der Gesetze.“[9] Auf die historischen Hintergründe zur Zeiten der Verfassung des Leviathans wird im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen.
Beim Verfassen der vorliegenden Arbeit wurde primär die deutsche Fassung von Thomas Hobbes‘ Werk Leviathan, das im Jahr 1970 beim Reclam-Verlag in Stuttgart erschienen ist, herangezogen. Als einschlägige Sekundärliteratur erwiesen sich die Werke von Peter Zerb, Dr. Hilmar Hager, und Prof. Dr. Karlfriedrich Herb als besonders hilfreich für die Beantwortung der Leitfrage. Alle diese drei Autoren beziehen sich in ihren jeweiligen Werken jedoch nicht nur auf Hobbes, sondern nehmen ein Vergleich vieler Philosophen und Denkern vor, die - genauso wie Hobbes - die politische Ideengeschichte prägten. Einzig das Werk von Quentin Skinner widmet sich ausschließlich Thomas Hobbes und seiner der politischen Theorie von Freiheit und Pflicht. Die Aufsätze von Walter Euchner und Bernard Willms, die 1982 im Sammelband Furcht und Freiheit. Leviathan. Diskussion 300 Jahre nach Thomas Hobbes erschienen, dienten der Erstellung der Arbeit ebenfalls hinreichend.
II 1. Der Naturzustand
Der Zustand des Menschen außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft nennt Hobbes den Naturzustand.[10] In einem solchen Zustand sind alle Menschen „hinsichtlich der Körperkräfte wie der Geistesfähigkeiten“[11] gleich. Aufgrund der natürlichen Triebe und Leidenschaften des Menschen, die ihn nach Ruhm, Ehre und Eigentum streben lassen, akkumuliert sich ein Konflikt unter den Menschen, der sich auf Misstrauen, List und Rachsucht gründet.[12] Um sich selbst zu verteidigen und ihr Überleben zu sichern, bedienen sich die Menschen der Gewalt, woraus „ein tausendfaches Elend; Furcht, ermordet zu werden, stündliche Gefahr, ein einsames, kümmerliches, rohes und kurz dauerndes Leben“[13] resultiert. Kurz: „Ein Krieg aller gegen alle“.[14] Grund für diesen Kriegszustand ist laut Peter Zerb die „Abwesenheit einer zentralen, ordnend eingreifenden Macht“[15], was er gleichzeitig als „Definiens des Naturzustandes“[16] bezeichnet.
Bei diesem unter keiner allgemeinen Macht stehende Kampf der Menschen
„[…]haben selbst die Namen gerecht und ungerecht keinen Platz. Im Kriege sind Gewalt und List Haupttugenden; und weder Gerechtigkeit noch Ungerechtigkeit sind notwendige Eigenschaften des Menschen; […] Sie sind Eigenschaften des Menschen, aber nicht sofern er Mensch überhaupt, sondern sofern er Bürger ist. Ebendaraus ergibt sich ferner, daß es in einem solchen Zustande keinen Besitz, kein Eigentum, kein Mein und Dein gibt“.[17] [sic.]
1.1 Das Naturrecht
Da die Menschen im Naturzustand keinen staatlichen Gesetzen und Verpflichtungen unterworfen sind, besitzen sie die Freiheit, „nach welcher ein jeder zur Erhaltung seiner selbst seine Kräfte beliebig gebrauchen und folglich alles, was dazu beizutragen scheint, tun kann.“[18] Dies ist der Inbegriff des Naturrechts, das jedem Menschen im Naturzustand zusteht. Mit anderen Worten, jeder Mensch ist dazu berechtigt, sich selbst zu verteidigen und hierfür alle ihm möglichen Mittel und Wege anzuwenden.[19] Somit ist jedes Individuum Souverän seiner eigenen Handlungen und Entscheidungen, die einzig und allein die Selbsterhaltung zum Zweck haben. Das Individuum hat die Macht, „seine Strebungen zu verwirklichen und die Freiheit, sein Handeln nur nach seinen Strebungen auszurichten.“[20] Nach Peter Zerb ist es genau dieses Verhältnis von Macht und Freiheit, das den Naturzustand wesentlich charakterisiert und ihm vom Zustand der bürgerlichen Gesellschaft unterscheidet. Es bestimmt das „Nebeneinander, Gegeneinander und Miteinander der Individuen im Naturzustand.“[21] Frei und mächtig ist somit derjenige, der den anderen körperlich und geistig überlegen ist, und dadurch seine Selbsterhaltung garantieren und seinen Willen verwirklichen kann. Wenn man nun diese Freiheit des Naturrechts mit der in der Einleitung dieser Arbeit beschriebenen ursprünglichen Bedeutung des Freiheitsbegriff - „die Abwesenheit aller äußeren Hindernisse“[22] - vergleicht, so fällt folgendes auf: Die natürliche Freiheit ist nicht durch das Fehlen äußerer Hindernisse bestimmt, sondern durch die Abwesenheit äußeren Zwangs durch staatliche Gesetze.[23] „Normen jeglicher Art, seien es soziale, moralische oder sonstige“[24] sind im Zustand der natürlichen Freiheit ebenfalls nicht vorhanden. Der Mensch hat die Freiheit und das Recht vor allem in Bezug auf und im Ausgang von sich selbst zu denken, zu handeln und zu entscheiden wie er will und kann.
1.2 Die natürlichen Gesetze
Laut Hobbes sind die Menschen jedoch nicht nur gewalt- und kampfbereit, sondern sehnen sich aufgrund der immer vorherrschenden Furcht vor dem Tod auch nach Frieden.[25] Und so stellt Hobbes in den Kapitel 14 und 15 seines Werks Leviathan die insgesamt 19 natürlichen Gesetze vor, die er als „zum Frieden führende Grundsätze“[26] beschreibt. Bei ihnen handelt es sich um „ein Gemisch aus subjektiven Maximen, sozialen Normen, allgemeinen Handlungsregeln und Vernunftschlüssen.“[27] Sie sollen als Anleitungen für Konfliktsituationen dienen, die auf dem subjektiven Bedürfnis beruhen, den lebensbedrohlichen Kriegszustand zu überwinden und miteinander in Frieden zu leben.[28] Thomas Hobbes selbst nennt die Gesetze „eine Vorschrift oder allgemeine Regel, welche die Vernunft lehrt, nach welcher keiner dasjenige unternehmen darf, was er als schädlich für sich selbst anerkennt“.[29] Und so lautet das erste natürliche Gesetz: „ Suche Frieden und jage ihm nach “.[30] Daraus folgt das zweite: „ sobald seine Ruhe und Selbsterhaltung gesichert ist, muß auch jeder von seinem Rechte auf alles – vorausgesetzt, daß andere dazu auch bereit sind – abgehen und mit der Freiheit zufrieden sein, die er den übrigen eingeräumt wissen will.“[31] [sic.]
Hier klingt zum ersten Mal an, dass es zum Übergang in einen friedlichen Zustand eine „Umwälzung der Rechtssituation“[32] bedarf. Der Freiheitszustand ist zunächst ein grundlegender Rechtszustand, der allen Individuen zukommt. Solange die Menschen aber von diesem Recht Gebrauch machen, solange dauert auch der Krieg. Folglich sind Bedingungen und Grundsätze zu bestimmen, die den Menschen einen Weg aus dieser prekären Situation weisen, denn die „Absicht all dieser natürlichen Gesetze geht dahin, alle Menschen miteinander in Frieden leben zu lassen.“[33] Welche Rolle der Aspekt der Freiheit hier einnimmt, liegt auf der Hand. Ohne die natürlichen Gesetze würde das Naturrecht und die natürliche Freiheit das Leben der Menschen bestimmen, wodurch alle Menschen in ständiger Furcht und Gefahr leben würden. Die natürlichen Gesetze gelten als ein erster Schritt in geordnete und geregelte Verhältnisse. Zwar sind sie nur „allgemeine Wahrheiten darüber, was zur Erhaltung des Menschengeschlechts erforderlich ist“[34] und keine Gesetze, die von einer staatlichen Gewalt ausgehen (da es diese bis dato noch nicht gibt), jedoch liefern sie ein allererster Ansatz für die Regelung der natürlichen Freiheit.
[...]
[1] Vgl. Willms, Bernard: Die Angst, die Freiheit und der Leviathan. Staatsmechanismus oder politische Dialektik? In: Bermbach, Udo/Kodalle, Klaus-Michael (Hg.): Furcht und Freiheit. Leviathan. Diskussion 300 Jahre nach Thomas Hobbes. Opladen 1982, S. 85.
[2] Ebd., S. 82.
[3] Herb, Karlfriedrich: Bürgerliche Freiheit: Politische Philosophie von Hobbes bis Constant. Freiburg/München 1999. S. 20.
[4] Dazu stützt sich Hobbes auf die resolutiv-kompositive Methode: Zunächst erfolgt die Zerlegung (=Resolution) des Staats in seine einzelnen Bestandteile, die Menschen. Nachdem diese eingehend erfasst wurden, kann aus ihnen der Staat zusammengesetzt werden (=Komposition).
[5] Vgl. Zerb, Peter: Zur Semantik gesellschaftlicher Freiheit. Eine Analyse des Freiheitsbegriffs bei Thomas Hobbes, John Locke, Jean-Jacques Rousseau, Thomas Paine und John Stuart Mill. Frankfurt am Main 1987. S. 12.
[6] Willms 1982, S. 82.
[7] Zerb 1987, S. 11.
[8] Hobbes, Thomas: Leviathan. Stuttgart 1970. S. 118.
[9] Hobbes 1970, S. 196.
[10] Vgl. Hager, Hilmar: Das Hauptfreiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG und das Vorverständnis von Freiheit am Beispiel von Hobbes, Hegel, Marx und Jaspers. Freiburg im Breisgau 1976. S. 52.
[11] Hobbes 1970, S. 112.
[12] Vgl. ebd., S. 114f.
[13] Ebd., S. 115f.
[14] Ebd., S. 115.
[15] Zerb 1987, S. 17.
[16] Ebd., S. 21.
[17] Hobbes 1970, S. 117.
[18] Ebd., S. 118.
[19] Vgl. ebd., S. 119.
[20] Zerb 1987, S. 27.
[21] Zerb 1987, S. 27.
[22] Hobbes 1970, S. 118.
[23] Vgl. Herb 1999, S. 30.
[24] Zerb 1987, S. 22.
[25] Vgl. Hobbes 1970, S. 118.
[26] Ebd.
[27] Zerb 1987, S. 28.
[28] Vgl. Hobbes 1970, S. 140.
[29] Ebd., S. 118.
[30] Ebd. S. 119.
[31] Ebd.
[32] Zerb 1987, S. 28.
[33] Hobbes 1970, S. 140.
[34] Ebd., S. 142.