Mitgliederparteien in Deutschland. Zwischen Untergang, Krise und Wandel

Eine kritische Untersuchung der Niedergangsdebatte


Hausarbeit, 2015

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Merkmale des Typus der Mitgliederparteien
2.1. Der Begriff der Mitgliederparteien: Ein Annäherungsversuch
2.2. Der Typus der Mitgliederpartei nach Wiesendahl

3. Der Attraktivitätsverlust von Parteien: Ausgangspunkt und Hintergründe
3.1. Die Ausgangslage: Erosion der sozialen Milieus und Organisationsunlust
3.2. Gesellschaftliche Veränderungen als Ursache für den Attraktivitätsverlust
3.3. Die Anreizschwäche der Parteien

4. Brauchen Parteien ihre Mitglieder überhaupt noch?

5. Exkursion: Alternative Parteitypen zum Typus der Mitgliederpartei
5.1. Die Electoral-Professional-Party nach Panebianco (1988)
5.2. Die Kartellpartei nach Katz / Mair (1995))
5.3. Die Medienkommunikationspartei nach Jun (2004)
5.4. Die Hauptcharakteristika der alternativen Parteitypen - eine Zusammenfassung (S. 12)

6. Krise oder doch nur Wandel? - Neue Erkenntnisse, Fazit und Zukunftsaussichten

Literaturverzeichnis

Hinweis: Diese Arbeit bedient sich der amerikanischen Zitierweise. Trotzdessen wurde ein kleiner Fußnotenapparat beigefügt, der weiterführende Informationen bietet, die ansonsten im Rahmen der amerikanischen Zitierweise den Lesefluss erheblich beinträchtigen würde.

1. Einleitung

Frank Niebuhr spricht Parteimitgliedern eine große Bedeutung für die Parteiarbeit zu, in dem er sie unter anderem als den „Ideenmotor einer Partei“ (2009: 251) und weitergehend als „Multiplikatoren vor Ort“ (ebd.) betitelt. Diese Ansicht des derzeitigen Beauftragten für Mit- glieder- und Bürgerbetreuung der CDU-Bundespartei kann allerdings stark in Kontrast zu der allgemein in Öffentlichkeit und Wissenschaft kontrovers diskutierten These vom Niedergang der politischen Mitgliederparteien in der Bundesrepublik Deutschland gesehen werden. Die häufig angeführten Argumente für die Diagnose eines Niedergangs der Mitgliederparteien reichen von dem zu beobachtenden quantitativen Mitgliederschwund, über den Attraktivitäts- verlust von Parteien und einer subjektiv wahrgenommenen Politik- und Parteienverdrossen- heit der Bevölkerung1, hin zu einem insgesamt zu konstatierenden Spannungsfeld zwischen Mitglieder- und Wählerorientierung der Parteien.

Damit einhergehend gilt es zu überprüfen, ob und in wie weit die oft angeführte Behauptung eines Bedeutungsverlustes der Mitglieder beobachtet werden kann und welche Entwick- lungs- bzw. Wandlungstendenzen zu erwarten sind. Ist das sogenannte „goldene Zeitalter der Mitgliederparteien“ wirklich vorüber? Hat die Niedergangsdiskussion im zeithistorischen Kontext ihre Berechtigung? Können Parteien überhaupt ohne ihre Mitglieder auskommen? - Diese Fragen gilt es im Rahmen nachfolgender Arbeitshypothese zu beurteilen:

Trotz eines fortdauernd zu beobachtenden Mitgliederschwundes seit der Hochphase der Parteimitgliedschaften in den 1950er / 1960er Jahren gibt es zahlreiche Gründe, die gegen einen Bedeutungsverlust der Mitgliederparteien im Allgemeinen sprechen, jedoch einen Wandel bzw. Erweiterung des Typus der Mitgliederpartei konstatieren.

Ausgangspunkt dieser Hausarbeit stellt demnach der Typus der Mitgliederpartei dar, dessen Merkmale in Kapitel 2 kurz charakterisiert werden. In Kapitel 3 wird der den Parteien vorge- worfene Attraktivitätsverlust inkl. seiner Anreizschwächen problematisiert. Im darauf folgen- den Kapitel 4 wird die Frage gestellt, ob die Parteien ihre Mitglieder überhaupt noch brau- chen. Dieser Frage anschließend wird Kapitel 5 einen kurzen Ausblick über mögliche Alter- nativen zum Typus der Mitgliederparteien darlegen. Im Schlussteil (Kapitel 6) wird die Frage nach Wandel oder Krise der Mitgliederparteien beantwortet und die zuvor analysierten As- pekte zu einem Fazit gebündelt werden.

Insgesamt soll diese Arbeit einen Beitrag dazu leisten, die Diskussion um ein mögliches Ende der Mitgliederparteien kontrovers zu beleuchten und sie einer kritischen Bestandsaufnahme unterziehen.

2. Merkmale des Typus der Mitgliederparteien

2.1. Der Begriff der Mitgliederparteien: Ein Annäherungsversuch

Der Terminus der Mitgliederparteien ist in aller Munde, ohne jedoch einer spezifischeren Charakterisierung unterworfen worden zu sein. Der Parteienforscher Elmar Wiesendahl geht in seinem Werk „Mitgliederparteien am Ende? Eine Kritik der Niedergangsdiskussion“ gar soweit, dass er ihnen eine „typologische Unschärfe und Heimatlosigkeit“ vorwirft (2006: 16). Er legt ihnen zwar ein Verwandtschaftsverhältnis zur Massenpartei nahe, verweist gleichzei- tig aber darauf, dass diese keinesfalls mit der Mitgliederpartei identisch sein könne, da Letz- tere heute noch immer - im Gegensatz zur Massenpartei - Bestand habe (siehe dazu ebd.: 16 f.). Zahlreiche Versuche einer wissenschaftlich-quantitativen Annäherung an den Begriff führten zu keinem eindeutigen Ergebnis. Weder der Organisationsgrad einer Partei als Relation zwi- schen Wahlberechtigten und Parteimitgliedern, noch andere Zahlenwerte konnten hier eine nützliche Beihilfe leisten (vgl. ebd.: 20). Dieser Befund lässt sich dadurch untermauern, dass sich eine Operationalisierung bzgl. z.B. einer kritischen Mitgliedergröße als schwer heraus- stellt (vgl. Klein / von Alemann / Spier 2011: 20). Einigkeit herrscht mehrheitlich nur in der Annahme, dass ab einer bisher nicht spezifisch definierten Anzahl von Parteimitgliedern eine Beeinträchtigung der Parteiarbeit als Konsequenz auftreten könne (vgl. Biehl 2005: 24).

Andere Autoren wie beispielsweise Haungs (1994: 115) und Scarrow (2000: 80) sprechen den Mitgliederparteien das Minimalkriterium der organisierten Mitglieder zu. Wollinetz kriti- sierte diese Kriterium nicht zu Unrecht, da jener nach quasi alle Parteien Mitgliederparteien seien, sofern sie über einen breiteren Mitgliederstamm verfügten (vgl. Wollinetz 2002).

2.2. Der Typus der Mitgliederpartei nach Wiesendahl

Die zuvor aufgeführten Annäherungsversuche an den Terminus der Mitgliederpartei haben verdeutlicht, dass - in Haungs Worten - „keineswegs feststeht, was genau eine Mitglieder- partei ausmacht: […]“ (1994: 111). Hingegen sieht Wiesendahl in der Bedienung seitens der Mitgliederparteien von seinen „freiwilligen Mitgliedern und den von ihnen bereitgestellten Ressourcen zur Aufrechterhaltung und Erfüllung ihrer Kernaufgaben “ (i.ü.S. 2006: 20) eine Abgrenzung gegenüber anderen Parteiformen. Mitglieder werden für die Parteien somit eine „strategische Organisationsressource“ (Wiesendahl 2006: 20), die sich aus organisationslo- gischer Perspektive in einem Raum bestehend aus „wechselseitigem Mitgliedereinsatz und Mitgliedergratifikation“ (ebd.: 21) bewegt. In Anlehnung an Wiesendahl (ebd.: 21 f.) sollen nachfolgend fünf Bestimmungsmerkmale präzisiert werden, die in Abbildung 1 auf S. 4 ver- bildlicht vorzufinden sind.

Mitgliederparteien bezeichnen sich in der Außenkommunikation selbst als solche und be- kennen sich offiziell zu diesem Typus (vgl. dazu auch Beiträge aus Sicht der Parteien in Jun / Niedermayer / Wiesendahl 2009: 251 ff.). Damit einhergehend wird die Wichtigkeit der Basis2 betont, für welche die Parteispitzen mit dem Ziel der Mitgliederrekrutierung Werbung betrei- ben und versuchen, für (potentielle) Mitglieder attraktive Angebote (siehe unten) zu schaffen. Im Idealfall stellen die Mitglieder „ihrer“ Partei Ressourcen zur Verfügung: Diese bestehen aus inhaltlichen und finanziellen Beiträgen, Unterstützung in Wahlkämpfen vor Ort und der Einnahme einer Multiplikatoren- bzw. Botschafterrolle.3 Für diese Unterstützung bieten die Parteien ihren „Humanressourcen“ partizipatorische und ideologische Anreize: Erstere durch gewisse Privilegien in Form von Exklusivrechten (z.B. Elitenauswahl und Einfluss auf die Programmatik, die Nichtmitgliedern nicht oder nur in sehr geringen Ausmaß gewährt wird) und Karrierechancen. Durch ideologische Anreize wie beispielsweise einem Pool von Mit- gliedern mit ähnlichen Werte- und Politik- bzw. Policy-Vorstellungen werden Mitglieder aktiv eingebunden und können sich mit der Partei besser identifizieren. Abschließend sieht Wie- sendahl organisationslogisch die Merkmale der Freiwilligkeit, politischen Teilhabe und einer (gemeinsamen) Programmorientierung und Ideologie im Vordergrund der Mitgliederparteien.

Abb. 1: Die 5 Bestimmungsmerkmale des Typus der Mitgliederpartei nach Wiesendahl 2006 (Eigene Grafik)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bukow und Poguntke (2013) bezeichnen das Modell der Mitgliederpartei für die deutschen Parteien als das „Idealbild von Parteiorganisation“ (zit. nach Schroeder / Neumann 2010: 208). Es soll an dieser Stelle der Vollständigkeit halber kurz angeführt werden, dass die zu- vor genannte Mitgliederorientierung der Mitgliederparteien gleichzeitig in einem Spannungs- verhältnis zu ihrer Wählerorientierung steht (vgl. Wiesendahl 2006: 23). Dies bedeutet kon- kret, dass es der Parteispitze durch einen Akt der Ausbalancierung gelingen muss, dass sich die Mitglieder mit den Wahlzielen und Politikvorstellungen identifizieren können, die Partei im selben Atemzug ihre Attraktivität dem Wähler gegenüber nicht verlieren darf (vgl. ebd.: 24).

3. Der Attraktivitätsverlust von Parteien: Ausgangspunkt und Hintergründe

Im vorherigen Kapitel ist anhand der Bestimmungsmerkmale von Mitgliederparteien deutlich geworden, dass die Mitglieder für diesen Parteitypus in mehreren Hinsichten das zentrale Element darstellen. Dieser Befund steht jedoch mit den Phänomenen des oft konstatierten Attraktivitätsverlustes von Parteien und ihren Anreizschwächen in Konflikt, die mitunter als Begründung für den zu beobachtenden Mitgliederschwund genannt werden. Es sollen im Folgenden ohne Anspruch auf Vollständigkeit die gängigsten Argumente für den Verlust der Attraktivität von Parteien in Deutschland vertieft werden.

[...]


1 Dieser Teilaspekt wird in dieser Arbeit nicht vertieft werden. Für eine Vertiefung der Thematik, siehe unter anderem Kai Arzheimer 2002: Politikverdrossenheit. Bedeutung, Verwendung und empirische Relevanz eines politikwissenschaftlichen Begriffs.

2 Autoren wie Mair teilen die Partei für eine vereinfachte Analyse in drei unterschiedliche Ebenen ein: „party on the ground“ (Parteibasis mit ihren Mitgliedern), „party in public office“ (Abgeordnete und Mandatsträger) und „party in central office“ (Parteiapparat mit seinen hauptamtlichen Mitarbeitern).

3 Eine Spezifizierung der Rolle und Bedeutung von Mitgliedern in und für Parteien wird in Kapitel 4 vorgenommen.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Mitgliederparteien in Deutschland. Zwischen Untergang, Krise und Wandel
Untertitel
Eine kritische Untersuchung der Niedergangsdebatte
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
17
Katalognummer
V354608
ISBN (eBook)
9783668406704
ISBN (Buch)
9783668406711
Dateigröße
770 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mitgliederparteien, deutschland, zwischen, untergang, krise, wandel, eine, untersuchung, niedergangsdebatte
Arbeit zitieren
Ricardo Hoffmann (Autor:in), 2015, Mitgliederparteien in Deutschland. Zwischen Untergang, Krise und Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354608

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