Von 1935 – 1945 bestimmten die Nationalsozialisten, welche Kunstwerke in Deutschland als entartet galten und welche sie für ihre politischen Zwecke nutzen konnten. Die für sie unangemessene Kunst verkauften die Nationalsozialisten ins Ausland, verbargen diese vor der Bevölkerung oder vernichteten diese im schlimmsten Fall.
Nach 1945 wurden dann zum Großteil die Kunstwerke der Nationalsozialisten vernichtet. Die erhalten gebliebenen Werke wurden abfällig Nazi-Kunst genannt und weggeschlossen. Der Öffentlichkeit werden diese nur in den seltensten Fällen zugänglich gemacht.
Die Friedrich-Schiller-Universität in Jena beherbergt ein Rektorenporträt aus der Zeit des "Dritten Reichs". Sicher verwahrt liegt dieses Porträt eines ehemaligen und stark umstrittenen Rektors der Universität im Depot der Kustodie und mit diesem Porträt auch die Frage: Wie geht man heute mit der Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus um?
Weggeschlossen
Der Umgang mit dem einzigen Kunstwerk des Nationalsozialismus das der Friedrich-Schiller-Universität erhalten blieb.
Eine Objektbiographie
Von 1935 – 1945 bestimmten die Nationalsozialisten, welche Kunstwerke in Deutschland als entartet galten. Heute sind es ihre Kunstwerke, die sich meist nur noch hinter verschlossenen Türen finden.
Die Friedrich-Schiller-Universität in Jena beherbergt genau ein Kunstwerk aus dieser Zeit. Sicher verwahrt liegt ein Porträt eines ehemaligen und stark umstrittenen Rektors der Universität im Depot der Kustodie.
Zwischen dem großen Bibliotheksgebäude und unscheinbaren Wohnungen, findet sich eingeschlossen von einer Mauer, das Frommannsche Anwesen, welches seit 1999 das Institut für Germanistische Literaturwissenschaft und das Kunsthistorische Seminar der Friedrich-Schiller-Universität beherbergt.
Das riesige Gebäude wird durch unterschiedliche Bezeichnungen unterteilt, um eine gewisse Übersichtlichkeit in dem verwinkelten Gebäude zu schaffen. Dennoch muss der Besucher der Kustodie wissen, dass er zum Majorflügel muss, denn das ersehnte Schild findet sich erst im inneren des Anwesens. Einige Treppen später, findet sich oben, dass mir bereits bekannte Arbeitszimmer von Dr. Babett Forster, der Leiterin der Kustodie.
Auf einem Tisch liegend, wartet das Objekt, welches es zu beschreiben gilt, bereits auf mich.
Das Porträt des Theologen Wolf Meyer-Erlach (1891-1982), welches von dem Künstler Karl Naumann (nicht signiert) zwischen 1935 und 1937 angefertigt wurde, zeigt einen älteren Mann in einer purpurnen Tracht vor dunklem Grund, im Brustbild frontal nach rechts.
Das hochformatige Bild umfasst die Maße 65,00 x 50,00 cm. Die Maltechnik ist Öl auf Leinwand.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Porträt Wolf Meyer-Erlach, Theologe (1891-1982)
Das Gesicht liegt im ¾ Profil. Die Miene ist ernst. Der Blick des Porträtierten geht bei frontaler Ansicht an dem Betrachter vorbei. Um den Mundbereich und im Kinn weist die Haut einige Falten auf, die das fortgeschrittene Alter des Theologen verdeutlichen.
Gekleidet in einen purpurnen Retortalar mit Barett und goldener Amtskette trägt er die typischen Attribute eines Rektors. Der Retortalar hat einen V-förmigen Ausschnitt, unter dem ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte hervor scheinen. Zentral im Bild auf der Krawatte prangt ein runder Anstecker mit Hakenkreuz.
Die Amtskette zeigt auf Brusthöhe ein Emblem. Auf diesem ist schemenhaft eine bläulich gekleidete Person mit einem Zepter zu erkennen. Bei dieser schemenhaften Gestalt handelt es sich um ein Porträt des Gründers der Jenaer Universität, Johann Friedrich I. Dieses Porträt gehörte als Mitteteil zu der Rektorkette. Die Kette ist des Weiteren mit blauen und grünen Steinen geschmückt.
Der Hintergrund hat über den Schultern von Wolf Meyer-Erlach einen bräunlichen Ton, der nach oben hin immer dunkler wird, bis er schließlich fast schwarz ist.
Es gibt nur wenige Schattierungen auf dem Bild. Diese findet sich unter dem Kinn und an wenigen Stellen der linken Gesichtspartie, insbesondere an der Nase, was auf eine Lichtquelle von oben links schließen lässt. Schattierungen im Gewand lassen sich teils nur erahnen.
Das Porträt wird im Wesentlichen von dem purpurnen Gewand geprägt. Das Gewand bildete einen starken Kontrast zum dunklen Hintergrund. Ein weiterer Kontrast bildet die purpurne Farbe zu dem deutlich helleren Gesicht.
Neben dem farblichen Kontrast gibt es einen deutlichen Qualitätskontrast. Während das Gesicht sehr detailreich mit Falten und schlechten Rasurstellen ausgestattet wurde, fallen Haare, Kleidung und Schmuck sehr ungenau aus.
Die groben horizontalen Farbstriche bei dem Gewand und die vertikalen beim Barett weisen auf Malen mit einem groben Pinsel hin.
Die Maserung der Leinwand ist noch sehr deutlich zu erkennen. Ein Hinweis auf einen eher dünneren Farbauftragung, der dennoch deckend ist.
Gerahmt ist das Porträt in einen goldlackierten Holzrahmen. Rote Striemen lassen vermuten, dass dieser vorher rötlich gefärbt war. In der linken Ecke ist der Rahmen leicht beschädigt, wodurch das helle Holz unter der Lackierung sichtbar wird. Das lackierte Holz fühlt sich angenehm glatt und kühl an.
Durch die realitätsnahe Reproduktion des Gesichtes, wird der Fokus des Betrachters unweigerlich auf dieses gelenkt. Vom Gesicht wandert der Blick zu der farblich präsenten Rektorskette. Dabei wandert die Aufmerksamkeit zentral am Bild herab. Trotz historischer Präsenz und der zentralen Lage im Bild fällt der Blick erst durch diese Blickleitung des Betrachters auf das NSDAP-Parteiabzeichen.
Der Künstler Karl Naumann
Das Bild des Rektors ist nicht signiert, dennoch ließ sich feststellen, dass Karl Naumann dessen Erschaffer war. Helle Rasche, eine Tochter des Künstlers, schenkte der Universität Jena das Porträt am 31.07.1980.
Karl Naumann arbeitete ab dem 31 August 1912 an der Universität Jena als Zeichenlehrer auf Honorarbasis. Zweimal fiel der Zeichenlehrer für ein ganzes Sommersemester aus gesundheitlichen Gründen aus. Sein eigentlicher Arbeitsplatz war am Reform-Realgymnasiummit Lyzeum in Jena. Am 18. April 1934 teilte der Rektor der Universität dem Volksbildungsministerium mit, dass der „Lehrer der freien Künste“ Karl Naumann in den Ruhestand geht und somit auch seine Tätigkeit als Universitätszeichenlehrer ab dem 1. April 1934 nicht weiter nachgehen werde.
Für das Porträt von Wolf Meyer-Erlach kehrte der ehemalige Zeichenlehrer aus seinem Ruhestand zurück und fertigte das Bildnis an. Im Gegensatz zu seinen anderen Arbeiten wirkt das Bild des Rektors recht lieblos. So fertigte Karl Naumann um 1928 ein Porträt von Karl von Hase an, welches mit der gleichen Technik bearbeitet wurde.
Detailliert und sorgfältig fällt das Porträt aus. Alterszeichen zeigen sich nicht nur im Gesicht, sondern auch an hier vorhanden Händen. Die Accessoires wurden ebenfalls sorgfältiger ausgearbeitet, als die Rektorkette von Wolf Meyer-Erlach. Und im Gegensatz zu dem Porträt des NSDAP-Mitglieds befindet sich an diesem Bild eine Signatur an der Leinwandrückseite.
Wollte Karl Naumann mit dem Werk nicht in Verbindung gebracht werden? Gefiel ihm seine grobe Arbeit nicht oder fiel seine Arbeit so grob aus, weil er irgendeine Abneigung bezügliche der Anfertigung empfand. Immerhin war Wolf Meyer-Erlach schon zu seiner Amtszeit stark umstritten und nicht von allen universitären Mitgliedern in dem Amt gewollt.
Der Mann hinter dem Bild :Wolf Meyer-Erlach
Wolf Meyer-Erlach studierte Theologie in Erlangen und Tübingen. Er diente ab 1914 als Kriegsfreiwilliger. Durch eine Gehirnverletzung dienstunfähig legte er 1916 seine erste theologische Prüfung ab. Danach arbeitete er als Pfarrer in Fessenheim und in Würzburg-Heidingsfeld. Er unterstützte die NSDAP und wurde 1933 ein offizielles Mitglied dieser.
Durch seine Mitgliedschaft in der NSDAP wurde er gegen den Willen der Theologischen Fakultät und ohne Promotion an die Universität Jena berufen. Er praktizierte bis 1945 als Professor der Praktischen Theologie. In diesem Zeitraum wurde er erst Dekan der Theologischen Fakultät in Jena. Abermals gegen den Willen dieser wurde er anhand einer Stimmenabschätzung und gegen das Votum des Lehrkörpers zum Rektor der Universität ernannt. Seine Amtszeit als Rektor sollte nur kurze Zeit dauern. Vom April 1935 bis zum Oktober 1937 amtierte er, bevor er von seinem Vorgänger Abraham Esau ersetzt wurde.
Meyer-Erlachs Zeit als Rektor stand unter keinem guten Stern. Er war immer wieder massiven Angriffen ausgesetzt. Ihm wurde oft der fehlende akademische Titel vorgeworfen. Erst 1937 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Athen, als er einen Gastaufenthalt in Griechenland absolvierte.
Außerdem wurde ihm vorgeworfen, dass er 1929 eine Ansprache zur Einweihung einer Synagoge in Würzburg gehalten hielt. Dies brachte ihn bei einigen NSDAP-Mitgliedern den Namen Synagogen-Meyer ein.
Er selbst war Christ, der eine Loslösung des Christentums von den jüdischen Ursprüngen wünschte. Daher ließ er seinen Nachnamen von Meyer auf Meyer-Erlach ändern, da sich sein Name nach seinem Erachten zu jüdisch klang. Dennoch führte der Synagogen Vorwurf dazu, dass er aus einigen NSDAP Sachen im pädagogischen Bereich herausgehalten wurde.
Nach seiner Zeit als Rektor blieb Wolf Meyer-Erlach noch bis 1945 an der Universität als Professor der praktischen Theologie tätig, bis er aufgrund seiner Unterstützung der NSDAP nach dessen Ende entlassen wurde.
Woher kommt das Bild?
Blättert man durch die Akten des Universitätsarchivs, scheint es so, als hätte das Porträt nie existiert. Es gibt keine Aufforderung an Wolfgang Meyer-Erlach ein Porträt für die Sammlung der Rektorbilder anzufertigen. Dennoch scheinen die Porträts der Rektoren nicht an Wert verloren zu haben. Denn am 12 März 1940 wurde Paul Burghart beauftragt Rektorbildnisse zu restaurieren.
Es existieren auch keine Briefe, die Wolfgang Meyer-Erlach und Karl Naumann miteinander ausgetauscht hätten. Nur ein Brief vom Ministerialrat Stier am 28 August 1936 bezüglich eines landschaftlichen Ölgemäldes belegt, dass Karl Naumann noch aktiv malte.
Die einzige Verbindungslinie zwischen Maler und Modell ist somit die Friedrich-Schiller-Universität Jena, bei der sie eine Zeit lang gleichzeitig arbeiteten. Ein persönliches Verhältnis ist somit nicht ausgeschlossen, aber auch nicht belegt. Genauso könnte es sein, dass Karl Naumann Wolfgang Meyer-Erlach empfohlen wurde.
Weiterhin ist nicht ganz klar, ob das Bild eventuell eine private Anfertigung war und ob das Bild nach seiner Fertigstellung überhaupt in den Universitätsbesitz ging. 1980 befand sich, das Bild bei der Tochter Naumanns, eventuell hat das Porträt nie seinen Erschaffungsort bis zu diesem Zeitpunkt verlassen.
Das Fehlen der Signatur und die zum Teil detailarme Arbeit des Künstlers könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass das Bild nie offiziell fertiggestellt wurde. Die Amtszeit Erlachs war recht kurz und das Datum des Auftrages nicht bekannt. Eventuell wurde das Bild nicht mehr benötigt und Naumann sah keinen Grund das Porträt zu verfeinern. Genauso wäre es möglich, dass Erlach mit der Arbeit Naumann unzufrieden war und das Bild nicht abnahm.
Die Vergangenheit des Bildes ist schwammig und auch jetzt noch ist es größtenteils unbeachtet. Seine Existenz ist vielen vermutlich gar nicht bekannt und durch das NSDAP-Parteizeichen eher umstritten, wenn es darum geht, es in irgendwelche Ausstellungen mit einzubeziehen.
Der „Jenaer Bildstreit“ um die „Acht Magnifizenzen“ zeigte, dass Rektorenbilder mit einem fraglichen historischen Hintergrund sehr umstritten aufgefasst werden. Dies mag einer der Gründe sein, warum das Porträt von Wolfgang Meyer-Erlach seit 1980 einen Großteil seiner Zeit in der Kustodie und nicht an einem öffentlichen Platz fristet.
Abbildungsverzeichnis:
Naumann, Karl. Porträt Wolf Meyer-Erlach. 1935-1937. Ölgemälde. Kustodie Friedirch-Schiller-Universität Jena, Jena.
- Arbeit zitieren
- Jasmin Dahler (Autor:in), 2016, Der Umgang mit einem Rektorenporträt aus der NS-Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358453
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