Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Definition Aggression
2.2 Begriffsbestimmung von Kommunikation
2.3 Kommunikationsförderung
2.4 Zusammenhänge zwischen Kommunikation und Aggression
2.5 Zusammenhänge zwischen Kommunikation und sozialem Lernen
2.6 Kommunikation und Unterricht
2.6.1 Methoden der Kommunikationsförderung
2.6.2 Das Rollenspiel
3. Planung
3.1 Lerngruppenbeschreibung
3.2 Vorhabenbezogene Lernvoraussetzungen
3.3 Richtlinien /KMK- Empfehlungen
3.4 Didaktisch- methodische Überlegungen
3.4.1 Didaktische und methodische Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt Kommunikation
3.4.2 Didaktische und methodische Entscheidungen unter Berücksichtigung der emotionalen und sozialen Entwicklung der Schüler
3.4.3 Didaktische und methodische Entscheidungen nach motivationalen Aspekten
3.5 Lernziele
3.6 Erarbeitung der Beobachtungsfragen
4. Darstellung einzelner Unterrichtssequenzen 20
4.1 Darstellung einer Wutsituation durch Rollenspiel
4.2 Die Schüler spielen unterschiedliche Situation mit Unterstützung des Wutzauberspruchs
4.3 Die Schüler spielen unterschiedliche Situationen mit Unterstützung der Selbstbehauptung, des Wutzauberspruches und der Wutsätze
4.4 Ich kann Sätze unterschiedlich sagen
4.5 Zusammenfassung des Lernzuwachses der beobachteten Schüler
5. Abschlussreflexion
6. Literatur
7. Anhang
1.Einleitung
Die folgende Arbeit dokumentiert die Planung, Durchführung und Reflexion einer Unterrichtseinheit zur Förderung der Kommunikationsfähigkeit in einer fünften Förderschulklasse.
Dem Entschluss, die Schüler[1] in ihrem Sprachverhalten zu fördern, liegt die Überlegung zu Grunde, Aggression[2] durch Kommunikation vorzubeugen und abzubauen. Als ich der Klasse begegnete, zeigten die Schüler wenig positives Sozialverhalten[3] und der Schulalltag wurde von aggressivem Verhalten bestimmt. Die Schüler waren nur bedingt in der Lage, ohne Konflikte die Pause zu gestalten oder offene Unterrichtssituationen zu bewältigen. Durch die Spracharmut, die fast durchgängig bei den Schülern festzustellen war, erlebte ich Konfliktgespräche als sehr kontraproduktiv. Die Schüler konnten Konflikte auch mit Unterstützung des Lehrers nicht lösen, da sie Schwierigkeiten hatten, auf sprachliche Muster zurückzugreifen und sich verbal zu äußern. Unter den Kindern konnte ich selten kommunikativen Austausch beobachten. Ein hoher Grad an Verunsicherung und Sprechhemmung wurde auch in den unterschiedlichsten Unterrichtssequenzen deutlich. Die Schwierigkeiten in den Bereichen Syntax und Artikulation sowie in der Intonation erschwerten neben dem sehr geringen Wortschatz Unterrichtsgespräche erheblich. Die Schüler konnten oft auch einfache Fragen aufgrund ihrer Kommunikationsschwierigkeiten nicht beantworten.
Durch diese Defizite wurden Konflikte durch Missverständnisse geschürt.
Der Unterrichtsversuch basiert auf der Annahme, dass kommunikative Kompetenz aggressives Verhalten vermindern kann (vgl. Kapitel 2.4).
Das Rollenspiel stellt meiner Überlegung nach eine geeignete Methode dar, Kindern vielfältige Möglichkeiten zu bieten, um kommunikativen Austausch zu erleben, auszuprobieren und zu erfahren. Aus diesen Überlegungen ergibt sich folgende Leitfrage: Kann durch Rollenspiel die Kommunikationsfähigkeit der Schüler gefördert werden?
Die Arbeit wird ihren Schwerpunkt innerhalb des Kommunikationsbegriffes auf die Sprachverwendung legen und damit nur Teilbereiche der Kommunikationsförderung durchleuchten.
Im Folgenden werde ich theoretische Ausführungen sowie Begriffsbestimmungen zu Aggression, Kommunikation und Kommunikationsförderung sowie deren Zusammenhänge darlegen, um sie in der anschließenden Planung meines Unterrichtsversuches auf die Praxis zu beziehen.
Die aus diesem Teil hervorgehenden Beobachtungsschwerpunkte werde ich auf unterschiedliche Unterrichtssequenzen beziehen und versuchen durch detaillierte Beobachtungen und Reflexionen meine Leitfrage im Abschluss zu überprüfen.
2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Um die Zusammenhänge von Aggression und Kommunikation deutlicher zu machen, werden sich meine theoretischen Ausführungen sowohl auf Aggression als auch auf Kommunikation beziehen.
Grundannahme dieser Arbeit ist, dass durch eine steigende kommunikative Kompetenz[4] aggressives Verhalten vermindert werden kann. Um diese Grundannahme zu verifizieren, wird im Folgenden Aggression und Kommunikation definiert, auf Aspekte der Kommunikationsförderung eingegangen, um schließlich einen begründeten Zusammenhang zwischen Aggression und Kommunikation aufzuzeigen.
2.1 DEFINITION AGGRESSION
Das Wort ‚Aggression’ (lat. aggredi) bedeutet soviel wie Angriff. Man bezeichnet denjenigen als aggressiv, der einem anderen Menschen direkt (durch Körperverletzung: beißen, schlagen, treten etc.) oder indirekt (durch seelische Kränkung: beleidigen, herabsetzen, entwerten) schädigen möchte.
Eine einheitliche Definition für Aggression ist in der Literatur nicht zu finden, da es grundsätzlich nicht möglich ist „zu sagen, welche Verhaltensweisen aggressiv sind, sondern nur, welche wir aggressiv nennen“ (Nolting 1993, 22).
Es wird allgemein von zwei Definitionssträngen ausgegangen (vgl. Krech 1992, Bd. 7; 4). Nach der ersten verhaltensbezogenen Definition ist Aggression jedes Verhalten, das anderen schadet. Nach der zweiten Definition, die von der Absicht ausgeht, ist Aggression jede Handlung, die der Absicht dient, anderen zu schaden. Die erstgenannte Fassung von Aggression benennt ein beobachtbares Verhalten, während die zweite intrapersonelle Faktoren anspricht.
In der Literatur wird die Sozialisation des Menschen als ausschlaggebend für den Umgang mit Aggressionen verstanden. Um Konflikte zu verhindern müssen Menschen lernen mit Aggression adäquat umzugehen.
„Ein Großteil der Konflikte unter Kindern und Jugendlichen basiert auf ihrer allgemeinen Gereiztheit bzw. ihrer Unfähigkeit, Spannungen auszuhalten, ohne unmittelbar (aggressiv) darauf zu reagieren.“ (Walker 1991,10)
Hans-Peter Nolting beschreibt deutlich, dass Aggression in der Definition nicht trennbar von Emotion ist:
„Wie selbstverständlich scheinen (innere) aggressive Empfindungen und (äußeres) aggressives Verhalten so eng zusammenzugehören, dass man beides in demselben Wort vereinigt und es oft kaum zu erkennen ist, ob jemand ein Verhalten oder eine Emotion oder beides meint.“ (Nolting 1993, 26)
Aggression und aggressives Verhalten wird in der Literatur getrennt beschrieben.
„Aggression will heißen Angriffsverhalten, Angriffshandlung, während Aggressivität eher die Angriffsbereitschaft, das Angriffsbedürfnis, die Angriffslust bezeichnet.“ (Battegay 1979, 9)
In meiner schriftlichen Darstellung gehe ich von der Begriffsbestimmung im personellen Bereich aus. Um Aggressives Verhalten zu erkennen und evtl. Veränderungen zu beobachten, kann ich mich nur auf sichtbare d.h. verhaltensbezogene Aspekte beziehen. Unter Aggression verstehe ich in diesem Bezug Verhalten, welches anderen schadet. Der Absichtsaspekt wird in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden können.
2.2 BEGRIFFSBESTIMMUNG VON KOMMUNIKATION
Kommunikation [lateinisch communicare, (mit-)teilen] bedeutet die Übermittlung und das Empfangen von Gedanken, Informationen und Nachrichten.
Klippert unterscheidet zwei grundlegende Elemente von Kommunikation: Verbale Kommunikation und nonverbale Kommunikation. Diese Elemente haben eine gleichrangige Bedeutung (vgl. Klippert 2001, 19). Verbale und nonverbale Ausdrucksformen, gleich ob sie mit oder ohne Stimme realisiert werden, stehen gleichberechtigt nebeneinander. „Gesprächs- und Redefähigkeit lässt sich nur im Zusammenspiel aller Kommunikationsanteile verbessern.“ (Klippert 2001, 19)
Die nonverbalen Gesichtspunkte der Kommunikation wie Mimik und Gestik sind Botenträger von Sprache. „Nicht zuletzt ist Sprache immer mit dem Aussenden körpersprachlicher Signale verbunden.“ (Trautmann 2000, 12)
Redeanteile können durch Gestiken sowie Mimiken gelenkt und verdeutlicht werden und sind somit wesentliche Aspekte der Kommunikation. Dieser wichtige und tragende Bereich lässt sich dennoch nur zweitrangig in der Schule behandeln, da den Schülern vorrangig die Angst und Hemmung des freien Sprechens genommen werden muss. Die nonverbalen Kriterien von Kommunikationsfähigkeit schließen sich daran an.[5]
Pavel Watzlawick (1969) entwickelte Regeln, die Kommunikation erklären und verstehen lassen. Die Hauptaussage ist die Feststellung, dass Kommunikation nicht linear sondern kreisförmig verläuft. Es gibt kein Anfang und kein Ende: „Damit werden die üblichen Fragen nach Ursache-Wirkung, Gegenwart - Vergangenheit, oder bewusst - unbewusst von nachrangiger Bedeutung.“ (Wellhöfer 2001, 37)
Die Grundannahme von Watzlawicks Kommunikationstheorie lautet deshalb:
Menschliche Kommunikationsprozesse sind regelhaft uns können als Kreissysteme aufgefasst werden.
Nach Watzlawick gelten folgende Axiome:
1. Man kann nicht nicht kommunizieren.
2. Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.
3. Jedes Kommunikationsverhalten ist gleichzeitig Reiz und Reaktion.
4. Wir verwenden entweder digitale oder analoge Kommunikation (entweder klare Fakten/Daten oder Bilder/Analogien)[6]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Schulz von Thun (1989) konkretisiert seine Überlegungen in Bezug auf Kommunikation und nennt diese Konkretisierung ‚Anatomie der Nachricht’ (vgl. Schulz von Thun 1998). Die Anatomie der Nachricht kann man durch eine graphische Darstellung[7] verdeutlichen.
Die Botschaft auf der Inhaltsebene entspricht der sachlichen Mitteilung, die vorwiegend verbal gesendet wird. Auf der Beziehungsebene verlaufen die Prozesse auf ‚sprachfreie’ Weise: Durch Betonung, Gestik, Mimik und damit auch durch unsere ‚Körpersprache’[8] signalisieren wir dem Empfänger, wie die Inhalte zu verstehen sind. Wir teilen ihm aber auch gleichzeitig mit, wie wir die Beziehung zu ihm sehen (vgl. Wellhöfer 2001, 23).
2.3 KOMMUNIKATIONSFÖRDERUNG
„Kommunikation muss gelernt werden, kleinschrittig, durch vielfältige Übungen und themenzentrierte Sprechanlässe.“ (Klippert 2001, 17)
Die sprachlichen Kompetenzen ‚Begriffsbildung’, ‚Syntax’ und ‚Morphologie’ stellen Teilbereiche der kommunikativen Kompetenz[9] dar. Diesen Bereichen übergeordnet ist die Sprachverwendung. Das Ziel jeder Sprachförderung ist, Geübtes in Alltagssituationen zu verwenden.
Kommunikationsförderung kann sich auf verschiedene Bereiche der Kommunikation beziehen:
Bereiche von Kommunikationsförderung:
- Wortschatzerweiterung
- Artikulation
- Mimik/Gestik
- Syntax
Ein Hauptaugenmerk von Kommunikationsförderung ist die Fokussierung auf die Sprachverwendung. Folgende Darstellung verdeutlicht die Grundaspekte der Kommunikationsförderung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der vorliegende Unterrichtsversuch hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder in ihren kommunikativen Kompetenzen zu fördern, wobei auch hier der Fokus auf der Sprachverwendung liegen soll. Die Bereiche ‚Syntax’ und ‚Morphologie’ sind meinem Ziel, die Schüler in ihren kommunikativen und somit sozialen Kompetenzen zu fördern, untergeordnet.
Durch die folgende Darstellung wird deutlich, wie sehr Kommunikationsförderung mit dem Ausbau der Identität und mit sozialen Faktoren zusammenhängt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Hans Joachim Grünwaldt vergleicht Sprachunterricht mit Kommunikationstraining und formuliert die wesentlichen Unterschiede:
„Trotzdem ist Kommunikationstraining auch faktisch etwas wesentlich anderes als Sprachunterricht. Erstens spielt bei ihm die Vermittlung theoretischer Kenntnisse eine geringere Rolle. Theoretische Kenntnisse (wie beispielsweise Grammatik-Theoreme) haben bei kommunikativen Übungen nicht wie im Sprachunterricht einen Wert an sich. Sie haben funktionale Bedeutung, werden nur vermittelt, wenn dadurch sich die kommunikative Kompetenz der Schüler erweitert.“ (Grünwaldt 1984, 5)
2.4 ZUSAMMENHÄNGE VON KOMMUNIKATION UND AGGRESSION
Kommunikation, also das Austauschen von Informationen zwischen Menschen, erfolgt auf verschiedenen Ebenen (nonverbale und verbale Aspekte)[10]. Kommt es durch ungenügende sprachliche Fähigkeiten beim Austausch von Informationen zu Missverständnissen oder Fehlinformationen kann sich aggressives Verhalten entwickeln. Informationen sind die Boten, die uns verstehen lassen und Reaktionen hervorrufen. „Wer kommuniziert teilt etwas mit, er vermittelt einen Inhalt, eine „Botschaft“. (Kliebisch 1995, 21)
Untersuchungen (vgl. Neumann 2002, 74). haben ergeben, dass verbale und nonverbale Aggression an der Spitze der Gewaltskala stehen. Die Hemmschwelle, tatsächlich Gewalt auszuüben, setzt sich bei häufigem Gebrauch verbaler und nonverbaler Kraftausdrücke herab. Wenn Auseinandersetzungen verbal nicht handelbar sind, wird nicht selten auf Handgreiflichkeiten ausgewichen.
Um Schüler in Konfliktsituationen stark zu machen und somit die Gewaltbereitschaft zu senken, müssen Kommunikationsstrategien entwickelt und eingeübt werden. Aggressionen können abgebaut werden, wenn Kommunikationsfähigkeiten Konfliktsituationen entschärfen können und zum konstruktiven Umgang miteinander befähigen.
„[…] Ziele eines Kommunikationstrainings könnten sein: Sprachlosigkeit überwinden, Schlagfertigkeit üben, hilfreiche Erwiderungen auf Beleidigungen und Provokationen finden, eigene Stabilität und Sicherheit erlangen.“ (Neumann 2002, 75)
Selbstdarstellung durch Sprache und Sensibilität für andere sind wichtige Vorraussetzungen für die Bildung einer starken, stabilen Ich-Identität, für Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl (vgl. Harnisch 1983, 39).
Grünwaldt beschreibt deutlich, wie wichtig Sprache für die Wahrnehmung von Emotionen ist (vgl. Grünwaldt 1984). Ausschlaggebend ist, dass eigene Gefühle sprachlich benannt und unterstützt werden können. Durch diese Fähigkeit können Fremdemotionen leichter verstanden und behandelt werden. Wenn Empfinden formuliert wird, kann ein Gegenüber reagieren und evtl. darauf eingehen. Hierdurch werden Grundsteine des Verstehens untereinander gelegt. In diesem Kontext müssen Ich- und Du-Botschaften[11] erläutert werden, da diese auf Empfindungen abzielen und deutliche Informationen weiterreichen.
„Solche Kommunikation muss zum einen präzise und deutlich sein, und Ich-Botschaften sind dies, weil sie die entscheidende Realität, die das eigene Erleben und Verhalten bestimmt, nicht vertuschen, sondern deutlich mitteilen – eben die eigenen Empfindungen.“ (Nolting 1993, 244)
Du-Botschaften werden vom Gegenüber oft kritisierend und provokant verstanden. „Du-Angriffe sind konfliktträchtig, weil sie häufig als Kritik und Heransetzung erlebt werden.“ (Wellhöfer 2001, 36) Die Botschaft an eine Person sollte, um Gegenaggression so wenig wie möglich zu provozieren, die Haltung gegenüber dem Gesprächspartner nicht mit senden.
Gerade im Kontext ‚Gewalt und Aggression’ wird deutlich wie hoch der Bedarf einer Förderung des ‚Verstehens’ untereinander – also die Kommunikation – ist.
Dass Kommunikation eine Alternative zur handgreiflichen Auseinandersetzung darstellt, steht wohl außer Frage. Eine naive Formel wie ‚Reden statt schlagen’ trifft die Sache jedoch schon deswegen nicht, weil verbale Gewalt das Ausmaß und die Intensität physischer Gewalt weit übertreffen kann. Es stellen sich aber auch andere Schwierigkeiten bei der Konfliktlösung durch Kommunikation. Die Kommunikationstheoretiker Watzlawick, Beavin und Jackson stellten 1967 die bis heute umstrittene These auf, dass alles Verhalten Kommunikation sei (vgl. Wellhöfer 2001, 38). Unter dieser Prämisse liegt es nahe, bei Kindern und Jugendlichen mit Verhaltensstörungen auch eine Störung der Kommunikation anzunehmen. Dementsprechend kann Kommunikation hier nicht bedingungslos als die alles lösende Alternative angesehen werden. Wenn Kinder und Jugendliche lernen sollen, kommunikativ mit Konflikten umzugehen, müssen sie mit dem nötigen ‚Handwerkszeug’ ausgerüstet werden. Sie müssen wissen, worum es bei der Kommunikation geht, auf welchen Ebenen Störungen auftreten können, wie daraus u. U. eben auch Konflikte entstehen. Sie müssen auch lernen, Konflikte positiv zu betrachten, und gleichzeitig die Gefahren unbewältigter Konflikte erkennen. Es müssen Wege und Mittel aufgezeigt werden, wie sie trotz aller Schwierigkeiten gelöst werden können, ohne Gewalt oder Isolierung. Und nicht zuletzt müssen die Schüler lernen, dieses Wissen in die Tat umzusetzen:
„Ziel der Bemühungen muss es deshalb sein, dem Schüler Verhaltensalternativen aufzuzeigen. Dies macht erforderlich, zusätzlich zu den kognitiven Vorraussetzungen solche Fertigkeiten zu trainieren, die ein sozial kompetentes Verhalten auszeichnen und bei denen verhaltensauffällige, insbesondere aggressive Kinder, Mängel aufweisen.“ ( Petermann 1997, 39)
2.5 ZUSAMMENHÄNGE VON KOMMUNIKATION UND SOZIALEM LERNEN
Soziales Lernen:
„Soziales Lernen lässt sich als die Aneignung und Verarbeitung sozialer Wirklichkeit begreifen“ (Balz 2004, 151). Soziales Lernen ist ein Prozess der sich vorwiegend in Interaktion mit anderen Menschen, also in Situationen verbaler und nonverbaler Verständigung vollzieht. In diesem Prozess werden Einstellungen und Handlungsdispositionen erworben, die gesellschaftliche und gruppenspezifische Werte und Normen repräsentieren und individuelle Auseinandersetzungen mit ihnen widerspiegeln: „Soziales Lernen besteht in der Übernahme der von der Gesellschaft vorgeschriebenen Verhaltensweisen, Haltungen (Gesinnungen), und Leistungen“ (Ungerer-Röhrig 1990, 14) Soziales Lernen befähigt zum sozialen Handeln, welches kognitiv strukturiert und emotional beeinflusst ist.
Petermann zu Folge fördert soziales Lernen die soziale Kompetenz, die dazu beiträgt, dass eine Person von anderen akzeptiert wird. Sie bildet die Vorraussetzung für eine angemessene Selbstsicherheit im Umgang mit anderen (vgl. Petermann 1997, 10).
„Das Erlernen kommunikativer Fähigkeiten ist soziales Lernen.“ (Grünwaldt 1984, 9) Durch soziales Lernen werden gesellschaftliche Prozesse mitbestimmt.
Um mit anderen zusammenzuarbeiten und in Gruppensituationen bestehen zu können, müssen kommunikative Kompetenzen erlernt werden.
„Seit Hymes spricht man in diesem Zusammenhang von der „kommunikativen Kompetenz“ und bezeichnet damit den Grad der Aneignung sozialer Regeln, die nötig sind, in einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. in unterschiedlichen sozialen Gruppen handeln zu können.“ (Frank 1977, 24)
Die kommunikative Kompetenz und die kooperative Kompetenz stehen im Zusammenhang mit sozialer und moralischer Entwicklung.
2.6 KOMMUNIKATIONSFÖRDERUNG UND UNTERRICHT
Um Kommunikation im Unterricht zu fördern und die Schüler in ihren Kommunikationsfähigkeiten individuell zu unterstützen, ist es wichtig, sich die unterschiedlichen Rahmenbedingungen sowie individuellen Vorraussetzungen bewusst zu machen und in die Planung mit einzubeziehen.
Aufgabe des Deutschunterrichts ist Kommunikation zu trainieren, um die Schüler in ihren sprachlichen Fähigkeiten zu fördern und zu fordern (vgl. Grünwaldt 1984, 5).
Das Teilziel eines Deutschunterrichts ist die Erweiterung der kommunikativen Kompetenz. Ein so verstandener Deutschunterricht unterscheidet sich deutlich vom herkömmlichen Sprachunterricht. Im eben genannten Sprachunterricht liegt der Fokus auf dem Sprachsystem. Kommunikationstraining bezieht sich, wie schon in Kapitel 2.2.1 erwähnt, auf den Sprachgebrauch.
Beide Aspekte von Kommunikationsförderung müssen im Unterricht - und gerade im Deutschunterricht - gefordert und gefördert werden.
„Danach muss der Deutschunterricht also sowohl ein Trainingsprogramm für das Erlernen der Sprachnorm (etwa Wortschatz- und Satzübungen) als auch ein Modell für die Einbeziehung der Verwendungssituationen (z.B. Rollenspiel) anbieten wie schließlich metasprachliche Reflexion, auf der die Regeln sprachlicher/kommunikativer Prozesse formuliert werden.“ (Stankewitz 1977, 160)
2.6.1 METHODEN DER KOMMUNIKATIONSFÖRDERUNG
Um Kommunikation zu fördern, müssen Schüler zum Sprechen angeregt werden. Die besondere Schwierigkeit besteht darin, das unterschiedliche Sprachniveau sowie die unterschiedliche soziale Kompetenz der Schüler zu berücksichtigen. Da kommunikative Kompetenz ein wesentlicher Bestandteil von sozialer Kompetenz ist, müssen Aspekte vom sozialen Lernen mitberücksichtigt werden, um kommunikativen Austausch zwischen Schülern initiieren zu können. So schließt eine Förderung der Kommunikation eine Förderung der sozialen Kompetenz mit ein.[12]
Eine methodische Vorraussetzung des Kommunikationstrainings ist das handelnde und ganzheitliche Lernen. „Denn Sprechen, Zuhören, Argumentieren und Miteinander reden lernt man nun einmal am besten, indem man es tut.“ (Klippert 2001, 17)
Immer wiederkehrende „Sprechsituationen“ müssen den Schülern langsam vertraut werden und sie gleichzeitig motivieren und fordern. Wiederholungs- und Übungsphasen sind demnach gerade in der Aneignung von Sprachkompetenzen unumgänglich. So konstatiert Cwik:
„[…] dass Kinder häufige Wiederholung bestimmter Übungen wünschen. Es scheint, als ob sie diese so lange fordern, bis sie Sicherheit in ihrem neuen Verhalten verspüren. Diesem Wunsch sollte auf jedem Fall entsprochen werden, denn Kinder brauchen Wiederholungen, damit sie sich stabilisieren und sich ihr Verhalten festigt.“ (Cwik 2004, 15)
Einen wichtigen Platz in der Kommunikationsförderung nehmen Rollenspiele ein. Durch das Rollenspiel können Kinder zum Sprechen angeregt werden, verschiedene Aspekte der Sprachtherapie einüben (z.B. Satzmuster) und lernen, auf einen Partner einzugehen und sich im Gespräch richtig zu verhalten. Das Spiel an sich bietet die Vorraussetzungen, die Lernerfolge leichter machen und fördert das ganzheitliche Lernen. „Das szenische Spiel vermag einen ganzheitlichen Lernprozess zu initiieren und zwar nicht an den Vorstellungen und Wahrnehmungen der Kinder vorbei, sondern gerade mit Hilfe dieser.“ (Strasser 2002, 9) Kommunikation wird durch die immer wiederkehrenden Versprachlichungen gefördert und trainiert. Nonverbale wie verbale Formen von Kommunikation werden zum Lerngegenstand.
2.6.2 DAS ROLLENSPIEL
Unter der Bezeichnung Rollenspiel wird Unterschiedliches verstanden. Verschiedene Formen des Rollenspieles können sein:
- Soziodrama
- Offenes Rollenspiel
- Rollengespräch
- Standbild
- Psychodrama
Der Grundgedanke des Rollenspiels in seiner einfachsten Form ist es, sich vorzustellen eine bestimmte Person (entweder man selbst oder ein anderer) in einer bestimmten Situation zu sein. Er wird gebeten, sich so zu verhalten wie es die Person seinem Gefühl nach tun würde. In Rollenspielen übt man Verhaltensweisen, die für eine bestimmte Rolle gelten: „Neue Verhaltensweisen können im Rollenspiel ausprobiert, eingeübt und gefestigt werden.“ (Petermann 1997, 49) Die Schüler können in gestellten Situationen Verhaltensweisen üben und in fremde Rollen schlüpfen:
„Es [das Rollenspiel, T.S.] ist höchst motivierend und befähigt Schüler, sich selbst in Situationen hineinzuversetzen, in denen sie zuvor noch niemals waren; insbesondere eröffnet es ihnen die Möglichkeit in eine andere Haut zu schlüpfen.“ (Ments 1998, 18)
Das Rollenspiel, im Deutschunterricht auch sprachdidaktisches Rollenspiel genannt, sieht einen klaren Zusammenhang von sprachlichem und sozialen Handeln. Insbesondere werden durch das Rollenspiel Kooperation und positives Sozialverhalten gefördert. „Wie empirische Befunde belegen, kann kooperatives Verhalten durch Rollenspiele verbessert werden.“ (Petermann 1997, 37)
Um Kommunikation zu fördern und so Aggression abzubauen, muss der Zusammenhang zwischen „eine Botschaft senden“ und „eine Reaktion erfahren“ sichtbar verstanden werden. Durch das Rollenspiel können Schüler diese und weitere Erkenntnisse sehen, erfahren und ausprobieren.
Grünwaldt (1984) unterteilt das Rollenspiel in zwei Kategorien: Das Rollenspiel als Begreifspiel und das Rollenspiel als Übungsspiel. Im Folgenden werde ich diese beiden Definitionsstränge genauer betrachten.
Das Rollenspiel als Begreifspiel:
Begreifspiele basieren auf der Beobachtung. dass man etwas durch Tun besser begreift als durch reines Betrachten. Es wird in Schulen vermehrt eingesetzt, um dichterische Texte besser zu verstehen und sich durch die handelnde Erfahrung mit ihnen auseinanderzusetzen. Dem liegt die Überzeugung zu Grunde, dass Schüler die Elemente und den Gehalt des Textes besser erinnern, wenn sie ihn spielen. In Rollenspielen können Konflikte durchgespielt werden, durch die die Spielenden Sichtweisen von anderen übernehmen und erkennen können. Parallelen zum Psychodrama[13] werden hier aufgezeigt.
Das Rollenspiel als Übungsspiel:
Bei dieser Form geht es nicht um Imitation sondern um Simulation. Die Schüler sollen bestimmte Verhaltensweisen durch das Spiel üben und verfestigen. „Die Übungsspiele sollen vor allem der Entwicklung und Einübung von Verhaltensmustern und Sprachhandlungskompetenzen dienen.“ (Grünwaldt 1984, 15) Diese Form des Rollenspiels ist besonders geeignet um kommunikative Kompetenzen zu fördern. Im dargestellten Projekt schließe ich mich dem Übungsrollenspiel an und verstehe die Spielsequenzen, auch wenn ich allgemein vom Rollenspiel spreche, als Übungsspiele nach Grünwaldt.
3. PLANUNG
3.1 LERNGRUPPENBESCHREIBUNG
Allgemeine Angaben:
Die Klasse 5 der Förderschule setzt sich aus acht Jungen und drei Mädchen im Alter zwischen zehn und elf Jahren zusammen. Vier der elf Schüler sprechen Deutsch als Muttersprache. Die restlichen Schüler kommen aus Aussiedler- oder Kriegsflüchtlingsfamilien. Die Klasse wird von dem Klassenlehrer und drei weiteren Fachlehrern unterrichtet. Ich unterrichte die Klasse seit August 2004 in den Fächern Deutsch, Sachunterricht, Ethik, Kunst und Musik.
Besonderheiten der Lerngruppe:
Nach den Sommerferien sind drei neue Schüler in die Klasse gekommen. Die bis dahin gefestigte Gemeinschaft hat sich mit der neuen Klassenzusammensetzung stark verändert. Die Schüler sind nur bedingt in der Lage die Pausen ohne Konflikte zu gestalten. Klassenregeln sind in der Klasse bekannt, müssen aber durch die instabile Situation erneut gefestigt werden. Im April 2004 war die Klasse auf Klassenreise. Zwei Schüler (Domenic und Benny) haben nicht an dieser Fahrt teilgenommen. Die Fahrt hat die Schüler im Gruppenfindungsprozess gestärkt. Besonders ein neuer Schüler (Cihan) konnte sich in die Klassengemeinschaft einfinden und wird nun von seinen Mitschülern akzeptiert.
Justin wurde im vergangenen Jahr wegen aggressiven Verhaltens nur drei Stunden wöchentlich beschult. Seit Oktober nimmt er wieder am gesamten Unterricht teil.
Zwei Schüler sind innerhalb der letzten vier Monate abgeschoben worden, wodurch erneut Unruhe in der Klasse, gerade bei den von Abschiebung bedrohten Kindern, zu beobachten ist.
Arbeitsformen und Arbeitsmethodische Voraussetzungen
Die Schüler kennen folgende Arbeitsformen:
- Einzelarbeit gelingt den meisten Kindern nach genauer Arbeitsanweisung und examplarischer Darstellung derselben gut.
- Gruppenarbeit bereitet den Schülern noch große Schwierigkeiten und führt oft zu weniger guten Arbeitsergebnissen.
- In freien Phasen haben viele Kinder Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und es kommt vermehrt zu Konflikten.
- Gesprächskreise vor der Tafel sind den Schülern vertraut, und sie sind überwiegend in der Lage die entsprechenden Regeln einzuhalten.
- Partnerarbeitsphasen gelingen zunehmend.
Arbeitsverhalten
Arbeitsverhalten allgemein:
Die Klasse arbeitet sehr gerne in Einzelarbeit. Da die Klasse sehr lebhaft und unruhig ist, genießen die Schüler ruhige Schreibarbeiten. Arbeitsmaterialien behandeln die Schüler zunehmend sorgsam und räumen diese überwiegend selbständig weg. Bei Unterrichtsstörungen ist die Klasse nur sehr schwer wieder ans Unterrichtsgeschehen heranzuführen.
Aufmerksamkeitsspanne:
Besonders in den Stunden nach den Pausen haben die Schüler Schwierigkeiten, sich auf das Unterrichtsgeschehen zu konzentrieren. Sie brauchen innerhalb einer Stunde wechselnde Sozialformen, um ihnen die einzelnen Unterrichtsphasen zu verdeutlichen und so eine verlässliche, transparente Struktur zu bieten. Längere mündliche Phasen bereiten den Schülern noch Schwierigkeiten.
Rituale:
Die Schüler sind nur bedingt in der Lage miteinander zu arbeiten und zu kommunizieren.
Ein stark ritualisierter Unterricht ist für viele Schüler eine Grundvoraussetzung, um effektiv und motiviert arbeiten zu können.
- Als Ruhesignal kennen die Schüler ein Klingelzeichen.
- Die Schüler kennen Symbolkarten für Materialien und Sozialformen.
- Der Tagesablauf wird durch Schüler verbalisiert und schriftlich an der Tafel festgehalten.
- Das Wetter und das Datum werden verbalisiert.
- Ich arbeite in der Klasse mit einem Tokenprogramm, innerhalb dessen die Schüler individuelle Joker einsetzen können.
- Sozialformwechsel werden durch stumme Impulse eingeleitet.
- Um den Schülern eine direkte verhaltensbezogene Rückmeldung über ihr Verhalten zu liefern schließen einzelne Unterrichtssequenzen mit einer kognitiven Rückschau ab.
Sozialverhalten:
Die meisten Schüler kommen regelmäßig zur Schule. Da vier Schüler dieser Klasse in der gleichen Asylantenunterbringung leben, verbringen die Schüler auch ihre Freizeit zusammen. Konflikte aus außerschulischen Situationen werden nicht selten zu Problemen im Unterricht.
Es kommt vermehrt zu verbalen und handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den Schülern. Konfliktsituationen werden oft durch Gruppenbildungen (Cliquenbildungen) geschürt.
Durch die gemeinsame Klassenfahrt hat sich das Sozialverhalten in der Klasse verbessert und die Schüler sind in bestimmten Unterrichtssituationen in der Lage Partnerarbeit zu bewältigen.
Dabei sind die Partner jedoch nicht beliebig zusammensetzbar. Partnerarbeitsphasen werden häufig durch Konflikte unterbrochen und führen bei freier Partnerwahl zu wenig guten Arbeitsergebnissen.
Drei Schüler (Domenic, Benny, Michelle) haben wenig Kontakt zu ihren Mitschülern und werden in offenen Unterrichtsphasen gemieden. Ein Schüler (Andrej) fühlt sich häufig von Lehrern sowie Mitschülern benachteiligt und diskriminiert. Dies führt dann zu Konfliktsituationen insbesondere in Unterrichtsgesprächen, da Andrej nur sehr schwer mündliche Beiträge liefern kann, wenn diese nicht sofort vom Lehrer rückgemeldet werden. Durch seine Wahrnehmung und das darauf bezogene Verhalten kommt es vor allem in offenen Unterrichtsphasen immer wieder zu Auseinandersetzung mit seinen Mitschülern.
3.2 VORHABENBEZOGENE LERNVORAUSSETZUNGEN
Für die Auswertung der Leitfrage dieser Arbeit werde ich mich in der Beobachtung sowie in der Reflexion auf vier Schüler beziehen. Im Folgenden werden anhand von kurzen tabellarischen Darstellungen die Förderschwerpunkte im Bereich Kommunikation von Anita, Artem, Cihan und Nilab aufgezeigt. Des Weiteren werde ich die sozialen Kompetenzen der Schüler kurz darstellen.[14]
Förderbedarf im Bereich Kommunikation:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
× geringer Förderbedarf ×× hoher Förderbedarf ××× sehr hoher Förderbedarf
Die Bereiche ‚Sprechsicherheit’, ‚Wortschatz’ und ‚nonverbale Kommunikationsfähigkeit’ werden in den folgenden Tabellen weiter aufgegliedert, da sie für den Sprachgebrauch von elementarer Bedeutung sind und damit der Förderbedarf der Schüler konkretisiert werden kann.
Lernstand im Bereich Sprechsicherheit:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
× wenig Förderbedarf ×× hoher Förderbedarf ××× sehr hoher Förderbedarf
Lernstand im Bereich nonverbale Kommunikationsfähigkeit:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
× trifft nicht zu ×× trifft selten zu ××× trifft überwiegend zu
Soziale Kompetenz ist ein sehr weitläufiger Bereich, der es nötig macht, ihn auf gezielte, für den Unterricht besonders relevante Aspekte, zu beschränken:
Soziale Kompetenz:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.3 RICHTLINIEN
Der Unterrichtsversuch wurde in einer Förderschulklasse durchgeführt, in der mehrere Schüler dem Förderbereich emotionale und soziale Entwicklung zugeordnet werden können. Meine gesamte Planung sowie meine Überlegungen zu der Unterrichtseinheit beruhen auf Berücksichtigung der KMK-Empfehlungen zum Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung[16] und dem Rahmenplan Deutsch – Bildungsplan Grundschule (Hamburg, 2003). Dabei wurden die Empfehlungen für den Förderschwerpunkt Lernen immer berücksichtigt.
In den KMK-Empfehlungen zum Förderschwerpunkt EusE (2000) wird der Kommunikationsförderung ein hoher Stellenwert zugewiesen:
„Erziehung und Unterricht müssen einen hohen Aufforderungscharakter zum sprachlichen
Handeln besitzen. Dem Förderbedarf wird entsprochen durch die Unterstützung der Kinder
und Jugendlichen bei der Ausweitung ihrer kommunikativen Handlungsfähigkeiten und durch
die Sensibilisierung für eigene Anteile an einer erschwerten Kommunikation.“ (Kmk-Empfehlungen
zum Förderschwerpunkt EusE, 2000, 18)
Im "Rahmenplan Deutsch – Bildungsplan Grundschule“ (Hamburg, 2003) werden rhetorische Fähigkeiten in den Arbeitsbereichen ‚Sprechen und Zuhören’, ‚Erzählen und Gespräche führen’ wie folgt erwähnt:
„Die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der gesprochenen Sprache werden von den
Kindern in verschiedenen Sprachsituationen, wie dem sinngestaltenden Vorlesen,
Vortragen und szenischen Gestalten, erprobt, geübt und reflektiert.“ (Rahmenplan
Deutsch – Bildungsplan Grundschule, Hamburg, 2003, 15)
Eine Förderung der Sprechkompetenz von Schülern trägt dazu bei, die Fähigkeiten zum
sozialen Handeln zu entwickeln:
„Die Kinder lernen im Unterricht, dass ein Gespräch auf gegenseitiges Verstehenwollen
angewiesen ist: Wer gehört werden will, muss selber zuhören können und den
anderen zu verstehen suchen. Die Lehrerinnen und Lehrer hören den Kindern zu,
fragen ggf. nach und nehmen sie als Gesprächspartner ernst. Damit fördern sie die
Entwicklung ihrer Sprechkompetenz und Gesprächsfähigkeit. Sie unterstützen sie
darin, Gesprochenes und Gehörtes zu verstehen und das, was sie selbst sagen möchten,
auszudrücken und anderen zu vermitteln. Dies gilt insbesondere für die Kinder
mit einer anderen Herkunftssprache.“ (Rahmenplan Deutsch – Bildungsplan Grundschule; Hamburg, 2003, 15)
Um soziales Handeln zu entwickeln, Fremd- und Selbstwahrnehmung zu schulen und emotionales Erleben zu ermöglichen, bildet das Rollenspiel einen Schwerpunkt dieses Unterrichtversuchs. Die Einbindung dieser elementaren Förderbereiche in den Unterricht finden sich in den KMK-Empfehlungen zum Förderschwerpunkt EusE wieder:
„Rollenspiele können bei der Entwicklung von Selbst- und Fremdwahrnehmung, von Einfühlungsvermögen, von Rollendistanz und Identität, aber auch beim Aufbau von Frustrationstoleranz und Abbau von Vorurteilen hilfreich sein.“ (Kmk-Empfehlungen
zum Förderschwerpunkt EusE, 2000, 18)
Die sonderpädagogische Förderung ist in erster Linie auf die Weiterentwicklung der Fähigkeiten im sozialen Handeln gerichtet. Die Wahrnehmung für eigenes sowie fremdes Empfinden soll gestärkt werden, und durch Reflexion des eigenen Denkens und Handelns Rücksichtnahme und Toleranz gegenüber anderen entfaltet werden. (KMK-Empfehlungen zum Förderschwerpunkt EusE 2000, 3)
[...]
[1] Zur besseren Lesbarkeit werde ich in dieser Arbeit bei Substantiven, die sowohl in einer männlichen als auch in einer weiblichen Form stehen können, die männliche benutzen, wobei ich mich immer auf beide Geschlechter beziehe.
[2] Aggression wird in Kapitel 2.1 näher definiert.
[3] Siehe Sozialverhalten der Lerngruppe Kap.3.1
[4] Begriffbestimmung von kommunikativer Kompetenz siehe Kapitel 2.5
[5] Wenn Kommunikation das Austauschen von Informationen bedeutet, müssen auch schriftliche Formen der Kommunikation erwähnt werden. Im Rahmen dieser Arbeit werde ich von Kommunikation sprechen, damit jedoch nur mündliche Kommunikation meinen.
[6] Vergleiche Schuster, 1992, 53
[7] Vgl. Wellhöfer 2001
[8] Unsere Wortsprache dient uns vor allem dazu, Informationen auszutauschen. Nebenbei teilen wir dem anderem auch Gefühle mit. Bei der Körpersprache ist es genau umgekehrt. Es ist ihre Hauptaufgabe, unsere Stimmungen und Gefühle mitzuteilen.
[9] Der Terminus wird in zweierlei Hinsicht verwendet. Einmal bedeutet er das Vermögen, ein Kommunikationssystem zu verstehen, zum anderen wird damit auch die Fähigkeit zum aktiven Gebrauch – die Handlungskompetenz bezeichnet. Ich beziehe mich in dieser Arbeit auf die zweite Bezeichnung.
[10] vgl. Kapitel 2.2.1
[11] Ich-Botschaften machen Aussagen über das eigene Empfinden und die eigenen Wünsche sowie Motive. Du-Botschaften hingegen machen Aussagen über andere Personen, vornehmlich über ihre Eigenschaften oder ihre Motive.
[12] Vgl. Kapitel 2.5
[13] Das Psychodrama dient dazu, unbewusste seelische Konflikte bewusst zu machen und soll bewirken, dass der Spielende sich selbst besser kennen und verstehen lernt. Da ein Lehrer aber nur in Ausnahmefällen psychologisch ausgebildet ist, um diese psychischen Prozesse begleiten zu können, ist meines Erachtens diese Form des Begreifrollenspiels nicht geeignet.
[14] Genaue Schülerbeschreibungen der Lerngruppe befinden sich im Anhang
[15] Die Angaben beruhen auf Testergebnisse, Beobachtungen sowie Übermittlungen vorangegangener Schulphasen.
[16] KMK -Empfehlungen zum Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, 2000 werden im Folgenden mit: KMK-Empfehlungen zum Förderschwerpunkt EusE benannt.