Suizid bei Kindern und Jugendlichen. Definition, Diagnostik, Prävention


Seminararbeit, 2016

16 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhalt

1. Allgemeines
1.1 Begriffsdefinition ‚Suizid‘ und Abgrenzung
1.2 Suizid in unserer Gesellschaft
1.3 Häufigkeit verübter Selbsttötungen
1.4 Formen der Suizidalität
1.5 Psychodynamik und Ursachen
1.6 Verlauf eines Suizidversuches bzw. Suizides

2. Diagnostik, Hilfen und Prävention im sozialpädagogischen Rahmen
2.1 Diagnostik suizidaler Tendenzen
2.2 Pädagogische Hilfen
2.3 Suizidprävention

3. Reflexion und persönliche Stellungnahme

4. Quellenverzeichnis
4.1 Literaturquellen
4.2 Internetquellen

1. Allgemeines

1.1 Begriffsdefinition ‚Suizid‘ und Abgrenzung

Der Begriff ‚Suizid‘ entstammt dem lateinischen ‚sui cidium‘ und bedeutet ‚Selbsttötung‘. Demnach versteht man darunter die willentlich herbeigeführte Beendigung des eigenen irdischen Daseins (vgl. Bernitzke und Tupi 2015, S. 358).

„Mit Suizidalität werden alle Gedanken und Handlungen bezeichnet, die einen klaren Wunsch zu sterben erkennen lassen, wie Suizidfantasien, -absichten, -pläne und -versuche.“ (Chehil und Kutcher 2013; zit. nach Bründel 2015, S. 210) Dieser Begriff umfasst also alle theoretischen und praktischen Handlungen vor der eigentlichen Selbsttötung, sozusagen ‚den Weg‘ zum Suizid.

Unter den Oberbegriff ‚Suizidalität‘ fällt der Suizidversuch. Damit wird die willentlich und aus freier Entscheidung durchgeführte Selbstverletzung im körperlichen Sinn bezeichnet, die mit dem Tod enden kann. Die Eventualität des tödlichen Ausgangs des Suizidversuches bildet den wesentlichen Unterschied zum Parasuizid, unter welchem man das mutwillige Zufügen eigener körperlicher Verletzungen versteht, die jedoch nicht den Tod zur Folge haben (vgl. Bernitzke und Tupi 2015, S. 358).

1.2 Suizid in unserer Gesellschaft

Das Thema ‚Suizid‘ ist in unserer heutigen Gesellschaft allgegenwärtig. Es handelt sich dabei jedoch keineswegs um ein ‚modernes‘ Phänomen, sondern es kam bereits in früheren Zeiten oft zu Selbsttötungen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Kronprinz Rudolf von Österreich, der sich vermutlich mit seiner Stellung als Thronfolger und den damit verbundenen Erwartungen an seine Person nicht identifizieren konnte und aus diesem Grund den Freitod wählte (vgl. Unterreiner 2006, S. 55ff). Selbigen Entschluss fasste wahrscheinlich auch der berühmte russische Komponist Peter Iljitsch Tschaikowski, der sich angeblich aufgrund seiner Homosexualität das Leben genommen haben soll (vgl. Salzburger Nachrichten 2015).

Suizid hatte in der Vergangenheit jedoch nicht nur persönliche Ursachen, sondern trat durchaus auch als Modeerscheinung aufgrund diverser Idealvorstellungen auf, wie zum Beispiel die Selbstmordwelle, welche durch Goethes 1774 erschienenen Roman ‚Die Leiden des jungen Werthers‘ ausgelöst wurde. Vorwiegend junge Männer identifizierten sich mit der Hauptfigur des Romans und waren von dessen Selbstmord, welcher das Ende des Romans bildet, derart fasziniert, dass sie es ihm gleichtaten (vgl. Rainer, G., Kern und Rainer, E. 2006, S. 96ff).

Daraus lässt sich schließen, dass die Gründe für einen Suizid sehr vielseitig sind, bei den Betroffenen im Vorfeld aber in den meisten Fällen ähnliche Rat- und Hoffnungslosigkeit dem Leben gegenüber auslösen, bis die negative Sicht in Bezug auf die eigene Lebenssituation Überhand gewinnt und sämtlichen Optimismus, sowie Kampfgeist und Hoffnung auslöscht. Dies führt dazu, dass am eigenen Leben kein Interesse mehr besteht und es als wertlos erachtet wird, da dem persönlichen Glück scheinbar Unüberbrückbares im Weg steht.

Es ist für Betroffene sehr schwierig, diesen negativen Gedanken und Einstellungen aus eigener Kraft zu entkommen und zu einer positiven Sichtweise dem Leben gegenüber zu gelangen. Aus diesem Grund bedarf es der Hilfe Zweiter, den Hoffnungslosen wieder Mut zu geben. Doch leider wird in unserer Gesellschaft das Thema Suizid nicht gern aufgegriffen und man vermeidet es wenn möglich, darüber zu sprechen (vgl. Bronisch 2007; zit. nach Bründel 2015, S. 210). Möglicherweise hat diese an Tabuisierung grenzende Sichtweise dem Suizid gegenüber mit der einstigen Einstellung der Kirche zu diesem Thema etwas zu tun. Früher vertrat die Kirche die Meinung, dass durch Selbstmord verstorbene Personen nicht ins Himmelreich aufgenommen werden. Sie wurden als Sünder angesehen, da sie selbst das Ende ihres Lebens bestimmt und somit Gottes Willen nicht befolgt haben. Die Einstellung der Kirche zu dieser Thematik hat sich jedoch in den letzten Jahren verändert, sodass nun allen Verstorbenen das ewige Leben im Paradies zusteht (vgl. Prader 2008). Der Suizid wird allerdings in vielen anderen Kulturen auch heute noch als Sünde oder Schande betrachte (vgl. Bründel 2015, S. 210).

Suizid löst bei den Hinterbliebenen Schock (vgl. ebd.), Fassungslosigkeit und Unverständnis, sowie Machtlosigkeit im Angesicht der Endgültigkeit und Unwiderruflichkeit des Geschehenen aus. Es bleiben viele, meist für immer unbeantwortete Fragen und vor allem quälende Schuldgefühle (vgl. ebd.). Besonders tragisch wird dabei der eigenständig herbeigeführte Tod eines Kindes oder Jugendlichen empfunden. Eine vollständige Verarbeitung des Geschehenen ist dabei für die nahestehendsten Zurückgeblieben, wie Eltern oder enge Freunde, kaum möglich.

1.3 Häufigkeit verübter Selbsttötungen

Suizide bilden in Österreich die häufigste Todesursache (vgl. Bernitzke und Tupi 2015, S. 358). Davon sind jedoch nur fünfundzwanzig Prozent weiblich, das heißt die klare Mehrzahl der aufgrund von Suizid sterbenden Personen bilden die Männer (vgl.ebd.). Bei Kindern und Jugendlichen ist die Anzahl der an Autounfällen Verstorbenen höher als jene der Suizidentinnen und Suizidenten (vgl. Bernitzke und Tupi 2015, S. 358; Bründel 2015, S. 211).

Kinder verüben jedoch viel seltener Selbsttötungen als Jugendliche. Das liegt daran, dass Kinder bis zum zehnten Lebensjahr noch kein vollkommen entwickeltes Verständnis in Bezug auf den Tod entwickelt haben. Sie können die genaue Bedeutung und die Endgültigkeit diesbezüglich noch nicht verstehen und nachvollziehen, wodurch das Bedürfnis oder der Wunsch danach noch nicht bzw. sehr begrenzt aufkommen kann (vgl. Bründel 2015, S. 211). Demzufolge handelt es sich bei vor dem zehnten Lebensjahr verübten Suiziden in Österreich um klare Einzelfälle. Zwischen den Jahren 1970 und 2010 kam es sich lediglich zu sieben Suiziden in Kindesalter (vgl. Kapusta 2012; zit. nach Bernitzke und Tupi 2015, S. 358).

Bei Kindern und Jugendlichen zwischen zehn und vierzehn Jahren ist im Vergleich zu den Kindern unter zehn Jahren eine Steigerung der verübten Suizide zu verzeichnen. Man spricht hier von einem bis dreiundzwanzig Suiziden pro Jahr (vgl. ebd.).

Ein gravierender Anstieg der Suizidrate in Bezug auf die Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und vierzehn Jahren ist bei den Jugendlichen von fünfzehn bis neunzehn Jahren festzustellen, denn diese reicht in Österreich im Zeitraum zwischen 1970 bis 2010 jährlich von neunundzwanzig bis zu einhundertzwei dokumentierten Fällen (vgl. ebd.).

Auffallend ist jedoch, dass die Suizidrate Kinder und Jugendlicher in allen Altersgruppen deutlich absteigt. Um 1980 betrug zum Beispiel die Anzahl der Suizide bei den Jugendlichen fast das Dreifache als 2010 (vgl. ebd.). Ich denke, dies begründet sich in der Tatsache, dass es inzwischen mehr Anlaufstellen für Suizidgefährdete und ein besser entwickeltes Betreuungsmodell bezüglich der therapeutischen Maßnahmen im stationären Bereich gibt.

1.4 Formen der Suizidalität

Die klare Mehrzahl der durch männliche Jugendliche verübten Suizide geht darauf zurück, dass Burschen meist zu den ‚harten‘ Methoden greifen. Dies beinhaltet den Tod durch Erhängen, Erstechen, Sturz in die Tiefe, Ertrinken, Strom, sowie den Gebrauch von Schusswaffen oder das Werfen vor den heranfahrenden Zug (vgl. Bernitzke und Tupi 2015, S. 359; Bründel 2015, S. 211). Diese Methoden führen mit großer Wahrscheinlichkeit zum sofortigen Tod.

Mädchen entscheiden sich im Gegensatz zu den Burschen in erster Linie für die ‚weichen‘ Methoden, bei welchen eine viel höhere Überlebenschance besteht. Darunter fallen vor allem die Tabletteneinnahme, sowie übermäßiger Konsum von Alkohol und Drogen (vgl. Bernitzke und Tupi 2015, S. 359f; Bründel 2015, S. 211). Aber auch die körperliche Selbstverletzung, wie zum Beispiel das Zufügen von Schnittwunden wird darunter verstanden (vgl. Bernitzke und Tupi 2015, S. 360). Diese geschlechterspezifischen Unterschiede in der Form der Suizide sind genetisch und hormonell bedingt. Bei den Burschen ist die Bereitschaft zu riskanten Handlungen und aggressiven Verhaltensweisen sich selbst und anderen gegenüber viel stärker vorhanden als bei Mädchen (vgl. Bründel 2015, S. 211).

Generell kann man sagen, dass Mädchen viel häufiger Suizidversuche unternehmen als Burschen, die keinen tödlichen Ausgang zur Folge haben müssen. Zum einen ist ihre Bereitschaft gegenüber aggressiver Verhaltensweisen weitaus geringer als beim anderen Geschlecht und zum anderen möchten sie meist durch die Suizidversuche auf sich und ihre verzweifelte Situation aufmerksam machen, denn sie sehnen sich nach Hilfe und Unterstützung in ihrer schwierigen Lage (vgl. ebd.).

Nach Bernitzke und Tupi (2015, S. 360) gibt es fünf verschiedene Formen der Suizidalität. Bei der latenten Suizidalität beschäftigt sich die/der Betroffene manchmal geistig mit dem Thema Suizid. Fast der Hälfte der Betroffenen fehlt der Lebenssinn und ein Zehntel denkt darüber nach, einen Suizid zu begehen. Die akute Suizidalität äußert sich dadurch, dass der Suizid bereits vorbereitet wird. Wenn es schon zu mehreren Suizidversuchen gekommen ist, spricht man von der rezidivierenden Suizidalität. Unter der chronischen Suizidalität versteht man eine ständige Bereitschaft der/des Betroffenen zu einem Suizid, sowohl theoretisch, als auch praktisch. Die fünfte Form der Selbsttötung stellt der vollendete Suizid da, welcher den tödlichen Ausgang zur Folge hat.

1.5 Psychodynamik und Ursachen

„Suizide und Suizidversuche sind Verhaltensweisen, die den verzweifelten Versuch einer Konfliktbewältigung darstellen.“ (Bründel 2015, S. 212) Die/der Jugendliche möchte dieser für sie/ihn scheinbar ausweglosen Situation entfliehen. Sie/er hat nicht mehr die Kraft, sich mit den für sie/ihn unpassenden Lebensbedingungen zu befassen und sieht keinen anderen Ausweg mehr. Ein Suizid ist keineswegs die Reaktion auf eine allgemeine negative Lebenssichtweise, sondern die betroffenen Jugendlichen können und wollen sich nicht vorstellen, mit den gegenwärtig für sie unpassenden Rahmenbedingungen bezüglich des eigenen Daseins weiterzuleben (vgl.ebd.). In der Pubertät kommt es zu zahlreichen Veränderungen, die in der Regel durch den persönlichen Reifungsprozess bewältigt werden. Es kommt bei Überforderungen diesbezüglich jedoch gelegentlich auch zu psychosozialen Krisen in Bezug auf Themen wie Sexualität, Gruppenzugehörigkeit und Wertumorientierung. Dies zeigt sich in Symptomen wie Schlaflosigkeit, Essenverweigerung, starker Abmagerung, Müdigkeit, Leistungsschwankungen, Magen- und Darmerkrankungen, Kopfschmerzen oder Drogen- und Alkoholkonsum (vgl. ebd.).

Eine der häufigsten Ursachen für einen Suizid ist unter anderem, sich von den eigenen quälenden Gedanken befreien zu können und zur Ruhe zu kommen. Drunter versteht man zum Beispiel das eigene körperliche und seelische Leid nicht mehr ertragen zu müssen, das Bedürfnis, sich von Schuldgefühlen zu befreien und die Tatsache, dass das eigene Leben aufgrund fehlender persönlicher Leistungen als wertlos erachtet wird. Aber auch das soziale Umfeld ist oft der Auslöser für einen Suizidversuch, sei es aufgrund des Bedürfnisses Rache zu üben bzw. das soziale Umfeld zu erpressen oder wegen des verzweifelten Versuches, auf die eigene scheinbar ausweglose Lage hinzuweisen (vgl. Bernitzke und Tupi 2015, S. 363).

Typisch für einen Suizid ist, dass die Ursachen sowohl aus psychologischen, soziologischen, als auch biologischen Einflüssen bestehen und sich wechselseitig beeinflussen (vgl. ebd.).

Psychologisch gesehen gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Suizidversuchen und psychischen Erkrankungen, wie Depressionen. Bei fast allen Suizidentinnen und Suizidenten ist eine psychiatrische Störung zu verzeichnen und circa fünfzehn Prozent der Suizide werden von depressiven Personen verübt, da sie dazu neigen, sich zurückzuziehen und die angestauten Aggressionen an sich selbst auszulassen. Die sozialen Ursachen haben ihren Ursprung in der verfehlten Anpassung an die bestehende Gesellschaft, aber auch ein sozialer Abstieg fördert die Suizidalität. Aus biologischer Sicht kann die Bereitschaft zur Selbsttötung genetisch bedingt sein, sowie auf einen Mangel an dem zerebralen Transmitter Serotonin zurückzuführen sein, der die Kontrolle über die eigenen Aggressionen ermöglicht, wenn er ausreichend vorhanden ist (vgl. Bernitzke und Tupi 2015, S. 364). Eine genetische Be gründung in Bezug auf erhöhte Suizidalität halte ich jedoch eher für unwahrscheinlich, da es sich dabei um keine vererbbare Krankheit handelt, sondern um eine Krise, die durch aktuelle Lebensumstände hervorgerufen werden kann.

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Suizid bei Kindern und Jugendlichen. Definition, Diagnostik, Prävention
Veranstaltung
Heil- und Sonderpädagogik
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2016
Seiten
16
Katalognummer
V368026
ISBN (eBook)
9783668464452
ISBN (Buch)
9783668464469
Dateigröße
717 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Suizid, Kinder und Jugendliche, Selbstmord, Depressionen, Tod, Pädagogik, Heil- und Sonderpädagogik, Lebensführung, Sterben, Leiden, psychische Problem
Arbeit zitieren
Stefanie Loibingdorfer (Autor:in), 2016, Suizid bei Kindern und Jugendlichen. Definition, Diagnostik, Prävention, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/368026

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