Diese empirische Studie befasst sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung sowie des demografischen Wandels auf die Unternehmen in der deutschen Wirtschaft. Im Fokus steht dabei der Beitrag, den die digitale Fitness der Generation 50plus zur Wettbewerbsfähigkeit leistet. Mittels qualitativer Interviews mit sechs Unternehmen aus verschiedenen Wirtschaftszweigen und einem quantitativen Fragebogen mit 148 Probanden wurden bei drei der fünf aufgestellten Hypothesen signifikante Ergebnisse erzielt.
Je größer der Einfluss der Digitalisierung auf das Unternehmen wahrgenommen wird, desto höher ist der Stellenwert der digitalen Fitness der Mitarbeiter hinsichtlich des Unternehmenserfolgs. Es besteht ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen dem Grad der digitalen Fitness und der Lernbereitschaft im Umgang mit neuen Technologien. Implikationen dieser Ergebnisse für die Personalpolitik und Wettbewerbsfähigkeit werden diskutiert.
Aus dem Inhalt:
- Digitale Fitness;
- Wettbewerbsfähigkeit;
- Digitalisierung;
- Demografischer Wandel;
- Smarte Arbeit
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung … 6
Abstract … 7
1 Einleitung … 8
2 Der demografische Wandel … 10
2.1 Parameter der demografischen Entwicklung … 10
2.2 Auswirkungen auf die Entwicklung der deutschen Wirtschaft … 14
2.3 Auswirkungen auf Unternehmen und Märkte … 16
3 Die Digitalisierung … 20
3.1 Auswirkungen auf die Wirtschaft … 21
3.2 Cloud Computing als Motor … 23
3.3 Potential von Big Data Management … 25
3.4 Die Relevanz des Internets der Dinge … 27
3.5 Von smarter Arbeit zur Smart Flexibility … 28
4 Herausforderungen und Implikationen für die Personalpolitik … 30
4.1 Demografieorientiertes Personalmanagement … 31
4.2 Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter … 33
4.3 Lebenszyklusorientierte Personalpolitik … 37
4.4 Innovation und Kreativität im Alter … 40
5 Forschungsdesign … 42
6 Methodisches Vorgehen … 44
6.1 Qualitative Untersuchung … 44
6.2 Quantitative Untersuchung … 47
7 Ergebnisse und Hypothesenüberprüfung … 50
8 Diskussion … 64
9 Ausblick … 67
Literaturverzeichnis … 69
Anhangsverzeichnis … 76
Anhang A: Interviewleitfaden … 77
Anhang B: Digitale Fitness … 79
Anhang C: Abbildungen … 94
Abbildungsverzeichnis … 95
Tabellenverzeichnis … 96
Abkürzungsverzeichnis … 98
Zusammenfassung
Die vorliegende empirische Studie befasst sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung sowie des demografischen Wandels auf die Unternehmen in der deutschen Wirtschaft. Im Fokus steht dabei der Beitrag, den die digitale Fitness der Generation 50plus zur Wettbewerbsfähigkeit leistet. Mittels qualitativer Interviews mit sechs Unternehmen aus verschiedenen Wirtschaftszweigen und einem quantitativen Fragebogen mit 148 Probanden wurden bei drei der fünf aufgestellten Hypothesen signifikante Ergebnisse erzielt. Je größer der Einfluss der Digitalisierung auf das Unternehmen wahrgenommen wird, desto höher ist der Stellenwert der digitalen Fitness der Mitarbeiter hinsichtlich des Unternehmenserfolgs. Es besteht ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen dem Grad der digitalen Fitness und der Lernbereitschaft im Umgang mit neuen Technologien. Implikationen dieser Ergebnisse für die Personalpolitik und Wettbewerbsfähigkeit werden diskutiert.
Schlüsselwörter: Digitale Fitness, Wettbewerbsfähigkeit, Generation 50plus, Digitalisierung, Demografischer Wandel, Smarte Arbeit
Abstract
This study investigates empirically the effects of digitization and demographic change on german business. Therefore the digital fitness of the 50plus generation and their contribution to competitiveness of companies is focussed. By means of qualitative interviews, which were held with companies from six different sectors of the economy, and a quantitative questionnaire, completed by 148 test persons could be found significant results within three out of five established hypotheses. The greater the perceived digitization influence on the company, the greater the influence digital fitness of workers has on the company’s success. Furthermore there is a significant correlation between the level of digital fitness and the willingness to learn regarding the handling of new technologies. Implications of these findings for the personnel policy and competitiveness are discussed.
Keywords: Digital Fitness, Competitiveness, Generation 50plus, Digitization, Demographic Change, Smart Working
1 Einleitung
Gesellschaft und Wirtschaft befinden sich aktuell unter dem Einfluss von zwei bedeutenden Entwicklungstrends: Dem demografischen Wandel und der voranschreitenden Digitalisierung. Diese implizieren umfangreiche Umstrukturierungen in den Unternehmen, Märkten und der Gesellschaft. Die Wandlungsprozesse sind unaufhaltsam und bergen große Herausforderungen. Der demografische Wandel definiert sich als Veränderung der gesellschaftlichen Zusammensetzung, insbesondere der Altersstruktur. Dies umfasst den Rückgang der Geburtenrate, die Erhöhung der Sterberate und die Steigerung der durchschnittlichen Lebenserwartung (Schubert, K. & Klein, M., 2016). Die Folgen einer schrumpfenden und älter werdenden Bevölkerung wirken sich direkt auf das Erwerbspotential aus. Digitalisierung beinhaltet eine aufgrund der zunehmenden Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) erzielte Verbesserung der Geschäfts- und Arbeitsprozesse und der daraus resultierenden Veränderung von Geschäftsmodellen. IKT stellt dabei die Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Tools zur Speicherung, Verarbeitung und Kommunikation von Daten und Informationen dar (Deloitte, 2013, S. 8). Informationstechnik umfasst Verfahren zur Informations- und Datenverarbeitung, während die Kommunikationstechnik Hardware (physische Geräte) und Software zur Vernetzung von Computerhardwarekomponenten bietet (Deloitte, 2013, S. 8).
Die vorliegende Studie dient der Erarbeitung konkreter Auswirkungen beider Megatrends auf die Wirtschaft sowie den daraus resultierenden Implikationen für Unternehmen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dabei steht das Konstrukt der digitalen Fitness der Mitarbeiter im Fokus. Diese wird vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen als essentiell erachtet, um in der Wirtschaft konkurrenzfähig zu bleiben. Digitale Fitness gilt als Grad der vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Soft- und Hardware (van Dijk, J. A. G. M., 2013, S. 122). In der aktuellen Untersuchung soll durch wissenschaftliche Falsifikation ausgearbeitet werden, ob vor dem Hintergrund der demografischen Lage die digitale Fitness der Generation 50plus einen zunehmend höheren Stellenwert erhält. Durch fokussierte qualitative Interviews mit Unternehmen aus verschiedenen Wirtschaftszweigen sowie einem quantitativen Fragenbogen für Mitarbeiter sollen der Anspruch von Arbeitgebern und die Bereitschaft der Belegschaft hinsichtlich permanenter Qualifizierung ihrer digitalen Fitness gegenübergestellt werden. Des Weiteren besteht das Ziel der Arbeit in einem direkten Vergleich der digitalen Kompetenzen zwischen Mitarbeitern über 50 gegenüber den jüngeren Generationen, um mögliche signifikante Unterschiede identifizieren zu können. Da die Generation Y als „digital Natives“ aufgewachsen, sprich mit der Digitalisierung groß geworden sind, werden im Umgang mit neuen Technologien Vorteile dieser Altersklasse postuliert.
Die Aktualität des Themas wird durch die dauerhafte Medienpräsenz belegt. Darüber hinaus haben Institutionen und Beratungsunternehmen diese Thematik auf der Agenda. Z.B. „Digital Cologne“, eine Initiative der Industrie- und Handelskammer, die durch diverse Veranstaltungen und Vorträge über die individuellen Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung aufklären. Oder auch PricewaterhouseCoopers (PwC), die Lösungen und Unterstützung für eine erfolgreiche digitale Business Transformation anbieten. Unternehmen F, als Teilnehmer der qualitativen Untersuchung, offeriert ebenfalls Unterstützung in der digitalen Transformation der Geschäftsmodelle und Geschäftsprozessen. Als Experte für Mitarbeiterbefragungen haben sie ihr Portfolio auf die Messung der Agilität von Unternehmen erweitert, neben Innovations- und Anpassungsfähigkeit ein relevanter Faktor für einen erfolgreichen Veränderungsprozess.
Für ein fundiertes Hintergrundwissen wird zunächst ein Einblick in die theoretischen Grundlagen zum demografischen Wandel und der Digitalisierung gewährt. Darauf aufbauend folgen Herausforderungen und Implikationen aus der aktuellen Theorie für die Personalpolitik sowie eine Erörterung zur Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter. Danach werden von den bisherigen Erkenntnissen forschungsleitende Hypothesen formuliert. Der Methodenteil stellt die beiden unterschiedlichen Erhebungsverfahren sowie die verwendeten Stichproben dar. Schließlich folgen die Ergebnisse und die Bewertung der aufgestellten Thesen sowie eine Diskussion und der Ausblick.
2 Der demografische Wandel
Zum besseren Verständnis des Themas soll zunächst der Begriff „Demografie” erklärt werden. Frei aus dem Griechischen übersetzt, bedeutet es „Volk beschreiben“. Veranschaulicht durch Kennziffern und Zahlen soll Demografie die Veränderung der Bevölkerungszahl und ihrer Strukturen (Alter, Geschlecht, Familienstand, Lebensform, Nationalität, Kinderzahl, Region, Gesundheitszustand usw.) aufgrund demografischer Verhaltensmuster/Ereignisse (Geburt, Heirat, Scheidung, Umzug, Erhaltung der Gesundheit, Tod) beschreiben (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2004, S. 9).
Der demografische Wandel wird in den nächsten Jahrzehnten zunehmend die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland beeinflussen und die Unternehmen, insbesondere den Personalbereich, sowohl in strategischer als auch operativer Sicht vor eine große Herausforderung stellen (Lukas, J., 2012, S. 5). Es handelt sich hierbei nicht um einen neuen Trend, sondern vielmehr um einen globalen und stetig verlaufenden Änderungsprozess einiger grundlegender demografischer Verhaltensmuster. In Europa begann dieser Wandel Mitte des 19. Jahrhundert, dauert folglich bereits 150 Jahre an und wird schließlich alle Länder und Unternehmen im Verlauf des 21. Jahrhunderts in unterschiedlichem Ausmaße betreffen (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2004, S. 11). Kern der demografischen Entwicklung ist die rapide Alterung und Dezimierung der Gesellschaft, bereits heute ist jeder fünfte Deutsche über 65 Jahre alt. Die Zahl der über 80-jährigen wird sich bis 2060 im Vergleich zu heute fast verdreifachen. Dagegen wird die Anzahl der gesamten Bevölkerung in 45 Jahren noch auf 67,6 Millionen geschätzt. (Statistischen Bundesamt, 2015, S. 19).
Einen detaillierteren Einblick über die Faktoren der demografischen Entwicklung soll das nächste Kapitel bieten.
2.1 Parameter der demografischen Entwicklung
Eine kontinuierlich steigende Lebenserwartung und dauerhaft niedrige Geburtenzahlen sind Kennzeichen der demografischen Entwicklung (Bundesministerium des Innern, 2011).
[Abbildungen sind in dieser Leseprobe nicht enthalten]
Abbildung 1 Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland, 1910, 1950, 2010 und 2060.
In Abbildung 1 ist deutlich die Veränderung der Bevölkerungsverteilung erkennbar. 1910 ist der Anteil der Kinder am höchsten und wird bis zum Alter von 85 Jahren kontinuierlich weniger. 40 Jahre später liegt der größte Anteil der Bevölkerung bei den Jugendlichen zwischen 10 und 15 Jahren sowie den 45 bis 50-jährigen. Die Bevölkerungsprognose für das Jahr 2060 zeigt auf, dass die Verteilung wesentlich schlanker geworden ist und bei den 70 bis 75-jährigen die maximale Breite erreicht wird, während sich der Anteil an Kindern im Vergleich zu 1950 um 50% verringert. Der Kurvenverlauf verlängert sich dagegen bis zu einem Alter von 100 Jahren.
Langfristige Bevölkerungsvorausberechnungen stellen Modellrechnungen oder Zukunftsprognosen dar, die zeigen, wie sich unter bestimmten Annahmen von Komponenten eine Bevölkerung entwickeln könnte (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2013, S. 9). Als Basis für die Beschreibung der vielfältigen Aspekte der demografischen Situation dienen Statistiken der Geburten-, Sterblichkeits- und Wanderungsentwicklung, letzteres über die Grenzen und innerhalb Deutschlands.
2.1.1 Geburtenrate
In diesem Zusammenhang ist die Geburtenrate als ein wesentlicher Faktor zu betrachten, der maßgeblich mitbestimmt, ob eine Bevölkerung wächst oder schrumpft. Zum Erhalt der Bevölkerungszahl, bzw. Generationenersatz, wären pro Frau 2,1 Kinder notwendig. In Deutschland lag die Anzahl im Jahr 2014 jedoch bei durchschnittlich 1,47 Kindern je Frau (Statista, 2016). Dieser Wert beruht auf der zusammengefassten Geburtenziffer (Fertilitätsrate), der die Anzahl an Kindern beschreibt, die eine Frau zwischen ihrem 15. und 50. Lebensjahr bekommen würde, wenn sich ihr Geburtenverhalten innerhalb dieser 35-jährigen Zeitspanne so verhalten würde, wie das durchschnittliche Geburtenverhalten aller 15 bis 50-jährigen Frauen im betrachteten Berichtsjahr (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 13). Die Anzahl der Geburten steht dabei im Zusammenhang mit den Familien- und Lebensformen. Schwankungen sind abhängig von Entwicklungen in diesem Bereich, da verheiratete Frauen durchschnittlich mehr Kinder haben als alleinerziehende oder in nichtehelichen Lebensgemeinschaften lebende Frauen (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 13). Tabelle 1 stellt gleich mehrere Aspekte dar. Zum einen ist erkennbar, dass die Gesamtzahl an Kindern von 1996 bis 2010 um mehr als 16% gesunken ist. Zum anderen wird deutlich, dass Ehepaare in beiden Jahren immer den größten Teil an Kindern bekommen. 2010 ist der Anteil an Kindern bei den Alleinerziehenden und nichtehelichen Lebensgemeinschaften gestiegen, was mit der rückläufigen Zahl der Eheschließungen zusammenhängt. Die Heiratsneigung also nimmt ab: 1989 lag die Gesamtzahl der Eheschließungen noch bei 530.000, 2010 lediglich bei 382.000 (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 19). Zusätzlich stieg die Kinderlosenquote in den letzten 26 Jahren nahezu linear an, bei Frauen, die zwischen 1968 und 1972 geboren sind, liegt sie bei 22%, das ist doppelt so viel, wie bei den Frauen aus dem Jahrgang 1940 (Statistisches Bundesamt, 2015, S. 30).
Tabelle
1
Kinder unter 18 Jahren in der Familie nach dem Familientyp, 1996 und 2010
(in 1.000/Prozent) (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 19).
[Tabellen sind in dieser Leseprobe nicht enthalten]
2.1.2 Lebenserwartung
Darüber hinaus sorgen insbesondere der Fortschritt in der medizinischen Entwicklung, Hygiene, gesündere Ernährung und verbesserte Umwelteinflüsse für eine höhere Lebenserwartung (Lukas, J., 2012, S. 11). Mithilfe sogenannter Sterbetafeln wird in Deutschland seit ca. 140 Jahren ein kontinuierlicher Anstieg der Lebenserwartung beobachtet. Die aktuelle Lebenserwartung von Neugeborenen liegt für Jungen im Durchschnitt bei 77,7 Jahren und für bei Mädchen bei 82,8 Jahren (Statistisches Bundesamt, 2015, S. 34). Verglichen mit den Werten aus dem Jahr 2006 ist das bei Männern ein Zuwachs von 3,8 Jahren und bei Frauen 3,3 Jahren (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 21). Dazu kommt, dass die Lebenszeit, die Menschen in Gesundheit verbringen, stetig wächst. Der Alterungsprozess wird nicht verlangsamt, sondern setzt immer später im Leben ein, deswegen werden die Menschen nicht nur älter, sondern bleiben vor allem auch länger gesund (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 25).
2.1.3 Migration
Die Zu- und Abwanderung stellt sich als weitere Determinante der demografischen Entwicklung dar, die alle Erscheinungsformen der grenzüberschreitenden Migration umfasst. Wanderungsbewegungen haben sowohl Einfluss auf die Struktur der Bevölkerung als auch auf die zukünftige Bevölkerungszahl, die maßgeblich durch das Wanderungssaldo bestimmt wird (Differenz zwischen Zu- und Fortzügen) (Statistisches Bundesamt, 2015, S. 37). Trends, wie bei der Geburtenentwicklung oder Lebenserwartung, lassen sich hierbei kaum ableiten. Der Saldo ist immer abhängig von dem Migrationspotential resultierend aus politischen, wirtschaftlichen, demografischen oder ökologischen Entwicklungen in den Herkunftsländern sowie der Migrationspolitik Deutschlands und folglich auch der wirtschaftlichen und sozialen Attraktivität als Zielland. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die EU-Beitrittsstaaten, der Zustrom an Asylbewerbern aus Kriegs- und Krisengebieten Asiens und Afrikas sowie die arbeitsmarktmotivierte Zuwanderung aus Südeuropa tragen aktuell zu einer deutlichen Zunahme der Nettozuwanderung bei (Statistisches Bundesamt, 2015, S. 40). Insbesondere die Zuwanderung aus Afghanistan, Irak und Syrien, die aufgrund der derzeitigen akuten Bedrohung durch kriegerische Auseinandersetzungen und der schlechten Wirtschaftslage unter großem Wanderungsdruck stehen, prägen die Migrationszahlen (Statistisches Bundesamt, 2015, S. 40). Betrachtet man das Wanderungssaldo hinsichtlich Bildungsniveau und Berufsqualifikationen der Wandernden, um Aussagen zum Stellenwert internationaler Migration hinsichtlich Gewinn oder Verlust von Hochqualifizierten zu treffen, kann man von einem Gleichgewicht sprechen. Durch die starke Zuwanderung kann weder von einem deutlichen Gewinn im Sinne eines „brain gains“, noch von einem Verlust von Hochqualifizierten „bain drain“ durch die gegenüberstehende geringere Abwanderung gesprochen werden (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 28).
Das Durchschnittsalter in Deutschland steigt trotz der im Durchschnitt jüngeren und kinderreicheren Zuwanderer kontinuierlich an. Im Jahr 1960 lag es bei 36, 1996 stieg es auf 40,2 Jahre an (Wolff, H., 2000, S. 251) und 2015 liegt Deutschland mit einem Durchschnittsalter von 46,2 Jahren auf dem zweiten Platz der 20 Länder mit dem höchsten Durchschnittsalter der Bevölkerung, direkt hinter Japan (Statista, 2016). 2030 prognostiziert das Department of Economic and Social Affairs der UN Deutschland ein Medianalter von 48,6 Jahren, sprich, die Hälfte der Bevölkerung ist älter, die andere Hälfte ist jünger. 2060 ist ein Alter von 51,4 Jahren vorausgesagt (United Nations, 2015).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Lebenserwartung der Menschen steigt, die Zahl der Kinder abnimmt und die Bevölkerung durchschnittlich trotz jüngerer, kinderreicherer Zuwanderer zunehmend älter und weniger wird (Wolff, H., 2000, S. 251).
2.2 Auswirkungen auf die Entwicklung der deutschen Wirtschaft
Eine elementare Grundlage für die konstante Sicherung von Lebensstandard und Lebensqualität ist ein nachhaltiges Wachstum der Wirtschaft. Dabei werden Potential und die Dynamik grundlegend durch eine ausreichend zur Verfügung stehende Anzahl an Arbeitskräften bestimmt, die leistungsbereit, gut qualifiziert und innovationsfreudig sind, um die Wirtschaft weiter zu entwickeln (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 93). Der demografische Wandel beeinflusst wesentlich die Rahmenbedingungen der Wachstumsdynamik, da durch die Alterung der Gesellschaft die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter reduziert wird. Eine immer kleiner werdende Menge muss als produktiver Kern eine immer größer werdende Menge an Unproduktiven tragen, dazu zählen Rentner, Kranke, Hausfrauen, Kinder und Arbeitslose (Steingart, G., Heimann, D. & Heß, D., 2011). Analysen des Mannheimer Research Institute for the Economics of Aging zufolge werden 2030 20% weniger Erwerbstätige die gleiche Konsummenge produzieren müssen wie heute, da die Gesamtbevölkerung bis zu dem Jahre sich nur unwesentlich reduziert haben wird (MEA, 2012, S. 4). Durch die Verschiebung der Altersstruktur wird der Generationenvertrag immer schwieriger zu erfüllen sein, woraus sich Probleme bei der zukünftigen Finanzierung der Renten ergeben. Diese Problematik wird umso mehr verschärft, je ungünstiger sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern gestaltet und je mehr die Lebenserwartung der Menschen ansteigt, was ein kontinuierlich sinkendes Rentenniveau impliziert (MEA, 2012, S. 28). Bis zum Jahre 2020 ist politisch festgelegt worden, dass die Beitragssätze zur Rentenversicherung nicht über 20% steigen dürfen, bis zum Jahr 2030 sollen sie den Wert von 22% nicht überschreiten. Um das Rentenniveau konstant zu halten, seien realistisch gesehen allerdings Anhebungen auf 27% notwendig oder 24%, wenn die Riester-Rente berücksichtigt wird. Dabei liegen die Beitragssätze aktuell durchschnittlich bei 19,5% (Lukas, J., 2012, S. 47). Als Gegenmaßnahme hat die Bundesregierung bis 2019 die schrittweise Anhebung der Lebensarbeitszeit bis zu einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren beschlossen (Lehr, U. & Kruse, A., 2006, S. 244). Einem Bericht der United Nations nach zu urteilen, wäre allerdings eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 77 Jahre notwendig, um den Wert der Renten in Relation zum individuellen Bruttolohn konstant zu halten (United Nations, 2001).
Durch die demografische Lage wird das Sozialsystem immer stärker belastet und einer zunehmenden Anzahl von Rentnern droht die Altersarmut. Jährlich verlassen mehr hochqualifizierte Arbeitskräfte den Arbeitsmarkt, als neue hinzukommen, sodass zukünftig ein Mangel an gut ausgebildeten Menschen prognostiziert und die Wertschöpfung sowie den Wohlstand Deutschlands negativ beeinflussen wird (Steingart, G., Heimann, D. & Heß, D., 2011).
Der technische Fortschritt trägt zwar einen großen Beitrag zum Wachstum in Deutschland sowie allen anderen Industrieländern bei, aber selbst die Generierung des technischen Fortschritts und die Umsetzung von Innovationspotentialen in der Wirtschaft bedürfen eines breiten Fundaments qualifizierter Arbeitnehmer in Wissenschaft und Forschung. Das Wachstumspotential einer Volkswirtschaft hängt wesentlich mit dem Arbeitskräftepotential zusammen. Wenn sich die Zahl der Personen verringert, die sich aktiv beim Erwerbsprozess zur Herstellung von Gütern und Dienstleistungen beteiligen können, rückt der Fokus auf die produktive Gestaltung einer altersspezifischen Arbeitsverteilung und –organisation (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 96).
Entsprechenden Berechnungen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und deren Expertise zu den Herausforderungen des demografischen Wandels bedarf es erheblicher Anstrengung, um bis 2020 zumindest mittelfristig die durchschnittliche Potenzialrate bei knapp 1,25% zu erhalten (2011, S. 139). Unter dem Potenzialwachstum ist dabei die auf lange Sicht mögliche Veränderung des Bruttoinlandprodukts einer Volkswirtschaft zu verstehen, wobei im Gegensatz zum Wirtschaftswachstum die konjunkturellen Schwankungen nicht mit berücksichtigt werden (Weber, M. & Hofmann, V., 2006, S. 7).
2.3 Auswirkungen auf Unternehmen und Märkte
Wie die Bevölkerung im Gesamten ist insbesondere auch die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter von dem demografischen Wandel betroffen. Als Erwerbsalter gilt hierbei die Spanne zwischen 20 und 64 Jahren. In Abbildung 2 sieht man, dass sich die Zahl der 20 bis 64-jährigen von aktuell 49,7 Millionen bis 2030 um 6 Millionen reduzieren wird (Bundesministerium für Arbeit & Soziales, 2010, S. 9). Durch die Erhöhung des Rentenalters wird der Rückgang zumindest um 2,6 Millionen verringert.
[Abbildungen sind in dieser Leseprobe nicht enthalten]
Abbildung 2 Altersstruktur der Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren, 2010 und 2030 (in 1.000) (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 106).
Abbildung 2 veranschaulicht zusätzlich die bis 2030 erreichte Umstrukturierung der Alterszusammensetzung der Menschen im Erwerbsalter. Die Jüngeren im Alter von 20 bis 34 sowie die mittleren Jahrgänge von 35 bis 59 reduzieren sich insgesamt um 7,9 Millionen, wohingegen die Altersgruppe ab 60 als einzige um 1,6 Millionen steigt. Die geburtenstarken „Baby-Boomer“ Jahrgänge, die aktuell im mittleren bis höheren erwerbsfähigen Alter sind, werden bis 2030 überwiegend in Rente sein. Aufgrund gesunkener Geburtenzahlen ergibt sich insbesondere bei den 35 bis 59 Jährigen ein großer Rückgang von 5,5 Millionen. Das Arbeitskräftepotential wird folglich nicht nur dezimiert, sondern durchschnittlich auch älter (vgl. Abbildung 2). Dabei werden die mit teilweise negativem Vorzeichen versehenen Folgen der demografischen Entwicklung über den deutlichen Anstieg der Erwerbsbeteiligung kompensiert, indem das vorhandene Arbeitskräftepotential einfach besser genutzt wird (vgl. Tabelle 2, Bundesministerium des Innern, 2011, S. 103).
Tabelle
2
Entwicklung der Erwerbstätigenquoten, 2000 – 2010 (in Prozent)
(Bundesministerium des Innern, 2011, S. 103).
[Tabellen sind in dieser Leseprobe nicht enthalten]
Die Erwerbsbeteiligung bei den Frauen entwickelt sich seit den 90er Jahren positiv, im letzten Jahrzehnt ist die Erwerbstätigenquote der 20 bis 64-jährigen sogar um 10% gestiegen (vgl. Tabelle 2). Es gibt zwar immer noch eine deutliche Differenz zu dem Wert der Männer, aber seit 2000 sind es immerhin knapp 6 Prozentpunkte weniger. Die Höhe und Entwicklung der Arbeitsmarktpartizipation deutet darauf hin, dass es hier noch ungenutzte Potentiale gibt. In Tabelle 2 wird deutlich, dass sich insbesondere die Erwerbstätigenquote der 55 bis 64-jährigen sowie 60 bis 64-jährigen um gut 20% jeweils positiv verändert hat. Zwischen 2000 und 2010 hat sich die Erwerbsbeteiligung der 60 bis 64-jährigen mehr als verdoppelt. Die Werte liegen zwar noch deutlich unter denen der Jüngeren, aber die dynamische Zunahme in der Vergangenheit belegt, dass die Nutzung dieses Arbeitskräftepotentials ausgebaut werden kann.
Mit einer schrittweise alternden Belegschaft müssen Unternehmen lernen, umzugehen und im besten Falle auch davon zu profitieren. Durch die Abkehr vom Jugendwahn wird es immer wichtiger, durch entsprechende Maßnahmen die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer bis zum Renteneintritt zu erhalten und einen Wissensverlust aufgrund von Frühverrentung zu vermeiden (Nagel-Jachmann, I., 2016, S. 3). Dennoch kann auf die Rekrutierung jüngerer Nachwuchskräfte nicht verzichtet werden. Aufgrund sinkender Verfügbarkeit müssen sich Unternehmen auf einen „War of Talents“ vorbereiten und alles versuchen, diesen Kampf um junge Talente zu gewinnen. Je nach Branche und Region treffen die Auswirkungen der demografischen Entwicklung die Unternehmen am Arbeitsmarkt mit unterschiedlicher Intensität. Weitere spürbare Folgen liegen hier beispielsweise in der Schwierigkeit bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen und der sinkenden Anzahl potentieller jüngerer Nachwuchs- und Fachkräfte. Zusätzlich einem hohen Rekrutierungsbedarf, wenn die Babyboomer ab 2020 mit der Rente beginnen, einer Altersverschiebung in den Belegschaften auf die über 50-Jährigen sowie einem wachsenden Anteil an über 60-jährigen, die bis zum Renteneintrittsalter aktiv weiterarbeiten. Daraus resultierenden wiederum ein hohes Durchschnittsalter der Belegschaft und die Aufgabe, deren Arbeitsfähigkeit zu erhalten (Nagel-Jachmann, I., 2016, S. 4).
Besonders betroffen von der demografischen Situation sind kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), da ihnen einerseits nicht die gleichen Kapazitäten, Strukturen und Mittel zur Verfügung stehen wie Großunternehmen, um rechtzeitig Strategien des Demografiemanagements zu implementieren, und zum anderen, weil sie oft in ländlicheren Regionen angesiedelt sind und dort noch stärker von einem drohenden Fachkräftemangel und Überalterung gefährdet sind, da es viele Jüngere in die Stadt zieht (Nagel-Jachmann, I., 2016, S. 6). Ein weiterer Vorteil der Großunternehmen erklärt sich über die Imagewirkung und den Bekanntheitsgrad des Markennamens, der viele Nachwuchskräfte im Kampf um einen attraktiven Arbeitsplatz anzieht. Häufig ist die konkrete Altersstruktur in KMU nicht mal bekannt, da die Sensibilität für das Thema noch nicht in ausreichendem Maße geschärft ist. Personalabteilungen gibt es teilweise gar nicht oder nur klein und mit administrativer Ausrichtung, sodass für demografieorientierte Maßnahmen oft kein entsprechender personeller, finanzieller und zeitlicher Raum besteht. Großunternehmen können sich dagegen eine eigene Stabsstelle oder Demografiebeauftragte leisten (Nagel-Jachmann, I., 2016, S. 6). Zur Unterstützung von KMU hat die Bundesregierung gezielte Fördermaßnahmen im Rahmen des Programms „KMU-innovativ“ implementiert und einen „Ratgeber Demografie“ entwickelt, der eine Sammlung an Strategien, Instrumenten und Lösungsansätzen bereit hält, um sich im Wettbewerb innovativ und aktiv aufzustellen (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 99).
Rückgang und Alterung der Bevölkerung haben darüber hinaus Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage auf den Märkten und den Konsum. Es gilt, die durch den demografischen Prozess entstehenden Bedürfnisse durch geeignete Rahmenbedingungen und Anpassungsstrategien zu befriedigen. Die Konsumquote der älteren Haushalte wird steigen. Branchen mit Produkten und Dienstleistungen, die verstärkt von älteren Menschen konsumiert werden, haben gute Chancen, hohes Wachstumspotential umzusetzen. Dies hängt insbesondere auch damit zusammen, dass die über 50-jährigen eine stärkere Kaufkraft besitzen, konsumfreudiger und aufgeschlossener gegenüber Neuerungen sind, als früher (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 98). Besonders große Effekte hat die demografische Entwicklung auf den Gesundheitssektor mit Arztpraxen, Krankenkassen, Wellness-/Sportanbieter, Pharma- und Biotechnologieunternehmen sowie Unternehmen, die durch technologisch anspruchsvolle Lösungen ein selbstbestimmtes Leben im eigenen Haus so lange wie möglich ermöglichen. Auch andere Unternehmen können sich durch eine frühzeitige Positionierung und innovative Angebote Märkte erschließen, sich Wettbewerbsvorteile sichern und den demografischen Wandel als wirtschaftliche Chance nutzen, wenn sie sich auf die aktuelle Entwicklung entsprechend einstellen (Bundesministerium des Innern, 2011, S. 98).
- Arbeit zitieren
- Denise Schmidt (Autor:in), 2016, Smarte Arbeit. Die Digitale Fitness der Generation 50plus und ihre Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit im demografischen Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369386
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