Der Einfluss von Studiengebühren auf das Einschreibeverhalten der Hochschulzugangsberechtigten


Bachelorarbeit, 2017

42 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Aktuelle Debatte zum Einfluss von Studiengebühren

2. Determinanten von Bildungsentscheidungen
2.1. Studiengebühren in Deutschland: Institutionelle Rahmenbedingungen
2.2. Handlungstheoretische Erklärungsansätze für Bildungsentscheidungen
2.2.1. Die Humankapitaltheorie
2.2.2. Entscheidungsmodell nach Gambetta (1987)
2.2.3. Der Signalingansatz nach Spence (1973)

3. Befunde zum Einfluss von Studiengebühren
3.1. Bruckmeier und Wigger (2014)
3.2. Aktueller Forschungsstand zum Einfluss von Studiengebühren auf die Studierneigung von Hochschulzugangsberechtigten
3.2.1. Internationale Perspektive
3.2.2. Befunde zu Auswirkungen der Studiengebühren in Deutschland
3.3. Weitere Auswirkungen von Studiengebühren
3.4. Effekte auf bestimmte Subgruppen

4. Fazit & Ausblick

4.1. Handlungsempfehlungen

4.2. Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Angebots- und Nachfragekurve von Investitionen in Humankapital

Abbildung 2: Rechtsverschiebung der Angebotskurve

Abbildung 3: Verschiebung der Nachfragekurve

Abbildung 4: Bildungsentscheidungen im Signaling-Model

Abbildung 5: The Four Worlds of Student Finance

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Chronologie der bundeslandspezifischen Beschluss-, Einführungs- und Abschaffungszeitpunkte

1. Aktuelle Debatte zum Einfluss von Studiengebühren

Am 14.02.2017 hat der Ministerrat den finalen Regierungsentwurf für die Wiedereinführung von Studiengebühren im Bundesland Baden-Württemberg beschlossen. Demnach müssen ausländische Studierende außerhalb der Europäischen Union ab dem Winter- Semester 2017/2018 Studiengebühren in Höhe von 1.500 € und Zweitstudierende 650 € pro Semester bezahlen (Landtag von Baden-Württemberg, 2017). Die grüne Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Theresia Bauer erklärt, man benötige die Zusatzeinnahmen durch die Erhebung von Studiengebühr, um „die Wissenschaft zu stärken und Internationalisierung mit Augenmaß [zu] gestalten“ (Staatsministerium Baden-Württemberg, 2017).

Dadurch wurde landesweit eine Diskussion losgetreten, die seit der Abschaffung der Studiengebühren im Jahr 2012 „ad acta“ gelegt worden war. Studierende, Studierendenvertretungen und Oppositionspolitiker sorgen sich gleichermaßen um den Erhalt der sozialen Gerechtigkeit, genauer gesagt der Möglichkeit aller Schulabsolventen, unabhängig von der finanziellen Lage des Elternhauses, ein Studium aufzunehmen.

So prognostiziert beispielsweise Maimouna Ouattara, Sprecherin des Bundesverbands ausländischer Studierender (BAS), dass nun nicht mehr die bestqualifizierten Menschen angezogen würden, sondern nur noch jene, die sich Bildung leisten könnten (Bundesverband ausländischer Studierender, 2016). Gemäß einer Stellungnahme des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) zum aktuellen Gesetzesentwurf, welche vom baden- württembergischen Landtag in Auftrag gegeben worden ist, befürchtet Müller (2017) einen Nachfragerückgang der Studienplätze in Baden-Württemberg durch ausländische Studierenden. Das bedeutet, dass ausländische Studierende aufgrund der anfallenden finanziellen Belastung von einem Studium in Baden-Württemberg abgeschreckt werden würden und in andere (Bundes-)Länder abwandern könnten. Der Generalsekretär der Deutschen Studentenwerke vermutet ähnliche Reaktionen und untermauert diese Vermutung mit dem Beispiel Schwedens. Dort ist der Anteil ausländischer Studierender nach der Einführung von Studiengebühren für Ausländer um 80 Prozent eingebrochen (Meyer auf der Heyde, 2017). Für die Bekämpfung des zunehmenden Fachkräftemangels in Deutschland scheint eine derartige bildungspolitische Maßnahme eher kontraproduktiv.

Aus den vorliegenden Belegen kristallisieren sich Bedenken über einen möglichen Rückgang der Studienneigung heraus, die mit einer finanziellen Mehrbelastung Studierender einhergeht. Diese Bedenken machen Wissenschaftler weltweit zu ihrem Forschungsgegenstand. Dabei kommen sie zu teils widersprüchlichen Ergebnissen, ob beziehungsweise welche Effekte durch Studiengebühren ausgelöst werden und in welchem Umfang sich diese gegebenenfalls bemerkbar machen können. Auch die auf Deutschland bezugnehmende Literatur bringt Resultate hervor, die sich inhaltlich teilweise nicht decken. So kommen Dietrich und Gerner (2012) beispielsweise zum Ergebnis, dass Studiengebühren einen Einschreiberückgang in Höhe von bis zu 15 Prozent bewirken. Mitze, Burgard und Alecke (2015) können zwar keinen Rückgang von Neueinschreibern feststellen, aber finden eine erhöhte Bereitschaft zur Mobilität in Bezug zur Studienortwahl. Keine Effekte können Helbig, Baier und Kroth (2012) in ihren Untersuchungen feststellen, auch unter Berücksichtigung verschiedener Subgruppen. Ein völlig gegensätzlicher Ansatz verfolgt Economides, Philippopoulos und Sakkas (2016), die den Studiengebühren sogar einen positiven Effekt zuschreiben. Mithilfe ihres neoklassischen Angebot-Nachfrage-Modells des Gutes (staatliche) Hochschulbildung, kommen sie zum Entschluss, dass Studiengebühren nicht nur den Zustand des Einzelnen verbessern, sondern zusätzlich Einkommensunterschiede reduzieren können.

Diese vier kurzen Beispiele geben einen ersten Eindruck, wieweit die Forschungsergebnisse zu diesem Thema auseinanderfallen können. Unter Bezugnahme weiterer Literatur soll in dieser Untersuchung zunächst ein umfassender Einblick in die im In- und Ausland bestehende Empirie zum Einfluss von Studiengebühren auf die Bildungsentscheidungen gegeben werden. Insbesondere geht diese wissenschaftliche Arbeit der Frage nach, inwieweit die Einführung der Studiengebühren in Deutschland das Einschreibeverhalten der Ersteinschreiber beeinflusst hat beziehungsweise was für eine Wirkung eine erneute Einführung von Studiengebühren haben könnte. Die ausgewählten Studien werden dabei auf ihre Belastbarkeit hin geprüft, um am Ende gegebenenfalls deckungsgleiche, belastbare Resultate zu identifizieren und für eine vorsichtige Annahme zum Effekt der Studiengebühren verwenden zu können.

Diese wissenschaftliche Arbeit gliedert sich im Detail wie folgt: In Kapitel 2 werden zunächst die institutionellen Rahmenbedingungen für Studiengebühren in Deutschland beschrieben und außerdem theoretische Handlungsmodelle für Bildungsentscheidungen aufgezeigt. Kapitel 3 liefert dann einen Überblick über die verschiedenen Forschungsergebnisse im internationalen und innerdeutschen Kontext und erwähnt neben weiteren Auswirkungen von Studiengebühren, auch auffallende Resultate bestimmter Subgruppen. Kapitel 4 liefert eine kurze Zusammenfassung der erlangten Erkenntnisse und gibt Handlungsempfehlungen mit auf den Weg. Ein kurzer Ausblick schließt das letzte Kapitel ab.

2. Determinanten von Bildungsentscheidungen

Gemäß den Ausführungen von Quast, Spangenberg, Hannover und Braun (2012) stellen, neben den erwarteten Studienerträgen, vor allem die Kosten eines Studiums wichtige Determinanten von Bildungsentscheidungen dar. Unter den Studienkosten sind dabei die direkten Kosten und die Opportunitätskosten zu verstehen. Letztere werden durch in ihrer Höhe unter anderem durch das entgangene Einkommen bestimmt. Die direkten Kosten wiederum stellen Aufwendungen dar, die während der Studienzeit unmittelbar anfallen. Diese Kosten können maßgeblich durch gesetzliche Beschlüsse beeinflusst werden, wie beispielsweise durch die Einführung eines Gesetzes zur Erhebung von Studiengebühren. Aufgrund der hohen Relevanz für die nachfolgenden Untersuchungen, wird zunächst erläutert, wie Bildungs- und Hochschulgesetze im föderalen Deutschland zustande kommen und wie sich diese in den einzelnen Bundesländern entwickelt haben.

2.1. Studiengebühren in Deutschland: Institutionelle Rahmenbedingungen

Wie ebenfalls in anderen Ländern üblich, war auch in Deutschland das Studium elitär geprägt und zunächst nur einem sehr kleinen Bevölkerungsteil vorbehalten. Lediglich 3 bis 5 Prozent der Schulabgänger genossen die Bildung an einer Hochschule Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts (Kehm, 2006; Windolf, 1997). Nach dem zweiten Weltkrieg und der damit verbundenen Besetzung Deutschlands durch die Alliierten, wollten diese im Zuge der Demokratisierung auch weniger wohlhabenden Menschen mithilfe finanzieller Unterstützung eine Hochschulbildung ermöglichen. Die Einschreiberate blieb jedoch bei moderaten 10 Prozent, unter anderem da die zu dieser Zeit regierende Partei CDU eine Studiengebühr in Höhe von 300 bis 500 Mark festsetzte (Scanlon, 1993; Haug, 1999).

Erst im Jahr 1970, ein Jahr nachdem die CDU nach 20 Jahren nicht mehr Bestandteil der regierenden Mehrheit war, beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder auf die sogenannten „Hörgelder“ zu verzichten. Ein Studium an deutschen Hochschulen war somit bis in die 2000er Jahre frei von Studiengebühren. Dementsprechend stieg der Anteil von Neueinschreibern von rund 10 Prozent in Siebzigerjahren auf über 30 Prozent in den NeunzigerJahren (Windolf, 1997; Krause, 2008).

Im Jahr 2002 trat das 6. Hochschulrahmenänderungsgesetz in Kraft, welches vom damaligen Bildungsminister Bulmahn (SPD) initiiert wurde und Studiengebühren bundesweit verbieten sollte (Krause, 2008; Wolf & Henkes, 2007).

Aufgrund des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland obliegt die primäre Gesetzgebungskompetenz in kulturpolitischen Angelegenheiten, insbesondere für Bildung, (Hoch-)Schulwesen und Erziehungswesen, bei den einzelnen Bundesländern. Häufig führt diese Regelung zu Meinungsverschiedenheiten und politischen Diskussionen zwischen Bund und Ländern über die Frage, inwieweit der Bund in die Zuständigkeiten der Länder eingreifen darf (Duden Recht, A-Z, 2010).

Auch im Falle des bundesweiten Verbotes von Studiengebühren sahen die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt einen unberechtigten Eingriff des Bundes in Ländersache. Sie zogen vor das Bundesverfassungsgericht und bekamen recht: Das bundeslandübergreifende Verbot von Studiengebühren wurde am 20.01.2005 für nichtig erklärt (Urteil des BVerfG, 2005). Sieben von 16 Bundesländern beschlossen daraufhin die Einführung von Studiengebühren, wobei in allen Landesparlamenten der Gebührenländer die Union regierende Partei war.

Bereits im Dezember desselben Jahres, in dem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verkündet worden war, beschlossen Baden-Württemberg und Niedersachsen die Einführung von Studiengebühren. Zwischen Mai 2006 und Oktober 2006 stimmten dann auch die Länder Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und das Saarland einer Studiengebühr zu. Zum Winter-Semester 2006 erhoben Niedersachsen und Nordrhein- Westfalen als erste Bundesländer in Deutschland eine Gebühr für Studierende. In 2007 folgten schließlich Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und das Saarland.

Die Höhe der jährlichen Gebühren war nicht einheitlich geregelt, sondern die Gestaltung derselben oblag den einzelnen Ländern. Außer zwei der sieben Gebührenländer erhoben alle Bundesländer 500 € pro Semester. Bayern und Nordrhein-Westfalen überließen die Festsetzung ihren Hochschulen, wobei nicht alle Hochschulen den Maximalbetrag von 500 € ausnutzten. Im Durchschnitt lag der Betrag für die Studiengebühren in Bayern und Nordrhein-Westfalen bei 450 € (Hübner, 2012).

Letztendlich wurden Studiengebühren in Deutschland in nur einem kurzen Zeitraum erhoben, da dies ein äußerst unbeliebtes Thema entlang der Bevölkerung war. So kam es, dass bei den jeweiligen Landtagswahlen in den Gebührenländern die CDU entweder an Mehrheit verlor (Bayern, Saarland) oder komplett als regierende Partei ausschied (Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen). Die nachfolgenden Regierungen, die meist aus der SPD in Koalition mit den Grünen bestand, schafften dann die Studiengebühren nach und nach ab. Vorreiter war hier Hessen, wo man bereits zum Winter-Semester 2008 wieder gebührenfrei studieren konnte. Niedersachsen war das Bundesland, das die Studiengebühren am längsten beibehielt und erst nach dem Sommer-Semester 2014 abgeschafft hatte (Garritzmann, 2016). In Tabelle 1 ist eine detaillierte chronologische Aufstellung der Entscheidungen der einzelnen Bundesländer zu finden.

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Chronologie der bundeslandspezifischen Beschluss-, Einführungs- und Abschaffungszeitpunkte (Deutsches Studentenwerk, 2014), eigene Darstellung.

2.2. Handlungstheoretische Erklärungsansätze für Bildungsentscheidungen

Bildungsentscheidungen werden nur selten in der Laufbahn von Personen getroffen, haben aber weitreichende und meist nur schwer revidierbare Auswirkungen auf den Verlauf des weiteren Lebens. Da das zukünftige Einkommen, der soziale Status und nicht zuletzt die Gesundheit eines Individuums durch solche Bildungsentscheidungen maßgeblich beeinflusst werden, sollten diese gründlich überlegt sein (Kristen, 1999; Lampert & Kroll, 2005).

Auch die Entscheidung für beziehungsweise gegen einen Weg in den tertiären Bildungssektor stellt ein sensibler Gabelungspunkt im Leben von Individuen dar und wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Ob auch Studiengebühren bei Bildungsentscheidungen eine mögliche Rolle spielen, kann per se nicht gesagt werden. Die Wissenschaft gibt aber theoretische Konstrukte an die Hand, mit deren Hilfe Entscheidungsprozesse modelliert werden können. Im Folgenden werden ausgewählte Modelle zur Entscheidungsfindung beschrieben und im Anschluss wird geprüft, inwieweit die Thematik der Studiengebühren in diese Konstrukte implementiert werden kann.

2.2.1. Die Humankapitaltheorie

Ein traditioneller Beitrag zur Erklärung von Bildungsentscheidungen liefert der USÖkonom und Nobelpreisträger Becker (1993) in seinem Werk zur Bildung von Humankapital, dass in den Sechzigerjahren entstanden und später weiterentwickelt worden ist.

Seine ökonomische Theorie besagt, dass ein Individuum sich für eine Bildungsmaßnahme entscheidet, sofern die Kosten dieser Maßnahme die zu erwartenden (abgezinsten) Erträge nicht übersteigen. Dabei sind die Kosten eines Studiums in zwei Arten aufzuteilen. Unter den direkten Kosten sind Kosten zu verstehen, die während des Studiums entstehen und bezahlt werden müssen, beispielsweise die Mietkosten, Fahrtkosten oder eben auch Studiengebühren. Als indirekt werden sogenannten Opportunitätskosten bezeichnet, das heißt Kosten, die nicht direkt monetär ins Gewicht fallen. Viel mehr erscheinen sie in erster Linie in Form von entgangenem Einkommen, das aufgrund des Studiums nicht erzielt werden konnte.

Becker stellt diesen Entscheidungsmechanismus anhand des neoklassischen Angebot- Nachfrage-Modells dar, indem die optimale Menge an Bildungsinvestitionen im Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve zu finden ist. In Abbildung 1 wird dieses Modell illustriert. Die Nachfragekurve (D) stellt hierbei die Grenzerträge dar, das heißt das zusätzliche Einkommen je Geldeinheit in Bildungsinvestitionen. Sie hat eine negative Steigung, da die Bildungserträge mit steigenden Investitionen zwar zu nimmt, jedoch die verbleibende Lebensarbeitszeit, in der das zusätzlich erworbene Humankapital zur Erwirtschaftung von Bildungserträgen dient, immer weniger wird (Becker G. S., 1993). Grenzkosten werden in Form der Angebotskurve (S) illustriert. Diese Kurve weist eine positive Steigung auf, das heißt mit steigenden Investitionen in Bildung, steigen auch die Kosten jeder weiteren Einheit. Begründet werden kann dies unter anderem mit der wachsenden Finanzierung durch Studienkredite, deren Zinsbelastung im Zeitablauf immer höher wird. Dort, wo die Kurve der Grenzkosten die Grenzertragskurve schneidet, liegt die optimale Menge an Bildungsinvestitionen (G1).1 Würden weitere Bildungsinvestitionen getätigt werden, so würden die Grenzkosten die Grenzerträge übersteigen und somit ökonomisch nicht sinnvoll sein. Würden weniger Bildungsinvestitionen getätigt werden als die Schnittpunktmenge, so lägen die Grenzkosten oberhalb der Grenzerlöse und das individuelle Potenzial wäre nicht optimal ausgenutzt.

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Angebots- und Nachfragekurve von

Investitionen in Hu mankapital (Kristen, 1999, S. 19)

Studiengebühren können im theoretischen Verhaltensmodell nach Becker zwei Effekte bewirken. Einerseits stellen Studiengebühren direkte Kosten des Studiums dar, die zu einer Verschiebung der Angebotskurve nach rechts führen kann (Abbildung 2). Das bedeutet, dass die Grenzkosten steigen - also jede weitere Einheit an Bildung teurer wird - und daher weniger Bildung durch das Individuum nachgefragt wird (G1 à G2).

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Rechtsverschiebung der Angebotskurve (Kristen, 1999, S. 20)

Im hypothetischen Fall, dass die erzielten Mehreinnahmen durch Studiengebühren für Investitionen in den tertiären Bildungssektor verwendet werden, kann sich der daraus resultierende Nutzen erhöhen und eine Rechtsverschiebung der Nachfragekurve bewirken (Abbildung 3). Dabei geht man beispielsweise von einer Verbesserung der Lehr- und Lernbedingungen aus, wodurch ein größerer Grenznutzen erzielt werden kann. Infolgedessen würde die nachgefragte Menge und der Grenznutzen steigen (G1 à G3).

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Verschiebung der Nachfragekurve (Kristen, 1999, S. 20)

Welcher Effekt dominiert, kann aus dem theoretischen Modell nicht abgeleitet werden, sondern bedarf einer zahlenmäßigen Untermauerung. Da Bildungsentscheidungen aber als Entscheidungsprozesse unter Unsicherheit zu verstehen sind, ist es schwer etwaige Handlungsfolgen zu quantifizieren. Grundsätzlich kann mithilfe dieses Modells jedoch nicht auf einen negativen Effekt von Studiengebühren auf das Studierverhalten geschlossen werden (Fischer G.-B. , 2014).

2.2.2. Entscheidungsmodell nach Gambetta (1987)

Eine weitere Erklärung liefert Gambetta (1987) in seinem Ansatz. Hierzu nennt er drei Einflussfaktoren auf den Entscheidungsprozess im Bildungskontext: Push- und Pull-Faktoren und die persönlichen Intentionen des Einzelnen.

Der erste Ansatzpunkt stellen die sogenannten Constraints dar, das heißt bestehende Hürden, die es zu überwinden gilt und den Einzelnen in eine gewisse Richtung lenken. Diese können institutioneller, kultureller oder ökonomischer Natur sein und werden auch als „Push- Faktoren“ bezeichnet. Beispielsweise ist das Ablegen des Abiturs oder einer vergleichbaren Prüfung eine Hürde, um die Berechtigung zum Hochschulstudium zu erhalten. Constraints, die eher aus der Herkunft des Einzelnen rührt, sind kulturelle und ökonomische Einschränkungen und stellen laut Gambetta (1987) die wichtigsten Push-Faktoren dar. Unterschiedliche Ressourcenausstattungen entlang verschiedener Sozialschichten determinieren zum einen den schulischen Erfolg von Individuen und die damit verbundene Bildungsentscheidung. Zum anderen ist Gambetta (1987) ebenso der Ansicht, dass auch Ressourcen finanzieller Natur den Entscheidungsprozess maßgeblich beeinflussen. Das heißt Personen aus unteren sozialen Schichten entscheiden sich aufgrund anfallender Kosten und wegen dem Verdienstausfall während der Bildungsmaßnahme (Opportunitätskosten) eher gegen einen Verbleib im Bildungswegen als Personen aus höheren sozialen Schichten. Mit dieser Annahme deckt sich der Erklärungsansatz von Boudon (1974), der ebenfalls von Auswirkungen (primärer und sekundärer) Herkunftsfaktoren auf den Bildungsentscheidungsprozess ausgeht.

Bei der zweiten Komponente im Bildungsentscheidungsmodell werden sogenannten Push-Faktoren berücksichtigt. Hierunter wird die Berücksichtigung von zukünftigen Arbeitsmarktgegebenheiten für die Bildungsentscheidung verstanden. Aber auch die gemachten Erfahrungen in der bisherigen Bildungslaufbahn eines Individuums spielen eine große Rolle. So neigen Menschen mit positiv erlebten Bildungserfahrungen eher dazu noch weiter im Bildungssystem zu verweilen als Personen, deren Erfahrungen im Bildungssystem negativ geprägt sind. Dieser Zusammenhang gestaltet sich dabei unabhängig von der sozialer Schichtzugehörigkeit der Individuen (Gambetta, 1987).

Als dritte Säule des Gambetta-Konstrukts sind die individuellen Präferenzen und die persönliche Lebensplanung zu verstehen, wobei diese unabhängig von Push- und Pull-Faktoren sind. Beispielsweise verfügen Individuen über eine eher hohe Bildungsneigung, wenn ihr persönliches Ziel ein hohes Einkommen oder auch soziales Ansehen darstellt.

Des Weiteren kommt Gambetta zu folgendem Schluss: Je weiter ein Individuum in die Zukunft vorausblickt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es weitere Bildungsinvestitionen tätigen wird. Im Gegensatz dazu ist es umso unwahrscheinlicher, dass sich ein Individuum für mehr Bildungsinvestitionen entscheidet, je kürzer sein betrachteter Zeithorizont ist. Mit anderen Worten gesagt neigen Menschen mit längerem Planungshorizont eher dazu auf heutiges Gehalt zu verzichten, um in mittel- oder langfristiger Zukunft ein höheres Gehalt generieren zu können (Gambetta, 1987).

In Gambettas Ansatz lassen sich zwei mögliche Anknüpfungspunkte zur Thematik der Studiengebühren finden. Einerseits können Studiengebühren als ökonomische Push-Faktoren verstanden werden. Dabei kann eine fehlende finanzielle Ressourcenausstattung Ursache sein für eine Entscheidung gegen eine Studienaufnahme. Inwieweit staatliche Unterstützungsprogramme wie BAföG oder ein niedrigverzinster Studienkredit diesen Effekt abschwächen, ist Gegenstand vieler wissenschaftlicher Untersuchungen. Auf diese werden an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen.

Als weiteren Ansatzpunkt kommen die Präferenzen des Individuums in Frage, genauer gesagt die Theorie der Zeitperspektive. Geht man davon aus, dass ein Individuum einen eher kurzfristigen Betrachtungshorizont berücksichtigt, ist anzunehmen, dass es sich im Falle von Studiengebühren gegen die Aufnahme eines Hochschulstudiums entscheidet. Begründet werden kann dies mit der fehlenden Bereitschaft heute Geld zu bezahlen ohne einen direkten oder mittelfristigen Effekt wahrnehmen zu können.

Auch die persönliche Risikoaversion kann sich im Entscheidungsprozess unter Studiengebühren auswirken. Im Falle des Misserfolges im Studiums kann ein finanzieller Schaden durch bereits geleistete monetäre Mittel entstehen. Studiengebühren erhöhen diesen potenziellen finanziellen Schaden entsprechend um ihre Höhe, sodass es unter Umständen zu einer Entscheidung gegen den Eintritt in den tertiären Bildungssektor kommt (Kristen, 1999).

Zusammenfassend kann im vorliegenden Erklärungsansatz von Gambetta eher von negativen Effekten der Studiengebühren ausgegangen werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Falle der persönlichen Präferenzen „keine systematische Klärung erfolgt“ (Kristen, 1999, S. 29) und die Argumente somit zunächst auf einem wackeligen Fundament stehen.

2.2.3. Der Signalingansatz nach Spence (1973)

Anders als in der Humankapitaltheorie von Becker (1993), geht der Signalingansatz nicht von einer steigenden Produktivität durch Bildungsmaßnahmen aus. Spence (1973) sieht in einem Hochschulabschluss vielmehr einen Signalcharakter, indem potenzielle Arbeitgeber Rückschlüsse auf die Produktivität von Bewerbern ziehen können.

Im Detail wird dies begründet durch eine negative Korrelation der individuellen Produktivität und der Kosten für Bildungsmaßnahmen. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass je produktiver ein Individuum ist, desto weniger Kosten für Bildung wird es aufwenden müssen. Im Gegensatz dazu muss ein weniger produktiver Mensch mehr finanzielle Aufwendungen in Kauf nehmen, um einen gleichen Abschluss zu erhalten. Spence begründet dies, neben den Aufwendungen für Nachhilfe, vor allem durch eine längere Studienzeit. Möglicherweise übersteigen diese zusätzlichen finanziellen Kosten von weniger produktiven Studenten den zusätzlichen Ertrag, den sie durch den höheren Bildungsabschluss erreichen würden. Als Konsequenz daraus entscheiden sie sich im Vorfeld gegen ein Studium oder scheiden währenddessen aus. Auf dem Arbeitsmarkt befinden sich theoretisch dann nur noch produktive Bewerber. In Abbildung 4 sind jeweils die Modelle von Individuen mit hoher beziehungsweise niedriger Produktivität skizziert. Während die Kurve des erwarteten Gehalts bei hoher Produktivität oberhalb der Kostenkurve liegt, wird sie bei niedriger Produktivität durch die Kostenkurve geschnitten.

[...]


1 Das Gut „Studium“ lässt sich nicht in unendlich kleine Stücke teilen, sondern kann nur in Form ganzer Studiengänge (Bachelor / Master) konsumiert werden. Es handelt sich hierbei nur um ein theoretisches Konstrukt (Fischer G.-B. , 2014).

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss von Studiengebühren auf das Einschreibeverhalten der Hochschulzugangsberechtigten
Hochschule
Universität Mannheim
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
42
Katalognummer
V372939
ISBN (eBook)
9783668503168
ISBN (Buch)
9783668503175
Dateigröße
670 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Studiengebühr, Studiengebühren, tuition fees, Einschreibeverhalten, Studienanfänger, Studienkosten, Arbeiterfamilien, Nicht-Akademiker-Haushalt, Baden-Württemberg, Studieren, Studium
Arbeit zitieren
Juliane Braun (Autor:in), 2017, Der Einfluss von Studiengebühren auf das Einschreibeverhalten der Hochschulzugangsberechtigten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/372939

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