Verbesserung von Rechtschreibbleistungen

"Rezepte Schreiben". Eine integrative Unterrichtseinheit in der siebten Klasse


Examensarbeit, 2017

52 Seiten, Note: 14 Punkte

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Zielsetzung der Facharbeit
1.2 Aufbau der Untersuchung

2 Der integrative kompetenzorientierte Deutschunterricht
2.1 Kompetenzbereich „Schreiben“
2.1.1 Bedeutung und Funktion der Schriftlichkeit
2.1.2 Schreibkompetenz und Schreibentwicklung
2.1.3 Der Schreibprozess
2.1.4 Anforderungen an den integrativen kompetenzorientierten Schreibunterricht
2.1.5 Das Sprachhandlungskonzept „Rezepte schreiben"
2.2 Kompetenzbereich „Sprache untersuchen und reflektieren"
2.2.1 Die orthografische Norm
2.2.2 Die Prinzipien der Orthografie
2.2.3 Das Prozess- und Erwerbsmodell des Rechtschreibens
2.2.3.1 Kognitive Prozesse beim Rechtschreiben
2.2.3.2 Entwicklungsstufen der kognitiven Rechtschreibung

3 Integrativer kompetenzorientierter Rechtschreibunterricht
3.1 Der Begriff Rechtschreibkompetenz
3.2 Didaktische Konsequenzen fur einen integrativen kompetenzorientierten Rechtschreibunterricht
3.3 Die Struktur des integrativen kompetenzorientierten Rechtschreibunterrichts
3.3.1 Eingangsdiagnose
3.3.2 Kognitive Schulung der Rechtschreibkompetenz
3.3.3 Uben und Anwenden
3.3.4 Reflexion und Evaluation

4 Eine integrative Unterrichtseinheit zur Forderung der Rechtschreibleistungen
4.1 Angestrebter Kompetenzzuwachs innerhalb der Einheit
4.2 Allgemeine und spezifische Lernvoraussetzungen
4.3 Eingangsdiagnose
4.4 Darstellung der Unterrichtseinheit
4.5 Zielsetzung
4.6. Struktur der Unterrichtseinheit
4.7 Didaktisch-methodische Kommentierung und Dokumentation eines Beispiels aus der Praxis
4.7.1 Rechtschreibforderung anhand eigener Rezepte
4.7.2 Ausprobieren der selbstverfassten Rezepte
4.8 Evaluation
4.8.1 Evaluation der Lerngruppe
4.8.2 Entwicklung der Rechtschreibkompetenz zweier Lernender

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Prinzipien der Orthographie (Augst & Dehn, 2007, S. 47)

Abbildung 2 Zwei-Wege-Modell des Schreibens (Augst & Dehn, 2007, S. 39)

Abbildung 3 Schreibentwicklungstabelle (Richter S. , 1998, S. 28)

Abbildung 4 Beispielhafter "Brocken des Tages"

1 Einleitung

Die Rechtschreibung, die in unserem Schriftsystem eine dienende Funktion hat, wird von den Lernenden gefordert, um die lebensweltlichen Anforderungen in Schule, Ausbildung, Beruf und im privaten Bereich zu bewaltigen. Die Leistungen der Lernenden im Hinblick auf die Rechtschreibungen befinden sich im defizitaren Bereich, dies bestatigt die DESI-Studie aus dem Jahr 2008 (vgl. Thome G. , 2014, S. 23). Der Rechtschreibunterricht in Schulen vernachlassigt oft die Vermittlung grundlegender Rechtschreibstrategien und bietet zu wenig Moglichkeiten fur kognitiv basiertes Lernen, um dadurch einen Erwerb der Rechtschreibkompetenzen zu fordern. Dieser nachhaltige Lernprozess und Kompetenzaufbau entspricht der vom hessischen Referenzrahmen geforderten Dimension des Bereichs VI: Lehren und Lernen zur Steigerung der Unterrichtsqualitat und den neugestalteten Bildungsstandards (Hessisches Kultusministerium, 2011, S. 23). Viele Lernende haben trotz des Schriftspracherwerbs in der Grundschule auch in der Sekundarstufe immer noch Schwierigkeiten, orthografische RegelmaGigkeiten zu erkennen und diese innerhalb ihrer Texte umzusetzen. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, die Rechtschreibleistungen der Lernenden auch in der Sekundarstufe weiterhin zu fordern, indem selbst geschriebene Texte rechtschreiblich untersucht werden. Die Zielsetzung ist, die darin enthaltenen Fehler eigenstandig zu finden und zu verbessern (vgl. Wedel-Wolff, 2011, S. 83). Denn laut Wedel-Wolff konnen Rechtschreibkompetenzen nur ausgebildet und gefestigt werden, wenn die Schulerinnen und Schuler selbst Texte verfassen.

1.1 Zielsetzung der Facharbeit

In der Klasse 7 einerintegrierten Gesamtschule in XXXX zeigen sich ebenfalls Defizite im Bereich der Rechtschreibleistungen. Ziel vorliegender padagogischer Facharbeit ist es, fur diese Klasse eine integrative kompetenzorientierte Unterrichtseinheit zu entwickeln, mit deren Hilfe eine Verbesserung der Rechtschreibleistungen erreicht werden soll. Dieser Zielsetzung liegen zwei zentrale Fragestellungen zugrunde:

- Wie konnen die Rechtschreibleistungen im Rahmen einer integrativen kompetenzorientierten Unterrichtseinheit zur Sprachhandlungssituation „Rezepte schreiben" verbessert werden?
- Entspricht die gewahlte Vorgehensweise den Bedurfnissen der Lernenden?

1.2 Aufbau der Untersuchung

Als Einstieg in das Themenfeld werden im zweiten Kapitel die Merkmale eines integrativen kompetenzorientierten Deutschunterrichts dargelegt. AnschlieBend kommen die fachdidaktischen Grundlagen der beiden Kompetenzbereiche Schreiben und Rechtschreiben zur Sprache. Danach erfolgt im dritten Kapitel eine kurze Darlegung des integrativen kompetenzorientierten Rechtschreibunterrichts. Hierbei werden besonders die didaktischen Konsequenzen und der strukturelle Aufbau einer solchen Unterrichtseinheit beleuchtet. Das darauf folgende vierte Kapitel stellt den Schwerpunkt dieser Arbeit dar, da es die zuvor aufgefuhrten theoretischen Grundlagen mit der Praxis zusammenfuhrt. Zunachst wird der angestrebte Kompetenzerwerb dargestellt. Weitergehend folgen die allgemeinen und speziellen Lernvoraussetzungen und die Eingangsdiagnose, die fur die anschlieBende Zielformulierung und Konzeption der Unterrichtseinheit unverzichtbar sind. Der vorgegebene Rahmen dieser padagogischen Facharbeit erlaubt nur die Kommentierung und Dokumentation einzelner Beispiele der Unterrichtseinheit. Mit einer Evaluation der Unterrichtseinheit und einzelner Lernender schlieBt das vierte Kapitel ab. Im Anschluss daran erfolgt ein bilanzierendes und kritisches Fazit.

2 Der integrative kompetenzorientierte Deutschunterricht

Ziel ist es, dass die Lernenden im Rahmen des Deutschunterrichts grundlegende Fahigkeiten fur einen kompetenten Umgang mit der deutschen Sprache erwerben, um aktiv am kulturellen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu konnen. Die Kompetenzbereiche gliedern sich zunachst in Mundlich- und Schriftlichkeit auf.

Daraus resultieren vier Kompetenzbereiche[1], die in einer wechselseitigen Abhangigkeit stehen und aufeinander bezogen sind. Im Sinne eines integrativen kompetenzorientierten Deutschunterrichts ist es notwendig, sie miteinander zu vernetzen. Daruber hinaus zeichnet sich diese Art des Unterrichts dadurch aus, dass sie arbeits-, lernbereichs- und facherubergreifend stattfindet und sich in schulischen und auBerschulischen Zusammenhangen abspielt (vgl. Kunze & Krejci, 2003, S. 46). Des Weiteren sind die Besonderheiten der Lernenden zu berucksichtigen, die zukunftig einer immer komplexer werdenden Lebenswelt gegenuberstehen, in der sie sich zurechtfinden mussen (vgl. Kunze & Krejci, 2003, S. 47). Dabei steht die Schulung der Problemorientierung in Zusammenhang mit der Forderung der verschiedenen Lernbereiche, der Arbeits- und Sozialformen und der Projektarbeit im Vordergrund. Laut Merz-Grotsch ist es von besonderer Wichtigkeit, nicht nur einen facherverbindenden Unterricht zu gewahrleisten, sondern auch die einzelnen Lernbereiche des Deutschunterrichts miteinander zu verknupfen (vgl. 2016, S. 99). Die Unterrichtseinheit, die innerhalb dieser padagogischen Facharbeit vorgestellt wird, befasst sich vor allem mit der Verbindung der Kompetenzbereiche Texte schreiben und Rechtschreiben. In den Bildungsstandards gliedert sich der Bereich Schreiben in drei grundlegende Bereiche: „uber Schreibfertigkeiten verfugen", „richtig schreiben" und „Texte verfassen" (Hessisches Kultusministerium, S. 10 f.).

2.1 Kompetenzbereich „Schreiben“

Innerhalb des Kompetenzbereiches „Schreiben" sollen die Lernenden „Texte im Rahmen einer kommunikativen Schreibkultur dem Zweck und Thema entsprechend adressatengerecht gestalten und reflektieren" (Hessisches Kultusministerium, S. 13). Um diese Kompetenz zu vermitteln, benotigen Lehrende Wissen uber die Bedeutung und Funktion der Schriftlichkeit, der Schreibkompetenz und der Schreibentwicklung, des Schreibprozesses und der Anforderungen an einen integrativen kompetenzorientierten Schreibunterricht. Diese Aspekte stehen in folgendem Kapitel im Fokus der Betrachtung. Zusatzlich wird das Sprachhandlungskonzept „Rezepte schreiben" vorgestellt, da es fur den weiteren Verlauf vorliegender Arbeit eine wichtige Rolle spielt.

2.1.1 Bedeutung und Funktion der Schriftlichkeit

Im Alltag einer literalen Gesellschaft ist die Schriftlichkeit allgegenwartig, denn Wissen und Kenntnisse werden uberwiegend in Texten niedergeschrieben und aus Texten bezogen. Ein kompetenter Umgang mit der Schriftlichkeit ist fur die Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen unverzichtbar und erleichtert diese. Weiterhin wird damit ein selbstbestimmtes, gelingendes Leben in personlicher sozialer und okonomischer Hinsicht moglich (vgl. Merz-Grotsch, 2016, S. 9).

Aus diesen Grunden sollen im Folgenden die verschiedenen Funktionen des Schreibens mit ihren verbundenen Intentionen und Arbeitstechniken erlautert werden. Der kommunikativen Funktion des Schreibens kommt eine Schlusselrolle zu, da eine Vielzahl kommunikativer Absichten des Schreibens als zentral anzusehen sind und dazu viele Textmuster zur Verfugung stehen. Hier dient das Schreiben dem Austausch, der Verstandigung und der Unterhaltung. Weitere Teilfunktionen stellen zum Beispiel die Informations- und Obligationsfunktion sowie die appellative Funktion dar (vgl. Merz-Grotsch, 2016, S. 13). Des Weiteren gibt es noch die memorativ-konservierende Funktion: Das Schreiben wird als Werkzeug verwendet, um Gedanken und Informationen festzuhalten, zum Beispiel bei der Formulierung eines Plans oder Konzeptes. Bei der epistemischen Funktion dient das Schreiben als kognitives Werkzeug des Denkens und Lernens: Der Schreiber befindet sich in einem Dialog mit sich selbst. Dadurch fordert er nicht nur seine Erkenntnis, sondern kreiert gedankliche Konzepte, aus denen er neue Zusammenhange herstellen kann. Die selbstreflexive Funktion sieht das Schreiben als Unterstutzung fur die Reflexion, den Selbstausdruck und die Identitatsentwicklung. Diese reflexive Anwendungsweise geschieht vor allem beim Schreiben eines Tagebuchs, indem Bezug auf das eigene Leben genommen wird. In eine ahnliche Richtung gehen auch das Arbeitsjournal, die Lerntagebucher und Portfolios. Hierbei steht naturlich die Prozessdokumentation im Vordergrund und nicht das Produkt, da das Schreiben dazu dient, das eigene Lernverhalten zu dokumentieren, kritisch zu uberprufen und gegebenenfalls zu andern.

2.1.2 Schreibkompetenz und Schreibentwicklung

Die Schreibkompetenz wird laut Fix als eine Fahigkeit verstanden, pragmatisches und inhaltliches Wissen sowie Textstruktur- und Sprachwissen in einem Schreibprozess so anzuwenden, dass das Textprodukt den Anforderungen einer Schreibaufgabe gerecht wird. Neben diesem Wissen sind weitere Teilkompetenzen notig. Zuerst sollte mithilfe der Zielsetzungskompetenz das konkrete Schreibziel aufgrund der Analyse der Schreibfunktion und der Schreibsituation festgelegt werden. Selbstverstandlich muss die inhaltliche Kompetenz gegeben sein, um vor dem Schreiben eines Textes das Vorwissen zu aktivieren, beziehungsweise neues Wissen zu rezipieren. Die Strukturierungskompetenz wird benotigt, um eine sinnvolle koharente Textstruktur zu finden und ein Textmuster zu realisieren. AbschlieGend kommt im Rahmen der Schreibkompetenz auch die Formulierungskompetenz zum Einsatz (vgl. Fix, 2008, S. 33).

Besonders entscheidend fur die Schreibkompetenz ist die Motivation, die die Lernenden dem Schreiben entgegenbringen. Es sind also vielfaltige Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen Schreibanlassen und Textarten in sozialen Kontexten notwendig, um eine Schreibentwicklung voranzutreiben. Dieser Prozess beginnt jedoch nicht mit einzelnen Teilfertigkeiten, die aufeinander aufbauen, sondern verlauft parallel in allen Dimensionen. Die Schreibentwicklung durchlauft mehrere Phasen: von den ersten Schreibversuchen mit circa funf Jahren bis hin zur dritten Ausbauphase der literalen Orientierung innerhalb der Adoleszenz. Dieser Verlauf stellt einen Rahmen dar, in dem sich die individuelle Entwicklung eines jeden Schreibers vollzieht und sollte nicht als Norm missverstanden werden, da besonders der Schreibunterricht einen groGen Einfluss auf diesen Prozess hat und die individuelle Entwicklung groGe Varianzen aufweist (vgl. Bottcher & Becker-Mrotzek, 2006, S. 74 ff.).

2.1.3 Der Schreibprozess

Der traditionelle Aufsatzunterricht war vollig auf den fertigen Text ausgerichtet, der an die klassischen Darstellungsformen, wie zum Beispiel den Bericht, die Beschreibung und die Erorterung, gebunden war. Mithilfe der Erkenntnisse der Schreibforschung entwickelte er sich weg vom perfekten Endprodukt hin zur Orientierung am Schreibprozess (vgl. Fix, 2008, S. 36). Der fertige Text ist heute immer noch von besonderer Wichtigkeit, aber die Phasen der Planung und der Uberarbeitung erhalten ein starkeres Gewicht, da diese das eigentliche Schreibenlernen erst ausmachen. Insbesondere das Uberarbeiten erhalt groBe Aufmerksamkeit, denn auch Kinder und Jugendliche sollen lernen, was Erwachsene meist intuitiv ausfuhren, denn zumeist schreiben diese nicht einfach drauf los, sondern uberarbeiten Texte nach dem ersten Schreiben (vgl. Payrhuber, 2016, S. 4). Das Schreiben von Texten ist schwer, denn es werden „gleichermaBen emotionale, kognitive, soziale und sprachliche Aspekte beruhrt" (ebd.S. 5). Motivationale Vorgange mit kognitiven und emotional-affektiven Komponenten sind die Grundlage jeden Schreibens, das bedeutet, dass Lernende ohne jegliche Motivation nicht schreiben wurden. Nicht auBer Acht zu lassen sind auch „Schreibanlass, emotionale Lage des Schreibers, Vorstellungen vom Adressaten, Ort und Zeit der Textproduktion, [...], inhaltliches Vorwissen, kognitive Fahigkeiten [und] emotionale Fahigkeiten" (Payrhuber, 2016, S. 5). Mithilfe dieser Grundlage kann der Schreiber eine Zielvorstellung entwickeln und eine Vorstellung des eigenen Texts entwerfen. Erst im Anschluss an diese Prozesse ist es ihm moglich, einen weiteren Schritt zu vollziehen und eine erste Version des eigenen Textes innersprachlich zu entwerfen. Danach kann der Entwurf verschriftlicht werden. Die „redigierenden Tatigkeiten" (Payrhuber, 2016, S. 5), also die vielfaltigen Formen des Uberarbeitens, haben Einfluss auf diesen ersten verschriftlichten Entwurf, denn wahrend des gesamten Vorgangs findet ein standiger Wechsel zwischen Lesen, Schreiben, Uberarbeiten und Entwerfen statt. Dies zeigt, dass das Schreiben kein linearer Prozess ist, sondern ein rekursiver, bei dem die Phasen des Planens, Formulierens und Uberarbeitens parallel stattfinden (vgl. Bottcher & Becker-Mrotzek, 2006, S. 105). Besonders Lernende benotigen aus diesen Grunden genugend Zeit, um ihre eigenen Texte zu verfassen. Pausen sind bei diesem Vorgang ebenso von Bedeutung, um Abstand zu gewinnen, damit sie ihre Texte noch besser uberarbeiten konnen. Fur Lehrende ist es ratsam, ihre Lernenden in dieser Zeit besonders in „bestimmten orthographischen, grammatikalischen und stilistischen [U]nsicherheiten“ zu beraten und zu unterstutzen. Allerdings sollte in den eigentlichen Prozess des Schreibens nicht korrigierend eingegriffen werden, sondern eher die Uberarbeitungskompetenz der Lernenden angebahnt und weiterentwickelt werden (Payrhuber, 2016, S. 7).

2.1.4 Anforderungen an den integrativen kompetenzorientierten Schreibunterricht

Die Schreibdidaktik soil den Lehrenden die Moglichkeit aufzeigen, wie Lernende im Unterricht auf dem Weg begleitet werden konnen, Texte zu verfassen. Die Erkenntnisse aus der Forschung zeigen, dass es empfehlenswert ist, sich im Schreibunterricht am Lernenden zu orientieren und die individuellen Potenziale, Lernvoraussetzungen und Interessen mit einzubeziehen. In einem schulerorientierten Schreibunterricht ist eine Differenzierung notwendig, das heiGt, der Lehrende muss auf die Heterogenitat der Lerngruppe eingehen und Lernangebote in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden anbieten, damit er allen Lernern gerecht werden kann. Auf dieser Basis sollte die Individualisierung stattfinden, bei der jeder Lernende wahrend des Schreibunterrichts eine fur ihn passende Unterstutzung erhalt. Von besonderer Wichtigkeit ist es, die individuelle Motivation der Lernenden zu nutzen. Dies bedeutet, dass Schreibwunsche, - bedurfnisse und -anregungen berucksichtigt werden und das Schreiben zu Themen stattfindet, die das personliche Interesse der Lernenden widerspiegeln (vgl. Merz-Grotsch, 2016, S. 63). Die daraus entstehenden unterschiedlichen Vorgehensweisen von „versierten und weniger geubten Schreibern" (Baurmann & Muller, 1998, S. 17) sollten berucksichtigt und gefordert werden, denn „Schreibende brauchen einen Koffer mit Werkzeugen, mit Techniken und Strategien. Sie brauchen weiter das Wissen und Konnen, die Werkzeuge laufend neu aufeinander abzustimmen und ihren Koffer fur neue Aufgaben neu zu packen" (Kruse & Perrin, 2002, S. 12).

Des Weiteren ist zu empfehlen, dass der Schreibunterricht prozessorientiert angelegt ist, um systematisch die Entwicklung des Schreibens zu beleuchten. Denn wie bereits erwahnt, sind das Planen, Konzipieren, Formulieren, Revidieren dynamische Prozesse, bei denen zu jeder Zeit die Moglichkeit besteht, vorangegangene Teilprozesse wieder aufzunehmen. Der prozessorientierte Schreibunterricht, wie bereits in Kapitel 2.1.3 ausgefuhrt, ermoglicht somit einen differenzierten Unterricht, der Lernende in die Lage versetzt, in kleinschrittiger Art und Weise zu einem Text zu gelangen, bei dem die Lehrkraft in Teilprozessen immer wieder Hilfestellungen geben kann.

Auch sollte jede Unterrichtseinheit integrativ konzipiert sein, denn sprachliches Lernen wird nur in sinnvollen ganzheitlichen Zusammenhangen fur Lernende greifbar (Merz-Grotsch, 2016, S. 95). Der Schreibunterricht hat die Aufgabe, Bereiche zu integrieren, die vorher getrennt waren. Es geht nicht um die Abarbeitung einzelner Themen in den einzelnen Fachern, vielmehr sind eine Vernetzung und groBere Zusammenhange herzustellen, um einen Sinn fur den Lernenden sichtbar, spurbar und lernbar zu machen. Dies stellt sicher, dass ein lernpsychologisch begrundbarer schulerorientierter Unterricht stattfinden kann (vgl. Ossner & Esslinger, 1996, S. 90).

Die Anforderungen an den Schreibunterricht lassen sich anhand des Sprachhandlungskonzepts „Rezepte schreiben" genauer betrachten und analysieren.

2.1.5 Das Sprachhandlungskonzept „Rezepte schreiben“

Gebrauchstexte spielten innerhalb der Deutschdidaktik lange Zeit keine wichtige Rolle und auch aus diesem Grund hatten Lernende beim Lesen und Verstehen dieser Textsorte groBe Defizite (vgl. Lange & Petzoldt, 2016, S. 74). Erst um die Jahrtausendwende ruckten Gebrauchstexte im Zusammenhang mit der PISA- Studie wieder in den schulischen Fokus. Zu dieser Gruppe gehoren regulative Texte (Schulordnungen), appellierende Texte (Werbeanzeigen), wertende Texte (Theaterrezensionen) und informierende Texte (Sachtext, Gebrauchsanweisung, Rezept).

Beim Sprachhandlungskonzept „Rezepte schreiben" gibt es eine deutliche Adressatenorientierung, da es zum handelnden Nachvollzug auffordert (vgl. Payrhuber, 2016, S. 81). Um das „Rezepte schreiben" in einem sinnvollen Zusammenhang zu uben, empfiehlt es sich, dass in diesem Unterrichtsvorhaben nach dem Verschriftlichten der Rezepte gemeinsam gekocht wird. Hierbei lasst sich uberprufen, ob die Informationen des Rezeptes ausreichen und ob die Erklarungen verstandlich formuliert sind. Den Lernenden sollte der Grund fur die Verschriftlichung eines Rezeptes klar sein, denn sie mochten andere dazu anregen, die Gerichte zu kochen. Der Handlungsverlauf wird sichtbar und schriftlich mittvollzogen. Zutaten, Mengenangaben und benotigte Gerate sind aufgelistet und die Arbeitsschritte sind in der richtigen Reihenfolge notiert (vgl. Payrhuber, 2016, S. 81).

Das Sprachhandlungskonzept „Rezepte schreiben" wurde von den Lernenden selbst gewahlt, sodass die Motivation beim Schreiben als hoch anzusehen ist (Baurmann & Muller, 1998, S. 17). Mit dem Schreiben eines Rezeptes geht ein realistischer Adressat und eine kommunikative Funktion einher, in der die Lernenden den Adressaten ermuntern und instruieren mochten, das vorliegende Rezept selbst auszuprobieren (vgl. Merz-Grotsch, 2016, S. 14). Innerhalb des integrativen kompetenzorientierten facherubergreifenden Unterrichts werden die Rezepte, die im Deutschunterricht verschriftlicht werden, auch im Fach Arbeitslehre auf ihre Durchfuhrbarkeit hin uberpruft. Die Lerngruppe mochte auBerdem, dass ihre selbsterstellte Rezeptsammlung von anderen gelesen und verstanden wird. Aufgrund dieser Tatsache wird die Rechtschreibung mit ihrer dienenden Funktion verdeutlicht und eine rechtschriftliche Uberarbeitung der eigenen Texte ist nun auch fur die Schreiber sinnvoll und nachvollziehbar (vgl. Wedel-Wolff, 2011, S. 55). Aus diesem Grund ist das Ziel „Unsere Lieblingsrezepte - Wir erstellen ein Kochbuch fur unser Schulfest!" fur die Lernenden besonders motivierend.

2.2 Kompetenzbereich „Sprache untersuchen und reflektieren“

In diesem Kapitel werden der Begriff Orthografie und die Prinzipien der deutschen Rechtschreibung erlautert. Des Weiteren erfolgt eine Darstellung des Prozess- und Erwerbsmodells des Rechtschreibens. Die kognitiven Prozesse beim Rechtschreiben und die Entwicklungsstufen der kognitiven Rechtschreibung stehen anschlieBend im Blickpunkt der Betrachtung.

2.2.1 Die orthografische Norm

Der Begriff Orthografie ist eine Lehnubersetzung aus dem Griechischen (griechisch: orthos ^ „richtig" und graphein ^ „schreiben“) und bezeichnet die richtige Schreibweise der Worter einer Sprache sowie die Wissenschaft, die sich mit dem rechten Schreiben befasst (Durscheid, 2006). Die Schreibweise von Wortern ist durch die Orthografie einheitlich und verbindlich festgelegt. Abgesehen von wenigen Ausnahmen gibt es fur jedes Wort nur eine mogliche Schreibweise. Diese Einheitlichkeit wird durch die zuvor erwahnten Ausnahmen mit variabler Schreibweise nicht gefahrdet, da auch diese genau festgelegt sind (Eisenberg, 2008). Die Orthografie der deutschen Sprache besteht seit ungefahr 250 Jahren und ermoglicht eine von Dialekten unabhangig gleiche Schreibweise in Schrift und zugesprochen werden kann oder der eine grammatische Funktion zukommt. Alle Worter, die demselben Wortstamm (Grundmorphem) zugeordnet werden konnen, haben eine analoge Schreibweise, wodurch die Identifizierung beim Lesen erleichtert wird (vgl. Thome G. , 2000, S. 15). Dieses Prinzip widerspricht in einigen Fallen dem lautlichen Prinzip und wird diesem ubergeordnet. Das lasst sich beispielhaft am Wort Walder aufzeigen:

Beispiel: [vsldeR] ^ Walder wegen: Wald

AuGerdem trifft dieses Prinzip der Gleichschreibung auch auf Prafixe (an-, ver-, zer-, etc.), Suffixe (-ung, -nis, -keit, etc.) und Flexionsmorpheme (-e, -st, -t, -en, etc.) zu (Augst & Dehn, 2007, S. 117).

Teile von Texten konnen grammatisch gegliedert bzw. besonders gekennzeichnet werden, um sie besser lesbar zu machen. Diese Form der Hervorhebung, das grammatische Prinzip, bezieht sich auf die folgenden Bereiche: den Bereich der Markierung von Wort- und Satzgrenzen inklusive der Getrennt- und Zusammenschreibung und der Schreibung mit Bindestrich, der Interpunktion und der GroG- und Kleinschreibung (vgl. Augst & Dehn, 2007, S. 46).

2.2.3 Das Prozess- und Erwerbsmodell des Rechtschreibens

Der Schriftspracherwerb beziehungsweise das Schreiben stellt neben auditiven, visuellen und motorischen Prozessen eine erhebliche Anforderung an die sprachlich-kognitiven Fahigkeiten des Lernenden:

„Das Erlernen des Rechtschreibens wird in der Tradition kognitiver und konstruktivistischer Lerntheorien als ,eigenaktiver Regelbildungsprozess‘ beschrieben, ,in dessen Verlauf das orthographische System, das den Schreibungen zugrunde liegt, vom Lerner rekonstruiert wird." (Richter A. , 2008, S. 22)

Um die Komplexitat dieser kognitiven Leistungen aufzuzeigen, werden in folgendem Abschnitt die kognitiven Prozesse beim Rechtschreiben sowie deren Entwicklungsstufen der kognitiven Rechtschreibfertigkeiten dargestellt.

2.2.3.1 Kognitive Prozesse beim Rechtschreiben

Die basalen, kognitiven Prozesse lassen sich mit dem Zwei-Wege-Modell von Augst und Dehn beschreiben (2007, S. 39). Das Modell erlautert die kognitiven

Prozessablaufe von der Aufnahme zur regel- und ausnahmegeleiteten Produktion. Der erste Weg beinhaltet die Speicherung vor der Produktion, das bedeutet, dass das Wort zunachst auditiv aufgenommen wird. Danach findet die Suche nach der Bedeutung im Gedachtnis statt. AnschlieBend erfolgt eine Uberprufung, ob ein Schreibschema zu diesem Wort gespeichert wurde. Wenn ein Grundmuster verfugbar ist, wird das Wort unter Befolgung der orthografischen Norm korrekt geschrieben (Augst & Dehn, 2007, S. 40). Der zweite Weg kommt zum Einsatz, wenn die Bedeutung klar ist, aber kein passendes Schreibschema vorliegt. Ein mogliches Schema wird anhand des auditiv aufgenommenen Wortes mithilfe der Laut-Buchstaben-Zuordnung erzeugt, bevor es ebenfalls unter Berucksichtigung der orthografischen Norm niedergeschrieben wird (vgl. Augst & Dehn, 2007, S. 40).

Beide Wege konnen sich erganzen, indem beispielsweise ein bereits bekanntes Schreibschema zusatzlich durch Weg 1 die LBZ uberpruft wird. Nach erfolgreicher Uberprufung der Schreibweise nach dem zweiten Weg erfolgt eine Erweiterung der kognitiven Einsichten zur Wes2 Rechtschreibung durch die Durchdringung, Erschliel3>ung und Aneignung neuer Schreibschemata (Augst & Dehn, Abbildu 2007, S. 40).

2.2.3.2 Entwicklungsstufen der kognitiven Rechtschreibung

Der Schriftspracherwerb kann als Entwicklungsprozess angesehen werden, der im orthografisch korrekten Schreiben endet. Laut Spitta lasst er sich in sechs Phasen gliedern, die den Ablauf des Schreibenlernens verdeutlichen (Richter S. , 1998, S. 28)

Die Lernenden entwickeln in der Auseinandersetzung mit der Schrift unterscheidbare kognitive Fahigkeiten, sie bewaltigen orthografische Anforderungen (Richter S. , 1998, S. 28). Allerdings findet keine lineare Abfolge statt, sondern eine sukzessive Aneignung mit unterschiedlicher Auspragung der Phasen und des Entwicklungsstandes. Bei einer Analyse der Schreibprodukte der Lernenden kann eine Einordnung der kognitiven Prozesse und des Entwicklungsstands der Lernenden vorgenommen werden.

3 Integrativer kompetenzorientierter Rechtschreibunterricht

Innerhalb des Deutschunterrichts hat die Rechtschreibung beziehungsweise das „normgerechte Schreiben" einen hohen Stellenwert (vgl. Kultusministerium, 2011, S. 19). Auch zukunftig spielt das regel- und normgerechte Schreiben im Alltag und Berufsleben der Lernenden eine grotte Rolle. Trotz dieser hohen Relevanz wird der normgerechten Schreibung ab der siebten Klasse keine grotte Bedeutung und Ubungszeit mehr beigemessen. Hinzu kommt, dass das Thema „Rechtschreibung“ haufig losgelost von anderen Inhalten betrachtet und nicht in den Bereich des Schreibunterrichts integriert wird, indem auch freie Texte geschrieben werden konnen (vgl. Kretschmer, 2007, S. 29).

[...]


[1] Zu diesen Kompetenzbereichen gehoren laut hessischem Kultusministerium das Sprechen und Zuhoren, Schreiben, Lesen und Rezipieren - mit literarischen und nichtliterarischen Texten und Medien umgehen und Sprache und Sprachgebrauch untersuchen und reflektieren.

Ende der Leseprobe aus 52 Seiten

Details

Titel
Verbesserung von Rechtschreibbleistungen
Untertitel
"Rezepte Schreiben". Eine integrative Unterrichtseinheit in der siebten Klasse
Note
14 Punkte
Jahr
2017
Seiten
52
Katalognummer
V377921
ISBN (eBook)
9783668576506
ISBN (Buch)
9783668576513
Dateigröße
2225 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rechtschreibung, Förderung der Rechtschreibung, Rechtschreibleistungen auswerten, Rechtschreibleistungen beurteilen, integrativer Deutschunterricht, Rezepte schreiben, integrativer Rechtschreibunterricht
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Verbesserung von Rechtschreibbleistungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/377921

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